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Zur Chefsache erklärt

Al-Maliki erneuert irakisches Team, das mit Washington über Truppenstatut für US-Armee verhandelt

Von Karin Leukefeld *

Neue Besen kehren gut, sagt der Volksmund. Das scheint sich auch der von Washington eingesetzte irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki gedacht zu haben, als er vor wenigen Tagen das irakische Team austauschte, das mit den USA über ein Truppenstatut für die US-Armee im Irak (Statut of Forces Agreement, SOFA) verhandelt. Maliki entzog dem irakischen Außenministerium die Federführung und erklärte die Verhandlungen zur Chefsache. Die drei neuen Unterhändler sind der irakische Sicherheitsberater Mouaffak Al-Rubaie, der Generalstabschef Tariq Najim und der politische Berater Sadiq Rikabi, die Maliki direkt unterstehen. Das Truppenstatut soll die Rechte der US-Armee nach dem Ende des offiziellen UN-Mandats am 31. Dezember 2008 regeln. Die bisherige Vorlage ist im Irak sehr umstritten. »Wir hätten ein ernstes Problem, wenn wir es in der aktuellen Fassung vom Parlament abstimmen lassen wollten«, sagte ein nicht genannter Regierungsbeamter (gegenüber der US-Tageszeitung Los Angeles Times). Insbesondere bei der geforderten Straffreiheit für US-Soldaten und einem Rückzugsdatum aus dem Irak, auf das die US-Administration sich nicht festlegen will, sind die Positionen unvereinbar.

Die neueste Fassung der Vereinbarung, die allerdings bisher noch nicht veröffentlicht wurde, soll als Abzugsdatum für die US-Truppen Ende 2011 vorsehen, es sei denn, die irakische Regierung bittet sie zu bleiben. Außerdem sollen sich die Truppen im Juni 2009 aus den Städten in die US-Militärbasen zurückziehen.

Neue Besen sollen auch in Bagdad kehren, wie die Regierung jetzt beschlossen hat. Die irakische Armee wurde von Al-Maliki angewiesen, »alle Personen, die widerrechtlich private oder öffentliche Gebäude besetzt halten«, umgehend aus diesen zu entfernen, erklärte Militärsprecher Generalmajor Qassim Moussawi. Die Hausbesetzer seien der Hauptgrund, warum die irakischen Flüchtlinge aus dem Ausland nicht nach Bagdad zurückkehren würde, begründete ein anderer Sprecher des Militärs, Tahseen Al-Sheikhli, das harsche Vorgehen. Wer den Anordnungen nicht Folge leisten wolle, werde nach dem Antiterrorismusgesetz angeklagt und müsse mit bis zu drei Jahren Haft rechnen.

Die innerirakische Vertreibung und Flucht nahm bereits während der US-Invasion 2003 ihren Lauf, als besitz- und arbeitslose Iraker aus den Slums am Rande Bagdads ins Zentrum der Stadt kamen und sich in evakuierten Privathäusern oder auch in den Trümmern zerstörter Regierungsgebäude niederließen. Schon im Sommer 2003 hatten Vertreter von Nichtregierungsorganisationen wie der französischen Première Urgence (PU) in Bagdad 150 Orte markiert, in denen sich Vertriebene niedergelassen hatten. Während das US-Militär lediglich bei strategisch wichtigen Orten an einer Räumung interessiert gewesen wäre, fand sich bei der irakischen Übergangsregierung niemand, der sich um die Menschen gekümmert hätte, erklärte damals Jean Francois Brière im Gespräch mit der Autorin.

Nun will die irakische Regierung bis zu 195 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen, um den Hausbesetzern zu helfen, in ihre früheren Wohnungen zurückzukehren. Für manche ist das ein zynisches Angebot, denn sie haben, wie eine Frau aus der Provinz Diyala irakischen Reportern erklärte, kein Zuhause mehr. »Bewaffnete Männer kamen in mein Haus, töteten meinen Mann und zerstörten alles«, sagte die Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte. »Ich bin eine Witwe und hier sind meine Kinder, soll ich etwa auf der Straße leben?«

* Aus: junge Welt, 5. September 2008


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