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Friedensaktivist in Irak ermordet

US-Amerikaner Tom Fox von gewaltfreien Gruppe der Christlichen Friedensaktivisten (CPT) wurde tot aufgefunden

Von Karin Leukefeld*

Der US-Amerikanische Friedensaktivist Tom Fox (54) ist am vergangenen Donnerstag in Bagdad tot aufgefunden worden. Der Vater von zwei Kindern war mit einer Delegation des „Christian Peacemaker Teams“ Mitte November 2005 in den Irak gereist und am 26.11.2005 zusammen mit dem Briten Norman Kember (74) und den beiden Kanadiern James Loney (42) und Harmeed Singh Sooden (32) in einem westlichen Stadtteil Bagdads entführt worden. Eine bis dahin unbekannte Gruppe mit dem Namen „Schwerter der Wahrheit“ forderte kurz darauf in einer Videobotschaft die Freilassung aller Irakischen Gefangenen, sonst würden die vier Männer getötet.

Unklar ist, wo die Leiche von Tom Fox gefunden wurde. Verschiedene Medien zitieren einen Polizeisprecher des irakischen Innenministeriums, der einen als Müllkippe genutzten Platz im westlichen Stadtteil Mansur, nahe einer Eisenbahnstrecke als Fundort nannte. Diesem Bericht zufolge habe der Körper von Tom Fox Folterspuren gezeigt, er sei dann erschossen worden. Ein britischer Vermittler in der Geiselaffäre, Anas Al-Tikrit sprach in der Britischen BBC hingegen vom östlichen Stadtteil Sadr City als dem Ort, wo die Leiche gefunden worden sei.

Die überkonfessionelle gewaltfreie Gruppe der Christlichen Friedensaktivisten (CPT) hatte sich gegen den Irakkrieg eingesetzt und war seit Oktober 2002 im Irak aktiv. Nach dem Krieg blieb CPT im Land, das Friedensteam lebte Tür an Tür mit der Bevölkerung und erfuhr von deren Ängsten und Nöten mehr, als die Politiker der verschiedenen Übergangsregierungen oder etwa die Besatzungstruppen hören wollten. Sie halfen Familien von Verschwundenen, hörten von Folter in den US-Militärgefängnissen. CPT suchte Öffentlichkeit für die erschütternden Nachrichten, doch nur die arabischen Medien waren interessiert. Zum Jahreswechsel 2003/04 veröffentlichten die Friedensaktivisten einen Bericht über 72 Fälle von Misshandlungen an Gefangenen im Gefängnis von Abu Ghraib und gaben ihn an die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Als Monate später Fotos die Folter belegten, wurde das Grauen auch in den westlichen Medien zur Schlagzeile.

Einflussreiche Besatzungsgegner aus dem Lager des sunnitischen patriotischen Widerstandes im Irak haben die Entführung der Friedensaktivisten deutlich verurteilt. In den mehr als drei Monaten ist es bis heute weder dem CPT-Team in Bagdad, noch Vermittlern oder Unterstützern in anderen Ländern gelungen, direkten Kontakt zu den Entführern herzustellen. Immer offener wird in Bagdad die Vermutung geäußert, dass möglicherweise illegal und geheim agierende Gruppen, wie die gefürchteten Todesschwadronen, hinter der Entführung stecken könnten. Das irakische Innenministerium wird beschuldigt, solche Gruppen einzusetzen, die häufig in Uniformen der irakischen Armee oder Polizei auftreten. Der Plan für die Todesschwadronen stammt vermutlich vom früheren US-Botschafter im Irak und heutigen US-Geheimdienstkoordinator, John Negroponte, der auf seine Erfahrungen in mittelamerikanischen Ländern wie Honduras, Guatemala und El Savador zurückgreifen konnte. Dort wurden Todesschwadronen gezielt gegen Intellektuelle und Oppositionelle eingesetzt. Inzwischen ist eine richterliche Untersuchung zur Aufklärung der Anschuldigungen gegen das Innenministerium eingeleitet worden.

Tom Fox, der sich erst vor zwei Jahren CPT angeschlossen hatte, war Mitglied des Hopewell Quäker Zentrums in Clear Brook, Virgina. Dort reagierte man geschockt doch gefasst auf die Nachricht von Fox’s Tod. „Wichtig ist sein Erbe, das mit uns lebt und in dem auch er weiter mit uns leben wird“, sagte Paul Slattery, der Tom Fox bei seinem Einsatz im Irak unterstützte. In einer Stellungnahme von CPT heißt es: „Wir trauern um den Verlust von Tom Fox, der einen wachen Geist mit entschlossener Opposition gegen jede Art von Unterdrückung verband und für den Gott sich in jedem Menschen zeigte.“ Gleichzeitig appellierte CPT erneut an die Entführer, ihre drei anderen Kollegen unversehrt und unverzüglich freizulassen, alle hätten sich zu einem gewaltlosen Leben inmitten des Kreislaufs von Gewalt und Rache verpflichtet. CPT rief dazu auf, niemanden zu verleumden oder zu dämonisieren, egal, was sie auch getan hätten. Tom Fox selber habe Gewalt als Strafe stets zurück gewiesen. Niemand solle Vergeltung üben, weder an einzelnen Personen, deren Angehörigen oder Eigentum.

Tom Fox hatte im Mai 1973 die Musikhochschule abgeschlossen. Weil er nicht als Soldat in den Vietnamkrieg ziehen wollte, akzeptierte er eine Stelle als Klarinettist im Musikcorps der Marines, in Washington D.C. Dieser Job bewahrte ihn zunächst vor einem Kampfeinsatz in Vietnam, später finanzierte er so für sich und seine Familie den Lebensunterhalt, bis er sich als Lebensmittelhändler selbstständig machte. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

Einen Tag vor seiner Entführung in Bagdad hatte Tom Fox über die Frage, „warum sind wir hier“, einige Gedanken aufgeschrieben. „Wenn ich mir die Lage hier im Irak ansehe, scheint die Entmenschlichung genau das Mittel zu sein, das man gegen einander einsetzt (…) Wir sind hier, um die Wurzeln jeglicher Art von Entmenschlichung auch in uns selber zu zerstören. Wir sind hier, um an der Seite derer zu sein, die von den Unterdrückern entmenschlicht werden und uns klar gegen diese Entmenschlichung zu stellen. Wir sind hier um alle Leute, auch uns selber davon abzuhalten, irgendein Kind Gottes zu entmenschlichen, egal wie entmenschlicht jeder in sich selber sein mag.“

* Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags erschien am 13. März 2006 im "Neuen Deutschland".


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