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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Juni 2010


Dienstag, 1. Juni, bis Sonntag, 6. Juni
  • Knapp drei Monate nach den Parlamentswahlen im Irak hat der Oberste Gerichtshof des Landes das Wahlergebnis endgültig bestätigt. Zwei Kandidaten wurden allerdings die ursprünglich bereits zugeteilten Sitze wieder aberkannt, wie das irakische Staatsfernsehen am 1. Juni berichtete. Ihre Mandate sollen von Mitgliedern ihrer jeweiligen politischen Gruppierung übernommen werden, an den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ändert sich daher nichts. Mit der Bestätigung des Wahlergebnisses dürfte der Weg zu einer Regierungsbildung im Irak erleichtert werden.
  • Die US-Armee hat am 1. Juni die Verantwortung für die Sicherheit in der sogenannten grünen Zone in Bagdad an die Iraker übergeben. Die 30-minütige Zeremonie im Zentrum der irakischen Hauptstadt markierte die letzte Etappe des US-Rückzugs aus den irakischen Städten, mehr als sieben Jahre nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in den Irak. In der besonders streng gesicherten grünen Zone befinden sich die irakischen Regierungsgebäude und zahlreiche ausländische Botschaften.
  • Der Kommandeur der US-Truppen im Irak, General Raymond Odierno, schrieb in einem am 3. Juni veröffentlichten Brief an die amerikanischen Soldaten im Irak: «Der Zeitpunkt ist gut gewählt, die irakischen Sicherheitskräfte sind nun in der Lage, die volle Verantwortung für die Verteidigung des Landes im Inneren zu übernehmen.» Derzeit sind noch knapp 92 000 US-Soldaten im Irak stationiert. Die Truppenstärke soll bis Ende August auf 50 000 schrumpfen. Die verbleibenden Soldaten sollen dann noch bis Ende 2011 im Land bleiben, um die Iraker bei Anti-Terror-Einsätzen zu unterstützen. Außerdem sollen sie weiterhin einheimische Soldaten ausbilden und die Offiziere der irakischen Armee beraten. Der Einsatz soll laut Odierno vom 1. September an nicht mehr «Operation Irakische Freiheit» sondern «Operation Neue Morgendämmerung» heißen. 2007 hatte die US-Truppenstärke im Irak mit mehr als 170 000 Soldaten ihren Höchststand erreicht. Die US-Armee hatte die irakische Armee nach ihren Einmarsch im Frühjahr 2003 aufgelöst und dann später neu gegründet.
  • Die US-Armee hat in den vergangenen drei Monaten nach eigenen Angaben den Großteil der El-Kaida-Führung im Irak getötet oder festgenommen. "In den vergangenen 90 Tagen haben wir 34 der 42 führenden Mitglieder der El Kaida im Irak entweder getötet oder gefasst", sagte der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, Ray Odierno, am 4. Juni in Washington. Die Zahl der Angriffe auf die US-Armee sowie die der getöteten oder verwundeten Soldaten im Irak sei zugleich auf den tiefsten Stand seit Beginn der Invasion im März 2003 gesunken.
  • Ein hochrangiger kurdischer Politiker im Nordirak hat dem Iran am 5. Juni wiederholte Grenzverletzungen vorgeworfen. Es seien 35 iranische Soldaten in den Irak eingedrungen, sagte Dschabar Jawar, ein Vize-Minister der kurdischen Autonomieregierung. Demnach halten sich die Iraner derzeit in dem irakischen Grenzdorf Perdunas auf. Die Streitkräfte des Nachbarlandes hätten bei der Verfolgung von Kämpfern der kurdischen Rebellengruppe PEJAK immer wieder die Grenze verletzt, sagte Jawar weiter. Das irakische Verteidigungsministerium wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.
Montag, 7. Juni, bis Sonntag, 13. Juni
  • Irakisches Öl wird nach Einschätzung der Regierung in den kommenden Jahren für eine Stabilisierung der Weltmarktpreise sorgen. Ölminister Hussain al Schahristani sagte am 7. Juni in Kuala Lumpur, die irakische Ölproduktion werde sich bis 2017 auf zwölf Millionen Barrel pro Tag vervierfachen. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Verträge mit internationalen Ölfirmen geschlossen worden.
  • Der französische Botschafter in Bagdad, Boris Boillon, sagte der regierungsnahen irakischen Tageszeitung «Al-Sabah» (7. Juni): «An diesem Dienstag (8. Juni) wird ein französisches Kriegsschiff im Hafen von Basra einlaufen. Dies ist ein Schritt, um das Vertrauen zwischen Paris und Bagdad zu stärken, und um zu zeigen, dass Frankreich den Irak unterstützt.» Der Botschafter wies in diesem Zusammenhang auch auf die geplanten Investitionen des französischen Energiekonzerns Total im Irak hin. Total wolle in den kommenden Jahren drei Milliarden US-Dollar aufbringen, um die Produktion in dem südlichen Ölfeld Halfaja zu steigern. Die Lizenz für die Ausbeutung von Halfaja war an ein Konsortium vergeben worden, dem neben Total auch Chinas staatliche Ölgesellschaft und Petronas aus Malaysia angehören.
  • Ein Soldat der US-Armee im Irak ist unter dem Verdacht festgenommen worden, im April ein geheimes armeeinternes Video über den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen US-Kampfhubschrauber im Internet veröffentlicht zu haben. Armee-Ermittler fassten den 22-jährigen Analysten Bradley Manning, nachdem er sich im Internet als Quelle des Aufsehen erregenden Videos zu erkennen gegeben habe, sagte ein Pentagon-Sprecher. Manning sitze derzeit in einem Stützpunkt in Kuwait ein und warte auf die Anklageerhebung, so die Presse am 7. Juni.
  • Die türkische Luftwaffe hat zum zweiten Mal in weniger als drei Wochen Stellungen kurdischer Rebellen im Nordirak angegriffen. Nach Berichten des türkischen Fernsehsenders NTV (7. Juni) bombardierten sechs Militärflugzeuge mehrere Stellungen von Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Zone Sap Chakurk in der autonomen Kurdenprovinz. Die türkische Armee äußerte sich zunächst nicht dazu.
  • Bei einer Serie von Anschlägen sind am 7. Juni im Irak mindestens 13 Menschen getötet worden. Nachdem die Gewalt in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist, versuchen Attentäter jetzt offenbar, das Vertrauen in die irakischen Sicherheitskräfte zu untergraben und sektiererische Gewalt zu schüren. Bei der Explosion einer Autobombe in einem Bagdader Einkaufsviertel kamen drei Zivilpersonen ums Leben, neun weitere Menschen wurden verletzt. In der Nähe von Abu Ghraib nahe der Hauptstadt erschossen Aufständische einen Mann und zwei seiner Söhne. Die Attentäter hätten vermutlich den Bruder des Vaters gesucht, der ein bekanntes Mitglied einer Anti-Terror-Miliz sei, sagte ein Polizeisprecher. Südlich von Bagdad töteten als irakische Soldaten verkleidete Aufständische drei Brüder und verletzten einen vierten. Ihr Vater war laut Polizei als Kritiker von Al-Kaida bekannt.
  • Die früher unter dem Namen Blackwater bekannte US-Sicherheitsfirma Xe Services sucht einen neuen Eigentümer. Man sei auf der Suche nach einem Käufer, teilte das Unternehmen am 7. Juni in North Carolina mit. In den vergangenen 15 Monaten seien wichtige Änderungen vorgenommen worden, die den Wert der Firma für einen künftigen Käufer erhöht hätten. Unter den Namen Blackwater hatte das Unternehmen Sicherheitskräfte für den Irak bereitgestellt. Die Firma geriet wegen einer Schießerei in Bagdad 2007 in Verruf, bei der 17 Menschen getötet wurden, darunter Frauen und Kinder. Das Blutbad rief (nicht nur) im Irak große Empörung hervor.
  • Extremisten haben am 8. Juni im Irak erneut einen Angehörigen der christlichen Minderheit getötet. Der Inhaber einer Handy-Firma sei vor seinem Haus in einem Vorort der Stadt Kirkuk mit zwölf Schüssen niedergestreckt worden, sagte ein Polizeisprecher.
  • Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat die Abschiebung irakischer Flüchtlinge aus Europa kritisiert. Am 9. Juni seien 58 Iraker nach Ablehnung ihrer Asylanträge in Großbritannien, Schweden, Dänemark und den Niederlanden nach Bagdad zurückgebracht worden, teilte eine UNHCR-Sprecherin am 10. Juni mit. Das Flüchtlingshilfswerk hatte zuvor gewarnt, die Lage im Irak sei weiter sehr unsicher.
  • Die US-Streitkräfte haben einen Medienbericht über die Präsenz iranischer Soldaten im Norden des Irak mit Skepsis aufgenommen. Den USA lägen keine Belege dafür vor, dass iranische Soldaten tatsächlich eine befestigte Stellung auf irakischem Territorium errichtet hätten, sagte US-Armeesprecher Stephen Lanza am 10. Juni in einer Konferenzschaltung mit Journalisten in Washington. Die "Los Angeles Times" hatte zuvor berichtet, dass Soldaten aus dem Iran vergangene Woche in den kurdisch kontrollierten Nordirak eingedrungen seien und eine kleine befestigte Stellung nahe der Grenze errichtet hätten.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Irak sind am 11. Juni zwei US-Soldaten getötet und sechs weitere verletzt worden. Wie die US-Armee mitteilte, sprengte sich der Täter in der zentralirakischen Stadt Dschalawla mit einer Autobombe in der Nähe einer US-irakischen Patrouille in die Luft. Nach irakischen Angaben, die den Tod der US-Soldaten nicht erwähnten, wurden bei dem Anschlag 160 Kilometer nördlich von Bagdad vier Iraker getötet, zwei Polizisten und zwei Zivilisten. Ein Arzt eines örtlichen Krankenhauses nannte die Zahl von 26 Verletzten.
  • Die USA planen eine Spezialtruppe zum Schutz ihrer Diplomaten im Irak. Sie soll dem Außenministerium unterstellt werden und nach dem Abzug der regulären US-Einheiten Ende 2011 Sicherheitsaufgaben übernehmen. In einer nun bekanntgewordenen Anfrage an das Verteidigungsministerium vom April bat das Außenministerium unter anderem um 24 Transporthubschrauber, 50 gepanzerte Fahrzeuge, Transport-Lastwagen und Überwachungssysteme. Die Pläne werden als Mistrauensvotum gegen die von den USA ausgebildeten und finanzierten irakischen Streitkräfte gewertet. Eigentlich hatte sich die US-Regierung unter Barack Obama bisher gegen die Beschäftigung privater Sicherheitsunternehmen ausgesprochen, so die Presse am 13. Juni.
Montag, 14. Juni, bis Sonntag, 20. Juni
  • Mehr als drei Monate nach der Parlamentswahl im Irak sind die Abgeordneten am 14. Juni zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Die Versammlung wurde allerdings schon nach knapp 20 Minuten wieder vertagt und blieb damit weitgehend symbolisch. Grund ist, dass nach wie vor keines der politischen Lager über eine Mehrheit verfügt. Daher konnten wichtige Ämter wie das des Staatspräsidenten, des Regierungschefs und des Parlamentspräsidenten noch nicht besetzt werden. Die Parteien bräuchten mehr Zeit, um sich zu einigen, sagte der amtierende Parlamentspräsident Fuad Massum. Es wurde erwartet, dass der Prozess noch mehrere Monate dauern könnte. Für die nächste Parlamentssitzung wurde zunächst kein Termin anberaumt. Der UN-Gesandte für den Irak, Ad Melkert, sagte, die Tatsache, dass sich das Parlament konstituiert habe, erhöhe den Druck auf die Parteien, sich so rasch wie möglich zu einigen.
  • Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat von den kurdischen Behörden im Norden des Iraks ein gesetzliches Verbot der Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen gefordert. Am 16. Juni veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht, demzufolge die medizinisch nicht gerechtfertigte und sehr schmerzhafte Genitalverstümmelung an der Mehrheit der kurdischen Frauen vorgenommen wird. Zwar hat die kurdische Regionalregierung den Angaben zufolge Schritte gegen häusliche Gewalt und sogenannte Ehrenmorde unternommen, sie zögert aber, weibliche Genitalverstümmelung als Gewalt gegen Frauen zu betrachten. Es sei der kurdischen Regierung auch unangenehm, über die Sexualität von Frauen zu sprechen und zuzugeben, dass noch immer Mädchen und Frauen in Kurdistan verstümmelt würden, erklärte Human Rights Watch. Bei der Genitalverstümmelung handelt es sich um sehr schmerzhafte und nicht selten tödliche Eingriffe an den weiblichen Sexualorganen. Die Praxis hat keinerlei medizinische Zwecke, kann aber schwere emotionale und körperliche Folgen nach sich ziehen, von Schmerzen beim Sex bis hin zu Komplikationen während der Geburt. Die Eingriffe werden auch aus religiösen Überzeugungen vorgenommen, obwohl sich muslimische und christliche Führer dagegen ausgesprochen haben. Laut Angaben der Vereinten Nationen wurden insgesamt um die 70 Millionen Mädchen und Frauen in zahlreichen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens verstümmelt.
  • Die zaghaften Friedensbemühungen zwischen Türken und Kurden sind erneut ins Stocken geraten. Zwar will Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Dialog mit der größten ethnischen Minderheit in der Türkei aufrechterhalten, doch die Erfolgsaussichten für eine Versöhnung trüben sich zunehmend ein. Am 16. Juni sind türkische Truppen zur Verfolgung kurdischer Rebellen in den Norden des Iraks vorgedrungen. Allein in der vergangenen Woche kam es zu drei Zwischenfällen, für die die türkischen Behörden die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK) verantwortlich machen. Der inhaftierte Rebellenführer Abdullah Öcalan drohte mit der einseitigen Ausrufung einer demokratischen Autonomie im Südosten des Landes. «Die Terrororganisation kann niemals für meine kurdischen Mitbürger sprechen», erklärte Erdogan am 16. Juni im Parlament. Die türkische Regierung sei entschlossen, den Versöhnungsprozess trotz der jüngsten PKK-Anschläge in Gang zu halten. Doch nach dem Rückzug Öcalans von den Bemühungen um einen Friedensdialog Ende Mai und dem Verbot der kurdischen Demokratischen Gesellschaftspartei (DTP) durch das türkische Verfassungsgericht im Dezember haben die Rebellen ihre Angriffe wieder intensiviert.
  • Eine Al Kaida nahestehende Organisation hat sich am 16. Juni zu einem Anschlag auf die irakische Zentralbank vom Sonntag (13. Juni) bekannt. Im Internet veröffentlichte die Extremistengruppe Islamischer Staat Irak eine Mitteilung, wonach sie fünf Männer entsandt habe, um das Finanzinstitut anzugreifen. Bei den schweren Gefechten wurden am Sonntag mehr als 20 Menschen getötet, als eine Gruppe von Aufständischen in gestohlenen Uniformen versuchte, das Gebäude zu stürmen. Es kam zu einem stundenlangen Feuergefecht mit Sicherheitskräften, in dessen Verlauf drei Angreifer Sprengstoffwesten zündeten. Nach Polizei- und Krankenhausangaben wurden 26 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt.
  • Bewaffnete haben am 17. Juni in einem Dorf in der Nähe von Falludscha ein Mitglied einer irakischen Antiterroreinheit und einen Großteil seiner Familie erschossen. Nach Polizeiangaben übernachtete die Familie im Garten ihres Hauses. Am frühen Morgen seien bewaffnete Männer in das Anwesen eingedrungen und hätten das Feuer eröffnet. Dabei wurden der Milizionär des regierungstreuen sunnitischen Erweckungsrats, seine Frau, zwei Töchter und ein Sohn getötet. Ein weiterer Sohn sei verletzt worden. Die Polizei machte die Terrorgruppe Al-Kaida im Irak für den Anschlag verantwortlich.
  • Die türkischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben seit März etwa 150 kurdische Rebellen getötet. 120 Rebellen kamen demnach im Mai bei Luftangriffen sowie in dieser Woche bei einem Einsatz türkischer Elitetruppen im Nordirak ums Leben, 30 Rebellen seien bei Militäraktionen innerhalb der Türkei getötet worden, sagte Generalmajor Fahri Kir am 18. Juni. Die Verluste der Sicherheitskräfte im selben Zeitraum bezifferte er auf 43.
  • Bei einem Anschlag auf das Haus eines turkmenischen Provinzvertreters im Norden des Irak sind am 18. Juni mindestens fünf Menschen getötet und 47 weitere verletzt worden. Unter den Opfern seien viele Frauen und Kinder, teilte die Polizei in der sunnitischen Provinz Salaheddin im Norden von Bagdad mit. Ob auch der Provinzialrat selbst, Niasar Nomaroglu, durch die Explosion der Autobombe getroffen wurde, blieb zunächst unklar. In der Provinz leben viele Anhänger der kurdischen und turkmenischen Minderheit.
  • Im Grenzgebiet zum Irak sind zehn türkische Soldaten durch einen Angriff der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK getötet worden. Mindestens 16 Militärs wurden bei dem Überfall auf einen Außenposten der Armee verletzt, teilte der türkische Generalstab am 19. Juni mit. Der Angriff ereignete sich am frühen Morgen in der Nähe der Stadt Semdinli. Nach diesen Angaben kamen auch zwölf PKK-Kämpfer ums Leben. Als Vergeltung bombardierten türkische Luftstreitkräfte PKK-Stellungen im Norden des Iraks. Erst am Donnerstag (18. Juni) waren etwa 600 türkische Soldaten bis zu drei Kilometer tief auf irakisches Gebiet vorgedrungen. Der Einsatz der Spezialeinheiten war mit Hubschraubern und Kampfjets abgesichert worden.
  • Bei einer Demonstration im Süden des Iraks ist am 19. Juni ein Mann von Sicherheitskräften erschossen worden. Nach Angaben der Polizei wurden drei weitere Personen bei den Protesten in der Provinzhauptstadt Basra am 19. Juni verletzt. Etwa 3.000 Menschen hatten gegen die anhaltend schlechte Stromversorgung demonstriert. Sie zündeten einen Wachposten an und warfen mit Steinen, die Sicherheitskräfte schossen dann auf die Demonstranten. Im Irak kommt es immer wieder zu Protesten gegen die schlechte Versorgung mit Wasser und Strom.
  • Bei einem Doppelanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 20. Juni 27 Menschen getötet und mehr als 50 verletzt worden. Nahe der Irakischen Handelsbank explodierten gegen 11.00 Uhr zwei mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge, wie die Polizei mitteilte. Die Bomben detonierten gleichzeitig auf einer belebten Straße in der Nähe des Nisur-Platzes, an dem sich auch mehrere staatliche Gebäude befinden. Die Polizei erklärte, die Bomben seien von Selbstmordattentätern gezündet worden. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Der Verdacht fiel auf Aufständische. Die Täter wollten den Wiederaufbau des Iraks stören, sagte Bankchef Hussein al Usri. Das werde ihnen aber nicht gelingen. Der Irak werde weiter an wirtschaftlicher Stärke zulegen und seine Bank werde am Montag (21. Juni) wieder öffnen, fügte er hinzu. Unter den Toten sind nach seinen Worten fünf Wachleute der Bank, sechs weitere wurden verletzt. Die Irakische Handelsbank wurde nach der US-Invasion von 2003 gegründet, um den irakischen Außenhandel und Wiederaufbau zu unterstützen.
Montag, 21. Juni, bis Mittwoch, 30. Juni
  • Neuerliche Eskalation im Kurden-Konflikt: Bei einem Anschlag auf einen Armeebus sind am 22. Juni im Westen von Istanbul vier Soldaten und die 17-jährige Tochter eines Militärs getötet worden. Zu dem Attentat bekannten sich die «Freiheitsfalken Kurdistans» (TAK), eine Untergruppe der verbotene Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Mehr als zehn Menschen wurden schwer verletzt. Die Tat sei Vergeltung für Angriffe der türkischen Armee und für einen ungerechten Krieg gegen die Kurden, erklärten die «Freiheitsfalken Kurdistans» auf einer Internetseite. Sie kündigten an, ihre Angriffe noch zu verstärken.
  • Bei einer Serie von Anschlägen auf einen ranghohen Mitarbeiter des irakischen Verkehrsministeriums und Gegner des Terrornetzwerks Al-Kaida sind am 22. Juni mindestens fünf Menschen getötet worden. 13 weitere wurden verletzt. Einer der Anschläge galt dem Generaldirektor des Verkehrsministeriums, der jedoch nicht verletzt wurde, wie die Polizei mitteilte. Demnach explodierte in der Hauptstadt Bagdad unweit des Konvois des Beamten am Straßenrand eine Bombe, wodurch zwei Passanten getötet wurden. Bei einem weiteren Bombenanschlag in der Provinz Dijala wurden zwei Anführer einer Anti-Al-Kaida-Miliz getötet. In Falludscha kam ein Mann, der sich als öffentlicher Kritiker des Terrornetzwerks hervorgetan hat, bei einem weiteren Sprengstoffanschlag ums Leben. In beiden Fällen waren die Sprengsätze an den Autos der Opfer befestigt.
  • Anhaltende Stromausfälle in glühender Sommerhitze bringen die Gemüter der Menschen im Irak zunehmend in Wallung Bei Temperaturen nahe 50 Grad verliert mancher allmählich die Geduld mit der Regierung, die sieben Jahre nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein immer noch keine zuverlässige Elektrizitätsversorgung zustande bringt. Jetzt nahm Ministerpräsident Nuri al-Maliki den Rücktritt des zuständigen Ministers an - ein Signal, dass der um die Macht kämpfende Regierungschef die Zeichen erkannt hat, so die Pressemeldungen am 24. Juni.
  • US-Präsident Barack Obama hat am 25. Juni den Diplomaten James Jeffrey zum neuen Botschafter im Irak ernannt. Jeffrey ist derzeit US-Botschafter in der Türkei. Er folgt auf Christopher Hill, der sich nach Angaben eines Außenamtsmitarbeiters "zurückzieht". Die Ernennung Jeffreys muss noch vom US-Senat bestätigt werden.
  • Bei einem Raubüberfall in der irakischen Stadt Falludscha sind am 26. Juni vier Menschen getötet worden. Die Täter, sechs bewaffnete Männer, entkamen nach Polizeiangaben mit einer großen Menge Gold. Bei den Opfern handelt es sich demnach vermutlich um die Eigentümer des ausgeraubten Juweliergeschäfts. In jüngster Zeit hat die Zahl der Gewaltverbrechen im Irak zugenommen.
  • Nach mehrmonatiger Unterbrechung setzt eine Londoner Untersuchungskommission am 29. Juni ihre Anhörungen zur britischen Beteiligung am Irak-Krieg fort. Die öffentlichen Anhörungen hatten im November begonnen, befragt wurden bereits zahlreiche hochrangige Beamte, Diplomaten, Militärs und Politiker, unter ihnen die früheren Premierminister Tony Blair und Gordon Brown. Bei der nun beginnenden zweiten Runde der Anhörungen soll auch der frühere UN-Chefwaffeninspekteur Hans Blix befragt werden, der den Einmarsch im Irak 2003 äußerst kritisch bewertet hatte. Großbritannien und die USA hatten Bagdad den Besitz von Massenvernichtungswaffen vorgeworfen, solche wurden aber nie gefunden.
  • Bei einer Serie von Bombenanschlägen und Schießereien an mehreren Orten im Irak sind am 29. Juni 13 Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Brigadegeneral und ein neunjähriges Mädchen. Ziel der Angriffe waren vor allem Angehörige der Sicherheitskräfte und Regierungsangestellte, wie die Behörden mitteilten. Vier Polizisten wurden getötet, als ein mit Sprengstoff beladener Wagen neben ihnen explodierte. Der Anschlag wurde in der Stadt Beidschi verübt, rund 250 Kilometer nördlich von Bagdad. Dabei kam auch eine Zivilperson in einem Fahrzeug in der Nähe ums Leben, mindestens sieben weitere wurden verletzt. Bei einem separaten Angriff in Beidschi eröffneten Angreifer das Feuer auf einen Öllaster und töteten den Fahrer. Ein Brigadegeneral der irakischen Streitkräfte wurde in einem nördlichen Stadtviertel von Bagdad von einer Autobombe getötet, die an seinem Wagen befestigt war. Ein Mitglied des Provinzrats von Bagdad kam ebenfalls bei einem Bombenanschlag auf seinen Wagen ums Leben. Vier Mitglieder einer sunnitischen Familie, darunter ein neun Jahre altes Mädchen, wurden bei Chalis 80 Kilometer nördlich von Bagdad erschossen, als sie in der Nähe ihres Hauses Spazieren gingen. In Mossul im Norden brachen bewaffnete Männer in ein Haus ein und töteten eine Frau.


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