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Pentagonchef warnt Irak vor "Problemen"

Gates bietet Verbleib von US-Truppen an *

US-Verteidigungsminister Robert Gates hat vor »Problemen« in Irak gewarnt, sollten die US-Streitkräfte wie geplant Ende 2011 abziehen.

Sollte die irakische Regierung dies wünschen, könnten auch nach Ende 2011 US-Truppen im Land verbleiben, sagte Gates dem Streitkräftekomitee des Repräsentantenhauses in Washington. »Auf unserer Seite besteht sicher ein Interesse, eine zusätzliche Präsenz« über der im Abkommen von 2008 mit Irak vereinbarten Höhe zu halten, sagte der Minister.

Die Wahrheit sei, dass die Iraker »einige Probleme« haben würden, sollten nicht mehr US-Truppen im Land verbleiben, warnte Gates. Insbesondere verwies er auf Problemen beim Schutz des Luftraums, bei der Aufklärung und bei der Logistik. Der Pentagonchef betonte jedoch, dass Irak als souveräner Staat selbst entscheiden könne und die USA sich an das Abkommen von 2008 halten würden, sollte die Regierung in Bagdad sie nicht bitten, zusätzliche Truppen im Land zu behalten.

Von 2012 an wollen die USA nur noch 20 000 zivile Kräfte im Irak haben. Darunter sind Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, Unterstützungskräfte und Diplomaten an zwei Zweigstellen der Botschaft, zwei Konsulaten und drei Ausbildungszentren der irakischen Polizei. Derzeit befinden sich noch 50 000 US-Soldaten in Irak.

Unterdessen sind Proteste in der südirakischen Stadt Kut eskaliert. Dabei seien 16 Menschen verletzt worden, hieß es. Zunächst hatten Hunderte Bewohner vor dem Sitz der Provinzregierung gegen die mangelhafte öffentliche Strom- und Wasserversorgung protestiert. Als Demonstranten in das Gebäude eindrangen und das Informationsbüro niederbrannten, eröffnete die Polizei das Feuer. Auch in anderen südirakischen Städten, darunter in Diwanija, demonstrierten Hunderte wegen der schlechten Versorgungslage.

* Aus: Neues Deutschland, 18. Februar 2011


Irak-Abzug kann dauern

Von Rainer Rupp **

Die USA haben ein »starkes Interesse« daran, weiter mit einem großen Militärkontingent im Irak zu bleiben. Das hat US-Verteidigungsminister Robert Gates gegenüber dem Streitkräfteausschuß des Kongresses am Mittwoch (Ortszeit) unterstrichen. Gemäß einem bilateralen Abkommen aus dem Jahr 2008 müßte das Pentagon die derzeit noch 47000 eingesetzten US-Soldaten im Irak bis Ende Dezember praktisch komplett abgezogen haben. Ministerpräsident Nuri Al-Maliki hatte sich damals trotz massiven amerikanischen Drucks gegen einen weiteren Verbleib der US-Soldaten über 2011 hinaus entschieden. Auch in der Folgezeit widerstand der Regierungschef in Bagdad allen Bemühungen der Besatzer, ihre geostrategisch bedeutenden, für viele Milliarden Dollar auf Dauer errichteten Militärbasen im ölreichen Zweistromland doch noch zu behalten.

Versuche, nach den Wahlen im Jahr 2010 Al-Maliki durch den US-hörigen, ehemaligen CIA-Agenten Ijad Allawi zu ersetzen, sind fehlgeschlagen. Um weiterhin im Amt zu bleiben sicherte sich Al-Maliki im Parlament die Unterstützung der starken Fraktion der Partei von Muqtada Al-Sadr. Der Geistliche ist erklärter Gegner der US-Besatzer, gegen die er mit seinen Anhängern bereits wiederholt die Waffen erhoben hat. Was Washington restlos aufbrachte, war die Tatsache, daß erst durch die Vermittlung von Iran die Regierungskoalition zwischen Al-Maliki und Al-Sadr in Bagdad ermöglicht wurde. Der US-Plan, die direkte Besatzung des Irak sanft in ein von Washington gesteuertes Marionettensystem übergehen zu lassen, das pro forma mit allen Attributen der nationalen Souveränität ausgestattet wäre, ist gescheitert.

Trotz der vielen US-amerikanischen »Opfer« droht der Irak den Fängen zu entgleiten, was in der herrschenden Klasse in Washington für starke Beunruhigung sorgt. Daher warnte Pentagonchef Gates am Mittwoch, daß ohne eine verstärkte und nachhaltige amerikanische Militärpräsenz der Irak große Probleme haben werde, seinen von den USA übernommenen Militärapparat zu unterhalten. Außerdem habe der Irak nicht einmal die Fähigkeit, seinen eigenen Luftraum zu schützen. Damit spielte er auf die Entscheidung der Al-Maliki-Regierung an, die für den Kauf von US-Jagdflugzeugen vom Typ F-16 vorgesehenen drei Milliarden Dollar lieber für den Kauf von Lebensmitteln für die bedürftigen Volksmassen auszugeben.

Wie gefährlich das US-Besatzungsregime im Alltag für die irakische Bevölkerung bisher war, geht aus einer soeben in London vorgestellten wissenschaftlichen Untersuchung des King’s College hervor. Für die Studie wurden alle Berichte über gewaltsame Todesfälle von irakischen Zivilisten gesammelt und mit den Daten von lokalen Krankenhäusern und Nichtregierungsorganisationen verglichen. Nur absolut sichere Fälle wurden gezählt, so daß erheblicher Raum für Dunkelziffern bleibt. Demnach wurden nach der Inavison 2003 in den ersten fünf Jahren der US-Besatzung insgesamt 92614 Zivilisten getötet, die meisten von sektiererischen Mördern und kriminellen Banden. Aber über 11000 unschuldige Zivilisten, durchschnittlich sechs Menschen am Tag, sind von den US-Besatzungstruppen umgebracht worden. Daß es sich dabei oft um willkürliche Tötungen handelte, ist spätestens seit den vielen von Wikileaks veröffentlichen geheimen US-Dokumenten bekannt.

** Aus: junge Welt, 18. Februar 2011


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