Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bush plante einen "Regimewechsel" im Irak schon vor zwei Jahren / Bush planned Iraq "Regime Change" before becoming President

Sunday Herald enthüllt geheime Planungsstudie aus der Denkfabrik "Project for the New American Century" (PNAC) / The "Sunday Herald" uncovered a secret blueprint from the think-tank "Project for the New American Century" (PNAC)

Die in Schottland erscheinende Zeitung Sunday Herald befasste sich am 15. September 2002 mit einer bislang nicht bekannt gewordenen Studie aus dem Umkreis des Wahlkampfteams des Präsidentenanwärters George W. Bush Jun. Darin wurde schon im Herbst 2000 die Entmachtung des irakischen Staatschefs Saddam Hussein gefordert. Wir dokumentieren die wesentlichen Passagen des Artikels (Autor: Neil Mackay) in einer deutschen Übersetzung, die Hermann Kopp für uns besorgte, sowie im englischen Original.


[Sunday Herald - 15. September 2002]: ... Der vom Sunday Herald aufgedeckte Plan für die Schaffung einer "globalen Pax Americana" wurde entwickelt im Auftrag von Dick Cheney (dem jetzigen Vizepräsidenten), Donald Rumsfeld (Verteidigungsminister), Paul Wolfowitz (Rumsfelds Stellvertreter), George W. Bushs jüngerem Bruder Jeb und Lewis Libby (Cheneys Stabschef). Das Dokument, das den Titel trägt: "Rebuilding America's Defenses: Strategies, Forces And Resources For A New Century" [Amerikas Verteidigungsmittel umgestalten: Strategien, Kräfte und Ressourcen für ein neues Jahrhundert] wurde im September 2000 von der neokonservativen Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) verfasst. Es beweist, dass Bushs Kabinett, ob mit oder ohne Saddam Hussein an der Macht, die Golfregion unter amerikanische Kontrolle zu stellen beabsichtigte: "Die Vereinigten Staaten haben seit Jahrzehnten versucht, eine dauerhaftere Rolle in der Sicherheitsarchitektur am Golf zu spielen. Der ungelöste Konflikt mit dem Irak liefert zwar die unmittelbare Begründung dafür, die Präsenz einer substantiellen amerikanischen Streitmacht am Golf aber ist ganz unabhängig von der Frage des Saddam-Hussein-Regimes nötig." Das PNAC-Dokument entwirft einen Plan, "wie die globale US-Vorherrschaft aufrecht erhalten, dem Aufstieg einer rivalisierenden Großmacht vorgebeugt und die internationale Sicherheitsordnung gemäß amerikanischen Prinzipien und Interessen gestaltet werden kann".

Diese "amerikanische Großstrategie" müsse "soweit wie nur möglich in die Zukunft" projiziert werden, heißt es in dem Papier. Es sieht eine "Kernaufgabe" der USA darin, "zahlreiche größere Kriege gleichzeitig durchkämpfen und für sich entscheiden" zu können.

Die Studie versteht die amerikanischen Streitkräfte im Ausland als "die Kavallerie im neuen amerikanischen Grenzland". Sie unterstützt ein früheres, von Wolfowitz und Libby verfasstes Dokument [gemeint ist offenbar das Defense Planning Guidance vom Februar 1992 - vgl. dazu Marxistische Blätter 6-01, S. 16], wonach die USA "hochentwickelte Industriestaaten davon abzuhalten (hätten), unsere Führung in Frage zu stellen oder auch nur eine größere regionale oder globale Rolle spielen zu wollen".

Das PNAC-Gutachten
  • sieht in solchen engsten Verbündeten wie dem Vereinigten Königreich "das effektivste und effizienteste Mittel, die globale Führung Amerikas auszuüben";
  • meint, dass für friedenserhaltende Maßnahmen "eher die politische Führung der USA als die der Vereinten Nationen erforderlich" sei;
  • bringt Besorgnisse in der US-Administration über eine mögliche Rivalität Europas an den Tag;
  • sagt, dass "selbst dann, wenn Saddam von der politischen Bühne verschwinden würde", die Stützpunkte in Saudi-Arabien und Kuwait auf Dauer bleiben müssen - trotz interner Opposition in den Golf-Regimen gegen die Stationierung von US-Truppen -, da "sich der Iran wohl als eine ebenso große Gefahr für die US-Interessen erweisen dürfte, wie dies beim Irak der Fall war";
  • orientiert auf einen "Regimewechsel" in China und betont, "es ist an der Zeit, die Präsenz amerikanischer Streitkräfte in Südostasien zu verstärken". Dies sollte dazu führen, dass "durch die Macht Amerikas und seiner Verbündeten der Demokratisierungsprozess in China vorangetrieben wird";
  • fordert die Schaffung von "US-Weltraumstreitkräften", um den Weltraum zu beherrschen, und die vollständige Kontrolle des Cyberspace, um "Feinde" daran zu hindern, das Internet gegen die USA zu benutzen;
  • deutet an, dass die USA, obwohl sie dem Irak wegen der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen mit Krieg drohen, die Entwicklung von biologischen Waffen - die die Nation verboten hat - über Jahrzehnte hinaus in Betracht ziehen: "Neue Angriffsmethoden - elektronische, 'nicht-letale', biologische - werden noch breiter verfügbar sein ... der Kampf wird in neuen Dimensionen stattfinden, im Weltraum, im Cyberspace, und vielleicht in der Welt der Mikroben ... fortgeschrittene Formen biologischer Kriegführung, die auf spezifische Genotypen 'zielen', könnten die biologische Kriegführung aus der Welt des Terrors holen und zu einem politisch nützlichen Instrument machen";
  • und brandmarkt Nord-Korea, Libyen, Syrien und den Iran als gefährliche Regime und sagt, deren Existenz rechtfertige die Schaffung eines "weltweiten Kommando- und Kontrollsystems".
Tam Dalyell, Labour-Abgeordneter, rangältestes Mitglied des Unterhauses und einer der führenden Rebellen gegen einen Irakkrieg, meinte:
"Das ist der Schund aus rechten Denkfabriken, in denen Falken mit Spatzenhirnen hocken - Leute, die nie die Schrecken des Krieges erlebt haben, aber verliebt sind in die Idee des Kriegs. Leute wie Cheney, die sich während des Vietnamkriegs vor dem Wehrdienst drückten.
Das ist ein Plan für die Weltherrschaft der USA - für eine neue Weltordnung nach ihrem Gusto. Diese sind die Gedankengänge amerikanische Phantasten, die die Welt kontrollieren wollen. Ich bin entsetzt, dass ein britischer Labour-Premier mit einer Bande von solcherart moralischer Statur ins Bett steigt."


Übersetzung: Hermann Kopp


BUSH PLANNED IRAQ 'REGIME CHANGE' BEFORE BECOMING PRESIDENT

By Neil Mackay [Sunday Herald - 15 September 2002]: ... The blueprint, uncovered by the Sunday Herald, for the creation of a 'global Pax Americana' was drawn up for Dick Cheney (now vice- president), Donald Rumsfeld (defence secretary), Paul Wolfowitz (Rumsfeld's deputy), George W Bush's younger brother Jeb and Lewis Libby (Cheney's chief of staff). The document, entitled Rebuilding America's Defences: Strategies, Forces And Resources For A New Century, was written in September 2000 by the neo-conservative think-tank Project for the New American Century (PNAC). The plan shows Bush's cabinet intended to take military control of the Gulf region whether or not Saddam Hussein was in power. It says: 'The United States has for decades sought to play a more permanent role in Gulf regional security. While the unresolved conflict with Iraq provides the immediate justification, the need for a substantial American force presence in the Gulf transcends the issue of the regime of Saddam Hussein.' The PNAC document supports a 'blueprint for maintaining global US pre-eminence, precluding the rise of a great power rival, and shaping the international security order in line with American principles and interests'.

This 'American grand strategy' must be advanced for 'as far into the future as possible', the report says. It also calls for the US to 'fight and decisively win multiple, simultaneous major theatre wars' as a 'core mission'.

The report describes American armed forces abroad as 'the cavalry on the new American frontier'. The PNAC blueprint supports an earlier document written by Wolfowitz and Libby that said the US must 'discourage advanced industrial nations from challenging our leadership or even aspiring to a larger regional or global role'.

The PNAC report also:
  • refers to key allies such as the UK as 'the most effective and efficient means of exercising American global leadership';
  • describes peace-keeping missions as 'demanding American political leadership rather than that of the United Nations';
  • reveals worries in the administration that Europe could rival the USA;
  • says 'even should Saddam pass from the scene' bases in Saudi Arabia and Kuwait will remain permanently -- despite domestic opposition in the Gulf regimes to the stationing of US troops -- as 'Iran may well prove as large a threat to US interests as Iraq has';
  • spotlights China for 'regime change' saying 'it is time to increase the presence of American forces in southeast Asia'. This, it says, may lead to 'American and allied power providing the spur to the process of democratisation in China';
  • calls for the creation of 'US Space Forces', to dominate space, and the total control of cyberspace to prevent 'enemies' using the internet against the US;
  • hints that, despite threatening war against Iraq for developing weapons of mass destruction, the US may consider developing biological weapons -- which the nation has banned -- in decades to come. It says: 'New methods of attack -- electronic, 'non-lethal', biological -- will be more widely available ... combat likely will take place in new dimensions, in space, cyberspace, and perhaps the world of microbes ... advanced forms of biological warfare that can 'target' specific genotypes may transform biological warfare from the realm of terror to a politically useful tool';
  • and pinpoints North Korea, Libya, Syria and Iran as dangerous regimes and says their existence justifies the creation of a 'world-wide command-and-control system'.
Tam Dalyell, the Labour MP, father of the House of Commons and one of the leading rebel voices against war with Iraq, said:
'This is garbage from right-wing think-tanks stuffed with chicken-hawks -- men who have never seen the horror of war but are in love with the idea of war. Men like Cheney, who were draft-dodgers in the Vietnam war.
'This is a blueprint for US world domination -- a new world order of their making. These are the thought processes of fantasist Americans who want to control the world. I am appalled that a British Labour Prime Minister should have got into bed with a crew which has this moral standing.'



Zurück zur Irak-Seite

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage