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Sanktionen gegen Irak sind völkerrechtswidrig

1,5 Millionen Tote

10 Jahre sind die Sanktionen der Vereinten Nationen gegen den Irak in Kraft. Sie haben nicht das Regime in Bagdad, wohl aber die Zivilbevölkerung getroffen - millionenfach tödlich getroffen. Immer mehr Regierungen und UNO-Gremien kritisieren die Embargopolitik und fordern ein Ende der Wirtschaftssanktionen. Alle Versuche die Sanktionen aufzuheben, scheiterten bisher und scheitern wohl auch in naher Zukunft am Widerstand der Vereinigten Staaten im UN-Sicherheitsrat. Der Irak gehört nach wie vor in die Riege der "Schurkenstaaten", pardon der "states of concern", wie die "Schurkenstaaten" neuerdings in den USA offiziell genannt werden. Im August 2000, 10 Jahre nach dem Überfall des Irak auf Kuwait (4. August 1990) befasste sich auch ein UNO-Unterausschuss mit dem Embargo. Er kam zum Ergebnis, dass das Embargo im Interesse der Menschen aufzuheben sei. Hierzu entsprechende Zeitungsmeldungen vom 18. und 19. August sowie ein kurzer Kommentar aus der Frankfurter Rundschau.

Im österreichischen "Standard" heißt es u.a.:

Die Sanktionen gegen den Irak verstoßen nach Einschätzung des UNO-Berichterstatters Marc Bossuyt gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Sanktionen des Sicherheitsrates hätten seit 1990 zum Tod von 500.000 bis zu 1,5 Millionen Irakern geführt, hieß es in dem am Donnerstag dem UNO-Unterausschuss für Menschenrechte vorgelegten Bericht Bossuyts. Nie zuvor hätten die Vereinten Nationen einem Staat vergleichbare Strafen auferlegt, betonte er.

Die USA, die sich im Sicherheitsrat immer wieder gegen eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak ausgesprochen haben, widersprachen dieser Einschätzung vehement. "Jeder Beobachter, der die Fakten kennt, kann seinen Bericht nur unkorrekt, voreingenommen und aufrührerisch finden", sagte der US-Botschafter in Genf, George Moose. Die humanitäre Situation im Irak habe sich in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Programms Öl-für-Nahrungsmittel verbessert. "Wir werden weiter verlangen, dass der Irak sich an die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates hält, wozu auch die Überwachung des Öl-für-Nahrungsmittel-Programms zählt, und das, obwohl Saddams Regime dies mit allen Mitteln zu verhindern sucht".

Flughafen wiedereröffnet

Mehr als neun Jahre nach dem Krieg am Persischen Golf hat die irakische Regierung den Flughafen von Bagdad offiziell wiedereröffnet. Der Saddam-International-Airport glich am Donnerstag allerdings einem Geisterflughafen: Es gab keine an- oder abfliegenden Maschinen, keine Fracht und keine Passagiere, die befördert wurden. Verkehrsminister Ahmed Murtada Ahmed Khalil erklärte, der Flughafen sei nun wieder in Betrieb und die Regierung erwarte die Ankunft von Flugzeugen aus befreundeten Staaten; Einzelheiten nannte er nicht.

Das letzte zivile Flugzeug startete am 15. Jänner 1991 wenige Stunden vor dem Beginn des von den USA und Großbritannien angeführten Kriegs gegen den Irak. Bagdad hatte seine Flugzeugflotte nach Jordanien, Tunesien und den Iran verlegt, um sie vor den Angriffen zu schützen. Alle Bemühungen in den vergangenen Jahren, die Maschinen zurück nach dem Irak zu bringen, scheiterten; inzwischen dürften sie fluguntauglich sein. In den vergangenen Jahre landeten nur vereinzelt internationale Hilfsflugzeuge auf dem Flughafen. Die Vereinten Nationen hatten 1990 nach der irakischen Invasion in Kuwait umfassende Sanktionen gegen den Golfstaat verhängt.



Der "Frankfurter Rundschau" vom 19. August 2000 war das Embargo einen "Blickpunkt" auf Seite 2 Wert. Auszüge daraus:

Front gegen Iraks Diktator bröckelt
Debatte um UN-Embargo

Von Pierre Simonitsch (Genf)

Die Front gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein beginnt zu bröckeln. In einem Unterausschuss der UN-Menschenrechtskommission entzündete sich in dieser Woche ein Streit über den Wert der vor zehn Jahren gegen Irak verhängten Wirtschaftssanktionen. Nach einem von dem Unterausschuss bestellten Arbeitspapier des Belgiers Marc Bossuyt sind die Sanktionen gegen den Irak "eindeutig illegal". Sie verstießen gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen die Menschenrechtsgesetze. Manche ausländischen Beobachter sprächen gar von "Völkermord", fügt Bossuyt hinzu.

...

Dar Arbeitspapier des belgischen Experten unter dem Titel "Negative Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen auf den Genuss der Menschenrechte" ist nicht allein auf Irak zugeschnitten. Untersucht werden auch die Folgen der Embargos gegen Kuba und Burundi. Bossuyt gelangt darin zu dem keineswegs originellen Ergebnis, dass die von den USA, den UN oder einer regionalen Staatengruppe gegen eine Diktatur verhängten Strafmaßnahmen nicht die Machthaber oder deren Unterdrückungsapparat treffen, sondern vornehmlich die Zivilbevölkerung. Neu ist nur, dass in den UN jetzt über ein Arbeitspapier diskutiert wird, in dem die vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen Bagdad als illegal bezeichnet werden.

Die Wirtschaftssanktionen gegen Irak waren beschlossen worden, nachdem irakische Truppen Kuwait besetzten. Nach dem Golfkrieg wurde Irak weitgehend entwaffnet. Vor zwei Jahren warf Saddam Hussein aber die Waffeninspektoren der UN hinaus und ist nicht bereit, über einen Kompromiss zu verhandeln. Er macht die völlige Aufhebung der Sanktionen zur Vorbedingung für jedes Abkommen. Ein Programm "Öl gegen Nahrung" erlaubt es den Irakern, für jährlich 10,4 Milliarden Dollar Erdöl zu exportieren und dafür Lebensmittel und Medikamente einzukaufen.

Die Zeichen, dass viele Regierungen sanktionsmüde geworden sind, häufen sich. Vor einer Woche besuchte Venezuelas Präsident Hugo Chavez als erster ausländischer Staatschef Bagdad. Er sucht Verbündete für seine globale Erdölstrategie. Am Samstag wird ein russisches Flugzeug mit 300 Passagieren in "humanitärer Mission" in Bagdad eintreffen. Der UN-Sanktionsausschuss hat den Flug genehmigt. Am Donnerstag wurde der internationale Flughafen von Bagdad wieder geöffnet. Der französische Priester Jean-Marie Benjamin will im September mit einem vollen Jumbo-Jet dorthin fliegen, um das Embargo zu durchbrechen.

Dazu noch der Kommentar aus der Frankfurter Rundschau vom 19.08.2000:

Ein Ende der Sanktionen?
Man muss sich fragen, was schwerer wiegt: das Wohlergehen von 23 Millionen Irakern oder die Sicherheit der Golfregion
Von Pierre Simonitsch

Zehn Jahre nach ihrer Verhängung haben die Wirtschaftssanktionen der UN gegen Irak zwar die Zivilbevölkerung an den Rand des Abgrunds gebracht, doch das Regime sitzt weiterhin fest im Sattel. Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, diese nutzlose Übung abzubrechen. Dahinter steckt nicht nur Mitgefühl mit den darbenden Menschen, sondern auch Gewinnsucht. Irak war vor dem Golf-Krieg eine einzige Baustelle, auf der es viel Geld zu verdienen gab. Noch wesentlich größer muss jetzt der Nachholbedarf der Iraker sein. Die hohen Ölpreise machen das Land zu einem zahlungsfähigen Kunden, sobald "business as usual" auf der Tagesordnung steht. Die irakischen Fördermengen würden auch dazu beitragen, den Ölmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Sanktionen sind aber nicht ganz vergeblich. Sie haben Saddam Hussein immerhin daran gehindert, ein neues Arsenal von Massenvernichtungswaffen aufzubauen. Man muss sich die Frage stellen, was schwerer wiegt: das Wohlergehen von 23 Millionen Irakern oder die Sicherheit der Region. Ein politischer Sieg würde erneut Saddams Eroberungsgelüste anstacheln. Der Diktator hält aber sein ganzes Volk als Geisel. Sanktionen fortsetzen oder aufheben? Es ist ein echtes Dilemma.

Saddam von außen zu stürzen, wie die USA es sich vorstellen, scheint aussichtslos. Der einzige Weg liegt wahrscheinlich darin, das Wirtschaftsembargo zu lockern und als Gegenleistung von Bagdad Garantien für künftiges Wohlverhalten zu verlangen. Ein sicheres Rezept gibt es nicht - das müssen die Befürworter und die Gegner der Sanktionen erkennen.

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