Krankheitsbilder wie nach Hiroshima
Irak: War Einsatz von Uranmunition Ursache?
Von Karin Leukefeld *
Die Krebsrate bei Kindern in der irakischen Stadt Falludscha ist in den vergangenen sechs Jahren
auf das Zwölffache der Vergleichswerte in Ägypten, Jordanien oder Kuwait gestiegen.
Die Kindersterblichkeit liegt mit 80 Todesfällen pro 1000 Neugeborenen ebenfalls deutlicher höher.
Gestiegen ist zudem die Zahl der Missbildungen bei Neugeborenen, Erwachsene haben häufiger
Lymphom- und Gehirntumore, die Rate von Blutkrebs (Leukämie) ist 38 mal, die von Brustkrebs 10
mal höher als in den genannten Vergleichsstaaten.
Diese erschreckende Entwicklung ist nachzulesen in einer Studie, die vor wenigen Tagen im
»International Journal of Environmental Research and Public Health« veröffentlicht wurde. Die
Autoren Chris Busby, Malak Hamdan und Entesar Ariabi wurden von Teams unterstützt, die im
Januar und Februar dieses Jahres 4843 Personen in 711 Haushalten Falludschas befragt hatten.
Insgesamt heißt es, dass sich die Zahl von Krebsfällen im Zeitraum zwischen 2004 und 2009 in
Falludscha im Gegensatz zu der Zeit vor 2004 vervierfacht hat.
Die aufgetretenen Krebsarten ähnelten denen, die sich bei Überlebenden der Atombombenabwürfe
in Hiroshima und Nagasaki vor 65 Jahren herausgebildet hatten, erklärte Christopher Busby
gegenüber dem italienischen Fernsehsender RAI 24. Busby ist Professor für Molekularbiologie an
der Universität Ulster (Irland) und arbeitet seit Jahren zu den Folgen radioaktiver Strahlung auf
Umwelt und Gesundheit. Ursache für die Erkrankungen in Hiroshima und Nagasaki war die
radioaktive Verseuchung, die gleiche Ursache vermutet Busby auch in Falludscha. Ursache der
»alarmierenden Ergebnisse« ihrer Untersuchung könnte nur sein, dass die Bevölkerung 2004
während einer Militäroffensive der US-Armee einer massiven Menge erbgutschädigender Stoffe
ausgesetzt war, sagte Busby. »Wir müssen dringend herausfinden, was das war.« Viele vermuteten
Uran, »doch ohne weitere Untersuchungen und eine unabhängige Analyse von Proben aus dem
Gebiet können wir nicht sicher sein«.
Im November 2004 hatte die US-Armee Falludscha angegriffen und wochenlang belagert, weil es
dort wiederholt zu Angriffen auf die Besatzungstruppen gekommen war. Der damals amtierende
Übergangsregierungschef Ijad Allawi hatte den Angriff unterstützt. Die USA weigern sich bis heute,
die eingesetzten Waffen und die Munition zu identifizieren, Berichte wie die nun vorgelegte Studie
weist das Pentagon zurück.
Vor der Chilcot-Untersuchungskommission, die seit Monaten in London die Rolle Großbritanniens im
Irak-Krieg 2003 untersucht, legte kürzlich das Netzwerk Uranwaffen Großbritannien einen Bericht
über den britischen Einsatz von sogenannter DU-Munition in Irak vor. Zumindestens in Basra und
Falludscha sei diese uranhaltige Munition eingesetzt worden, heißt es in dem Rapport. Das
Netzwerk ist Teil eines internationalen Zusammenschlusses von 124 Gruppen aus 30 Staaten, die
das Verbot von DU-Munition durchsetzen wollen. Sie fordern, dass Staaten, die die uranhaltige
Munition einsetzen oder eingesetzt haben, dies offenlegen, damit die Gebiete entgiftet und
kontrolliert werden können.
Während des
Balkan-Kriegs wurden von der NATO fast 13 Tonnen DU-Munition eingesetzt, im
Golfkrieg 1991 zur Vertreibung irakischer Truppen aus Kuwait waren es gut 290 Tonnen. Für den
Irak-Krieg 2003 und die Zeit danach liegen lediglich Schätzungen vor, wonach es mindestens 140
Tonnen gewesen sein dürften, viele davon innerhalb bewohnter Gebiete. Das US-amerikanische
Verteidigungsministerium weigert sich, den Einsatz von DU-Munition offenzulegen, vermutlich aus
Sorge um gigantische Entschädigungsforderungen – nicht zuletzt von eigenen Soldaten.
* Aus: Neues Deutschland, 9. August 2010
Genetic damage and health in Fallujah Iraq worse than Hiroshima
Press release, International Journal of Environmental Studies and Public Health (IJERPH), July 2, 2001
Results of a population-based epidemiological study organized by Malak
Hamdan and Chris Busby are published tomorrow in the International Journal
of Environmental Studies and Public Health (IJERPH) based in Basle,
Switzerland. They show increases in cancer, leukemia and infant mortality
and perturbations of the normal human population birth sex ratio
significantly greater than those reported for the survivors of the A-Bombs
at Hiroshima and Nagasaki in 1945.
Results of a survey in Jan/Feb 2010 of 711 houses and more than 4000
individuals in Fallujah show that in the five years following the 2004
attacks by USA-led forces there has been a 4-fold increase in all cancer.
Interestingly, the spectrum of cancer is similar to that in the Hiroshima
survivors who were exposed to ionizing radiation from the bomb and uranium
in the fallout. By comparing the sample population rates to the cancer rates
in Egypt and Jordan, researchers found there has been a 38-fold increase in
leukemia (20 cases) almost a 10-fold increase in female breast cancer (12
cases) and significant increases in lymphoma and brain tumours in adults.
Based on 16 cases in the 5-year period, the 12-fold increases in childhood
cancer in those aged 0-14 were particularly marked. The cancer and leukemia
increases were all in younger people than would normally be expected. Infant
mortality was found to be 80 per 1000 births which compares with a value of
19 in Egypt, 17 in Jordan and 9.7 in Kuwait. An important result is that the
sex-ratio, which in normal populations is always 1050 boys born per 1000
girls was seriously reduced in the group born immediately after 2005, one
year after the conflict: in this group the sex ratio was 860.
Birth sex ratio is a well known indicator of genetic damage, the reduction
in boy births being due to the fact that girls have a redundant X-chromosome
and can therefore afford to lose one though genetic damage; boys do not. Sex
ratio was similarly reduced in the Hiroshima survivors children. "This is an
extraordinary and alarming result" said Dr Busby, who is visiting Professor
in the University of Ulster and Scientific Director of Green Audit, an
independent environmental research organization. He added: "To produce an
effect like this, some very major mutagenic exposure must have occurred in
2004 when the attacks happened. We need urgently to find out what the agent
was. Although many suspect Uranium, we cannot be certain without further
research and independent analysis of samples from the area." Malak Hamdan,
who organized the project said: " I am so glad that we have been able to
obtain proper scientific confirmation of all the anecdotal evidence of
cancer and congenital birth defects. Maybe now the international community
will wake up".
Chris Busby, Malak Hamdan and Entesar Ariabi, Cancer, Infant Mortality and
Birth Sex-Ratio in Fallujah, Iraq 2005-2009 Int. J. Environ. Res. Public
Health 2010, 7, 1-x; doi:10.3390/ijerph707000x
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