Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Obama: "Bluten und Aufbauen"

US-Präsident sprach vor Rückkehrern aus dem Irak-Einsatz *

Vor heimkehrenden Soldaten hat US-Präsident Barack Obama das Ende des Militäreinsatzes in Irak als nationales Erfolgsmoment gefeiert.

Obama lobte am Mittwoch (14. Dez.) auf der Militärbasis Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina die »außergewöhnlichen Errungenschaften« der USA in dem fast neunjährigen Einsatz. Zugleich gedachte er der mehr als 4400 Soldaten, die in dem Krieg ums Leben kamen.

»Willkommen zu Hause«, rief Obama der jubelnden Menge zu. Vor der Kulisse von Transportflugzeugen und Armeefahrzeugen erinnerte der Präsident an das »Kämpfen und Sterben« und »Bluten und Aufbauen« der Soldaten, das schließlich zu diesem »Moment des Erfolges« geführt habe. Dank ihrer »Opfer« hätten die Iraker nun ihr eigenes Schicksal in der Hand. »Wir hinterlassen ein souveränes, stabiles und selbstständiges Irak, mit einer vom Volk gewählten Regierung«, sagte Obama, der mit seiner Frau Michelle nach Fort Bragg gekommen war. »Und wir beenden einen Krieg nicht mit einer finalen Schlacht, sondern mit einem finalen Marsch nach Hause.«

Als Abgeordneter im Senat seines Bundesstaates Illinois hatte Obama den Einmarsch in Irak einst als »dummen Krieg« bezeichnet und war 2008 mit dem Versprechen in den Präsidentschaftswahlkampf gezogen, den Militäreinsatz zu beenden. In seiner Rede erinnerte Obama nun daran, dass der Krieg »eine Quelle für große Kontroversen« in den USA gewesen sei.

Auf dem Höhepunkt des Einsatzes waren 2007 rund 170 000 US-Soldaten in Irak stationiert. Im Oktober hatte Obama den Abzug so gut wie aller Truppen bis Jahresende angekündigt. Der Termin steht offiziell bereits seit 2008 fest, im Sommer 2010 hatten die letzten Kampftruppen Irak verlassen. Beide Regierungen führten aber Verhandlungen über den Verbleib Tausender US-Soldaten zur Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte. Die Gespräche scheiterten, weil Bagdad den US-Militärs keinen Schutz vor Strafverfolgung gewähren wollte.

Irak hat in den vergangenen Jahren eigene Armee- und Polizeikräfte mit einer Stärke von mehr als 900 000 Mann aufgebaut, die künftig die Stabilität garantieren sollen.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta hat in Bagdad an einem Festakt zum bevorstehenden Abzug der letzten US-Truppen teilgenommen. In seiner Rede vor Soldaten, die in diesen Tagen ihre letzten Stützpunkte an die Iraker übergeben, sagte er, die irakische Armee sei jetzt in der Lage, mit dem Terrorproblem alleine fertig zu werden. Die USA wollten Irak jedoch auch weiter als Partner zur Seite stehen.

* Aus: neues deutschland, 16. Dezember 2011


Die frohe Botschaft für Irak

Von Roland Etzel **

Wir hinterlassen ein souveränes, stabiles und selbstständiges Irak ...« - es war ein Abend ungebrochener Selbstbeweihräucherung, wie immer wenn ein US-Präsident vom segensreichen Wirken seiner Uniformierten im Ausland schwärmt.

»Und heute erinnern wir uns an alles, das ihr geleistet habt …« Mit diesen Worten zauberte Obama seinen Zuhörern auf der Militärbasis Fort Bragg in North Carolina bei der Begrüßung heimgekehrter Irak-Krieger Tränen der Rührung in die Augen, insbesondere als das gute Gewissen der Weltverbesserung, »gebettet in die Ehre der amerikanischen Nation« die Halle durchschwebte. Auf transzendentalem Wege wurden so auch jene Kameraden zu stolzen Hütern des amerikanischen Traums erklärt, die die Rückkehr im Zinksarg angetreten hatten.

Seinen Verteidigungsminister Panetta hatte Obama gestern nach Bagdad geschickt, um auch die Menschen im souveränen und selbstständigen Irak der frohen Botschaft teilhaftig werden zu lassen. Leider teilt der Minister die Meinung seines Präsidenten »vom stabilen Irak« offenbar nicht ganz, denn er ließ sein Auftauchen am Tigris aus nicht genannten Gründen unangekündigt - so wie alle höheren amerikanischen Chargen vor ihm, obwohl doch Obamas Vorgänger Bush jun. die »Mission Irak« schon am 1. Mai 2003 für »erfüllt« erklärt hatte. Das war nicht fair von Panetta gegenüber dem Präsidenten, der doch am Mittwoch von den »außergewöhnlichen Errungenschaften« der USA in Irak gesprochen hatte. Da muss man sich nicht wundern, dass so viele Iraker ob Panettas Auftritt so finster gelächelt haben sollen.

** Aus: neues deutschland, 16. Dezember 2011 (Kommentar)


Zurück zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage