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In Bagdad ensteht die größte und "sicherste" US-Botschaft der Welt

Dubiose Baufirma - Viele Unregelmäßigkeiten

Von Karin Leukefeld

Es war nur wenige Wochen nach dem Sieg der US-geführten Truppen im Irak 2003, als sich Hani Kana*, Manager im Mittelklassehotel Babil Palace* nach neuen Gästen umsehen musste. Bisher hatte sein Haus UN-Personal beherbergt, niemand von ihnen war nach dem Krieg zurückgekehrt. Nun hatte Kana die Wahl zwischen ausländischen Geschäftsleuten, privaten Sicherheitsdiensten oder iranischen Pilgergruppen. Nachdem es in fast jedem Hotel der Umgebung, in dem private Sicherheitsfirmen und ausländische Geschäftsleute untergebracht waren, Bombenexplosionen gegeben hatte, entschied Kana sich für iranische Pilgergruppen. Bis sich eines Tages ein neues Geschäft auftat. Die „Erste Allgemeine Handels- und Vertragsgesellschaft Kuwait“ (FKTC) suchte für asiatische Gastarbeiter Unterkünfte. Das Geschäft ging gut. Die Asiaten blieben einige Nächte, wurden morgens mit Bussen abgeholt und abends wieder gebracht. Ihr Einsatzort war geheim, doch das irakische Hotelpersonal erfuhr von den Männern, dass sie auf US-Militärbasen in der Küche, im Reinigungsdienst oder als LKW-Fahrer arbeiteten. Dort verschwanden sie schließlich auch in Containerunterkünften.

Immer neue Gruppen mit Männern aus Indien, Nepal und den Phillippinen wurden von der FKTC in den Irak gebracht. Arbeitsvermittler hatten ihnen gegen Bezahlung Jobs in den Golfstaaten versprochen, viele hatten sich dafür hoch verschuldet. Nach Vertragsabschluß wurden die Männer nach Kuwait geflogen, wo sie in einem Durchgangslager auf ihren Arbeitseinsatz warteten. Doch dann erfuhren sie, dass kein Golfstaat, sondern der Irak ihr Einsatzort werden sollte. Den Männern blieb keine Wahl. Ihre Pässe lagen im Firmensafe, sie hatten weder Geld noch ein Rückflugticket.

Mitte 2004 wurden 12 Nepalesen im Irak entführt. Die Entführer forderten FKTC auf, die Arbeit für das US-Militär einzustellen. Die Firma reagierte nicht, die Männer wurden getötet. Die meisten asiatischen Gastarbeiter hatten danach nur noch einen Wunsch: nichts wie nach Hause. Doch die Firmenverantwortlichen stellten sich taub. Entweder, die Männer würden ihren Vertrag erfüllen und im Irak arbeiten, oder man setze sie auf die Straße. Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Corp Watch (Unternehmen zur Verantwortung ziehen, www.corpwatch.org) machte den darauf folgenden Einsatz eines couragierten Diplomaten der nepalesischen Botschaft in Kuwait öffentlich. FKTC-Chef Wadi al-Absi weist derweil alle Anschuldigungen zurück. Seine Firma behandele die Arbeiter korrekt, wer anderes behaupte, werde angezeigt.

Nun hat sich FKTC einen Auftrag der besonderen Art geangelt: den Bau der neuen US-Botschaft in Bagdad. Der ursprüngliche Auftrag im Wert von $ 1,3 Milliarden wurde im US-Kongress um die Hälfte gekürzt und dann in einem geheimen Ausschreibungsverfahren gezielt angeboten. Irak erfahrene US-Firmen bewarben sich um den $592 Millionen teuren Bauauftrag. Die Überraschung war allerdings groß, als FKTC den Zuschlag erhielt, die Firma hatte alle Angebote der US-Konkurrenten unterboten. Rund 900 Arbeiter leben und arbeiten inzwischen auf dem Baugelände am Tigris, das mit 416.000 qm (104 acres) fast das gesamte Regierungsviertel in Bagdad umfasst, heute besser bekannt als „Grüne Zone“.

Über die neue US-Botschaft wurde unter Irakern viel gemunkelt, nun haben sich alle Gerüchte bestätigt. Danach entsteht in Bagdad die größte und sicherste US-Botschaft weltweit, mehr als 1000 Mitarbeiter sollen dort untergebracht werden. Der palastartige Komplex umfasst 21 Gebäude, deren Bausubstanz außergewöhnlich stark ist, manche Wände sollen bis zu 4,5 Meter dick sein. Neben den Wohnungen (619 Appartements) wird es ein Fitness-Center, Einkaufsmöglichkeiten, Kosmetiksalons und ein Schwimmbad geben. Das Gelände wird vollständig autark sein, Wasser-, Abwasser- und Stromversorgung ist wie die gesamte Telekommunikation unabhängig vom städtischen Versorgungsnetz.

Firmeninhaber Al-Absi ist stolz, mit den Aufträgen im Irak habe FKTC sich zu einer „global company“ entwickelt, schwärmte er kürzlich gegenüber Journalisten. 7000 Männer arbeiten heute für FKTC im Irak, das Unternehmen erhielt seit 2003 Aufträge für rund 1 Milliarde US-Dollar. Als Subunternehmer von Halliburton und KBR ist FKTC auch für die logistische Versorgung der Besatzungstruppen im Irak zuständig und kassiert allein dafür 300 Millionen US-Dollar.

Die Auftragsvergabe im Irak wird akribisch vom Sonderberichterstatter über den Wiederaufbau im Irak (SIGIR) untersucht. In seinem jüngsten Bericht wurden 1200 Aufträge im Wert von 88,1 Millionen US-Dollar untersucht. Bei 907 dieser Aufträge wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt. Die reichen von 160 verschwundenen Fahrzeugen bis zu drei Toten durch den Absturz eines nicht ordnungsgemäß restaurierten Aufzugs im Krankenhaus von Hilla.

Über den Botschaftsbau indes sind keine Klagen zu hören. Im Gegenteil, die Arbeiten liegen im Zeitplan, wie Patrick Garvey, Senatsmitarbeiter für Internationale Beziehungen kürzlich in einem Zwischenbericht an den Senat zufrieden feststellte: „Kaum eines der großen Wiederaufbauprojekte, die im Irak seit 2003 begonnen wurden, hat diesen Standard erreicht.“ Die Fertigstellung der Botschaft ist für Juni 2007 geplant.

* Namen aus Sicherheitsgründen geändert

Vorstehender Artikel erschien stark gekürzt unter dem Titel "'Grüne Zone' wird befestigter Palast" in der Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 5. April 2006


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