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Leben als Alptraum

Irak: Gewalt trifft vor allem Frauen und Minderheiten

Von Denis Foynes, New York (IPS) *

Im Irak ist die Sicherheitssituation nach wie vor kritisch. Wie aus einem neuen Bericht des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) und der UN-Hilfsmission für den Irak (UNAMI) hervorgeht, sind vor allem Frauen und Minderheiten von der Gewalt im Land am Golf bedroht, das sich nach Jahren des Krieges in einem schwierigen Übergangsprozeß befindet. Dem Report vom 9. August zufolge hat die Gewalt im vorigen Jahr 2953 Zivilisten das Leben gekostet. Für die meisten tödlichen Übergriffe, denen überproportional viele Frauen, Kinder und Angehörige von Minderheiten zum Opfer fielen, machen die Autoren »Rebellen und terroristische Gruppen« verantwortlich.

Auch wenn es dem Irak gelungen sei, in Sachen Menschenrechte einige Fortschritte zu erzielen, gebe es noch genügend Bereiche, in denen sich die Situation 2010 verschlechtert habe, sagte der OHCHR-Sprecher Rupert Colville gegenüber IPS. Insbesondere bei den Frauenrechten seien Rückschläge zu verzeichnen.

»Die Gewalt gegen Frauen, vor allem innerhalb der Familien, ist weit verbreitet«, erläuterte Colville. Das Problem werde durch das Fehlen wirksamer Gesetze zum Schutz der Frauen und durch ein Strafrecht verursacht, »das fast schon zu Übergriffen ermutigt«. Gesetze gegen häusliche Gewalt seien dringend erforderlich.

In ihrem Bericht nehmen OHCHR und UNAMI auch die Gewalt gegen Minderheiten unter die Lupe. So seien insbesondere im ersten und im letzten Quartal 2010 religiöse und ethnische Minderheiten zur Zielscheibe von Anschlägen geworden. Einem Bericht der Hammurabi-Menschenrechtsvereinigung mit Sitz in Mosul zufolge, auf den sich die neue UN-Studie beruft, wurden zwischen 2003 und 2010 mehr als 800 Christen getötet sowie 5000 entführt und gefoltert.

OHCHR und UNAMI weisen in ihrer gemeinsamen Studie auf erhebliche Schwächen im irakischen Rechtssystem hin. Diese seien dafür verantwortlich, daß Angeklagten ein fairer Prozeß verweigert werde. Gefangene würden zudem gefoltert und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. »Ein Über-Vertrauen in Geständnisse zur Überführung mutmaßlicher Täter schafft die Atmosphäre, in der Folter stattfindet«, so der Bericht. Auch Armut, wirtschaftliche Stagnation und fehlende Versorgungsdienste legen dem Bericht zufolge den Keim für »stille« Menschenrechtsverletzungen, von denen weite Teile der Bevölkerung betroffen sind.

Die fragwürdigen Parlamentswahlen im März 2010 und das sich anschließende Monate lange politische Patt seien ebenfalls für die miserable Menschenrechtslage im Irak verantwortlich zu machen. Sie hätten die Instabilität im Land gefördert und gleichzeitig die Bemühungen um eine Umsetzung menschenrechtsrelevanter Reformen verhindert.

* Aus: junge Welt, 12. August 2011


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