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Britische Besatzer verlassen Basra

Brown beschwört weiter "Erfolgsgeschichte"

Von Ian King, London *

Nach sechs Jahren in Irak, nach gewonnenem Krieg und verlorenem Frieden, verlassen alle britischen Truppen bis Ende Juli 2009 das Land. 4100 Soldaten können sich auf ein Wiedersehen mit ihren Familien freuen – oder auf den Einsatz in Afghanistan. 178 starben, die toten Iraker haben die Eroberer nie gezählt.

Im Gegensatz zum glühenden Kriegsverfechter Tony Blair hatte Gordon Brown immer ein zwiespältiges Verhältnis zum Irak-Abenteuer. Dahinter stand jedoch kein grundsätzlicher Einwand gegen Blutvergießen oder britische USA-Hörigkeit, sondern eher die Sorge eines knauserigen Finanzministers. In der Öffentlichkeit riskierte Brown kein kritisches Wort. Auch jetzt erzählte er den staunenden Soldaten, sie seien »Teil einer Erfolgsgeschichte«.

Jawohl, ein Diktator wurde gestürzt, der sein Volk seit Jahren tyrannisierte. Zugegeben, in Südirak sind einheimische Truppen und Polizisten von den Besatzern ausgebildet worden, die dortige Mord-rate geht endlich zurück. In einer Großstadt mit Sommertemperaturen um 45 Grad Celsius, mitten in einem Ölfördergebiet, bleiben jedoch Strom und sauberes Wasser für die Bürger ein Traum; der Müll stinkt, der Verkehr bleibt stecken. Ein Paradies auf Erden ist Basra nicht geworden. Die Angehörigen des von britischen Soldaten zu Tode getrampelten Hotelempfangschefs Baha Moussa sehen die Mission so wenig als Erfolg an wie die Gefolterten, die ihre Qualen gerade noch überstanden.

Auch in Britannien wollen die Vorwürfe nicht verstummen. Massensterben in Irak, aber auch Terrorangriffe auf und unter Londons Straßen – dabei heißt doch die erste Regierungspflicht, das Leben ihrer Bürger zu schützen. Auch der am 22. Juli 2005 von Polizisten in der U-Bahn unter Terroristenverdacht hingerichtete brasilianische Klempner Jean-Charles de Menezes gehört zu den unschuldigen Kriegsopfern. Nur die Massendemonstrationen der »Stop the War«-Bewegung, an denen Muslime, Linke und Pazifisten einträchtig teilnahmen, sowie das besonnene Auftreten des damaligen Londoner Oberbürgermeisters Ken Livingstone verhinderten dramatische soziale Konflikte. Die Gefahr von Unruhen und weiteren Attentaten hält jedoch an.

Dagegen hat die parlamentarische Opposition zum großen Teil versagt. Zwar stimmte der unabhängig denkende konservative Exminister Ken Clarke gegen den Krieg, wie die gesamte, aber kleine Fraktion der Liberalen; doch die bei weitem größte Zahl der Neinstimmen kam aus den Labourreihen. Robin Cook opferte deswegen seine Ministerkarriere. Tony Blair geht’s auch jetzt noch glänzend, als allseits geachteter Nahost-Friedensemissär statt als Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Tribunal in Den Haag. Daran wird die Forderung der seinerzeit kriegslüsternen Tories und – mit mehr Recht – der Liberalen nach einer unparteiischen parlamentarischen Untersuchung nichts ändern. Fazit: Mit einem illegalen Aggressionskrieg um nicht existente Massenvernichtungswaffen trat New Labour das Völkerrecht mit Füßen, verhalf dabei George Bush zur Wiederwahl. Die abziehenden Truppen hatten in Irak nichts zu suchen, die in Afghanistan auch nicht. Der Albtraum ist nicht zu Ende, er bewegt sich nur einige hundert Kilometer nach Osten.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Dezember 2008

Abgezogen: Südkoreanische Besatzer nicht mehr im Irak

Seoul/Bagdad. Präsident Lee Myung-Bak und Premier Han Seung-Soo (links) stachen sichtlich aus der uniformen Masse heraus, in die sie sich am Freitag begeben hatten – und das, obwohl sie sich in Gestik und Mimik anzupassen versuchten. Nach jahrelang anhaltenden, teilweise heftigen Protesten der Bevölkerung gegen die Irak-Besatzung empfing die südkoreanische Staatsführung auf dem Militärstützpunkt Seong Nam ihr letztes, aus dem Irak abgezogenes Besatzerkontingent.

Mit der Heimkehr der 520 Mann endete nach fünf Jahren der südkoreanische Militäreinsatz im Irak. Auch etwa hundert Soldaten Seouls, die zur logistischen Unterstützung der Irak-Besatzer in Kuwait eingesetzt waren, haben ihren dortigen Stützpunkt geräumt. Südkorea hatte zeitweise bis zu 3600 Soldaten am Golf stationiert. Nach den USA und Großbritannien stellte das fernöstliche Land damit das drittstärkste Kontingent. (AP/AFP/jW)

* junge Welt, 20. Dezember 2008




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