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Nun auch Brzezinski: In den USA wachsen die Zweifel an einem Irak-Angriff

Angesichts warnender Stimmen aus dem eigenen Lager fühlt sich Bush in die Defensive gedrängt

Die Online-Ausgabe von BBC berichtete am 19. August 2002 von zunehmender Skepsis, die sich auch in den Vereinigten Staaten gegen einen Krieg gegen den Irak regt. Zunächst hatten sich Brent Scowcroft, während des zweiten Golfkriegs (1991) Sicherheitsberater des US-Präsidenten George Bush sen. und der Kongressabgeordnete Dick Armey vom rechten Flügel der Republikaner sowie der deomokratische Senator Catl Levin kritisch zu den US-Kriegsabsichten geäußert. Namentlich erwähnt werden nun auch die beiden prominenten Republikaner und früheren US-Außenminister Henry Kissinger und Laurence Eagleburger, die gegenüber US-Fernsehanstalten Zweifel äußerten über die "Klughait" eines solchen Kriegs. Kissinger sagte im Sender NBC, dass ein beabsichtigter Angriff auf das Regime von Saddam Hussein zuerst mit dem amerikanischen Volk diskutiert werden müsse. In einem Artikel für die Washington Post vom 12. August hatte Kissinger bereits zu bedenken gegeben, dass eine Militärintervention nur stattfinden dürfe, wenn die Amerikaner "bereit wären, solch eine Anstrengung so lange auf sich zu nehmen, wie es erforderlich" sei. Laurence Eagleburger argumentierte, dass ein Angriff auf den Irak so lange ungerechtfertigt sei, bis der Präsident allen Amerikanern Beweise geliefert habe, "dass Saddam seinen Finger am atomaren, biologischen und chemischen Drücker hat und er entschlossen ist, auch davon Gebrauch zu machen."

Kissinger und Eagleburger reihen sich ein in eine Reihe kritischer Stimmen, die mittlerweile in den USA das konservative Lager erreicht haben. Es sind vor allem hoch angesehene Politiker aus den Reihen von Bushs eigener republikanischer Partei. Sie stimmen im wesentlichen überein mit den Warnungen des ehemaligen UN-Waffeninspekteurs Hans Blix, der meinte, dass die Drohung mit einem Militärschlag die irakische Führung nicht davon überzeugen würde, wieder Waffeninspekteure ins Land zu lassen. In einem Interview mit BBC sagte Blix sinngemäß: Wenn die Irakis zum Schluss kommen, dass eine Invasion ohnehin unabwendbar sei, hat eine evtl. Erlaubnis zu neuerlichen Inspektionen für sie keinerlei Bedeutung mehr. Wörtlich sagte er: "Wenn die Inspekteure hereingelassen werden und sie ungehinderten Zugang ohne Beschränkungen haben ..., dann könnte das eine wichtige Rolle spielen. Darauf sollten wir unsere Anstrengungen richten und einer nicht-kriegerischen Lösung zum Durchbruch verhelfen."

Auch die Neue Zürcher Zeitung widmet sich am 19. August 2002 der inneramerikanischen Diskussion. Am Wochenende (17./18.08.2002) hat sich z.B. eine weitere gewichtige Stimme eingeschaltet, die des ehemaligen Sicherheitsberaters unter Präsident Carter, Zbigniew Brzezinski. In einem Beitrag für die "Washington Post" nennt er eine Reihe von Bedingungen, welche die USA herstellen müssten, bevor sie den Irak angreifen könnten. Wohlgemerkt: Auch bei Brzezinski geht es nicht darum, einen Krieg gegen Irak rundum abzulehnen. Vielmehr möchte er, falls ein Krieg notwendig sei, die Voraussetzungen für ein effektives Vorgehen der eigenen Kräfte verbessern. Notwendig sei erstens, dass der Präsident in einer Ansprache an die Bevölkerung seine Argumente sorgfältig darlegt und begründet, weshalb die Bedrohung durch Saddams Massenvernichtungswaffen so ernst sei, dass die USA zum Handeln gezwungen sei. Zweitens müsse die US-Administration verdeutlichen, warum Abschreckung als Mittel nicht mehr genüge. Drittens empfiehlt Brzezinski, dass Präsident Bush die internationale Initiative ergreifen solle. Insbesondere sollten die USA eigene Vorschläge für umfassende Waffeninspektionen im Irak ins Spiel bringen. Falls Saddam die Inspektionen erneut ablehne, könnte dies als legitimer Kriegsgrund hingestellt werden. Auf diese Weise fiele es leichter, die zögerlichen europäischen Regierungen für sich zu gewinnen. Viertens sollten sich die USA aktiver für die Beendigung des Nahostkonflikts engagieren. Fünftens sollten sich die USA möglichst bald mit den Verbündeten und den betroffenen arabischen Staaten zu Gesprächen über eine irakische Nachkriegsordnung zusammenfinden. All diese Schritte seien geeignet, dem militärischen Vorgehen der USA international eine größere Diese Legitimation zu verschaffen. Die NZZ zitiert: "Wenn es denn Krieg sein soll, so muss er in einer Weise geführt werden, die die globale Hegemonie der USA legitimiert und gleichzeitig zu einem zuverlässigeren System der internationalen Sicherheit führt."

Auch wenn in dem Artikel der politische Kurs des US-Präsidenten nicht kommentiert wird, können die Ratschläge Brzezinskis doch als indirekte Kritik an Bush aufgefasst werden - insbesondere dort, wo er explizit Fehler benennt, welche die US-Adminsitration unbedingt vermeiden sollte. Ein Fehler wäre etwa, wenn die Entscheidung zum Krieg "im stillen Kämmerlein" gefällt würde und keine Rücksicht auf die öffentliche Meinung im In- und Ausland nähme. Ein anderer Fehler läge darin, dass der Krieg wie ein Blitz aus heiterem Himmel käme. Der Krieg müsse vielmehr gut vorbereitet werden uns sich gewissermaßen als logische Konsequenz aus der irakischen Verweigerungshaltung ergeben. Fazit: Die politischen Voraussetzungen für einen effektiven Militäreinsatz sind nach Auffassung Brzezinskis noch nicht geschaffen. Ein voreiliges Losschlagen würde das Ansehen der USA in der Welt schwer beschädigen. Letztlich, so fasst die NZZ den Artikel zusammen, "geht es nach Ansicht Brzezinskis um viel mehr als nur um den Irak, nämlich um den Charakter der künftigen Weltordnung und um die Rolle, die der mächtigste Staat darin zu spielen hat."

Nach dem BBC-Bericht stößt neuerdings auch General Norman Schwarzkopf ins Horn der Skeptiker. Schwarzkopf war bekannt geworden als Befehlshaber der US-Truppen im Golfkrieg 1991. Heute sagt er, wenn die USA siegreich sein wollen, seien sie wesentlich auf Verbündete in der Region angewiesen, also etwa auf Kuwait, die Türkei und Saudi-Arabien. "Das wird keine leichte Schlacht", sagte er in der NBC. Es sei doch einleuchtend, "dass man nicht gern an zwei Fronten kämpft, wenn es sich vermeiden lässt".

Lediglich der frühere Beamte des Verteidigungsministeriums Richard Perle tanzte aus der Reihe der prominenten Skeptiker. Gegenüber ABC sagte er, dass der bevorstehende Angriff anders ablaufen würde als die Operation "Desert Storm" von 1991. Washington muss seiner Meinung nach diesmal keine Rücksicht auf die europäischen Verbündeten nehmen. "Wir reden heute nicht über eine massive Invasion entlang der Gefechtslinien von 1991", sagte er. "Unsere europäischen Verbündeten sind dabei nicht relevant..., und der einzige Verbündete von einigem Gewicht, das Vereinigte Königreich, wird, so glaube ich, auf unserer Seite sein."

Damit ist Richard Perle forscher als Präsident Bush. Dessen Position ist wenig klar. Zur Zeit scheint es jedenfalls, als sei er bei so viel prominentem Widerspruch in die Defensive gedrängt worden. George Bush betonte laut BBC, dass er für Meinungen und Ratschläge von allen Seiten des politischen Spektrums offen sei. "Amerika muss wissen", so wird er zitiert, "dass ich mir meine Meinung bilde auf der Grundlage der neuesten nachrichtendienstlichen Informationen und darauf, was das Beste ist um unser eigenes Land und unsere Freunde und Verbündeten zu schützen."

Pst

Quellen: BBC-online, 19. August 2002; (http://news.bbc.co.uk/);
Neue Zürcher Zeitung, 19. August 2002



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