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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Oktober 2009


Donnerstag, 1. Oktober, bis Sonntag, 4. Oktober
  • Der irakische Ministerpräsident Nuri al Maliki will mit einer breiten sunnitisch-schiitischen Allianz im Januar 2010 wiedergewählt werden. Am 1. Oktober präsentierte der Regierungschef in Bagdad sein 40-Parteien-Bündnis, das auf Versöhnung unter den Religionsgruppen und einen prowestlichen Kurs setzt. Maliki ist selbst Schiit. Sein größter Herausforderer ist eine Allianz religiöser schiitischer Gruppen. Deren Wortführer ist der radikale Mullah Muktada al Sadr. Zu Malikis Bündnis gehören Mitglieder des einflussreichen sunnitischen Abu-Rischa-Stammes. Mit an Bord sind aber auch prominente Mitglieder der amtierenden Regierung wie Ölminister Hussain al Schahristani. Auch kurdische und christliche Gruppen aus dem Nordirak haben sich angeschlossen. «Es ist Zeit, die ethnischen und religiösen Gräben zu überwinden», sagte Ministerpräsident Maliki bei der Vorstellung seines Bündnisses. Als mitentscheidend für seine Wiederwahl am 16. Januar gilt, ob seiner Regierung trotz des Abzuges der US-Truppen eine weitere Stabilisierung der Sicherheitslage gelingt.
  • Die irakischen Sicherheitskräfte haben bei mehreren Razzien in der Stadt Mossul im Norden des Landes über 100 mutmaßliche Aufständische gefangengenommen. Der zuständige Militärbefehlshaber Generalmajor Hassan Karim Chudhair sagte am 3. Oktober vor Journalisten, die Aktion sei unter strengster Geheimhaltung abgelaufen, um eine Flucht der Zielpersonen zu verhindern. Mossul gilt als letzte große Hochburg sunnitischer Aufständischer im Irak.
  • Die irakische Regierung sucht nach eigenen Angaben ein Aufnahmeland für 36 Mitglieder der iranischen Volksmudschahedin (PMOI). Sie sollten nicht in den Iran überstellt werden, wo ihnen die Gefangennahme drohe, hieß es am 4. Oktober aus dem Büro von Ministerpräsident Nuri al Maliki. Stattdessen wolle der Irak sie in ein Drittland schicken. Die 36 Exiliraner waren im Juli bei einer Razzia im irakischen Internierungs- und Flüchtlingslagers Aschraf festgenommen worden, die Justiz hat ihre Freilassung angeordnet. Nach PMOI-Angaben wurden sie am 4. Oktober gewaltsam an einen geheimen Ort transferiert. Den vom Hungerstreik Geschwächten drohe der Tod. Die Anfänge von Camp Aschraf reichen in das Jahr 1986 zurück. Damals erlaubte der irakische Präsident Saddam Hussein den iranischen Volksmudschahedin die Ansiedlung. Diese wiederum unterstützten den Irak im Krieg gegen ihr Heimatland, weil sie den iranischen Gottesstaat ablehnen. Die EU strich die Volksmudschahedin im Januar nach einem jahrelangen Rechtsstreit von ihrer Terrorliste. Das Europaparlament rief den Irak dazu, keine Mitglieder der PMOI zu deportieren.
Montag, 5. Oktober, bis Sonntag, 11. Oktober
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Beerdigungsgesellschaft im Westen des Iraks sind am 5. Oktober mindestens sechs Menschen getötet worden. Der Attentäter zündete seinen Sprengstoffgürtel in einem Zelt, in dem die Trauernden zusammengekommen waren, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Bei dem Blutbad in Haditha wurden mindestens 15 Menschen verletzt.
  • Einer der einflussreichsten Geistlichen des Landes drohte am 5. Oktober mit einem Boykottaufruf der für Januar geplanten Wahl. Ajatollah Ali al Sistani will damit erreichen, dass auf den Wahllisten nicht nur Parteien und Bündnisse, sondern auch die Namen der Kandidaten verzeichnet werden, sagte sein Sprecher. Die Abgeordneten wollen dagegen namenlose Listen.
  • Das türkische Parlament hat den Streitkräften am 6. Oktober für ein weiteres Jahr Einsätze gegen kurdische Rebellen im Nordirak erlaubt. 452 Abgeordnete in Ankara stimmten für die Verlängerung des Mandats, 23 wagen dagegen. Die Truppen sind gegen das Lager der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Norden des Nachbarlandes mehrfach mit Luft- und Bodenangriffen vorgegangen. Die letzte größere Bodenoffensive gab es im Februar vergangenen Jahres. Ohne Verlängerung wäre das Mandat am 17. Oktober abgelaufen.
  • Bei einem Autobombenanschlag in der westirakischen Stadt Falludscha sind mindestens 9 Menschen ums Leben gekommen. Das berichtet der arabische Fernsehsender Al-Dschasira am 6. Oktober. 31 weitere Menschen seien verletzt worden. Zuvor war nach Informationen der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak in Ramadi ein Aufständischer ums Leben gekommen, als er im Stadtzentrum versuchte, einen Sprengsatz zu verstecken.
  • Zwei Tage nach seiner Entführung wurde seine Leiche am 7. Oktober auf einem Feld gefunden: Imad Elia, 45 Jahre alt, Angestellter des Gesundheitsamts in Kirkuk und Christ. Sein Tod war für weitere Glaubensbrüder Anlass, ihre Sachen zu packen und ihre angestammte Heimat im Nordirak zu verlassen. Mindestens zehn christliche Familien haben Kirkuk in den vergangenen Wochen den Rücken gekehrt, aus Furcht vor Kidnappern, die die Christen in der Stadt ins Visier genommen haben. Der chaldäische Erzbischof Lewis Sako forderte die Regierung auf, die Menschen vor religiös motiviertem Terror zu schützen. Der Journalist Rand Anwar, ebenfalls Christ aus Kirkuk, wirft den Sicherheitskräften vor, die Anhänger seines Glaubens nicht zu schützen. «Bei den Verbrechen gegen Christen in den vergangenen Jahren hat die Polizei keinen einzigen Täter gefasst. Nicht einen einzigen», empört er sich. «Und jetzt diese Entführungen. Die Polizei schützt uns nicht, und unsere Probleme kümmern sie nicht.» Die Zahl der Christen im Irak ist seit 1987 drastisch gesunken. Generalmajor Dschamal Tahir von der Polizei Kirkuk weist sämtliche Vorwürfe als unbegründet zurück. «Es gibt keine Flucht von Christen aus Kirkuk vor Gewalt. Christen ziehen normalerweise freiwillig in andere Gegenden oder ins Ausland, weil sie unter besseren Bedingungen leben wollen, aber nicht wegen einer Eskalation der Gewalt in den Christenvierteln von Kirkuk.» Der letzten amtlichen Volkszählung von 1987 zufolge lebten damals 1,4 Millionen Christen im Irak. Heute sind es nach Daten des US-Außenministeriums nur noch 550.000 bis 800.000. Nach anderen Schätzungen ist die Zahl noch geringer: Nur 400.000 sind es nach Angaben der katholischen Hilfsorganisation «Kirche in Not».
  • Der als «Schuhwerfer von Bagdad» weltweit bekanntgewordene irakische Journalist Muntadhar al Seidi kann nun offenbar in die Schweiz einreisen. Die Schweizer Botschaft in Beirut habe ihm ein Visum erteilt, sagte der Genfer Anwalt Mauro Poggia am 9. Oktober Radio DRS. Dem Bericht zufolge will Al Seidi in Genf eine Stiftung zugunsten der zivilen Opfer des Irak-Kriegs gründen. Der Journalist hatte im vergangenen Dezember während einer Pressekonferenz in Bagdad seine Schuhe gegen den damaligen US-Präsidenten George W. Bush geworfen und war damit über Nacht zum Helden jener Bevölkerungsgruppen in der arabischen Welt geworden, die den Irak-Krieg ablehnten. Mitte September wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen und begab sich offenbar aus Gründen der persönlichen Sicherheit in die libanesische Hauptstadt Beirut. Ein Asylgesuch des irakischen Journalisten, das im Januar für Verwirrung gesorgt hatte, wurde später offenbar wieder zurückgezogen. Ob Al Seidi nun erneut um Asyl bitten will, blieb vorerst unklar.
  • Der US-Kongress will das Verteidigungsministerium offenbar ermächtigen, Fotos von der Misshandlung Gefangener im Irak und in Afghanistan geheim halten zu dürfen. Die Abstimmung im Rahmen eines Gesetzes zur nationalen Sicherheit könnte schon in den kommenden Tagen erfolgen. Die Regierung von Präsident Barack Obama hat das Oberste Gericht, das inzwischen mit dem Streit zwischen Regierung und Amerikanischer Bürgerrechtsunion (ACLU) befasst ist, aufgerufen, mit einer Entscheidung bis nach dem Votum im Kongress zu warten, so die Presse am 10. Oktober. Die ACLU hatte die Veröffentlichung der Fotos vor untergeordneten Gerichten erstritten. Die Regierung argumentierte jedoch, die Freigabe der 21 umstrittenen Bilder könne die Gewalt in Afghanistan und im Irak schüren und die dort stationierten amerikanischen Soldaten gefährden, und rief das Oberste Gericht an. Mit ähnlichen Argumenten hatte das Weiße Haus bereits früher versucht, die Veröffentlichung weiterer 87 Aufnahmen aus dem Irak und Afghanistan zu verhindern, darunter auch Bilder aus dem Gefängnis Abu Ghraib. Fotos von Misshandlungen und Folter aus dem irakischen Gefängnis sorgten nach ihrem Bekanntwerden 2004 in der ganzen Welt für Empörung.
  • Bei einer Serie von Bombenanschlägen sind am 11. Oktober in der westirakischen Stadt Ramadi mindestens 19 Menschen getötet und 60 weitere verletzt worden. Nach Angaben der Polizei explodierte zunächst auf einem Parkplatz in der Nähe der Polizeizentrale der Provinz Anbar eine Autobombe. Wenige Minuten nach Eintreffen der ersten Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge detonierte auf dem Parkplatz eine zweite Autobombe. Ein drittes mit Sprengstoff beladenes Auto explodierte den Angaben zufolge eine Stunde später in der Nähe des Krankenhauses von Ramadi.
Montag, 12. Oktober, bis Sonntag, 18. Oktober
  • Nach Jahren angespannter Beziehungen zwischen Spanien und den USA besucht der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero am 13. Oktober Washington. Bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama soll es vor allem um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern gehen. Die Beziehungen hatten sich enorm verschlechtert, als die Zapatero-Regierung 2004 den Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak beschloss. Seitdem strafte der damalige US-Präsident George W. Bush Madrid mit Missachtung. Seit dem Amtsantritt Obamas herrscht aber wieder Tauwetter zwischen beiden Staaten.
  • Eine seit mehreren Jahren anhaltende Dürre bedroht die Existenz hunderttausender Menschen im Nordirak. Über 100.000 Bewohner haben laut einer am 13. Oktober veröffentlichten Studie der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) wegen Wassermangels seit 2005 ihren Wohnort verlassen. Weitere 36.000 Menschen bereiten sich auf die Flucht vor. Die Trockenheit hat der Studie zufolge zum Zusammenbruch eines altertümlichen unterirdischen Wasserleitungssystem geführt, das im Irak als Kares bekannt ist. Nur 116 von 683 Kares-Systemen funktionierten noch. Um eine weitere Abwanderung aus den Dürregebieten zu verhindern, fordert die UNESCO dringende Gegenmaßnahmen.
  • Ein britisches Komitee zur Untersuchung des Irak-Kriegs hat die frühere Präsidentin des Internationalen Gerichtshofs (IGH), Rosalyn Higgins, zur Rechtsberaterin ernannt. Die Juristin werde die Ermittlungen unterstützen, teilte das Untersuchungskomitee am 14. Oktober in London mit. Das fünfköpfige Gremium führt die erste umfassende Untersuchung in Großbritannien über den Irak-Krieg durch. Higgins war von 2006 bis Anfang dieses Jahres IGH-Präsidentin in Den Haag.
  • Die mit der Wirtschaftskrise einhergehende steigende Arbeitslosigkeit in den USA hat der US-Armee einen bislang einmaligen Zulauf beschert. Erstmals seit der Einführung einer nur aus Freiwilligen zusammengesetzten Armee im Jahr 1973 sei es gelungen, alle Stellen wie gewünscht zu besetzen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Dabei seien bei der Rekrutierung erstmals alle "quantitativen und qualitativen Ziele" erreicht worden. Die hohe Arbeitslosigkeit, die mit 9,8 Prozent den höchsten Stand der vergangenen 26 Jahre erreicht hat, habe dazu nicht unwesentlich beigetragen, so die Presse am 14. Oktober. Die US-Armee ist derzeit im Irak und in Afghanistan in Kriege verwickelt. Etwa 189.000 Soldaten sind dort derzeit im Einsatz, einige davon bereits zum vierten oder fünften Mal. In den vergangenen Jahren war die Armee dafür kritisiert worden, aus Mangel an Soldaten auch Bewerber mit einer kriminellen Vorgeschichte und niedrigem Bildungsniveau einzustellen. Das Heer rekrutierte im Haushaltsjahr 2009 nach Angaben des Pentagon etwa 70.000 neue Soldaten, die Marine 35.500, die Marine-Infanterie 31.400 und die Luftwaffe knapp 32.000.
  • Bei drei fast gleichzeitigen Explosionen in Karbala, der heiligen Stadt der Schiiten im Südirak, sind am 14. Oktober nach Polizeiangaben mindestens sechs Menschen getötet worden. Rund 40 weitere wurden bei den Explosionen in der Nähe der zwei wichtigsten Heiligtümer der Stadt teils schwer verletzt, wie Polizei und Krankenhausmitarbeiter mitteilten.
  • Nach Protesten von Studenten auf dem Campus einer der führenden Universitäten in Bagdad hat der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki den Lehrbetrieb an der Hochschule ausgesetzt. Er verbot außerdem politische Aktivitäten und die Studentenvereinigung an der Mustansirija-Universität, wie ein Regierungssprecher am 14. Oktober mitteilte. Die Vorlesungen wurden den Angaben zufolge für zunächst eine Woche ausgesetzt. Die Hochschule steht im Zentrum eines Machtkampfes zwischen Al-Maliki und religiöser schiitischer Parteien, die seit der US-geführten Invasion Iraks im März 2003 die Verwaltung der Universität kontrollieren.
  • Libyen hat 88 El-Kaida-Sympathisanten auf freien Fuß gesetzt, darunter 45 Mitglieder der Libyschen Islamischen Kämpfenden Gruppe (Gicl). Die Inhaftierten verließen am 15. Oktober das Abu-Slim-Gefängnis in der Hauptstadt Tripolis, wie ein AFP-Reporter berichtete. Nach Angaben eines Sprechers der Gaddafi-Stiftung gehörten zu den Freigelassenen mehrere ehemalige Afghanistan- und Irakkämpfer.
  • Ein Selbstmordattentäter hat bei einem Anschlag in einer sunnitischen Moschee im Nordirak mindestens 15 Menschen mit in den Tod gerissen. Fast 100 weitere Moscheebesucher in der Stadt Tal Afar wurden nach offiziellen Angaben zum teil schwer verletzt. Der Attentäter schoss laut Polizei während des Freitagsgebets (16. Oktober) zunächst mit einem Sturmgewehr auf die Gläubigen, bis er keine Munition mehr hatte, dann sprengte er sich in die Luft. Unter den Toten ist auch der sunnitische Geistliche Abdul Satar Hassan, der die Predigt hielt. Hassan war Mitglied der größten politischen Partei der Sunniten.
  • Die irakische Regierung hat eine Ölförderlizenz für ein Konsortium unter des Führung des britischen Energieriesen BP gebilligt. Das Kabinett billigte den Vertrag am 16. Oktober, wie Regierungssprecher Ali al Dabbah gegenüber einer Nachrichtenagentur sagte. BP hatte Ende Juni zusammen mit der chinesischen CNPC den Zuschlag für die Förderung auf dem mit einer geschätzten Reserve von 17,8 Milliarden Barrel größten Ölfeld Rumaila im Süden des Landes erhalten. Der Irak will mit Hilfe ausländischer Konzerne seine Rohölförderung von derzeit 2,4 Millionen Barrell auf 4 Millionen Barrel zu je 159 Liter pro Tag steigern, um mit den Einnahmen den Wiederaufbau voranzubringen. Allerdings blieb vor vier Monaten das Interesse an der ersten Lizenzvergabe seit mehr als 30 Jahren geringer als erhofft. Zwar beteiligten sich 30 internationale Konzerne, doch wurde am Ende nur eine einzige Lizenz vergeben. Weitere Interessenten wurden offenbar durch die finanziellen Bedingungen abgeschreckt, die Bagdad mit der Lizenzvergabe verbunden hat. Die Regierung bot 20-Jahres-Kontrakte für rund ein halbes Dutzend Öl- und Gasfelder an. Doch lediglich für das Ölfeld Rumaila fanden sich zwei Bieterkonsortien, das eine geführt von BP, das andere von Exxon Mobil. BP erhielt schließlich den Zuschlag. Der Konzern war bereit, sich auf die von der Regierung angebotene Zahlung von 2 Dollar pro Barrel oberhalb einer gewissen Basisproduktion einzulassen, obwohl er zunächst 3,99 Dollar verlangt hatte. Exxon wollte 4,80 Dollar pro Barrel. Für BP bedeutet die Lizenz die Rückkehr in den Irak nach 37 Jahren. Das Unternehmen hatte 1972 im Zuge der Verstaatlichung der Ölindustrie das Land verlassen müssen. Bis zur irakischen Invasion in Kuwait 1990 hatte BP noch ein Vertretungsbüro in Bagdad. Der britische Energieriese wird einen 38-prozentigen Anteil an dem Projekt in Rumaila halten. 37 Prozent übernimmt CNPC, den Rest der irakische Staat. In einer zweiten Vergaberunde, die Mitte Dezember abgeschlossen werden soll, bietet die Regierung Verträge für zehn Ölprojekte an. 45 internationale Konzerne beteiligen sich.
  • Bei einem Autobombenattentat im Irak ist eine unter anderem für den Abzug der US-Truppen wichtige Autobahnbrücke zerstört worden. Ein Selbstmordattentäter zündete den in einem Lkw versteckten Sprengsatz laut Polizei am 17. Oktober in der Nähe von Ramadi, 125 Kilometer westlich von Bagdad. Tote oder Verletzte gab es nicht. Die Autobahn verbindet den Irak mit Syrien und Jordanien. Auf dieser Strecke sind zahlreiche Iraker vor der Gewalt im Land geflohen, außerdem wird sie von den amerikanischen Streitkräften für ihren Truppenabzug genutzt.
  • Bei mehreren Anschlägen wurden am 17. Oktober neun Iraker getötet, die meisten von ihnen Sicherheitskräfte. Der schwerste Anschlag ereignete sich in der Nähe der Stadt Falludscha westlich von Bagdad. Dabei wurden drei Soldaten getötet und 14 weitere verletzt.
  • Ein Bombenanschlag in der Nähe eines beliebten Cafés in Bagdad tötete fünf Zivilpersonen, 16 Menschen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich am 18. Oktober im überwiegend von Sunniten bewohnten Viertel Asamijah, wie die irakische Polizei mitteilte. Der Sprengsatz war an einem geparkten Motorrad befestigt. Bei den meisten Opfern handelte es sich laut Krankenhausangaben um junge Männer.
Montag, 19. Oktober, bis Sonntag, 25. Oktober
  • Mit einem Friedensgesuch an die türkische Regierung hat eine kurdische Delegation aus dem Irak am 19. Oktober die Grenze zum Nachbarland überquert. Die 34 Männer, darunter acht Kämpfer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), wurden umgehend von türkischen paramilitärischen Polizisten festgenommen und verhört, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Sie betonten dabei, dass sie einen Beitrag zum Frieden zwischen den Kurden und der türkischen Regierung leisten wollten. Die Gruppe führte einen Brief an die türkischen Behörden mit sich, in dem unter anderem eine Einstellung der Militäroperationen gegen mutmaßliche PKK-Kämpfer gefordert wird. Ferner wurde dazu aufgerufen, den Kurden in der türkischen Verfassung mehr Rechte zuzugestehen, wie die prokurdische Nachrichtenagentur Firat News meldete. Demnach soll die kurdische Sprache amtlich zugelassen werden, ferner sollen die «Repressalien und Unterdrückungsmaßnahmen» gegen kurdische Dorfbewohner beendet werden. Türkische Soldaten sind wiederholt auf irakisches Gebiet vorgedrungen, wo sie die Schlupfwinkel der PKK-Führung vermuten. Im Südosten der Türkei kämpft die PKK schon seit 25 Jahren für mehr Autonomie. Dem Konflikt sind bereits zehntausende Menschen zum Opfer gefallen.
  • Nach seiner Haftentlassung will der irakische Journalist Muntaser el Saidi, der durch seinen Schuhwurf auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush bekannt wurde, seinen Landsleuten mit einer Stiftung helfen. Bei einer Pressekonferenz in Genf gab Saidi am 19. Oktober die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung in der Schweiz bekannt, die vor allem Waisen, Witwen und Vertriebenen im Irak helfen solle. Vorgesehen sei der Bau von Krankenhäusern und eines medizinischen Zentrums für Prothesen. Diesen
  • Nach dem Grenzübertritt einer kurdischen Delegation aus dem Irak in die Türkei hat die türkische Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen fünf Gruppenmitglieder beantragt. Ihnen wurde Mitgliedschaft in der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vorgeworfen. Am Grenzübergang Habur im Südosten der Türkei wurde am 20. Oktober ein Zivilgericht einberufen, um über das Schicksal der Männer zu beraten.
  • Bei drei Anschlägen im Irak sind am 20. Oktober nach Behördenangaben mindestens sechs Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden. In der Stadt Saklawijah westlich von Bagdad riss eine Autobombe drei Polizisten und eine Zivilperson in den Tod. Fünf Beamte und ein Passant wurden nach Polizeiangaben verletzt. Bei einem Anschlag auf eine Polizeipatrouille in Hilla südlich der Hauptstadt wurde ein Polizist getötet. Zwei Zivilpersonen wurden teils schwer verletzt. Bei einem dritten Anschlag im nördlichen Bagdader Stadtteil Kasimijah wurde eine Zivilperson getötet, vier weitere wurden verletzt.
  • US-Präsident Barack Obama will an seinem Plan für einen vollständigen Abzug der amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak bis August 2010 festhalten. Das bekräftigte er am 20. Oktober nach einem Treffen mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki in Washington. Zugleich rief Obama das irakische Parlament auf, rasch ein Wahlgesetz zu verabschieden, damit die Parlamentswahl wie geplant im Januar stattfinden könne. Die US-Regierung hat vor, nach der Wahl ihr Truppenkontingent im Irak deutlich zu verkleinern. Al-Maliki bat Obama erneut um Unterstützung beim Bemühen um eine Aufhebung aller UN-Sanktionen und -Resolutionen gegen sein Land, die seit der irakischen Invasion in Kuwait 1990 in Kraft sind. Der Irak sei inzwischen eine Demokratie und besitze keine Massenvernichtungswaffen. Ein Ende der Sanktionen sei entscheidend, um das Land voranzubringen, sagte Al-Maliki, der sich zu einer Konferenz in Washington aufhielt, wo er um internationale Investitionen warb.
  • Drei Monate vor der geplanten Parlamentswahl ist im Irak eine Einigung auf ein neues Wahlrecht am Streit um die Erdölstadt Kirkuk gescheitert. Da kein Kompromiss gefunden worden sei, habe er das Gesetz an den Nationalen Sicherheitsrat weitergeleitet, sagte Parlamentspräsident Ijad el Samarrai in Bagdad. Sollte dieser bis 25. Oktober zu einer Entscheidung kommen, werde das Parlament am 26. Oktober über das neue Gesetz abstimmen, so die Presse am 21. Oktober. Der Nationale Sicherheitsrat ist ein beratendes Organ, dem neben Vertretern der Präsidentschaft auch der Ministerpräsident und Vertreter der wichtigsten politischen Parteien angehören. In der Debatte um das neue Wahlrecht ist der Streit um Kirkuk das größte Problem. Die Stadt grenzt an das autonome Kurdengebiet im Norden des Landes. Die kurdische Autonomieregierung will, dass Kirkuk Teil des Kurdengebiets wird, die dort lebenden Araber und Turkmenen lehnen das entschieden ab. Die Iraker sollen Mitte Januar ein neues Parlament wählen. Bislang gibt es aber noch kein Gesetz, das den Urnengang regelt.
  • Die türkische Regierung hat die kurdischen Rebellen am 23. Oktober zur Niederlegung ihrer Waffen aufgerufen. «Alles, was wir wollen, ist, dass das Blutvergießen und das Töten aufhört», sagte Innenminister Besir Atalay auf einer Pressekonferenz. Einen Dialog mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan schloss der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc allerdings aus. Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) kämpft seit 1984 für einen unabhängigen Staat der Kurden. Sie ist inzwischen zwar nicht mehr so stark wie in früheren Jahren, verfügt aber immer noch über tausende Kämpfer. Der Konflikt hat schätzungsweise 40.000 Menschen das Leben gekostet.
  • Der Irak ist am 25. Okt. von der blutigsten Anschlagswelle seit gut zwei Jahren erschüttert worden. Dabei wurden in Bagdad mindestens 155 Menschen getötet und etwa 600 verletzt. Hinter den beiden Selbstmordanschlägen, die sich binnen einer knappen Minute während des morgendlichen Berufsverkehrs vor zwei Regierungsgebäuden ereigneten, wurden sunnitische Aufständische vermutet. Der koordinierte Doppelanschlag wurde als unmittelbarer Angriff auf die schiitisch dominierte Regierung gewertet. Die Chancen von Regierungschef Nuri al-Maliki bei der bevorstehenden Parlamentswahl dürften entscheidend von der weiteren Entwicklung der Sicherheitslage abhängen, die sich zuletzt stabilisiert hatte. Beobachter fürchten nun, dass die Gewalt in den Wochen vor der Abstimmung am 16. Januar erheblich ansteigen könnte. Al-Maliki besuchte den Tatort, um sich selbst ein Bild zu verschaffen. Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand, doch trugen sie die Handschrift sunnitischer Extremisten. Die Bomben detonierten vor dem Justizministerium und dem Büro der Bagdader Regionalverwaltung. Die mit Sprengstoff beladenen Fahrzeuge waren auf Parkplätzen neben den Gebäuden abgestellt. Diese liegen unweit der schwer bewachten sogenannten Grünen Zone mit dem irakischen Regierungssitz und den meisten westlichen Botschaften. Die betroffene Straße wurde erst vor kurzem wieder für den Verkehr freigegeben, was als Verbesserung der Sicherheitslage eingestuft wurde. Die Gegend gilt eigentlich als relativ sicher. «Sie haben die Regierung zum Ziel» Die Attentäter hatten ihre Wagen auf Parkplätze vor den betroffenen Gebäuden gefahren, bevor sie ihre Sprengsätze zündeten, wie der irakische Generalmajor Kassim al Mussawi berichtete. «Sie haben die Regierung und den politischen Prozess in diesem Land zum Ziel», sagte er. Bei der zweiten Explosion bildete sich ein riesiger Feuerball, auch eine Salve von Maschinenfeuer war zu hören. Krankenwagen eilten zum Tatort. Bürger wurden gebeten, mit ihren Privatautos beim Transport von Verletzten in Kliniken zu helfen. Unter den Toten befanden sich mindestens 25 Mitglieder der Bagdader Provinzrates, der die Stadt regiert. Auch Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der US-Botschaft in Bagdad wurden verwundet.
Montag, 26. Oktober, bis Samstag, 31. Oktober
  • Die Terrorzelle der Al Kaida im Irak hat sich zu dem doppelten Selbstmordanschlag von Bagdad bekannt, bei dem am 25. Oktober mindestens 155 Menschen getötet wurden. Die beiden «Märtyrer» hätten «die Schlupflöcher der Ungläubigen» angegriffen, hieß es in einer im Internet veröffentlichten Erklärung am 26. Oktober. Die Al-Kaida-Zelle bekannte sich auch zu Anschlägen auf irakische Ministerien, bei denen im August mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen waren.
  • Am 27. Oktober werden noch immer rund 60 Kleinkinder vermisst, die unter den Trümmern des Justizministeriums vermutet werden. Der Gouverneur von Bagdad, Salah Abdul Rasak, sagte am 27. Oktober vor Journalisten in der irakischen Hauptstadt: «Es gibt keine Informationen über die 60 Kinder, die in der Kinderkrippe waren, die zum Justizministerium gehört.» In dem Hort waren die Kinder der Beamten des Ministeriums betreut worden.
  • Die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes im Irak lässt weiter auf sich warten. Die Abgeordneten konnten sich auch am 27. Oktober nicht auf die Bedingungen für die am 16. Januar geplante Parlamentswahl einigen. Eine Abstimmung über das Gesetz wurde vertagt. Wann die Beratungen fortgesetzt werden sollen, war nicht bekannt. Viele befürchten, dass wegen des andauernden Streits die Parlamentswahl verschoben werden muss. Hintergrund des Streits ist eine Kontroverse darüber, ob alle Bewohner der ölreichen Stadt Kirkuk, in der Kurden, Turkmenen, Araber und Angehörige anderer Volksgruppen leben, sich an der Wahl beteiligen dürfen. Außerdem streiten sich die verschiedenen Volksgruppen um die Einteilung der Wahlbezirke in Kirkuk.
  • Nach dem schwersten Bombenanschlag im Irak seit zwei Jahren sind mehr als 60 Sicherheitskräfte festgenommen worden. Betroffen seien elf Offiziere der Streitkräfte und 50 Beamte in Polizei und Sicherheitsbehörden, teilte Generalmajor Kassim al Mussawi am 29. Oktober mit. Unklar blieb, ob sie sich wegen Beihilfe oder Verletzung von Amtspflichten verantworten müssen.
  • Zum ersten Mal hat mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu am 30. Oktober ein türkisches Regierungsmitglied die Kurdenregion im Nordirak besucht. "Wir sind Euer Tor nach Europa, und Ihr seid unser Tor nach Süden, in die Golfregion", sagte Davutoglu bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten der autonomen Kurdenprovinzen im Nordirak, Massud Barsani. Barsani lobte die "mutigen" Bemühungen der Türkei, den Konflikt mit den türkischen Kurden beizulegen. Davutoglu war in Begleitung des Handelsministers Zafer Caglayan und 70 Geschäftsleuten und Regierungsvertretern. Am 31. Oktober sollte die Delegation nach Mossul weiterreisen. Der Besuch des türkischen Außenministers ist ein deutliches Zeichen für die verbesserten Beziehungen zwischen Bagdad und Ankara. Die Türkei bemüht sich derzeit um eine Lösung des Kurdenkonflikts, der seit dem Beginn des Aufstandes der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1984 mehr als 40.000 Menschen das Leben gekostet hat. Die türkische Luftwaffe hatte zeitweise massiv PKK-Stellungen im Nordirak attackiert.


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