Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Mai 2010


Samstag, 1. Mai, bis Sonntag, 9. Mai
  • Das Bündnis des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und die Allianz der religiösen Schiiten-Parteien schließen sich zusammen. Damit bilden die schiitischen Parteien, die bei der Parlamentswahl am 7. März noch gegeneinander angetreten waren, erneut die größte Fraktion. Vertreter beider Bündnisse sagten, sie wollten nun gemeinsam die Suche nach Partnern für die Bildung einer neuen Regierung aufnehmen. Wer neuer Ministerpräsident werden soll, ließen sie jedoch noch offen. Irakische Beobachter hatten bereits während des Wahlkampfes spekuliert, dass der Schiit Al-Maliki und die Schiiten-Allianz von Ammar al-Hakim und Muktada al-Sadr letztlich fusionieren würden. Sie hatten ihnen vorgeworfen, sie wollten die Wähler mit ihrer "gespielten Rivalität" in die Irre führen. Das Nachsehen hat nun der frühere Übergangsregierungschef Ijad Allawi, der bei der Wahl mit 91 Mandaten den ersten Platz erreicht hatte. Al-Malikis Bündnis war mit 89 Mandaten auf dem zweiten Platz gelandet, vor der Allianz der religiösen Schiiten und dem Bündnis der beiden großen Kurdenparteien, so die Presse am 2. Mai.
  • Im Irak hat es offenbar in einem weiteren Gefängnis Menschenrechtsverletzungen gegeben. Ein junger Häftling soll in einer Untersuchungshaftanstalt in der nordirakischen Stadt Kirkuk zu Tode gefoltert worden sein. Erst kürzlich waren Häftlingsberichte über brutale Foltermethoden in einem Geheimgefängnis in Bagdad bekannt geworden. Zu dem neuen Fall in Kirkuk hieß es am 4. Mai aus Sicherheitskreisen, der Tod von Taha Jassin al-Dschawali in dem Gefängnis 250 Kilometer nördlich von Bagdad werde untersucht. Ein Mann sei bereits festgenommen worden. Der Häftling Dschawali soll Mitte 20 gewesen sein. Angehörige seines Stammes sagten, das Gefängnis, in dem er saß, werde von der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) kontrolliert. Zuletzt hatten Foltervorwürfe in einem irakischen Geheimgefängnis in Bagdad für Aufsehen gesorgt. Ehemalige Häftlinge berichteten über Folter wie Elektroschocks und sexuelle Misshandlungen. Das Geheimgefängnis stand laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) unter Aufsicht einer Regierungsabteilung, die für Ministerpräsident Nuri al-Maliki arbeitet.
Montag, 10. Mai, bis Sonntag, 16. Mai
  • 90 Tote, 250 Verletzte. Das ist die dramatische Bilanz mehrerer Attentate am 10. Mai im Irak. Die Opfer waren fast ausnahmslos Zivilisten. Irakische Politiker verschiedener Konfessionen verurteilten die Taten und erklärten, Ziel der Terroristen sei es offensichtlich, neue Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten zu säen. Der folgenschwerste Anschlag ereignete sich vor einer Textilfabrik in der Stadt Hillah südlich von Bagdad; allein von dort meldeten Polizei und Krankenhausmitarbeiter 40 Tote und 135 Verletzte. Vor der Fabrik explodierten zwei Autobomben. Als Anwohner und Rettungskräfte herbeieilten, um den Opfern zu helfen, sprengte sich inmitten der Menge ein Selbstmordattentäter in die Luft, wie Polizeisprecher Muthana Chalid mitteilte. 13 weitere Menschen kamen nach Angaben des Innenministeriums bei einem Doppelanschlag in Suwajrah, 40 Kilometer südlich von Bagdad, ums Leben. Anschlagsorte waren ein Markt und eine Moschee. Das Ministerium gab die Zahl der Verletzten mit 28 an, die Polizei sprach von bis zu 71 Verletzten. Weitere Anschläge auf Zivilisten ereigneten sich in Iskandarija, in Tarmija im Norden Bagdads und in Bagdads westlicher Vorstadt Abu Ghureib. In der westlichen Stadt Falludscha wurden mehrere Häuser in die Luft gesprengt, in denen Angehörige der Sicherheitskräfte wohnten. Vier Menschen starben. In Bagdad selbst kostete eine Serie von offenbar koordinierten Anschlägen mindestens zehn Menschen das Leben, mehr als 20 wurden verletzt. Ziel der Attentäter waren nach Behördenangaben Kontrollposten von Polizei und Streitkräften. Diese wurden in den meisten Fällen von Bewaffneten aus fahrenden Autos heraus angegriffen. Die sieben Überfälle ereigneten sich über einen Zeitraum von zweieinhalb Stunden in fünf verschiedenen Vierteln der irakischen Hauptstadt.
  • Angesichts der instabilen politischen Lage im Irak ziehen die USA ein langsameres Abzugstempo ihrer Soldaten in Erwägung. Der Rückzug der ersten Welle werde vermutlich um vier Wochen verschoben, verlautete am 12. Mai aus Regierungskreisen in Washington. Gründe dafür seien die unklaren politischen Verhältnisse auch zwei Monate nach der Parlamentswahl und die wieder zunehmende Gewalt.
  • Bei einem Doppelanschlag während eines Fußballspiels im Norden des Irak sind am 14. Mai mindestens acht Menschen getötet worden. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums wurden bei den Angriffen etwa hundert weitere Menschen verletzt. Während eines Spiels zwischen zwei heimischen Mannschaften in Tal Afar, etwa 380 Kilometer nördlich von Bagdad, explodierte eine Autobombe. Zudem sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Das Spielfeld war laut Polizei durch keinerlei Barrieren abgeschirmt.
  • Der Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida im Irak hat eine neue Führung gewählt. Die Gruppe reagierte damit auf den Tod ihrer Anführer vor einigen Wochen. Auf Islamisten-Web-Seiten wurden die Namen der neuernannten Befehlshaber verbreitet. Demnach wurde ein Iraker mit dem Kampfnamen Abu Bakr al-Baghdadi zum "Emir des Islamischen Staates im Irak" ernannt. Als seinen "Wesir" und Stellvertreter nannte die Gruppe Abu Abdullah. Beide seien nach ausführlichen Beratungen aller relevanten Kräfte ausgewählt worden, hieß es in der Erklärung. Den "Islamischen Staat Irak" schuf die Terrorzelle vor mehr als drei Jahren, um sich ein irakischeres Image zu verpassen. Mit der Ernennung der beiden Nachfolger hat die Gruppe nun ihre führerlose Zeit beendet. Mitte April töteten irakische und US-amerikanischen Truppen die bisherigen Anführer der Dachorganisation. Ende April bestätigte auch al-Qaida den Tod von Abu Omar al-Baghdadi und Abu Ajjub al-Masri. Obwohl amerikanische Soldaten und irakische Sicherheitskräfte im Anschluss an diese Operation zahlreiche weitere lokale Anführer verhaftet hatten, verübten die Terroristen im Irak in den vergangenen Wochen zahlreiche Sprengstoffanschläge, so die Presse am 16. Mai.
  • Die Neuauszählung der Stimmzettel in der Provinz Bagdad hat das Ergebnis der Parlamentswahl im Irak nicht verändert. Das teilte der Sprecher der Wahlkommission am 16. Mai in Bagdad mit. Damit bleibt es landesweit bei dem knappen Vorsprung des Blocks des früheren Ministerpräsidenten Ijad Allawi vor dem Wahlbündnis des amtierenden Regierungschefs Nuri al-Maliki von 91 zu 89 Sitzen. Maliki hatte nach der Abstimmung von Wahlfälschung gesprochen und eine Neuauszählung der Stimmen verlangt. In ersten Gesprächen über eine Regierungsbildung hatten sich Maliks Rechtsallianz und die Irakischen nationale Allianz auf einen gemeinsamen Block verständigt. Zusammen stellen die beiden größten schiitischen Parteien 159 Abgeordnete im Parlament. Für eine Mehrheit sind allerdings 163 Sitze erforderlich.
  • Wie al-Dschasira am 16. Mai berichtet, soll das irakische Verteidigungsministerium nun planen, was auch das US-Militär gerne praktiziert hat, um unruhige Städte zu befrieden: Angeblich will man um die 5-6-Millionen-Stadt eine Sicherheitsmauer bauen, um Aufständische daran zu hindern, in die Hauptstadt zu gelangen, die wieder zum Ziel von Anschlägen geworden ist. Das US-Militär hatte mehrere Städte wie Falludscha, Tal Afar oder Samarra mit einem Wall umgeben, um die Bewegung der Menschen zu kontrollieren. Der Bau der neuen Stadtmauern). In Bagdad wurden ebenfalls 3,5 m hohe Mauern und Kontrollpunkte zwischen Stadtvierteln errichtet, um die Gewalt zu beenden. Das aber macht die eingeschlossenen Stadtviertel auch zu "gated communities" oder Gefängnisvierteln. Ein Film bezeichnet Bagdad als Stadt der Mauern. Bewacht wurden die Kontrollstellen und die Stadtviertel im Irak, aber auch in anderen Städten durch sogenannte Awakening-Gruppen, also letztlich durch Milizen, die von den USA bezahlt wurden. Diese Kontrolle durch lokale Gruppen, die natürlich ihr eigens Süppchen kochten, hat die Gewalt zeitweise stark zurückgehen lassen, aber die Etablierung einer staatlichen Ordnung nicht gerade gefördert. Die schiitisch dominierte Regierung will diese Finanzierung nicht mehr fortsetzen, so dass die Gefahr besteht, dass die nun einkommenslosen Männer sich erneut der sunnitischen Widerstandsbewegung anschließen. Wie in Afghanistan wird der Anschluss an militante Gruppen weniger von Ideologie oder Glauben gefördert, sondern vor allem durch Arbeitslosigkeit, da auch Widerstands- oder Terrorgruppen als "Arbeitgeber" auftreten. Wie General Qassim Atta sagte, soll die Mauer aus Beton, ausgerüstet mit Überwachungskameras und anderen Sensoren, verhindern, dass Terroristen in die Stadt gelangen. Gemeint sind wohl vor allem sunnitische Aufständische. In ländlichen Bereichen werden anstatt einer Mauer Gräben ausgehoben. Die neue Stadtmauer soll bewirken, dass der Zugang nur über 8 Kontrollstellen möglich wird. Bis 2011 soll Bagdad zu einer "gated city" geworden sein. Angeblich will man dann ? Modell Schengen-Raum - die Kontrollstationen an den Mauern in der Stadt wieder auflösen.
Montag, 17. Mai, bis Sonntag, 23. Mai
  • Im Zuge des Abzugs der US-Truppen aus dem Irak werden die dortigen Verbände einen neuen Oberkommandierenden bekommen. Der bisherige US-Kommandeur im Irak, General Ray Odierno, werde an Herbst die Führung des US Joint Forces Command übernehmen, teilte das Pentagon am 17. Mai in Washington mit. Odierno wird in seiner neuen Aufgabe damit an übergeordneter Stelle mit der Ausbildung von Soldaten und der Verlagerung von Truppen befasst sein. Odierno hatte das Kommando im Irak im September 2008 von David Petraeus übernommen, der heute Chef des US-Zentralkommandos ist. Als Nachfolger Odiernos im Irak wurde Lloyd Austin berufen.
  • In Sachsen sind 18 Flüchtlinge nach illegaler Einreise von der Polizei aufgegriffen worden. Wie die Bundespolizei am 17. Mai mitteilte, wurden die überwiegend aus dem Irak und Afghanistan stammenden Menschen unter anderem in einem Autobahntunnel nahe Dresden entdeckt. Nach bisherigen Ermittlungen waren die Flüchtlinge, darunter zwei Kinder, von noch unbekannten Schleusern in einen Transporter eingepfercht und anschließend über die Grenze nach Deutschland gebracht worden. Fünf Iraker aus der Gruppe seien bereits im Zug von Dresden aus auf dem Weg nach Nürnberg gewesen. Insgesamt zehn Menschen wurden nach den Angaben in Sicherungshaft genommen. Ihnen droht die baldige Abschiebung. In den anderen Fällen wird das zuständige Bundesamt über die Asylbegehren entscheiden. Bereits vor wenigen Tagen hatte die Bundespolizei nahe Görlitz 13 Flüchtlinge aus dem Irak und dem Iran aufgegriffen, die zuvor tagelang in einem Lastwagen-Hohlraum eingepfercht waren.
  • Ein vor zwei Wochen im Irak festgenommener Saudi-Araber ist nach Angaben der irakischen Armee an Plänen für einen Terroranschlag während der Fußball-Weltmeisterschaft beteiligt gewesen. Der 31-jährige Abdallah Assam Saleh Misfar el Kahtani sei Sicherheitschef des Terrornetzwerks El Kaida in Bagdad gewesen, erklärte Armeesprecher Kassem Atta am 17. Mai. Der aus Saudi-Arabien stammende Mann sei an "Planungen für einen terroristischen Akt" in Südafrika beteiligt gewesen. Er habe mit dem Vizechef des Terrornetzwerks El Kaida, Aiman el Sawahiri, in Verbindung gestanden, sagte der Armeesprecher, ohne sich zu Details zu dem Anschlagsplan zu äußern.
  • Die CNOOC International, ein Tochterunternehmen der China National Offshore Oil Company, hat am 19. Mai mit dem türkischen Staatsbetrieb Turkish Petroleum Corp. (TPAO) einen Vertrag zur Entwicklung der Missan Ölfelder im Südirak abgeschlossen. Damit folgt die CNOOC auf den Spuren der Rivalen CNPC und Sinopec, die sich bereits ihren Zugang zum irakischen Öl gesichert haben. Die Laufzeit des Vertrages ist auf 20 Jahre angelegt. CNOOC fungiert als Betreiberin der Ölfelder und besitzt einen Anteil von 63,75 Prozent. 11,25 Prozent sind im Besitz von TPAO, während die restlichen 25 Prozent von einem lokalen Unternehmen kontrolliert werden. Die Missan Ölfelder, die 358 Kilometer südöstlich von Baghdad liegen, weisen ein geschätztes Ölvorkommen von etwa 2,5 Milliarden Barrel auf. In den nächsten sechs Jahren soll der tägliche Ausstoß von derzeit 100.000 auf 450.000 Barrel erhöht werden.
  • Im nordirakischen Mossul ist am 20. Mai ein Polizist bei einem Selbstmordanschlag getötet worden. Zwölf Menschen wurden verletzt. Behördenangaben zufolge zündete der Attentäter einen Sprengstoffgürtel an einer Polizeikontrolle.
  • Bei der Explosion einer Autobombe in der nordirakischen Provinz Diyala sind am 21. Mai mindestens 27 Menschen ums Leben gekommen. Der Sprengsatz explodierte auf einem belebten Marktgelände unweit einer Polizeistation in der Stadt Khales rund 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad. 71 weitere Menschen seien verletzt worden, sagte ein örtlicher Polizeisprecher der Nachrichtenagentur dpa. Die Explosion richtete erhebliche Schäden an. Zuvor hatten mehrere bewaffnete Männer in Militäruniformen drei Angehörige einer irakischen Familie in ihrem Haus erschossen. Ein viertes Familienmitglied sei nach der Attacke in der Ortschaft Al-Makdadija nordöstlich von Bagdad verwundet zurückgeblieben, berichtete die Nachrichtenagentur Aswat al-Irak. Auf einem Parkplatz neben einer schiitischen Moschee an der Landstraße zwischen Al-Musajib und Iskanderija im Süden von Bagdad detonierte eine Autobombe. Laut einem Bericht der Agentur Al-Yaqen wurde ein Mensch getötet und sieben verletzt. In den Nordprovinzen Ninive und Salaheddin töteten Extremisten einen Soldaten und einen Zivilisten.
  • Zwei Anwärter auf den Posten des Vorsitzenden der britischen Labour-Partei haben die Invasion des Iraks für falsch erklärt. Ed Balls sagte in einem am 22. Mai veröffentlichten Interview der Zeitung «Daily Telegraph»: «Saddam Hussein war ein schrecklicher Mensch, und ich bin froh, dass er den Irak nicht mehr regiert. Aber der Krieg war falsch». Ed Miliband sagte dem «Guardian», Labour habe einen katastrophalen Vertrauensverlust erlitten, weil im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden. Der frühere Parteichef und Premierminister Tony Blair hatte sich 2003 für den Irak-Krieg entschieden. Labour verlor die Parlamentswahl am 6. Mai, Parteichef Gordon Brown trat daraufhin zurück. Bis zur Wahl war Miliband Minister für Energie und Klimawandel. Sein älterer Bruder, der ehemalige Außenminister David Miliband, tritt ebenfalls für den Posten des Parteichefs an. Ed Balls war Bildungs- und Familienminister im Brown-Kabinett. Insgesamt bemühen sich sechs Labour-Abgeordnete um die Nachfolge.
  • Es ist ein perfider Aufruf: Der radikale Prediger Anwar al-Awlaki hat an alle Muslime in den US-Streitkräften appelliert, ihre Kameraden zu töten, die auf dem Weg in den Irak oder nach Afghanistan sind. In einem Video erwähnte Awlaki die Tat des US-Offiziers Nidal Hassan, der 2009 am Stützpunkt Fort Hood 13 Soldaten getötet hatte. Dies sei eine "heldenhafte" Tat gewesen, so Awlaki. "Ich rufe alle Muslime, die in den US-Streitkräften dienen, dazu auf, dem Beispiel von Nidal Hassan zu folgen, der Soldaten tötete, die auf dem Weg nach Afghanistan und in den Irak waren." Das Video wurde am 23. Mai von dem Unternehmen Site veröffentlicht, das auf die Beobachtung islamistischer Internetseiten spezialisiert ist. Awlaki war bereits nach der Tat Hassans in Fort Hood ins Visier der Ermittler geraten, weil er mit dem Täter eine E-Mail-Korrespondenz führte. Er wird von den US-Sicherheitskräften gesucht.
Montag, 24. Mai, bis Montag, 31. Mai
  • Im Zuge des Abzugs der US-Truppen aus dem Irak werden die dortigen Verbände einen neuen Oberkommandierenden bekommen. Der bisherige US-Kommandeur im Irak, General Ray Odierno, werde an Herbst die Führung des US Joint Forces Command übernehmen, teilte das Pentagon am 24. Mai in Washington mit. Odierno wird in seiner neuen Aufgabe damit an übergeordneter Stelle mit der Ausbildung von Soldaten und der Verlagerung von Truppen befasst sein. Odierno hatte das Kommando im Irak im September 2008 von David Petraeus übernommen, der heute Chef des US-Zentralkommandos ist. Als Nachfolger Odiernos im Irak wurde Lloyd Austin berufen.
  • Wie das Pentagon am 24. Mai mitteilte, befinden sich derzeit 92 000 US-Soldaten im Irak und 94 000 in Afghanistan. Noch im Laufe dieses Jahres soll die Zahl der amerikanischen Soldaten am Hindukusch auf 98 000 erhöht werden. Auf dem Höhepunkt des Irak-Krieges im Jahr 2007 hatten die USA 160 000 Soldaten im Irak stationiert. Nach den Plänen von Präsident Barack Obama sollen die US-Kampftruppen bis September aus dem Irak abgezogen werden. Obama hatte bereits im Wahlkampf 2008 für eine rasche Beendigung des Irak-Kriegs und eine deutliche Truppenaufstockung in Afghanistan plädiert. Seit seinem Amtsantritt im Januar vergangenen Jahres wurden 40 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan entsandt.
  • In der nordirakischen Stadt Mossul ist ein Politiker ermordet worden, der bei der Parlamentswahl am 7. März ein Abgeordnetenmandat errungen hatte. Nach Angaben irakischer Medien lauerten die Täter Baschar al-Akaidi am 24. Mai vor dessen Haus auf. Der schwer verletzte Politiker starb kurz nach dem Attentat im Krankenhaus. Der Abgeordnete gehörte der säkularen Al-Irakija-Liste von Ex-Regierungschef Ijad Allawi an, die als stärkste Fraktion aus der Wahl hervorgegangen war. Nach Informationen des Nachrichtensenders Al-Arabija nahm die Polizei in Mossul am 25. Mai zwei Verdächtige fest. Vizepräsident Adel Abdulmahdi verurteilte das Attentat.
  • Al-Kaida-Terroristen im Irak haben Berichte über angebliche Anschlagspläne während der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika dementiert. Entsprechende Berichte seien "billige Lügen" der irakischen Regierung, die dadurch von der Unfähigkeit ihrer Sicherheitskräfte ablenken wolle. Die Terroristen bekannten sich in der selben Erklärung zu einer Serie von Bombenanschlägen auf Straßensperren in der irakischen Hauptstadt Bagdad am 10. Mai, so die Presse am 25. Mai.
  • Bewaffnete haben in Bagdad zwölf Juweliergeschäfte überfallen und dabei nach Angaben der irakischen Polizei 15 Menschen getötet. Die maskierten Räuber zündeten am 25. Mai in der Nähe der Geschäfte einen Sprengsatz. Dabei kamen der Polizei zufolge vier Passanten ums Leben, drei wurden verletzt. Die Männer eröffneten anschliessend das Feuer auf die Juweliergeschäfte und erschossen neun Angestellte und zwei Passanten. Sie seien mit einer grossen Menge an Gold geflohen, teilte die Polizei mit.
  • Die irakische Regierung hat die staatliche Fluggesellschaft des Landes aufgelöst. Die Iraqi Airways sind zahlungsunfähig, weil sie nach einem jahrzehntelangen Streit mit Kuwait keine Mittel mehr haben. Hintergrund sind Reparationsforderungen nach der irakischen Invasion in Kuwait im Jahr 1990. Die Fluggesellschaft habe ihren gesamten Betrieb eingestellt, teilte ein Sprecher des Verkehrsministeriums am 26. Mai mit. Die Regierung hofft, den Flugbetrieb nun auf zwei oder drei kleinere Gesellschaften übertragen zu können.
  • Bei einem Luftangriff der türkischen Luftwaffe im Nord­irak sind 19 kurdische Rebellen getötet worden. Der Angriff sei bereits in der vergangenen Woche geflogen worden, meldete die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am 27. Mai. Er richtete sich gegen mutmaßliche Lager der Rebellen in den Gebirgsregionen Hakurk, Zap und Kandil. Überdies wurden am 26. Mai bei Kämpfen in der türkischen Provinz Tunceli vier weitere Rebellen getötet, wie Anadolu weiter berichtete. Die Nachrichtenagentur berief sich dabei auf abgehörten Funkverkehr zwischen den Rebellen. Die türkischen Streitkräfte meldeten unterdessen den Tod eines Soldaten bei einem weiteren Gefecht in der Ortschaft Uludere nahe der irakischen Grenze.
  • Knapp drei Monate nach der Parlamentswahl im Irak hat die Arabische Liga die zerstrittenen Parteien zur Regierungsbildung aufgerufen. In einer Presseerklärung am 27. Mai warnte das Bündnis zugleich vor jeglicher Einmischung von außen in die irakische Politik. Vielmehr sollten die Parteien ihren Streit beilegen und endlich konstruktive Vorschläge für eine Regierungsbildung machen. Bei der Wahl am 7. März konnten weder der amtierende Ministerpräsident Nuri al-Maliki noch der Herausforderer und Wahlsieger Ajad Allawi eine klare Mehrheit für sich gewinnen.
  • Stimmt schon, die Geschichte des Irakkriegs muss nicht neu geschrieben werden. Aber zumindest kommt ein unterhaltendes Detail (Meldung vom 28. Mai) hinzu: Vor der Invasion 2003 wollte der US-Geheimdienst CIA die Herrschaft des Diktators Saddam Hussein mit gefälschten Sex-Videos ins Wanken bringen. Geplant war ein Streifen, der Saddam als Homosexuellen im Bett mit einem Minderjährigen zeigt. Ein Ex-CIA-Mann: «Es sollte aussehen wie mit verdeckter Kamera gedreht. Verschwommen, grobkörnig. Wie ein heimlich im Schlafzimmer aufgezeichneter Film eben.» Der Schmuddel, so die CIA-Planspiele, hätte per Mobiltelefon im Irak flächendeckend verbreitet werden sollen. Was sich die Agenten aus Langley, Virginia, davon versprachen? Homosexualität ist ein Tabu in der arabischen Welt. Schon der Verdacht kratzt an Männlichkeit und Ehre. Ob deshalb aber gleich die ganze Saddam-Diktatur zusammengestürzt wäre?
  • Die Lufthansa fliegt ab Ende September erstmals seit 20 Jahren wieder in die irakische Hauptstadt Bagdad. Bagdad solle künftig vom Flughafen München aus vier Mal pro Woche angesteuert werden, teilte Deutschlands größte Fluggesellschaft am 28. Mai mit. Bereits seit April fliegt die Lufthansa vier mal wöchentlich ab Frankfurt am Main in die nordirakische Stadt Erbil. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung des Iraks wachse die Nachfrage nach Flügen in den Golf-Staat, erklärte die Lufthansa.
  • Die Terroristen ziehen aus dem Irak ab. Dies berichtet der irakische Aussenminister Hoshyar Zebari am 28. Mai in einem Interview mit dem britischen «Independent». Erstmals seit der Irak-Invasion 2003 bekundet Al-Qaida Mühe, ausländische Freiwillige für Selbstmordattentate zu finden. «Der Mangel an Selbstmordattentätern im Irak hat mit dem gestiegenen Interesse der islamischen Fundamentalisten an Afghanistan und Pakistan zu tun», sagt Aussenminister Zebari. Ausserdem würden die Bemühungen der irakischen und amerikanischen Sicherheitskräfte ihre Wirkung zeigen. Zebari stützt seine Aussagen auf Befragungen von Al-Qaida-Insassen in irakischen Gefängnissen. Aber auch die Statistik spricht für den irakischen Aussenminister. Gab es 2007 noch 5480 Tote in Zusammenhang mit terroristischen Bombenangriffen, sank die Zahl 2009 auf 2058. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sind laut der amerikanischen Denkfabrik Brookings Institution 346 Menschen Attentaten zum Opfer gefallen.
  • Im Südirak haben Bankräuber am 28. Mai die Wachleute eines Kreditinstituts mit Schlafmitteln betäubt und etwa 4,5 Millionen Euro erbeutet. Wie das irakische Innenministerium heute mitteilte, seien bei dem Vorfall keine Schüsse gefallen. Der Raub habe sich in einer staatlichen Bank nahe der Stadt Nadschaf zugetragen. Die Täter hatten vermutlich einen Komplizen unter den Wachkräften, der seine Kollegen mit Tee betäubte, welcher zuvor mit Schlafmitteln versetzt wurde. Daraufhin konnten die Räuber in die Bank eindringen und später mit der Beute wieder flüchten. Zwei Personen seien verhaftet worden, das gestohlene Geld konnte aber bisher nicht wieder aufgefunden werden.
  • Ein Kurde aus dem Irak, der im Asylantenheim in Schongau lebt, musste sich vor dem Weilheimer Jugendgericht wegen "Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen" verantworten. Der 20-Jährige war über die Türkei und Italien im März vorigen Jahres nach Deutschland eingereist. Hierfür zahlte er 1 500 Euro, die von seiner Familie aufgebracht wurden. Der Asylantrag des 20-Jährigen wurde abgelehnt, er hat jedoch hiergegen Einspruch eingelegt. Da sich der Kurde ohne Ausweis in Schongau aufhält, wurde er vom Ausländeramt aufgefordert, legale Dokumente vorzulegen. Nach seinen Angaben telefonierte der Angeklagte daraufhin mit seiner Mutter im Irak, die ihm mit der Post einen Personalausweis und eine Staatsbürgerurkunde schickte. Dieser Brief wurde von der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen abgefangen und geöffnet. Die dem Kurden zugesandten amtlichen Dokumente, so stellte sich heraus, waren gefälscht und wurden sicher gestellt. Der Angeklagte ließ durch einen Dolmetscher sagen, dass er nicht gewusst habe, dass seine Ausweise gefälscht waren, so Pressemeldungen am 30. Mai.
  • Bei Anschlägen im Irak sind vier Menschen getötet und 26 verletzt worden. Unter den Toten war ein lokaler Führer des sogenannten Erweckungsrats, einer sunnitischen Anti-Terror-Miliz, wie die Polizei mitteilte. Nael al Asami wurde am 31. Mai in einem nördlichen Bezirk von Bagdad auf offener Straße erschossen. Außerdem kamen bei Bombenanschlägen in der Hauptstadt und in Kirkuk zwei Polizisten und in Mosul ein Soldat ums Leben, 15 Menschen wurden verletzt. Elf weitere Verletzte wurden nach mehreren Bombenexplosionen (ebenfalls in Bagdad) am 31. Mai gemeldet.


Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite (Gesamtverzeichnis)

Zurück zur Homepage