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Nein zu einer imperialen Weltordnung / Kein Krieg gegen Kinder!

Naturfreunde und Deutscher Kinderschutzbund erklären sich gegen Irak-Krieg

Fast täglich gehen neue Stellungnahmen zum drohenden Irak-Krieg aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen bei uns ein. Im Folgenden dokumentieren wir eine Erklärung der NaturFreunde Deutschlands sowie des Berliner Landesverbands des Deutschen Kinderschutzbundes.


Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands

Nein zum Krieg - Nein zu einer imperialen Weltordnung

Beschluss des Bundesvorstands vom 25.1.03 in Frankfurt/Main

Trotz großer Bedenken in vielen Teilen der Welt scheint die Regierung der USA entschlossen zu sein, das Regime von Saddam Hussein im Irak mit einem Krieg zu beseitigen. Dabei nehmen sie weder Warnungen vor den unabsehbaren Folgen für die Region, noch die Grundlagen des Völkerrechts zur Kenntnis, die Gewalt gegen andere Länder nur mit Zustimmung der VN legitimieren. Gleichzeitig werden Bündnispartner und Kritiker einer Intervention von den USA als indirekte Unterstützer Saddam Husseins diffamiert.

Die NaturFreunde Deutschlands appellieren an die Staaten der Welt, alles zu tun, um diesen Krieg zu verhindern. Sie appellieren insbesondere an die Menschen in Deutschland, in den USA und in Großbritannien, sich einem Krieg gegen den Irak entgegenzustellen.

In der Frage nach Krieg oder Frieden kann es kein Taktieren geben. Der Konflikt zwischen den USA und der deutschen bzw. französischen Regierung ist ein Konflikt über die künftige Weltordnung. Er kann nicht durch unverbindliche Formeln übertüncht werden. Mit einer Zusammenarbeit im Geist von Demokratie und Partnerschaft ist es nicht vereinbar, wenn die USA für eine imperiale Weltordnung in den Krieg ziehen wollen, während sie jeden sachlichen Einwand als Verrat und Feigheit abtun. Die Welt ist kein Vasall der Supermacht USA.

Die NaturFreunde fordern die Regierung in Bagdad auf, endgültig auf Massenvernichtungsmittel zu verzichten, eng mit den Waffeninspektoren und mit den Institutionen der VN zusammenzuarbeiten. Saddam Hussein ist ein Diktator, der Schrecken und Unheil über die Welt gebracht hat. Er hat dabei Hilfe aus dem Westen und aus dem Osten in Anspruch nehmen können. Weil es ihren Interessen entsprach, haben beide Seiten tatenlos zugesehen, als Saddam Hussein den Iran mit Senfgas angegriffen und gleichzeitig Tausende irakischer Kurden ermordet hat. Die Mittel gegen ihn müssen Isolierung, Sanktionen und die Unterstützung einer demokratischen Opposition sein. Die wird jedoch nur Erfolg haben, wenn die Bevölkerung einer Perspektive für eine friedliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung erhält.

Die Ordnung der Welt nach dem 11. September darf nicht zu einer Mischung von imperialen Zielen, harten Wirtschaftsinteressen und Rachegelüsten werden. Was die Völkergemeinschaft braucht, ist eine Weltinnenpolitik, die sozial, ökologisch und demokratisch gestaltet wird. Offenkundig geht es der amerikanischen Regierung in erster Linie um Ölinteressen. Nach dem Terror vom September 2001 ist den USA klar geworden, wie riskant ihre Abhängigkeit von den großen Ölreserven in der Golfregion, vor allem in Saudi-Arabien ist. Doch gerade dieses Land ist in den letzten Jahren zunehmend zur Brut- und Zufluchtsstätte des extremen Islamismus geworden. 14 der 19 Terroristen vom September 2001 stammten aus Saudi-Arabien, obwohl die amerikanische Regierung mit dem dortigen Regime eng zusammenarbeitet.

Ein Krieg ist keine Lösung, Er würde im Gegenteil die Konflikte verschärfen. Das wichtige internationale Bündnis gegen den Terror würde auseinanderbrechen; fragwürdige Regierungen würden noch stärker versuchen, an Massenvernichtungsmittel zu kommen, um nicht selbst angegriffen zu werden; die Vereinten Nationen würden dramatisch an Bedeutung verlieren. Eine Weltpolitik, die den eigenen Interessen dient, wird zur angekündigten Katastrophe. Bis heute ist kein Konzept für eine Weltinnenpolitik, die auf der Idee des dauerhaften Friedens aufbaut, erkennbar. Vielmehr verhält sich die große Nation USA nach dem Motto "Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns". Diese neue Bipolarität wird die Welt spalten und die Gefahr von Krieg und Terrorismus noch vergrößern. Das schafft den Nährboden für eine unkalkulierbare Spirale von Gewalt und Gegengewalt.

Die NaturFreunde sind ein Verband, der sich zum solidarischen Internationalismus bekennt. Wir fordern die Regierungen auf, die Chancen einer Weltinnenpolitik nicht zu verspielen. Wir warnen vor der Ideologie eines Kampfs der Kulturen, denn es geht um Demokratie und Gerechtigkeit in der einen Welt. Nur auf dieser Basis sind Frieden und Zusammenarbeit möglich.

Wir warnen vor einem fortgesetzten Kampf um die Ressourcenherrschaft in der Welt. Zu den Gütern, die allen Menschen gehören, zählen die natürlichen Lebensgrundlagen. Darauf müssen alle Länder Rücksicht nehmen, denn wir sind auf Gegenseitigkeit angewiesen.

Die USA haben eine große Tradition. Sie sind eine in ihren Werten bewunderte Gesellschaft. Aber die heutige USA-Regierung hat sich von den Idealen der Unabhängigkeitserklärung weit entfernt. Die Welt braucht ein Amerika der Freiheit und der Partnerschaft. Die Welt braucht eine USA, die ihre großen wirtschaftlichen Kräfte für eine sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung einsetzt.

Die NaturFreunde unterstützen das Nein der Bundesregierung gegen einen Irak-Krieg. Wir erwarten, dass Deutschland bei allen mit einem Irak-Krieg verbundenen Herausforderungen das Völkerrecht beachtet und sich im Fall eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der USA auch nicht indirekt beteiligt, oder Angriffshandlungen von deutschem Boden aus duldet. Ein Nein zum Krieg bedeutet ein Nein ohne Wenn und Aber. Ein Nein zum Krieg ist kein Nein zur Freundschaft mit den USA, aber es ist ein Nein zu einer Politik, die kein Problem löst, aber die Konflikte verschärfen und neues Unheil über die Menschheit bringen würde.

Die NaturFreunde Deutschlands unterstützen den Aufruf zu einem europaweiten Aktionstag gegen den Krieg am 15. Februar und rufen ihre Mitglieder auf, sich daran zu beteiligen.

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Irak: Kein Krieg gegen Kinder!

"Schon lange hat sich in zivilisierten Gesellschaften durchgesetzt, dass Konfliktregelung nicht vorrangig in der Klärung von Schuldfragen sondern in der Entwicklung von Perspektiven für ein friedliches Miteinander besteht," so der Vorsitzende des Berliner Kinderschutzbundes, Walter Wilken. "Das gilt sowohl in der Gesellschaft, in der Familie, zwischen den Staaten und wird den Kindern schon in der Schule vermittelt."

Unter dem Vorwand, den irakischen Diktator zu entwaffnen, betreibt der Präsident der Vereinigten Staaten eine Politik, die letztendlich dazu führen wird, dass abertausende von Kindern, Müttern und Vätern getötet werden. Diese Politik ist in der Konsequenz menschenverachtend. Die Strategen der psychologischen Kriegführung umschreiben dieses Morden sarkastisch als Entwaffnung.

Die Westberliner wissen, dass sie ohne die Unterstützung der USA die Zeit des kalten Krieges kaum überlebt hätten. Schließlich verdanken sie den Vereinigten Staaten, dass Werte wie Demokratie, Zivilcourage und Offenheit zu Werten in der politischen Auseinandersetzung in Deutschland geworden sind.

Diese Werte verpflichten aber auch, gegenüber den Vereinigten Staaten Stellung zu nehmen und Klartext zu reden. So verurteilt der Berliner Kinderschutzbund jede Politik, die auf dem Prinzip der Vergeltung beruht. So rechtfertigen die Verbrechen des irakischen Diktators Saddam Hussein keinen Krieg gegen das irakische Volk.

Der Berliner Kinderschutzbund greift daher in die Debatte um den Irakkonflikt ein und ruft zur Teilnahme an der Anti-Irak-Kriegs-Demonstration am 15.2.02 in Berlin auf. Damit wird ein deutliches Zeichen gegen die US-amerikanischen Kriegsvorbereitungen gesetzt und gleichermaßen die friedenssichernde Haltung der deutschen Bundesregierung unterstützt.

In der Irakfrage darf nicht opportunistisch danach geschielt werden, was die US-Regierung gerne hören will, sondern es geht darum, zu ergründen, wie der Konflikt friedlich gelöst werden kann.

Eltern, Lehrer und Erzieher müssen mit Kindern darüber sprechen, dass die Haltung der USA nicht die Erziehung zu Konfliktlösung mit friedlichen Mitteln infrage stellen kann.

Der Berliner Kinderschutzbund fordert die Bundesregierung auf, für die Kriegsvorbereitung und für den Kriegsfall keinerlei Ressourcen zur Verfügung zu stellen.





Deutscher Kinderschutzbund
Landesverband Berlin e.V.
Berlin, den 29.01.2003


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