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USA-Irak-Europa: "Europa und Amerika müssen zusammenstehen"

Ein Dokument der Spaltung? Acht europäische Staatschefs erklären sich für Bush

Im Folgenden dokumentieren wir den Brief von acht europäischen Staat- und Regierungschefs, der unter dem Titel "Europa und Amerika müssen zusammenstehen" am 30. Januar 2003 in verschiedenen Zeitungen als Anzeige veröffentlicht wurde. Der Brief war weder in der NATO noch in der EU abgesprochen und er enthält auch weit weniger als die Hälfte der in beiden Organisationen vertretenen Staaten. Beobachter sehen in dem Dokument den Versuch Washingtons (und Londons), die europäische Ablehnungsfront gegen den drohenden Irak-Krieg zu spalten. Darüber hinaus trägt die Initiative aber auch den Keim der künftigen Spaltung Europas. In weite Ferne gerückt ist insbesondere die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik. (Vgl. hierzu auch die internationalen Pressestimmen, die der Appell der acht Staaten hervorgerufen hat.) Weltpolitisch betrachtet, wird ein Krieg gegen Irak nicht nur den gesamten Nahen und Mittleren Osten destabilisieren, sondern auch Europa. Die Vereinten Nationen spielen nur noch am Rand eine Rolle, und auch das nur, wenn sie das Spiel der einzigen Supermacht mitzuspielen bereit sind. Es droht die Rückkehr ins Zeitalter der militärischen Zweckbündnisse und Eroberungskriege.
Pst



"Europa und Amerika müssen zusammenstehen"

Appell der Regierungschefs


Wortlaut der Erklärung

Die wahren Bande zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sind die Werte, die wir teilen: Demokratie, persönliche Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Diese Werte überquerten den Atlantik mit jenen Menschen, die von Europa aufbrachen, um beim Aufbau der USA zu helfen. Heute sind sie bedroht wie nie zuvor. Die Angriffe vom 11.September zeigen, wie sehr Terroristen, die Feinde unserer gemeinsamen Werte, bereit sind, diese Werte zu zerstören. Dieses Verbrechen war ein Angriff auf uns alle. Regierungen und Völker in den Vereinigten Staaten und Europa haben diese Prinzipien mit aller Entschlossenheit verteidigt. Die transatlantischen Bande sind Garant unserer Freiheit. Das gilt heute mehr als jemals zuvor.

Die Beziehung zwischen uns Europäern und den Vereinigten Staaten hat so manche Bewährungsprobe überstanden. Zum großen Teil dank des Muts, der Großzügigkeit und der Weitsicht der Amerikaner wurde Europa im 20. Jahrhundert gleich zwei Mal von Tyrannei befreit: von Nazi- Herrschaft und Kommunismus. Auch dank der dauerhaften Zusammenarbeit zwischen Europa und den Vereinigten Staaten haben wir Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent bewahren können. Das transatlantische Verhältnis darf der anhaltenden Bedrohung der Weltsicherheit durch das irakische Regime nicht zum Opfer fallen.

Mehr denn je ist in der heutigen Welt geboten, Einheit und Zusammenhalt zu bewahren. Wir wissen, dass der Erfolg im täglichen Kampf gegen Terrorismus und Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen die unbeirrte Entschlossenheit und den festen internationalen Zusammenhalt all jener Länder erfordert, denen Freiheit etwas wert ist. Das irakische Regime und seine Massenvernichtungswaffen sind eine klare Bedrohung für die Weltsicherheit. Vor allem die Vereinten Nationen haben diese Gefahr erkannt. Wir alle sind der Resolution 1441 des Uno-Sicherheitsrats verpflichtet. Sie ist einstimmig angenommen worden. Wir Europäer haben seitdem immer wieder unseren Rückhalt für die Resolution 1441 bekräftigt sowie unseren Wunsch, eine Lösung über die Uno zu suchen (...)

Auf diese Weise haben wir klar, fest und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass wir die Welt von der Gefahr der Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins befreien wollen. Gemeinsam müssen wir darauf bestehen, dass sein Regime entwaffnet wird. Die Solidarität, der Zusammenhalt und die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft sind unsere größte Hoffnung, dieses Ziel auf friedlichem Wege zu erreichen. Unsere Stärke liegt in unserer Einigkeit (...) Leider haben die UN-Waffeninspektoren in dieser Woche bestätigt, dass sein (Saddam Husseins) seit langem bestehendes Verhaltensmuster der Täuschung, Leugnung und Nicht-Einhaltung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats fortbesteht. Europa liegt nicht im Streit mit dem irakischen Volk, dem ersten Opfer des derzeitigen brutalen Regimes im Irak. Unser Ziel ist die Wahrung von Frieden und Sicherheit in der Welt, indem wir sicherstellen, dass dieses Regime seine Massenvernichtungswaffen aufgibt. Unsere Regierungen haben die gemeinsame Verantwortung, sich dieser Bedrohung zu stellen. Tatenlosigkeit hieße, unseren eigenen Bürgern und der gesamten Welt den Rücken zuzukehren. Täten wir dies nicht, wäre es nicht weniger als nachlässig gegenüber unseren eigenen Bürgern und der übrigen Welt.

Die Charta der Vereinten Nationen verpflichtet den Sicherheitsrat, weltweit Frieden und Sicherheit zu bewahren. Um das zu leisten, muss der Sicherheitsrat seine Glaubwürdigkeit erhalten, indem er fest zu seinen Resolutionen steht. Wir können einem Diktator nicht erlauben, diese Resolutionen systematisch zu verletzen. Andernfalls verliert der Sicherheitsrat seine Glaubwürdigkeit. Dies schadet dem Weltfrieden. Wir sind zuversichtlich, dass der Sicherheitsrat seiner Verantwortung gerecht wird.

José María Aznar, Spanien;
José Manuel Durăo Barroso, Portugal;
Silvio Berlusconi, Italien;
Tony Blair, Vereinigtes Königreich;
Václav Havel, Tschechische Republik;
Peter Medgyessy, Ungarn;
Leszek Miller, Polen;
Anders Fogh Rasmussen, Dänemark.

Quellen: Zusammengesetzt aus Agenturübersetzungen von afp und dpa


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