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Mögliche Entscheidung im Irak

Sieben Monate nach den Parlamentswahlen bildetet sich eine Mehrheit für Amtsinhaber Al-Maliki heraus

Von Karin Leukefeld *

Sieben Monate nach der Parlamentswahl steht der Irak offenbar kurz vor einer neuen Regierungsbildung. Jedenfalls meint das der amtierende Staatspräsident und Chef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), Dschalal Talabani. In einem Interview mit der Tageszeitung Al Hayat bestätigte er, aus kurdischer Sicht nichts gegen eine erneute Amtsperiode des bisherigen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki einzuwenden zu haben. Dessen Haltung zu den kurdischen Forderungen, wie etwa ein Referendum über den Status der Provinz Kirkuk, sei »akzeptabel«.

Mit einer US-iranischen Einigung habe diese Position nichts zu tun, wies Talabani die Frage nach ausländischer Einmischung in die Regierungsbildung zurück. Gleichwohl hätten sowohl Washington als auch Teheran nichts gegen Nuri Al-Maliki einzuwenden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Zuvor hatte bereits die schiittische Irakische Nationale Allianz (INA) eine baldige Einigung über die Regierungsbildung signalisiert.

Talabani, der mit seiner PUK bei der Wahl im März den vierten Platz erreicht hatte, kommt momentan die Rolle des Königsmachers zu. Sowohl Al-Maliki als auch der erstplatzierte Ijad Alawie brauchen seine Unterstützung. Alawies Al-Irakia-Liste hatte Al-Malikis Bündnis für Rechstsstaatlichkeit zwar knapp um zwei Parlamentssitze geschlagen. Da es der säkularen Al-Irakia bisher nicht gelungen ist, mit anderen irakischen Parteien eine Regierungskoalition zu bilden, ist die Al-Maliki-Regierung weiterhin provisorisch im Amt. Die ehemals mit ihm verbundene Irakische Nationale Allianz wurde dritter.

Allawi besteht auf dem Erstrecht, eine Regierung zu bilden, Al-Maliki hingegen pocht auf eine zweite Amtszeit. »Das derzeitige Regierungsmodell von Al-Maliki darf sich nicht wiederholen«, hieß es in einer Al-Irakia-Stellungnahme vom Wochenende. »Irakia wird sich an keiner Regierung beteiligen, die von ihm geführt wird.«

Doch das genau scheint nun der Vorschlag von INA zu sein. Maliki hatte sich nach der knappen Niederlage der INA wieder zugewandt, um so der erforderlichen parlamentarischen Mehrheit für eine neue Amtsperiode näher zu kommen. Dritter Partner einer Regierungskoalition sollten die Kurden sein, die sich bisher unentschlossen gezeigt hatten. Sollten die Aussagen Talabanis belastbar sein, dürfte Maliki weiter im Amt bleiben.

Gleichwohl gilt Maliki auch innerhalb des schiitischen INA-Bündnisses als umstritten. Die darin dominierende Sadr-Bewegung lehnt ihn kategorisch ab und unterstützt Ibrahim Al-Dschaafari, den bisherigen INA-Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Da Al-Dschaafari aber weder bei den US-Amerikanern noch bei den Iranern geduldet wird, kam Adil Abdulmehdi (Hoher Islamischer Rat im Irak, SIIC) ins Gespräch. Nun soll es offenbar eine Kampfabstimmung zwischen Maliki und Abdulmehdi innerhalb von INA geben. Sollte die kein Ergebnis bringen, wird das Komitee der Weisen befragt, danach folgt ein weiterer Wahlgang. Als dritte Möglichkeit könnten zwei neue Kandidaten vorgeschlagen werden.

* Aus: junge Welt, 28. September 2010


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