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Drei Jahre Irak-Krieg: Saddam wird nicht vermisst, doch dafür vieles andere

Bomben und eine katastrophale soziale Lage bestimmen den Alltag

Von Karin Leukefeld*

Der gestürzte Machthaber Saddam Hussein fehlt kaum einem Iraker. Was die Menschen im seit drei Jahren besetzten Land schmerzlicher vermissen, ist Schutz vor dem Terror, vor Kriminalität und Preistreiberei.

Als in der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 die ersten Bomben auf Bagdad fielen, schwankten viele Iraker zwischen Trotz und Angst, Resignation und vager Hoffnung. Jahrzehnte hatten sie einen selbstherrlichen Machthaber erduldet. 13 Jahre UN-Sanktionen, Kriegsdrohungen und Kriege gehörten seit langem zu ihrem Leben, auch dieser Angriff würde vorübergehen, meinten sie. Doch spätestens als die USA-Truppen in Bagdad einmarschierten, Saddam Hussein vom Sockel stürzten und plündernde, brandschatzende Massen durch die Hauptstadt zogen, war klar, dass es nie wieder so werden würde wie früher. Irak war ein besetztes Land.

Nur wenige bedauerten den Abgang Saddam Husseins. Trotz Chaos und ausländischer Truppenpräsenz machte sich vorsichtiger Optimismus breit. Ein »neues Irak« könnte der Jugend Chancen bringen, hoffte man. Das Land war reich, viele Iraker waren hoch motiviert und gut ausgebildet, sie wünschten sich nichts sehnlicher, als ihre zerstörte Heimat wieder aufzubauen, um in Frieden, Wohlstand und im Einklang mit der Welt zu leben.

Dreigeteiltes Zweistromland

Das Resümee dieser Aufbruchstimmung variiert. Das Land ist heute faktisch in drei Teile geteilt. Im kurdischen Norden boomt die Wirtschaft, nur selten hört man von tödlichen Anschlägen. Die Kurden, die die Amerikaner und den Krieg gewünscht und unterstützt hatten, gehören zweifelsohne zu den Gewinnern. Sie haben nicht nur eine regionale Regierung und ein Parlament, sie stellen auch den irakischen Präsidenten und einflussreiche Minister der Übergangsregierung. Geld zum Wiederaufbau fließt aus allen Himmelsrichtungen. Deutsche Unternehmer werden besonders umgarnt. Um ausländischen Investoren den Weg zu erleichtern, wurde mit USA-Hilfe in Erbil der Flughafen ausgebaut, den man heute per Direktflug von Amman, Dubai, Bagdad oder Frankfurt erreicht.

Im Süden des Landes fließt Geld der Nachbarstaaten in den Bau eines neuen Handelszentrums in Basra. Kuwait und Iran liefern sich einen Wettstreit, es wird behauptet, dass in der südirakischen Metropole inzwischen mehr Farsi als Arabisch gesprochen wird und man auch den iranischen Rial als Zahlungsmittel akzeptiert. Na-dschaf und Kerbela sind fest in der Hand iranischer Religionsstiftungen und werden zu ansehnlichen Pilgerstätten ausgebaut. Für Na-dschaf ist sogar der Bau eines Flughafens im Gespräch.

Nur der Tod ist billig zu haben

Auch die Aufbauhelfer der Besatzungstruppen sind aktiv. Das japanische Militär hilft im Südwesten beim Straßenbau und bei der Ausbildung einer irakischen Kulturpolizei, die Tausende historischer Stätten in Südirak vor Kunsträubern schützen soll. Doch allen voran ist die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID). Sie unterstützt, wie sie sagt, die Iraker beim Wiederaufbau durch Programme, die jeweils mit den irakischen Ministerien abgestimmt werden. Dort wiederum »helfen« US-amerikanische Berater. Die Firmen, die Wiederaufbauverträge bekommen – für Schulen, Straßen, Polizeistationen, Militärbasen, die Wasserversorgung, die Verteilung von Saatgut und vieles mehr –, sind in der Regel USA-Unternehmen, die entweder regionale oder lokale Vertragspartner anheuern, um die Arbeit ausführen zu lassen, nicht selten mit Arbeitskräften aus asiatischen Billiglohnländern.

Doch USAID hilft nicht nur beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur, sondern auch bei der Erstellung neuer Schulbücher und Lehrpläne, bei neuen Zoll- und anderen Gesetzen, bei der Umwandlung der irakischen Staatsökonomie in eine privatkapitalistische »freie Marktwirtschaft«, eine Voraussetzung, um vom Internationalen Währungsfonds Kredite zu erhalten. Ein von der New Yorker Bank JP Morgan Chase geführtes Bankenkonsortium leitet die »Wiederaufbau« genannte Umstrukturierung des irakischen Bankenwesens. Die Europäische Union hat sich bisher vor allem bei der Ausbildung und Ausrüstung von Polizei und Armee engagiert sowie bei Fortbildungsmaßnahmen für Richter und Ministerialbeamte. Auch beim Aufbau »freier Medien« zeigen sich die USA und europäische Staaten ebenso wie die Nachbarn Iraks sehr hilfsbereit.

Die Iraker allerdings erfahren in ihrem Alltag von alledem wenig. Explosionen, Entführungen, Verhaftungen, Morde, allgemeine Kriminalität bestimmen ihr Leben ebenso wie die Suche nach Arbeit, Strom- und Wassermangel und die anhaltende Verteuerung der Grundnahrungsmittel. Die Preise für Benzin, Diesel, Kerosin und Haushaltsgas sind bis auf das Zwölffache gestiegen. Während das Leben immer teurer wird, ist der Tod billig zu haben. Gleich dutzendfach schlägt er täglich zu. Den Menschen in Bagdad und den zentralen Provinzen des Landes – Anbar, Diyala und Sallahaddin – fällt es schwer, an eine politische Entwicklung zu ihren Gunsten zu glauben.

Für sie ist das alltägliche Grauen so groß, dass nicht wenige sich »die gute alte Zeit« zurückwünschen. »Saddam Hussein war ein Diktator, das weiß jeder«, sagt Maysoon al-Shukri, die für eine Hilfsorganisation in Bagdad arbeitet. »Wir alle hatten unter ihm zu leiden. Ich selber habe einen Bruder in einem seiner sinnlosen, unmenschlichen Kriege verloren. Aber jetzt ist es noch schlimmer, und viele sagen: Gebe Gott, dass die alten Tage von Saddam Hussein wieder da wären! Das ist wirklich Irrsinn.«

* Aus: Neues Deutschland, 20. März 2006


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