Bush und Blair zündeln im Nahen Osten
Anglo-amerikanische Luftangriffe auf Irak - Worum geht es?
Am 16. Februar 2001 ließen George Bush und Tony Blair wieder Ziele in der Nähe Bagdads bombardieren. Dabei kamen mindestens zwei Menschen ums Leben (der irakische Rundfunk sprach von 5 Toten), es gab zahlreiche Verletzte. Für den US-Präsidenten waren es "Routineoperationen", wie er kurz darauf in einer Setllungnahme sagte. Und damit hatte er Recht. Seit zehn Jahren bombardieren nämlich britische und US-amerikanische Kampfflugzeuge irakische Stellungen - fast nach Belieben und willkürlich. Als Grund wird regelmäßig vorgebracht, die Irakis hätten gegen das so genannte Flugverbot verstoßen. Dieser "Verstoß" besteht meist darin, dass irakisches Radar US-Flugzeuge in der "Flugverbotszone" ins Visier nehmen. Darauf - so die Begründung der beiden "Alliierten" - würden die Kampfjets die irakischen Stellungen angreifen, sozusagen in "Notwehr"!
Die "Flugverbotszonen"
Die Flugverbotszonen im Norden und Süden Iraks wurden nach
Angriffen der irakischen Luftwaffe auf die kurdische und
schiitische Zivilbevölkerung vom Februar 1991 eingerichtet und
erstrecken sich über mehr als die Hälfte des irakischen
Staatsgebietes. Diese Zonen wurden nicht aufgrund ausdrücklicher Resolutionen
der Vereinten Nationen geschaffen, sondern einseitig von den USA und Großbritannien (am Anfang war auch Frankreich mit von der Partie) festgelegt. Allerdings berufen sich die
"Alliierten" des Golfkriegs auf die UN-Resolution 688 vom April
1991, die die Unterdrückung der Zivilbevölkerung verurteilt. In der Resolution heißt es u.a.: "Der Sicherheitsrat ... verurteilt die in vielen Teilen des Iraks, besonders auch in allerjüngster Zeit in den kurdischen Siedlungsgebieten stattfindende Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung ... (Er) verlangt, dass der Irak als Beitrag zur Beseitigung der Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region diese Unterdrückung sofort einstellt..."
Die Region nördlich des 36. Breitengrades wurde bereits im April
1991 von den Golfkriegsalliierten zur Flugverbotszone erklärt.
Ausgangspunkt war die Einrichtung einer rund 10.000
Quadratkilometer großen Schutzzone rund um die nördlich
gelegene Stadt Sacho gewesen, die die kurdische
Zivilbevölkerung vor Übergriffen der irakischen Armee schützen
sollte.
Die Flugverbotszone im Süden des Landes wurde am 27. August
1992 eingerichtet und erstreckte sich zunächst auf ein Gebiet von
rund 140.000 Quadratkilometern südlich des 32. Breitengrades.
Als Ziel wurde der Schutz der dort lebenden schiitischen
Bevölkerung vor innenpolitischer Verfolgung angegeben. Nach den
US-Angriffen auf irakische Stellungen im Herbst 1996 wurde das
Gebiet bis zum 33. Breitengrad ausgedehnt.
Die USA und Großbritannien unternehmen regelmäßig Flüge über
dem Gebiet in Südirak. Die Maschinen für die Kontrollflüge sind in
Saudi-Arabien, Kuwait und auf Flugzeugträgern im Golf
stationiert.
Die Meldung
Die dürren Meldungen über die Angriffe fielen am 17. Februar 2001 etwa so aus:
Zwei Dutzend US-amerikanische und britische
Kampfflugzeuge haben am Freitag, den 16. Februar 2001, Ziele in unmittelbarer Umgebung der
irakischen Hauptstadt Bagdad bombardiert. Es waren die ersten derartigen
Angriffe seit zwei Jahren. (Anmerkung: Unter "derartigen Angriffen" sind in diesem Fall nur Angriffe auf Ziele in unmittelbarere Nähe von Bagdad gemeint. Ziele in den oben definierten "Flugverbotszonen" werden dagegen sehr häufig angegriffen, sei sind aber den Medien kaum noch eine Meldung wert. So flogen US-Flugzeuge beispielsweise am 21. Januar 2001, also einen Tag nach der Inaugurationsfeier für Präsident Bush, einen Angriff, bei dem drei Iraker ums Leben kamen. Pst) US-Präsident George W. Bush, der sich zum
Zeitpunkt der Attacke am Freitagmittag (Ortszeit) in Mexiko aufhielt, hatte
die Bombardierung am Vortag gebilligt.
Nach Angaben des Penatgon wurden fünf Ziele bombardiert. Die Operation habe
um 12.30 Uhr (18.30 Uhr MEZ) begonnen und etwa zwei Stunden gedauert. Die
Angriffe hätten militärischen Kommando- und Radareinrichtungen gegolten,
sagte Generalleutnant Gregory Newbold im Pentagon. Alle Ziele der Operation
seien erreicht worden und die Flugzeuge sicher zurückgekehrt.
Newbold begründete die Angriffe mit zunehmenden "Provokationen" der Iraker in
den vergangenen zwei Monaten. Die irakische Flugabwehr habe ihre Aktivitäten
in dieser Zeit verstärkt und ihre Technik verbessert und habe so eine
Bedrohung für alliierte Flugzeuge dargestellt, die die Flugverbotszonen
kontrollieren. Bush bezeichnete den Angriff der USA und Großbritanniens als eine
"Routineoperation". Die Alliierten hätten in den vergangenen Jahren immer
wieder die Einhaltung der Flugverbotszonen durchgesetzt. So auch diesmal,
sagte Bush auf einer Pressekonferenz mit dem mexikanischen Präsidenten
Vicente Fox.
An der Operation waren nach Angaben des Pentagon 24 Flugzeuge beteiligt. Es
soll sich um Kampfflugzeuge vom Typ F-15, F- 16 und F-18 gehandelt haben.
Nach diesen Angaben blieben die Flugzeuge während der Operation in der
südlichen Flugverbotszone. Die Ziele lagen nördlich des 33. Breitengrades am
Rande der südlichen Zone.
Worum geht es wirklich?
Die USA haben offenbar ein Problem. Seit zwei Jahren wächst die Kritik an dem UN-Wirtschaftsembargo gegen den Irak. Zu viele zivile Opfer haben die Sanktionen in den vergangenen 10 Jahren gekostet. Der Irak ist im kurzen Golfkrieg 1991 in den Zustand eines der ärmsten Länder zurückgebombt worden und wird seitdem mit Sanktionen bestraft, die seither über einer Million Menschen, insbesondere Kindern, das Leben gekostet haben. Am Regime hat sich nichts geändert. Aber daruf kommt es den USA offenbar gar nicht an. Im Gegenteil: Einen richtigen Schurkenstaat ("rogue state") im Nahen Osten vorrätig zu haben, bringt einen riesigen Vorteil: Man braucht seine massive militärische Präsenz in dieser Region nicht vor der Welt rechtfertigen. Der Hinweis auf die Bedrohung durch den Oberschurken Saddam Hussein reicht schon aus, um das Engagement sowohl gegenüber den arabischen "Verbündeten" (in erster Linie das reaktionäre Regime in Saudi-Arabien) als auch gegenüber der eigenen Bevölkerung zu Hause zu legitimieren. Es ist poaradox: Saddam braucht den äußeren Druck, um sich mit Repression im Inneren an der Macht zu halten - Die US-Administration braucht den geliebten Schurken Saddam, um ihre Präsenz im Nahen Osten aufrecht zu erhalten. Eine Liebesfeindschaft der besonderen Art!
In der politischen Klasse der USA wird über solche Zusammenhänge viel unumwunener gesprochen als bei uns. In einem Kommentar der Washington Post schrieb Jim Hoagland vor wenigen Tagen u.a.:
"Zum ersten Mal seit dem Ende des Golfkriegs vor einem
Jahrzehnt gefährdet die irakische Flugabwehr das Leben von
amerikanischen und britischen Piloten, die für die Einhaltung des
Flugverbots sorgen. Eine geringe, aber abrupte Zunahme
irakischer Boden-Luft-Raketen gibt Anlass zur Sorge. Die Piloten
leiden unter der fehlerhaften Strategie, die von der
Clinton-Administration entwickelt wurde. Die Flieger haben
Befehl, im Irak nur Ziele von geringer militärischer Bedeutung
anzugreifen. ...
Die neue Bush-Administration erachtet den Irak als dringendes
Thema der Außenpolitik. Doch es muss schneller gehandelt
werden, wenn man vermeiden will, dass Saddam Hussein die
Initiative ergreift, indem er alliierte Kriegsflugzeuge mit einer
SA-6-Rakete abschießt....
Leider sind noch immer wichtige Stellen mit Beamten der
Clinton-Ära besetzt. Diese Beamten haben dabei geholfen, die
Strategie der ineffektiven Luftangriffe gegen Saddams Truppen zu
entwickeln. Bis heute nehmen sie an entscheidenden
Planungssitzungen über den Irak teil. Der Senat sollte dabei
helfen, diese Anomalie zu korrigieren, indem er Formsachen
außer Acht und die neuen Bush-Leute an die Arbeit lässt.
... Mit Saddams Weigerung, UN-Inspektoren nach seinen Raketen
und Massenvernichtungswaffen suchen zu lassen, hat der Irak
gegen das Waffenstillstandsabkommen verstoßen, das den
Golfkrieg beendet hat. Das bietet die rechtliche Grundlage für
neue Militäreinsätze. ...
Großbritannien hat vor kurzem zu verstehen gegeben, dass eine
neue Strategie nötig sei, um weitere militärische Einsätze zu
rechtfertigen. ...
Die neuen Gefahren machen deutlich, dass dem Bush-Team
keine Minute Zeit bleibt, um den Kosten-Nutzen-Faktor der
militärischen Anstrengungen neu abzuwägen. Die Zeit
symbolischer Militäreinsätze gegen Saddam ist vorbei. Wir sind
an einem Scheideweg. Es ist Zeit, ernst zu machen oder sich
zurück zu ziehen."
(Zitiert nach Die Welt, 18. Februar 2001)
Internationale Proteste
Die Luftangriffe stießen auf heftige Proteste in verschiedenen Ländern. Russland und China verurteilten die Angriffe in deutlichen Worten. Das russische Außenministerium bezeichnete die Angriffe in einer offiziellen Erklärung am 17. Februar als "nicht provozierte Aktion", die beweise, "dass Washington und London an der Position von Gewaltanwendung gegen den Irak festhalten". Damit seien die Spannungen in der Golfregion verschärft worden und die ohnehin gewalttätige Lage im Nahen Osten würde sich dadurch verschlimmern. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums bezeichnete
die Angriffe als Verletzung der Souveränität des Irak und
forderte, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen dürfe.
Von den NATO-Partnern kam Kritik aus Frankreich und der Türkei. Das französische Außenministerium erklärte, Paris sei von
Washington vor dem Angriff weder konsultiert noch informiert
worden. Schon bei früheren Angriffen habe man "Unverständnis" gezeigt. Berlin gab keine wertende Stellungnahme ab. Die Bundesregierung war nach Angaben aus
Regierungskreisen ebenfalls nicht vorab über Angriffe
informiert worden. Dies sei auch bei früheren Luftangriffen der
Briten und Amerikaner auf Ziele im Irak nicht der Fall gewesen. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit nannte den
Angriff "traurig" und bedauerte, dass Zivilisten zu Schaden
gekommen seien. Sogar irakische Oppositionsgruppen im Exil kritisierten den
Einsatz und warfen den USA vor, damit Präsident Saddam
Hussein zu stärken.
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