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Blutiger Dienstag in Irak

Landesweiter Bombenterror forderte über 50 Todesopfer

Von Ingolf Bossenz *

Im Morgengrauen des 20. März begann 2003 mit der Bombardierung Bagdads die US-Invasion in Irak. Genau neun Jahre später erinnerte blutiger Bombenterror an diesen »historischen Tag«.

Platos Diktum, nur die Toten hätten das Ende des Krieges gesehen, erfüllt sich in Irak tagtäglich in grausiger Weise. Am Dienstag, dem neunten Jahrestag des Kriegsbeginns, sorgte eine Serie verheerender Autobombenanschläge für neue Opfer unter der Bevölkerung des leidgeprüften Landes. Mindestens 56 Menschen starben, über 150 wurden verletzt.

Verübt wurden die Attentate in Kirkuk und Mossul im Norden, in Bagdad, in den südlich gelegenen Städten Kerbela, Hilla und Al-Kut sowie in Ramadi westlich und Tikrit nördlich der Hauptstadt.

Damit bestätigt sich die Entwicklung, dass nach dem Abzug der US-Kampftruppen aus Irak Ende Dezember vergangenen Jahres die Anschläge an Zahl und Ausmaß immer dramatischere Dimensionen annehmen. Marodierende Terrorgruppen, religiöse Fanatiker und Gewalttäter politischer Couleur machen das Land an Euphrat und Tigris zu einem Schlachtfeld um Einfluss und Macht. Dabei bilden der Konflikt und die Spannungen zwischen den islamischen Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten den Hintergrund diverser Gewaltakte.

Am blutigen Dienstag (20. März) detonierten allein in der Kurdenmetropole Kirkuk etwa 250 Kilometer nördlich von Bagdad drei Autobomben. 18 Menschen fanden den Tod. Mindestens 40 Menschen erlitten Verletzungen, als die Sprengkörper nahe des Polizeihauptquartiers hochgingen.

Im Zentrum von Bagdad tötete ein Selbstmordattentäter mit einer Autobombe mindestens fünf Menschen.

Neun Tote gab es in Mossul, rund 400 Kilometer nördlich von Bagdad. Unter den Opfern waren Polizei- und Armeeangehörige, als zwei Sprengkörper explodierten. Anschlagsziel waren Konvois der Sicherheitskräfte. Auch in Ramadi richtete sich der Bombenterror gegen einen Konvoi - mit dem Gouverneur der Provinz Anbar, Kassim al-Fahdawi. Er überlebte. Drei Menschen starben.

Kerbela, die schiitische Pilgerstadt, meldete den Tod von 13 Menschen als Resultat der Explosion zweier Autobomben. In Hilla, unweit von Kerbela, kamen ebenfalls bei einem Autobombenanschlag zwei Menschen ums Leben. An anderen Orten starben weitere Menschen.

* Aus: neues deutschland, 21. März 2012


Hochexplosiver Irak

Von Olaf Standke **

Gestern vor neun Jahren begann (20. März 2003) mit der Bombardierung Bagdads Bushs Irak-Krieg. Im Dezember zogen die letzten US-amerikanischen Kampftruppen ab. Hinterlassen haben sie ein Land am Rande des Abgrunds. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über Anschläge und gewaltsame Auseinandersetzungen, so wie gestern, als in der Hauptstadt, im Norden und im Süden des Landes über 40 Menschen ums Leben kamen und mehr als 160 verletzt wurden. Es gibt keine ruhige Zone im Zweistromland. Seit der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki versucht hat, sunnitische Politiker zu entmachten, tobt in der Regierung ein offener Machtkampf, und die Zahl der Anschläge ist deutlich gestiegen. Sie forderten seit Jahresbeginn mehr als 320 Todesopfer.

Doch verlaufen die Fronten keineswegs so linear, wie der traditionelle schiitisch-sunnitische Antagonismus vermuten lassen könnte. In Basra haben jetzt fast eine Million Menschen gegen die Regierung demonstriert. Sie folgten einem Aufruf des schiitischen Predigers Muktada al-Sadr und klagten das Kabinett in Bagdad an, nicht genug zur Verbesserung ihre Lebenslage zu tun. Auf Transparenten forderten sie Elektrizität, Bildung und Demokratie. Neun Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins sind z.B. stundenlange Stromausfälle an der Tagesordnung, sie treffen Sunniten wie Schiiten. Wenn die arabischen Staats- und Regierungschefs in der nächsten Woche in Bagdad zum jährlichen Treffen der Arabischen Liga zusammenkommen, finden sie eine hochexplosive Gemengelage vor. Und Gastgeber Nuri al-Maliki wird dann der einzige schiitische Muslim unter den 22 Teilnehmern sein.

** Aus: neues deutschland, 21. März 2012 (Kommentar)


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