Sieben Schritte auf dem Weg zur vollen Souveränität des Irak
Seven Steps on the path to full Iraqi sovereignty
Von L. Paul Bremer III., US-Zivilverwalter im Irak
By L. Paul Bremer III, Administrator of the Coalition Provisional Authority in Iraq
Im Folgenden dokumentieren wir einen Namensartikel des US-Zivilverwalters im Irak, L. Paul Bremer III., der zunächst in der Washington Post vom 8. September 2003 erschien, in einer vom Amerika Dienst übersetzten deutschen Fassung sowie im amerikanischen Original. Zur Kritik der von den USA verantworteten Besatzungspolitik haben wir vor wenigen Tagen eine Stellungnahme aus der Friedensbewegung dokumentiert: "Sieben Gründe für die Beendigung der Militärintervention".
Der Weg Iraks in die Souveränität
Von L. Paul Bremer III.
Heute vor fünf Monaten beendeten die mutigen Männer und Frauen unserer
Streitkräfte die Befreiung der 25 Millionen irakischen Bürger. Es war ein
außerordentlicher militärischer Triumph. Vergangenheit sind die
Folterkammern Saddam Husseins. Vergangenheit sind die Massenmorde und
Vergewaltigungskammern. Und Vergangenheit ist seine Bedrohung Amerikas und
der internationalen Gemeinschaft. Die Befreiung war eine großartige und
noble Tat.
Es ist nur richtig zu fragen: Was kommt als nächstes?
Kein vernünftiger Mensch würde empfehlen, dass die Koalition den Irak über
einen längeren Zeitraum regiert. Obwohl die Iraker jetzt nie da gewesene
Freiheiten haben, ist Freiheit nicht gleich Souveränität und Besatzung beim
Besetzer und den Besetzten gleichermaßen unbeliebt. Unseres Erachtens sollte
den Irakern sobald wie möglich die Verantwortung für ihre eigene Sicherheit,
Wirtschaftsentwicklung und das politische System übertragen werden.
Wie also können wir den Irakern die Verantwortung für den Irak wieder
übertragen?
Wahlen sind die offensichtliche Lösung für die Rückübertragung der
Souveränität an das irakische Volk. Aber momentan sind Wahlen einfach nicht
möglich. Es gibt keine Wahlregister, kein Wahlrecht, keine Gesetze über
politischen Parteien und keine Wahlbezirke.
Die aktuelle Verfassung ist eine von Saddam Hussein diktierte Formel für
Tyrannei. Als Saddam Hussein zwei Lastwagen mit Geld belud und vor den
vorrückenden Koalitionstruppen floh, hinterließ er ein Vakuum. Die Wahl
einer Regierung ohne eine dauerhafte, die Regierungsgewalt definierende und
beschränkende Verfassung führt nur zu Verwirrung und schließlich zu
Machtmissbrauch.
Um Wahlen durchzuführen, benötigen die Iraker also eine neue, von ihnen zu
erarbeitende Verfassung. Sie muss ihre Kultur und Wertüberzeugungen
widerspiegeln. Eine Verfassung zu entwerfen ist, wie alle Amerikaner wissen,
ein ernstes und bedeutendes Unterfangen. Es geschieht nicht in Tagen oder
Wochen.
Dennoch ist der Weg zur vollen Souveränität des Irak eindeutig. Die Reise
hat begonnen, und drei der sieben Schritte auf diesem Weg wurden bereits
unternommen.
Der erste Schritt kam vor zwei Monaten mit der Einsetzung eines 25-köpfigen
Regierungsrats, der die irakische Gesellschaft umfassend repräsentiert.
Diese mutigen Männer und Frauen sind bereitwillig nach vorne getreten, um
beim Aufbau eines neuen Irak behilflich zu sein.
Der zweite Schritt wurde vorigen Monat unternommen, als der Regierungsrat
einen vorbereitenden Ausschuss damit beauftragte, ein Verfahren für den
Entwurf einer Verfassung zu entwickeln.
Der dritte und wichtigste Schritt war die Übertragung der täglichen
Regierungsangelegenheiten auf die Iraker. Vorige Woche ernannte der
Regierungsrat 25 Minister. Jetzt wird jedes irakische Ministerium von einem
von Irakern ernannten Iraker geleitet. Diese Minister, die nach Ermessen des
Regierungsrats handeln, leiten die Regierungsgeschäfte. Sie machen Politik.
Eben jetzt bereiten sie den Haushalt für 2004 vor, und sie müssen ihre
Ministerien gemäß diesem Haushalt leiten. Die Koalition möchte, dass sie
wirkliche Macht ausüben und wird sie zur Übernahme von Verantwortung
drängen.
Der Entwurf einer neuen Verfassung für den Irak ist der vierte Schritt. Er
beginnt, nachdem der vorbereitende Ausschuss Ende des Monats dem
Regierungsrat ein Verfahren für den Entwurf einer Verfassung vorschlägt.
Schritt fünf, die Ratifizierung der Verfassung durch das Volk, ist
unerlässlich.
Wenn sie einmal geschrieben ist, wird die Verfassung unter dem irakischen
Volk verteilt, diskutiert und erörtert werden. Alle volljährigen Iraker
werden die Möglichkeit haben, für oder gegen die Verfassung zu stimmen. Zum
ersten Mal in seiner Geschichte wird der Irak eine dauerhafte, vom
irakischen Volk geschriebene und gebilligte Verfassung haben.
Der sechste Schritt, die Wahl einer Regierung, folgt daraus. Kurz nachdem
die Verfassung durch öffentliche Abstimmung ratifiziert wurde, werden Wahlen
für die in der Verfassung festgelegten Ämter abgehalten.
Die Regierungsbeamten werden durch allgemeine Wahlen Volljähriger in einer
offenen Wahl bestimmt.
Wenn diese Regierung gewählt ist, wird der Irak eine von Irakern gestaltete
und gewählte Regierung haben. Das ist einzigartig in der Geschichte des Irak
und wird für andere Länder der Region ein starkes Zeichen für Demokratie
setzen.
Der siebte Schritt, die Auflösung der Übergangsverwaltung der Koalition, ist
eine logische Folge der Wahlen. Wenn der Irak einmal eine frei gewählte
Regierung hat, wird die Übergangsverwaltung der Koalition ihre verbleibenden
Befugnisse gerne der souveränen irakischen Regierung übertragen.
Der Prozess ist unkompliziert und realistisch. Zweifellos wird es auf dem
Weg Stolpersteine geben, vor allem da Terroristen beschlossen haben, den
Irak in diesem globalen Krieg gegen den Terrorismus zu einem Schlachtfeld zu
machen. Aber das irakische Volk ist mit der vollen Unterstützung der
Verwaltung und ihrer Koalitionspartner auf dem Weg, volle politische
Souveränität auszuüben.
Der Irak steht vor vielen Problemen, darunter Jahrzehnte der
Unterinvestition in alles von der Ölindustrie bis zum Abwassersystem. Die
Sicherheitsproblematik ist eine ernste Angelegenheit. Es gibt auch andere
Probleme, aber die Frage, wie man den Irak zu einem souveränen Staat macht,
ist keines.
Gestern Abend rief der Präsident die Amerikaner auf, die Iraker bei ihren
Fortschritten weiterhin zu unterstützen. Ich bin zuversichtlich, dass das
amerikanische Volk diese Herausforderung, wie immer, bewältigen wird.
Originaltext: Byliner: Bremer Describes a 7-Step Process of Political
Evolution in Iraq (siehe http://usinfo.state.gov)
The following column by L. Paul Bremer, administrator of the Coalition Provisional Authority in Iraq, was published in the Washington Post September 8.
Iraq's Path to Sovereignty
By L. Paul Bremer III
Five months ago today the brave men and women of our armed forces were completing the liberation of Iraq's 25 million citizens. It was a tremendous military triumph. Gone are Saddam Hussein's torture chambers. Gone are his mass killings and rape rooms. And gone is his threat to America and the international community. The liberation was a great and noble deed.
It is fair to ask: What is next?
No thoughtful person would suggest that the coalition should govern Iraq for long. Although Iraqis have freedoms they have never had before, freedom is not sovereignty and occupation is unpopular with occupier and occupied alike. We believe Iraqis should be given responsibility for their own security, economic development and political system as soon as possible.
So, then, how can we get Iraqis back in charge of Iraq?
Elections are the obvious solution to restoring sovereignty to the Iraqi people. But at the present elections are simply not possible. There are no election rolls, no election law, no political parties law and no electoral districts.
The current constitution is a Hussein-dictated formula for tyranny. When Hussein loaded two trucks with money and fled the advancing coalition forces, he left behind a vacuum. Electing a government without a permanent constitution defining and limiting government powers invites confusion and eventual abuse.
So, to hold elections Iraq needs a new constitution and it must be written by Iraqis. It must reflect their culture and beliefs. Writing a constitution, as all Americans know, is a solemn and important undertaking. It cannot be done in days or weeks.
Nonetheless, the path to full Iraqi sovereignty is clear. The journey has begun and three of the seven steps on this path have already been taken.
The first step came two months ago with the creation of a 25-member Governing Council broadly representative of Iraqi society. These brave men and women have come forward willingly to help build the new Iraq.
The second step took place last month when the Governing Council named a preparatory committee to devise a way to write a constitution.
The third and most important was putting day-to-day operation of Iraqi government in the hands of Iraqis. Last week the Governing Council named 25 ministers. Now every Iraqi ministry is run by an Iraqi appointed by Iraqis. These ministers, who serve at the pleasure of the Governing Council, conduct the business of government. They set policy.
Even today, they are preparing the 2004 budget and must operate their ministries according to those budgets. The coalition wants them to exercise real power and will thrust authority at them.
Writing Iraq's new constitution is the fourth step. It begins after the preparatory committee recommends a process for writing a constitution to the Governing Council later this month.
Step five, popular ratification of the constitution, is indispensable.
Once written, the constitution will be widely circulated, discussed and debated among the Iraqi people. All adult Iraqis will have the opportunity to vote for or against it. For the first time in history, Iraq will have a permanent constitution written by and approved by the Iraqi people.
The sixth step, election of a government, follows naturally. Shortly after the constitution is ratified by popular vote there will be an election to fill the elective offices specified in the constitution.
The officials in charge of that government will be chosen through universal adult suffrage in an open election.
When that government is elected, Iraq will have a government designed and selected by Iraqis. It will be unique in Iraq's history and will send a powerful message about democracy to other countries in the region.
The seventh step, dissolving the coalition authority, will follow naturally on the heels of elections. Once Iraq has a freely elected government, the coalition authority will happily yield the remainder of its authority to that sovereign Iraqi government.
The process is straightforward and realistic. No doubt there will be bumps on the path, especially as terrorists have decided to make Iraq a key battlefield in the global war on terrorism. But the Iraqi people, with the full support of the administration and its coalition partners, are on the way to exercising full political sovereignty.
Iraq faces many problems, including decades of under-investment in everything from the oil industry to the sewer system. Security issues are a matter of grave concern. There are other problems as well, but knowing how to turn Iraq into a sovereign state is not one of them.
Last night the president called upon Americans to continue to support the Iraqis in their progress. I am confident that the American people will rise to this challenge as they always do.
Washington Post, 08 September 2003
(Distributed by the Bureau of International Information Programs, U.S. Department of State. Web site: http://usinfo.state.gov)
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