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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Februar 2010


Montag, 1. Februar, bis Sonntag, 7. Februar
  • Inmitten einer Gruppe schiitischer Pilger hat sich am 1. Februar in Bagdad eine Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt und nach Polizeiangaben mehr als 40 Menschen mit in den Tod gerissen. Mindestens 106 Menschen seien bei dem Anschlag verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Er gab die Zahl der Todesopfer mit 41 an, darunter Frauen und Kinder. Krankenhausmitarbeiter bestätigten die Angaben. Augenzeugen beschrieben chaotische Szenen im Anschluss an die Tat. Ein riesiger Feuerball sei inmitten der Pilger zu sehen gewesen, sagte der 35-jährige Rahim Chadhom. Viele Pilger seien blutverschmiert zu Boden gegangen und hätten um Hilfe gerufen. Passanten hätten Verletzten beigestanden und sie mit Privatwagen in Krankenhäuser gebracht, sagte Chadhom. Nach Angaben eines Militärsprechers wurden die Sicherheitskräfte nach dem Anschlag in Alarmbereitschaft versetzt. Generalmajor Kassim al Mussawi gab die Zahl der Getöteten mit 19 und die der Verletzten mit 80 an. Die Attentäterin habe den Sprengsatz unter ihrem Gewand verborgen, sagte er. Im Irak gibt es nicht genügend Polizistinnen zur Durchsuchung von Frauen an Kontrollpunkten.
  • Obama will nach seinem am 1. Februar vorgelegten Etat-Plan nachträglich für 2010 zusätzliche 33 Milliarden Dollar, um die Truppenaufstockung in Afghanistan zu finanzieren. Im Plan für 2011 hat er für die Einsätze in Afghanistan und im Irak knapp 160 Milliarden Dollar vorgesehen.
  • Kurz vor dem Irak-Krieg ist der damalige britische Premierminister Tony Blair von einem Mitglied seines Kabinetts darauf hingewiesen worden, dass die USA nicht auf die Zeit nach dem Krieg vorbereitet seien. Die ehemalige Entwicklungshilfeministerin Clare Short präsentierte der britischen Irak-Untersuchungskommission am 2. Februar einen Brief, den sie im März 2003 - zwei Wochen vor Kriegsbeginn - an Blair geschrieben hatte. Darin warnte sie, weder die USA noch die internationale Gemeinschaft seien derzeit in der Lage, mit den «humanitären Folgen» des Konflikts umzugehen. Aus Protest gegen den Irak-Krieg hatte Short im Mai 2003 ihr Ministeramt niedergelegt.
  • China erlässt dem Irak nach Angaben der Bagdader Regierung 80 Prozent seiner Schulden bei der Volksrepublik. Mit der Vereinbarung werde die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten ausgebaut, erklärte Finanzminister Bajan Dschabr am 2. Februar. Der Irak steht bei China aus der Zeit des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein mit 8,5 Milliarden Dollar in der Kreide, wie das Finanzministerium auf seiner Website weiter mitteilte. Die staatliche China National Petroleum Corp. hat sich zwei lukrative Ölverträge im Irak gesichert, und das Handelsvolumen beider Länder summierte sich dem Ministerium zufolge in den ersten neun Monaten 2009 auf 3,8 Milliarden Dollar, ein Plus von 78 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
  • Bei einem Anschlag in der irakischen Stadt Kerbela sind am 3. Februar mindestens 20 schiitische Pilger getötet worden. Mehr als 100 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt, wie die Polizei mitteilte. Demnach war der Sprengsatz auf einem Motorrad deponiert.
  • Air Berlin steuert künftig auch Ziele im Irak an. Wie Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft am 4. Februar in Berlin mitteilte, wird Samstagabend (6. Februar) eine Boeing 737 vom Flughafen München nach Erbil in den Nordirak starten. Die Flüge in den Irak sollten zunächst im 14-tägigen Wechsel zwischen Erbil und dem zweiten Zielflughafen Suleimanija angeboten werden. Ab dem Sommer sei eine Frequenzerhöhung geplant.
  • Einen Monat vor der Parlamentswahl im Irak wachsen die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Die Wahlkommission forderte das oberste Richtergremium am 4. Februar zu einer endgültigen Entscheidung über die Kandidatur hunderter bislang ausgeschlossener - überwiegend sunnitischer - Bewerber auf. Einem am Mittwoch (3. Februar) ergangenen Urteil zufolge sollen sie am 7. März antreten und die Behörden erst nach der Wahl wegen eventueller Verbindungen zur Baath-Partei von Saddam Hussein ermitteln.
  • Nach einem Skandal wegen der Verwendung offenbar ineffektiver Sprengstoffdetektoren im Irak fliegen die US-Truppen 145 weitere Spürhunde nach Bagdad. Die ersten 25 für das Auffinden von Sprengstoff trainierten Tiere sollen am 5. Februar eintreffen, wie Militärsprecher Sylvester Wegwu mitteilte. Die übrigen sollen im Lauf des Jahres folgen. Sie werden zusammen mit irakischen Sicherheitskräften im Einsatz sein.
  • Bei einem Autobombenanschlag nahe der irakischen Stadt Kerbela sind am 5. Februar mindestens 27 schiitische Pilger in den Tod gerissen worden. Dutzende weitere Menschen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte.
  • Eine schiitische Extremistengruppe hat am 6. Februar Videoaufnahmen eines im Irak verschleppten US-Bürgers veröffentlicht. Der 60-jährige arbeitet nach Pentagon-Angaben als Auftragnehmer für die US-Truppen und wird seit zwei Wochen vermisst. Auf den im Internet veröffentlichten Aufnahmen erklärt er, seine Entführer von der «Liga der Gerechten» forderten die Freilassung von Aufständischen, den sofortigen Abzug amerikanischer Soldaten aus dem Irak und die Strafverfolgung von Mitarbeitern der privaten Sicherheitsfirma Blackwater wegen der Tötung von 17 Irakern im Jahr 2007.
Montag, 8. Februar, bis Sonntag, 14. Februar
  • Die irakische Regierung hat rund 250 ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der US-Sicherheitsfirma Blackwater außer Landes gewiesen. Sie sollen den Irak binnen sieben Tagen verlassen, andernfalls werden ihre Visa einkassiert, wie das Innenministerium am 10. Februar bekanntgab. Mitarbeiter von Blackwater waren im September 2007 an einer Schießerei in Bagdad beteiligt, bei der 17 Menschen, darunter Frauen und Kinder, ums Leben kamen. Im Irak hatte das Blutbad große Empörung hervorgerufen. Der irakische Innenminister Dschawad al Bolani sagte, die Anordnung betreffe Mitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt für Blackwater arbeiteten. Das umstrittene Unternehmen, das damals US-Diplomaten im Irak beschützte, hat sich mittlerweile in Xe Services umbenannt. In den USA war ein Prozess gegen fünf Blackwater-Mitarbeiter wegen der Schießerei im Dezember wegen Verfahrensfehlern eingestellt worden. Nach wütenden Protesten im Irak kündigte die US-Regierung kürzlich ein neues Verfahren an. Nach Darstellung von Blackwater waren die Sicherheitskräfte damals in einen Hinterhalt geraten. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft eröffneten sie das Feuer, ohne zuvor selbst beschossen worden zu sein.
  • Die zwei prominenten sunnitischen Politiker Saleh al Mutlak und Dhafir al Ani sind endgültig von einer Kandidatur bei der bevorstehenden Parlamentswahl im Irak ausgeschlossen worden. Das teilte der Leiter einer Regierungskommission, Ali al Lami, am 11. Februar mit. Die obersten Berufungsrichter hätten ihn über ihre diesbezügliche Entscheidung informiert, sagte Lami. Begründet wurde der Ausschluss der beiden Politiker mit engen Verbindungen zum früheren Baath-Regime des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein.
  • Am 12. Februar wurde offiziell der Wahlkampf im Irak begonnen. In Bagdad und anderen Städten wurden schon am frühen Morgen Plakate mit Aufrufen angebracht, am 7. März zur Abstimmung zu gehen. Hunderte Kandidaten, die der Nähe zum früheren Baath-Regime Saddam Husseins verdächtigt werden, bleiben von der Wahl ausgeschlossen. Eine Berufungsinstanz gab am Abend zuvor (11. Februar) nur 28 Beschwerden von Kandidaten gegen ihre Nichtzulassung statt. Deren Einsprüche seien akzeptiert worden, weil entweder eine Namensverwechslung vorgelegen oder es nicht genügend Beweise gegen die Bewerber gegeben habe, erklärte ein Sprecher. Unter den Hunderten, die sich nicht zur Wahl stellen dürfen, sind auch zwei der prominentesten sunnitischen Politiker, Saleh al Mutlak und Dhafir al Ani. Deren Ausschluss, der von der schiitisch dominierten Regierung betrieben wurde, dürfte die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten weiter erhöhen. Einige Sunniten haben bereits mit einem Boykott der am 7. März geplanten Wahl gedroht.
  • Bei einer Razzia amerikanischer und irakischer Soldaten gegen mutmaßliche Waffenschmuggler sind am 12. Februar nach offiziellen Angaben mindestens fünf Bewohner eines Dorfes im irakisch-iranischen Grenzgebiet getötet worden. Nach Angaben der US-Streitkräfte wurden die Soldaten von den Dorfbewohnern beschossen und erwiderten das Feuer. Der Abgeordnete Maytham Lafta aus dem Provinzparlament von Maysan erklärte indes, bei den Toten handele es sich um «unschuldige Menschen». Er sprach von mindestens zehn Toten, darunter zwei Frauen. Weitere fünf Menschen seien verwundet worden.
  • Der mutmaßliche El-Kaida-Chef im Irak, Abu Omar el Baghdadi, hat am 12. Februar in einer ihm zugeschriebenen Audio-Botschaft mit Gewalt vor der im März anstehenden Parlamentswahl gedroht. Seine Organisation werde versuchen, die Wahl "mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln" zu verhindern, zitierte ihn das auf die Auswertung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE. Vor allem "militärische Mittel" sollten zum Einsatz kommen. Die für 7. März angesetzte Wahl bezeichnete Baghdadi demnach als von Schiiten angezetteltes politisches Verbrechen.
  • Im Irak kamen von zwischen 2007 und 2009 laut UNESCO (12. Februar) 71 Dozenten und 37 Schüler ums Leben. In vielen Krisenregionen gehöre die sexuelle Gewalt gegen Mädchen und ihre Lehrerinnen zur Kampftaktik. Vergewaltigungen auf dem Heimweg von der Schule seien vor allem im Kongo gefürchtet, aber auch in Haiti, Indonesien, dem Irak, Birma und den Philippinen üblich.
  • In einen amerikanisch-irakischen Stützpunkt südlich von Bagdad sind am 13. Februar zehn Raketen eingeschlagen. Wie die US-Streitkräfte mitteilten, wurden in Camp Sparrowhawk mindestens zwei irakische Soldaten verletzt, zudem entstand Sachschaden. Es ist der erste größere Angriff auf einen US-Stützpunkt im Irak seit mehreren Monaten. Tags zuvor waren in einem nahegelegen Dorf bei einer Razzia gegen Waffenschmuggler fünf Menschen getötet worden.
Montag, 15. Februar, bis Sonntag, 21. Februar
  • Mehrere Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats haben die häufige Vollstreckung der Todesstrafe im Irak angeprangert. Die Regierung in Bagdad solle baldmöglichst die Aussetzung der Todesstrafe beschließen und die bereits ausgesprochenen Todesurteile in Gefängnisstrafen umwandeln, forderte der französische Botschafter Jean-Baptiste Mattéi am 16. Februar in Genf. Allein vergangenes Jahr seien im Irak 79 Menschen gehenkt worden. Nach offiziellen Angaben wurden in den vergangenen fünf Jahren im Irak 925 Todesurteile verhängt und etwa 120 Verurteilte hingerichtet.
  • Die Zahl der im Irak stationierten US-Soldaten ist erstmals seit Beginn der von den USA angeführten Invasion im März 2003 auf unter 100.000 gesunken. Das sagte eine Militärsprecherin am 16. Februar in Bagdad. Demnach befinden sich derzeit noch 98.000 amerikanische Soldaten im Irak. Die USA hatten zeitweise bis zu 170.000 Soldaten in dem Land stationiert. Bis Ende August sollen die US-Kampftruppen auf eine Stärke von 50.000 Soldaten zurückgeführt werden. Der vollständige Abzug ist bis Ende 2011 geplant, so die Presse am 16. Februar.
  • Der Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak verläuft nach Angaben des dortigen US-Botschafters Christopher Hill nach Plan. Die US-Präsenz werde bis Ende August auf rund 50.000 Soldaten gesunken sein, sagte Hill am 17. Februar während eines Aufenthaltes in Washington. "Alles verläuft nach Plan." Auswirkungen der für Anfang März angesetzten irakischen Parlamentswahlen und einer möglichweise schwierigen Regierungsbildung im Anschluss auf den US-Truppenabzug erwartete Hill demnach nicht.
  • Bei einem Autobombenanschlag in der irakischen Stadt Ramadi sind am 18. Februar mindestens zwölf Menschen getötet und 20 weitere verletzt worden. Ein Selbstmordattentäter brachte seinen mit Sprengstoff beladenen Wagen vor einem Verwaltungsgebäude zur Explosion, wie ein Sicherheitsbeamter sagte. Unter den Toten sind seinen Angaben zufolge vier Polizisten. In dem Behördenkomplex in der Hauptstadt der Provinz Anbar sind unter anderem das Amt des Provinzgouverneurs, die Polizei sowie Gerichte untergebracht.
  • Der Militäreinsatz der USA im Irak bekommt nach dem geplanten Truppenabzug im Herbst einen neuen Namen: «Operation Iraqi Freedom» wird ab 1. September «Operation New Dawn» (Operation neue Dämmerung) heißen, wie Verteidigungsminister Robert Gates in einem Memo mitteilte. Damit werde deutlich, dass Washington einen neuen Einsatz verfolge. Bis 31. August sollen nur noch 50.000 US-Soldaten im Irak stationiert sein, die verbleibenden Einheiten sollen gemäß eines amerikanisch-irakischen Abkommens bis Ende 2011 abgezogen sein. Über das Memo vom Mittwoch (17. Februar) berichtete der Fernsehsender ACB am 18. Februar.
  • Der Irak hat internationale Forderungen nach Abschaffung der Todesstrafe zurückgewiesen. Vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nation in Genf lehnte es die irakische Regierung am 19. Februar auch ab, Homosexualität nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen oder sich dazu zu verpflichten, Misshandlungsvorwürfe von Homosexuellen zu untersuchen. Rund 20 Staaten hatten bei einer Überprüfung der Menschenrechtslage im Irak vor dem UN-Gremium an den Irak appelliert, die Todesstrafe im Land abzuschaffen oder zumindest auszusetzen und auch andere Missstände kritisiert.
  • Die Partei des prominenten sunnitischen Abgeordneten Saleh al Mutlak will sich nicht an der Parlamentswahl im Irak Anfang März beteiligen. Die Front für den Nationalen Dialog begründete ihre Entscheidung am 20. Februar mit dem Ausschluss zahlreicher sunnitischer Kandidaten von der Wahl. Betroffen ist auch Parteichef Al Mutlak, ein scharfer Kritiker von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Die sunnitische Partei hat derzeit elf Parlamentssitze. Ein von zwei schiitischen Politikern geleiteter Ausschuss zur Überprüfung der Parlamentskandidaten hat mehr als 440 Bewerber von der Wahl ausgeschlossen, die meisten davon sind Sunniten. Als Grund für den Ausschluss wurden Verbindungen zur verbotenen Baath-Partei des früheren Staatschefs Saddam Hussein genannt. Al Mutlak hat nach eigenen Angaben die Baath-Partei bereits in den 70er Jahren verlassen. Die Front für den Nationalen Dialog bezichtigt die beiden schiitischen Vorsitzenden des Überprüfungsausschusses, Ali al Lami und Ahmed Tschalabi, vom Iran gesteuert zu sein. Sie beruft sich dabei auf den früheren US-Botschafter Christopher Hill und den Befehlshaber der amerikanischen Truppen im Irak, General Ray Odierno. Beide erklärten, in der vergangenen Woche unter Hinweis auf Geheimdienstberichte, Lami und Tschalabi stünden eindeutig unter dem Einfluss des schiitischen Regimes in Teheran.
  • Bis zu ein Jahr Gefängnis für ein zerrissenes Wahlplakat - diese Strafe droht die irakische Regierung in einer Mitteilung vom 20. Februar all jenen an, die sich an der Werbung der politischen Konkurrenz vergreifen. Die Kritiker von Ministerpräsident Nuri al-Maliki sehen darin eine weitere Machtdemonstration des Regierungschefs und seiner Verbündeten. Der Streit über die angemessene Reaktion auf den Vandalismus zeigt, wie aufgeheizt die Stimmung vor der Parlamentswahl am 7. März ist. Die angedrohte Strafe sei unfair, sagt ein 33-jähriger Sunnit in Bagdad, der nur seinen Spitznamen, Abu Harir, nennen will. Er sieht darin eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung. «Die Demokratie erlaubt es jedem Bürger, seine Gefühle zu äußern», sagt er. Der schiitische Abgeordnete Abbas al Bajati, ein Verbündeter des Ministerpräsidenten, ist da ganz anderer Ansicht. Angesichts der «Verderbtheit» einer solchen Handlung sei ein Jahr Gefängnis keine harte Strafe, im Gegenteil. Der Vandalismus könne schließlich dazu führen, dass es zu Gewaltausbrüchen auf der Straße komme, sagte der Politiker, dessen Wahlplakate auch zerrissen wurden. Bereits in der ersten Woche des Wahlkampfs, der offiziell am 12. Februar begann, wurden in Bagdad mindestens acht Personen angezeigt, weil sie sich Plakaten von Kandidaten oder Parteien vergriffen haben sollen, wie ein Militärsprecher sagte. Gebäude, Mauern und Holzwände im ganzen Land sind zwei Wochen vor dem Urnengang mit Wahlwerbung gepflastert. Etwa 6.600 Kandidaten bewerben sich um einen Sitz im Parlament.
  • Irakische und US-Streitkräfte haben nach eigenen Angaben im Irak einen Mann festgenommen, der Frauen für Anschläge auf schiitische Pilger angeheuert haben soll. Wie das US-Militär am 20. Februar mitteilte, wurde der 30-jährige Mohammad Tschaker Mahmud bereits am Donnerstag (18. Februar) nahe der Stadt Bakuba nördlich der irakischen Hauptstadt Bagdad gefasst. Bakuba liegt in der Provinz Dijala, die als Hochburg des Terrornetzwerks El Kaida gilt. Den Angaben des Militärs zufolge soll der Mann eine Terrorzelle geleitet haben, die Frauen für Selbstmordattentate auf schiitische Gläubige rekrutierte. Demnach heuerte die Terrorzelle offenbar auch psychisch kranke Frauen an und baute und verteilte Sprengstoffgürtel.
  • Im Irak sind am 21. Februar bei mehreren Angriffen sowie einem Unfall mit einem US-Helikopter neun Menschen ums Leben gekommen, darunter die beiden US-Piloten und fünf Polizisten. Nach Angaben der Polizei wurden östlich der Stadt Bakuba in der Provinz Dijala vier Polizisten bei einer Bombenexplosion getötet. Sie sollten ein Gelände inspizieren, auf dem wenig später eine Hochspannungsleitung repariert werden sollte. Zwei ihrer Kollegen wurden bei der Explosion verletzt.
Montag, 22. Februar, bis Sonntag, 28. Februar
  • Der britische Premierminister Gordon Brown muss dem Untersuchungsausschuss zum Irak-Krieg am 5. März Rede und Antwort stehen. Brown, der beim Einmarsch in den Irak vor fast sieben Jahren Finanzminister unter dem damaligen Regierungschef Tony Blair war, muss sich fünfeinhalb Stunden lang den Fragen der Ausschussmitglieder stellen, wie das Gremium am 22. Februar in London mitteilte. Im Juni 2007 übernahm er das Amt des Premiers.
  • Bei mehreren Anschlägen sind im Irak am 22. Februar mindestens 16 Menschen getötet worden. In einem schiitischen Vorort der Hauptstadt Bagdad überfielen Angreifer am frühen Morgen eine Familie in deren Haus und erschossen nach Angaben von Sicherheitskräften acht Familienmitglieder. Einige von ihnen seien anschließend enthauptet worden. Die Behörden vermuteten eine "terroristische Gruppierung" hinter der Tat. Im Osten der Hauptstadt wurde laut Polizei zudem ein Universitätsprofessor erschossen.
  • Der Abzug der amerikanischen Kampfeinheiten aus dem Irak in diesem Jahr könnte sich verzögern, falls nach der irakischen Parlamentswahl Anfang März chaotische Zustände eintreten sollten. Das erklärte der Befehlshaber der amerikanischen Truppen im Irak, General Ray Odierno, am 22. Februar. Es gebe zwar keine Hinweise, dass dieser Schritt erforderlich werde, sagte Odierno weiter. Er habe aber einen Plan B und am vergangenen Wochenende seinen Vorgesetzten bei Gesprächen in Washington davon berichtet.
  • In der nordirakischen Stadt Mossul vergeht inzwischen kaum noch ein Tag, ohne dass ein Christ ermordet wird. Am 23. Februar drangen mehrere bewaffnete Männer in das Haus einer christlichen Familie ein und töteten nach Angaben der Polizei den Vater und zwei Söhne. Diesen In den vergangenen zwei Wochen haben Extremisten in der 400 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt bereits mehrere christliche Ladenbesitzer und Studenten ermordet. Der Parlamentarier Osama al-Nudschaifi, dessen Bruder Athiel Provinzgouverneur in Mossul ist, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, die jüngsten Morde an Christen stünden in Zusammenhang mit der Parlamentswahl am 7. März. «Eine dunkle Macht mit eindeutigen politischen Ambitionen steckt hinter den Attentaten auf die Christen in dieser Provinz.» Ziel der Mörder sei es, die Christen in Panik zu versetzen, damit diese aus ihren Wohnbezirken fliehen und am Wahltag nicht ihre Stimmen abgeben können.
  • Im Irak ist ein Anti-Terror-Richter bei einem Bombenanschlag getötet worden. Nach Polizeiangaben explodierte eine Bombe, als Mohammed Abdel Ghaffur am 24. Februar sein Haus im Süden der Hauptstadt Bagdad verließ. Der etwa 50 Jahre alte Mann sei sofort tot gewesen. Ghaffur war am Strafgerichtshof des Bagdader Stadtteils Russafa als Untersuchungsrichter für Terrorismusvorwürfe zuständig. In den vergangenen Jahren wurden mehr als ein Dutzend Anti-Terror-Richter des Gerichtshofs getötet.
  • Mit Muktada al Sadr muss gerechnet werden. Kurz vor der Wahl im Irak am 7. März ist die Bewegung des radikalen Geistlichen wieder zu einem ernstzunehmenden Faktor herangewachsen. Der Mullah mit guten Verbindungen nach Teheran könnte sich als Königsmacher erweisen und dafür sorgen, dass der nächste Regierungschef dem Iran deutlich freundlicher gesonnen ist als den USA, so die Presse am 25. Februar.
  • Fast sieben Jahre nach dem Einmarsch im Irak haben die USA den irakischen Behörden am 26. Februar mehr als tausend gestohlene Kunstschätze zurückgegeben. Sechs besonders wertvolle Stücke wurden bei einer Zeremonie in der irakischen Botschaft in Washington übergeben. Unter den erstatteten Kulturgütern waren eine irakische Münze aus der Römerzeit um 250 vor Christus, die ein Mann in einem Museum in Houston abgegeben hatte, und Gold-Ohrringe aus dem achten Jahrhundert vor Christus, die nach der US-Invasion 2003 aus dem Irakischen Nationalmuseum in Bagdad gestohlen wurden und im New Yorker Auktionshaus Christie's versteigert werden sollten. Zurückgegeben wurden auch ein babylonischer Tonkegel mit einer Inschrift aus dem Jahr 2100 vor Christus und ein AK-47-Sturmgewehr mit einem Bild des irakischen Machthabers Saddam Husseins, das US-Soldaten als Trophäe mitgenommen hatten. Botschafter Samir Sumaidaie bedankte sich bei den US-Zollbehörden, die viel Zeit und Mühe darauf verwendet hätten, irakischen Kulturbesitz, Kunstwerke und Antiquitäten zu identifizieren, zu erfassen und zurückzugeben. Von den 15.000 Stücken, die nach dem Einmarsch der US-Truppen aus dem Nationalmuseum gestohlen wurden, sei inzwischen die Hälfte wieder da.
  • Unionsfraktionschef Volker Kauder hat von Außenminister Guido Westerwelle mehr Engagement für verfolgte Christen gefordert. «Die deutsche Außenpolitik muss mehr als bisher die Religionsfreiheit weltweit verteidigen», schrieb Kauder in einem Beitrag für die «Bild am Sonntag» (28. Februar) anlässlich des «Tags der bedrängten und verfolgten Christen». Kauder erklärte, besonders dramatisch sei die Lage im Irak: «Islamistische Extremisten führen einen brutalen Krieg gegen religiöse Minderheiten. Hunderttausende Christen wurden ermordet, vergewaltigt und vertrieben. Es war richtig, im vergangenen Jahr irakische Flüchtlinge bei uns aufzunehmen - darunter viele Christen.» Kauder plädierte dafür, notfalls erneut irakische Flüchtlinge aufzunehmen: «Wenn sich die Lage im Irak nicht bessert, müssen wir erneut über einen solchen Schritt nachdenken.» Ziel müsse es auch sein, die verbliebenen Gemeinden im Irak zu stärken. «Es darf den Radikalen nicht gelingen, die Jahrtausende alten Gemeinden im Nahen Osten - der Wiege des Christentums - zu zerstören», sagte er. Jeder Christ sei aufgerufen, sich für das Schicksal seiner Brüder und Schwestern zu interessieren.


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