Araber fragen: Wofür hält uns Bush?
Selbst langjährige Bündnispartner der USA misstrauen deren Kurs gegenüber Iran
Von Karin Leukefeld, Beirut *
Irak, Palästina, Libanon – überall wittert George W. Bush finstere iranische und syrische Machenschaften. Sein Konfrontationskurs stößt indes bei vielen Arabern zumindest auf Skepsis.
Der Rauch der massenmordenden Bombe auf dem beliebten Bagdader Sadrija-Markt war noch nicht verweht, da wusste man in der »Grünen Zone« der irakischen Hauptstadt schon, wo die Schuldigen sitzen. »Für 50 Prozent unserer Probleme ist Syrien verantwortlich«, sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki, als gerade die ersten der fast 140 Toten vom Vortag zu Grabe getragen wurden. Syrien kontrolliere seine Grenzen nicht, so dass ausländische Terroristen ungehindert ins Zweistromland einreisen und sunnitische Extremisten ebenso wie Saddam-Hussein-Anhänger mit Waffen, Sprengstoff und Geld versorgen könnten.
Nach einer merkwürdigen Wüstenschlacht nahe Nadschaf wenige Tage zuvor, an deren Ende der Tod mehrerer hundert Männer einer »Armee des Himmels« vermeldet wurde, schien es zunächst, als habe Iran die »Himmelskrieger« ausgerüstet. Das jedenfalls legten erste Berichte der USA-Armee nahe. Muaffak al-Rubaie, Sicherheitsberater der irakischen Regierung, sprach dagegen von »ausländischen Al-Qaida Kämpfern«. Eine spätere Regierungserklärung lautete wieder anders: Die getöteten Kämpfer seien Gegner Irans gewesen und hätten iranische Pilger während der Aschurafeiern töten wollen. Nach Recherchen von IPS wiederum waren es Angehörige zweier Stämme, die sich sowohl gegen die iranischen als auch gegen die US-amerikanische Präsenz in Irak wenden.
Mal Syrien, mal Iran – nicht nur westliche Medien stochern im Pulverrauch einer gigantischen Propagandaschlacht. Skepsis ist geboten. Wie lässt sich das Geschehen im Zweistromland einordnen – ohne unabhängige Recherchen, ohne Zugang zu Quellen und Geschehen, ohne unabhängige Untersuchungen? »Einsteins Relativitätstheorie ist leichter zu verstehen als das, was in Irak vor sich geht«, stöhnte eine entnervte Einwohnerin von Bagdad.
Was in Irak stattfindet, ist der Kampf zweier Giganten, der USA und Irans, lautet die Einschätzung im libanesischen Beirut, wo man die USA-Politik im Nahen Osten mit Abstand – und Abscheu – betrachtet und gleichzeitig doch mittendrin steckt. »Wofür hält uns die Bush-Regierung, für Simpel, für Idioten?«, fragt der libanesische Journalist Rami Khouri. »Sollen wir, die Völker des Nahen Ostens, der amerikanischen Militäraggression applaudieren, ihrem diplomatischen Abenteurertum und ihrem Herumexperimentieren mit der arabischen Gesellschaft?«
Ein Gutteil der westlichen Welt, auch die EU, unterstütze Bush direkt oder indirekt in seiner Strategie des »Neuen Mittleren Ostens« und der militärischen Eskalation in Irak und Afghanistan, kritisiert Khaled Hadadeh, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Libanons. Damit werde Öl ins Feuer gegossen. Auch arabische Regierungen scharten sich um Bush in der Hoffnung, von den USA-Truppen und den großzügigen Dollarschecks auch in Zukunft zu profitieren.
Andererseits aber bringe die Angst vor einem Krieg gegen Iran selbst Araber, die lieber auf Distanz zu Teheran bleiben würden, an dessen Seite. Saudi-Arabien, langjähriger Bündnispartner der USA, sucht die Nähe zum regionalen Konkurrenten, um die tödlichen Auswirkungen der USA-Politik in Irak – Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten – vom eigenen Land abzuwenden. Gelingt das nicht, könnte sich das, was in Irak geschieht, in der ganzen arabischen Welt wiederholen, befürchtet Khaled Hadadeh. Bushs wittere überall Irans Einfluss und betreibe eine Eskalationsstrategie gegen Teheran, womit er einerseits die gesamte Region gefährde, andererseits aber geradezu das Gegenteil dessen bewirke, was er der arabischen Welt abpressen wolle. Iran ist nicht nur wirtschaftlich und militärisch die stärkste Nation der Region, Iran hat eine 5000-jährige Geschichte. Für die Region ist es natürlicher – und sicherer –, mit dieser Macht friedlich zu koexistieren, als sich gegenseitig zu bedrohen. So schickte denn auch der saudische König Abdullah seinen Sicherheitsberater nach Teheran, um Lösungswege für die Krisenherde Irak, Palästina und Libanon zu erkunden. Hadadeh wertet das als vorsichtigen Versuch Saudi-Arabiens, eine von den USA unabhängige politische Rolle in der Region zu spielen.
Abdullah hat denn auch das für den heutigen Dienstag vorgesehene Treffen zwischen dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Hamas-Chef Chaled Meschaal vermittelt. Ob es eine Einigung zwischen den palästinensischen Gruppen fördert, bleibt abzuwarten.
In Libanon hofft man, dass sich die Politiker von Regierung und Opposition endlich entscheiden, miteinander statt übereinander zu reden. Khaled Hadadeh glaubt nicht an eine Lösung, wohl aber an eine Beruhigung der Situation noch vor dem 14. Februar, dem zweiten Jahrestag der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. »Solange Libanon aber Teil der Eskalationsstrategie von George Bush ist, Teil seines Kampfes gegen die ›Achse des Bösen‹ und gegen Iran, so lange wird es keine wirkliche Lösung für Libanon geben«, sagt Hadadeh. »Libanon ist aufgrund der fragilen religiösen und gesellschaftlichen Struktur wie ein immun geschwächter Mensch, der von einem aggressiven Virus befallen wird. Sobald man sich von außen einseitig einmischt, gibt es Bürgerkrieg.«
* Aus: Neues Deutschland, 6. Februar 2007
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