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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Mai 2008


Donnerstag, 1. Mai, bis Sonntag, 4. Mai
  • Am in den USA nicht arbeitsfreien 1. Mai haben sich rund 25.000 Arbeiter an einem Streik gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan und für den sofortigen Abzug der US-Besatzungstruppen beteiligt. Alle 29 Häfen der US-Westküste von San Diego in Südkalifornien bis Seattle im US-Staat Washington waren stillgelegt, obwohl der Unternehmerverband der Schiffeigner und Transportunternehmen "The Pacific Maritime Association (PMA)"" massiven Druck auf die Gewerkschaft ausgeübt hatte. (Quelle: junge Welt, 7. Mai 2008)
  • Bei einem Einsatz im Süden Iraks ist am 2. Mai eine Drohne der US-Besatzer abgestürzt. Das unbemannte Flugobjekt vom Typ MQ-1 Predator ging kurz nach dem Start auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Balad, 80 Kilometer nördlich von Bagdad, zu Boden. Mit Drohnen überwachen die US-Streitkräfte unter anderem ihre Militärkonvois. Die Flugkörper sind mit Infrarotsensoren und "Hellfire"-Raketen ausgerüstet.
  • Am 2. Mai stoppte die Sprengung zweier Bradley-Panzer das Eindringen von US-amerikanischen Truppen in den Bagdader Stadtteil Sadr City. Am 3. Mai beschädigte der Einschlag dreier US-Raketen den Eingangsbereich des einzigen Krankenhauses des Stadtteils, verwundete 28 Menschen und zerstörte 17 Krankenwagen. Eine weitere Rakete schlug unmittelbar neben einer Gruppe von 15 Kinder ein und verletzte diese z.T. schwer.
    Die heftigen Angriffe US-amerikanischer und irakischer Truppen auf den Bagdader Stadtteil Sadr City dauern nun schon seit über fünf Wochen an. Weite Teile des riesigen Armenviertels mit über zwei Millionen Einwohnern, eine Hochburg der Bewegung des populären Geistlichen Muktada Al-Sadr, sind abgeriegelt. Tag für Tag fliegt die US-Luftwaffe Angriffe auf Stellungen der "Mehdi-Armee" Al-Sadrs, meist, wie die "Doctors for Iraq" berichten, mitten in dichtbesiedelten Gebieten. Zahlreiche zivile Opfer seien die Folge.
  • Bei einem weiteren Angriff auf Sadr-City hat die US-Luftwaffe am 3. Mai das Al-Sadr-Krankenhaus teilweise zerstört. 20 Personen wurden nach Angaben des Krankenhauspersonals verletzt, medizinische Geräte und Fensterscheiben zerstört.
    Ziel des Angriffs seien nach Auskunft eines US-Militärsprechers "kriminelle Elemente" gewesen, getroffen wurden aber neben dem Krankenhaus auch 17 Krankenwagen und eine Holzbaracke, die als temporäre Unterkunft für schiitische Pilger gedient hatte. Die Amerikaner würden vermutlich angeben, sie hätten ein Waffenlager getroffen, sagte sarkastisch Dr. Ali Bistan, der Leiter der Gesundheitsbehörde von Bagdad. "Tatsächlich aber zerstören sie die Infrastruktur unseres Landes." (Siehe unseren ausführlichen Bericht: US-Angriff auf die "Aasgeier".)
Montag 5. Mai, bis Sonntag, 11. Mai
  • Der US-Flugzeugbauer Boeing verkauft insgesamt 40 Passagiermaschinen an den Irak. Der Konzern bestätigte einen entsprechenden Auftrag über 30 Maschinen des Typs 737 und zehn 787 sowie eine Option auf den Verkauf zehn weiterer 737 am 5. Mai. Bagdad hatte den Kauf Ende März gleichzeitig mit einem Auftrag an den kanadischen Flugzeugbauer Bombardier bekannt gegeben. Die Maschinen sind für den weiteren Wiederaufbau der Flotte der nationalen Fluglinie Iraqi Airways gedacht, die im September 2004 nach 14 Jahren Unterbrechung den Flugverkehr wieder aufgenommen hatte. Das 737-Paket hat nach Katalogpreis ein Volumen von 2,2 Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro), der Preis für die zehn 787 liegt zwischen knapp 1,5 und zwei Milliarden Dollar. Boeing erklärte, das Geschäft mit den 787 stehe kurz vor dem Abschluss.
  • Der frühere irakische Machthaber Saddam Hussein hatte in US-Gefangenschaft Angst vor einer Ansteckung mit Aids. Das berichtete die arabischsprachige Tageszeitung "El Hajat“ am 6.Mai, die aus den Gefängnisaufzeichnungen Saddam Husseins zitierte. "Meine größte Sorge an einem Ort wie diesem war es, mich nicht mit einer sexuell übertragbaren Krankheit und Aids anzustecken", schrieb demnach der frühere irakische Staatschef. Deshalb habe er die Gefängniswärter gebeten, ihre Wäsche nicht in der Nähe seiner Kleidung auszubreiten. "Die Amerikaner fürchte ich im Hinblick auf die Ansteckungsgefahr am meisten", zitierte die Zeitung weiter, ohne die Herkunft der Aufzeichnungen näher zu benennen. Sie veröffentlichte Teile der Aufzeichnungen aus datierten Briefen oder Gedichten. Der Krankenpfleger Robert Ellis, der Saddam Hussein betreute, hatte im Januar 2007 berichtet, dass der Ex-Staatschef während seiner Gefängniszeit viel las und auch selbst Texte zu Papier brachte. Saddam Hussein, der von den US-Streitkräften nach deren Einmarsch im Irak gefangen genommen wurde, war von einem irakischen Sondertribunal wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt worden. Am 30. Dezember 2006 wurde er hingerichtet.
    Der erste Teil der Memoiren des hingerichteten irakischen Machthabers Saddam Hussein soll nach Angaben seines Anwalts Ende des Jahres veröffentlicht werden. "Wir arbeiten Tag und Nacht daran, die Memoiren des verstorbenen irakischen Präsidenten zusammenzustellen, damit der erste Band Ende des Jahres veröffentlicht werden kann", sagte der Rechtsanwalt Chalil El Dulaimi. Die Erinnerungen umfassten das ganze Leben Saddam Husseins - von seiner Kindheit über seinen Weg an die Macht bis hin zu den letzten Tagen vor der Hinrichtung am 30. Dezember 2006. Die Memoiren umfassen insgesamt mehr als 2000 Seiten, von denen Saddam Hussein 400 per Hand geschrieben habe, sagte Dulaimi in der jordanischen Hauptstadt Amman. Bei den übrigen Seiten handle es sich um Mitschriften dessen, was Saddam Hussein diktiert habe und um das, woran sich die Verfasser erinnerten. Die Memoiren sollen in drei Teilen erscheinen. Die US-Armee war im März 2003 im Irak einmarschiert und fand Saddam Hussein am 13. Dezember 2003 in einem Versteck in der Nähe des nordirakischen Tikrit. Die irakische Justiz stellte den früheren Machthaber vor Gericht und verurteilte ihn wegen des Mordes an 148 Schiiten in der Ortschaft Dudschail 1982 zum Tode.
  • Bei dem von irakischen Sicherheitskräften festgenommenen Verdächtigen handelt es sich nach Angaben der US-Armee nicht um den Chef des Terrornetzwerks El Kaida im Irak. "Sie haben nicht Abu Hamsa el Muhadschir festgenommen. Jemand, der den gleichen Namen trägt, aber nichts mit ihm zu tun hat, wurde festgesetzt", sagte die Militärsprecherin Peggy Kageleiry am 9. Mai. Der Sprecher des irakischen Innenministeriums hatte zuvor im Fernsehen die Festnahme eines Mannes bekanntgegeben, der sich als irakischer El-Kaida-Chef ausgegeben habe. Demnach erfolgte die Festnahme während eines Einsatzes in der Ortschaft Wad el Hadschar in der Region Ninive. Nach Angaben des Innenministeriums meldete sich ein Mann aus dem Umfeld Muhadschirs bei den Behörden und verriet den Aufenthaltsort des mutmaßlichen El-Kaida-Chefs. Auf den Kopf des Mannes, der auch unter dem Namen Abu Ajub el Masri bekannt ist, hat das US-Außenministerium eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Er wurde im Juni 2006 zum Nachfolger des getöteten Abu Mussab el Sarkawi ernannt.
  • Das US-Militär hat offenbar die Leichen im Irak oder in Afghanistan getöteter Soldaten in einem Krematorium verbrannt, das auch für Haustiere zuständig ist. Zwar gebe es keinen Hinweis darauf, dass die toten Soldaten und die Haustiere in derselben Anlage eingeäschert worden seien, doch entschuldige sich Verteidigungsminister Robert Gates für den Missgriff, sagte Pentagon-Sprecher Geoff Morrell am 10. Mai. Der Minister sei der Auffassung, dass die Wahl der Krematoriums "taktlos" sei und "einer würdigen Behandlung unserer Gefallenen" widerspreche, sagte Morrell. Der Minister habe sofort angeordnet, die Bestattungen in dem Krematorium zu stoppen. Bei dem Krematorium handelt es sich um ein Privatunternehmen, das von der Luftwaffenbasis in Dover (Delaware) zur Einäscherung der gefallenen Soldaten aus dem Irak und Afghanistan angeheuert wurde. Nach Angaben des Pentagon-Sprechers verfügt das Unternehmen aber über getrennte Anlagen für Tiere und Menschen. Aufgedeckt hatte die Affäre ein Offizier, der einem gefallenen Kameraden seine letzte Ehre erweisen wollte. Er schickte dem Ministerium noch am Freitag eine Email mit Fotos von der Anlage - auf dem Eingangsschild stand demnach, dass es sich um ein Krematorium für Haustiere handelte. Laut dem Pentagon-Sprecher erteilte Gates inzwischen auch Anordnung, die Regeln für die Einäscherung gefallener Soldaten zu überarbeiten
  • Im Irak hat die Bewegung des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr nach eigenen Angaben eine Waffenruhe mit der irakischen Regierung vereinbart. Damit solle den Kämpfen im Bagdader Schiitenviertel Sadr City ab dem 11. Mai ein Ende gesetzt werden, teilte der Sprecher der Organisation, Salah el Obeidi, in Nadschaf am 10. Mai mit. "Wir werden das Feuer einstellen, Waffen von den Straßen abziehen und alle Zufahrten nach Sadr City öffnen", sagte Obeidi. Die Vereinbarung sehe jedoch weder die Entwaffnung noch die Auflösung der Mahdi-Miliz Sadrs vor, sagte Obeidi. Die Absprache beinhalte das "Recht der bewaffneten Kräfte und der Sicherheitskräfte, gegen gesuchte Personen vorzugehen", sagte Obeidi der Nachrichtenagentur AFP weiter. Dies müsse jedoch unter Wahrung der Menschenrechte geschehen. Nach Angaben von Obeidi wurde die Einigung bei Verhandlungen zwischen Vertretern der Sadr-Bewegung und einer Delegation von Regierungschef Nuri el Maliki erzielt. "Die beiden Gruppen stimmten bei zehn von 14 diskutierten Punkten überein", sagte er weiter. Die Delegation habe versichert, dass Maliki die Vereinbarung respektieren werde. Bei den Kämpfen zwischen der US-Armee und Sadrs Mahdi-Miliz wurden seit dem 9. Mai in Sadr City mindestens 13 Menschen getötet und 77 weitere verletzt. In dem nordöstlichen Stadtteil Bagdads kämpfen irakische Truppen mit Unterstützung der US-Armee seit Ende März gegen die Mahdi-Miliz des radikalen Schiitenpredigers Moktada Sadr. Mehr als tausend Menschen wurden seither getötet und tausende Anwohner vertrieben. Anfang April hatte Sadr seine Gefolgsleute bereits zum Rückzug aufgerufen. Nach einer Woche relativer Ruhe flammten jedoch erneut Kämpfe in Bagdad auf.
    Das US-Militär und die irakische Armee errichteten Mauern um Teile von Sadr City, um Bewaffnete davon abzuhalten, Raketen und Granaten auf die streng bewachte Grüne Zone in Bagdad abzufeuern. Dort sind die irakischen Regierungsinstitutionen und die US-Botschaft untergebracht. Die von Schiiten dominierte Regierung Maliki hat bisher vergeblich versucht, eine Auflösung der schiitischen Mahdi-Miliz zu erzwingen; dies soll vor den Regionalwahlen im Oktober geschehen. Die Sadr-Bewegung verweigert eine Waffenabgabe, solange von der Regierung und der US-Armee unterstützte schiitische und sunnitische Gruppierungen ebenfalls ihre Waffen behielten.
Montag 12. Mai, bis Sonntag, 18. Mai
  • Islamistische Veteranen aus dem Irak-Krieg sind nach Einschätzung des Terrorismus-Experten Guido Steinberg eine Gefahr für die Sicherheitslage in Nordafrika und Europa. Die Rückkehr dieser Gotteskrieger in ihre Heimatländer "würde die Gefahr einer Eskalation der islamistischen Gewalt im Maghreb deutlich verstärken", sagte Steinberg, der als Wissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin arbeitet und von 2002 bis 2005 als Referent für Terrorismus im Bundeskanzleramt tätig war, der Nachrichtenagentur AFP am 14. Mai. Ähnlich wie nach der Rückkehr der Mudschahedin ab Ende der 80er Jahre aus Afghanistan sei durch die Irak-Veteranen eine Radikalisierung in den Herkunftsländern zu befürchten. Seit 2005 steige die Zahl von Kämpfern aus Nordafrika in den islamistischen Gruppen im Irak rapide an, sagte Steinberg. Die nordafrikanischen Dschihadisten stammten besonders aus Algerien, Libyen sowie Ägypten. Diese Kämpfer sind nach Ansicht des Terrorismus-Experten aktuell noch kein Problem für die nordafrikanischen Staaten. "Längerfristig besteht aber die Gefahr, dass die Irak-Kämpfer - nach dem Muster der Afghanistanrückkehrer - im Falle einer Stabilisierung des Irak in ihre Heimatländer zurückkehren und dort bestehende Gruppierungen verstärken", warnte Steinberg. "Dies würde die Gefahr einer Eskalation der islamistischen Gewalt im Maghreb deutlich verstärken." Eine ähnliche Gefahr bestehe auch für Syrien und Saudi-Arabien. Die maghrebinischen Irak-Veteranen bedeuten laut Steinberg auch eine Bedrohung für Europa. Es sei damit zu rechnen, dass nordafrikanische Dschihadisten nicht nur in ihre Heimatländer zurückkehrten, da dort die Sicherheitsapparate sehr brutal gegen Islamisten vorgingen. "Sie würden sich wahrscheinlich eher dorthin zurückziehen, wo viele Nordafrikaner leben - also nach Westeuropa", sagte Steinberg. Zwar kehrten viele der ausländischen Kämpfer im Irak nicht mehr in ihre Heimatländer zurück, da sie im Kampf oder bei Selbstmordanschlägen getötet oder gefangen genommen würden. "Bei mehreren tausend ausländischen islamistischen Kämpfern in den vergangenen fünf Jahren gibt es aber immer noch äußerst kampferprobte Heimkehrer, die den Dschihad weiter internationalisieren und das Potenzial haben, die islamistischen Gruppen in ihren Ländern zu radikalisieren", sagte Steinberg.
  • Das internationale Terrornetzwerk El Kaida hat zu Anschlägen auf die Fußball-Europameisterschaft im Juni aufgerufen. Die EM in Österreich und der Schweiz sei ein "Ziel", das von dem Netzwerk anvisiert werde, sagte der Präventionsbeauftragte der Schweizer Polizei, Jürg Bühler, der Tageszeitung "La Liberté" am 15. Mai. Im Internet kursierten seit Wochen Anschlagsdrohungen, wie es sie auch vor der Fußball-WM 2006 in Deutschland gegeben habe. "Wir sind auf alles vorbereitet". Das österreichische Innenministerium teilte hingegen mit, aktuelle Hinweise auf eine Anschlagsgefahr gebe es nicht.Die Schweizer Bundespolizei erklärte, ein Großereignis wie die Fußball-EM könne für Terroristen ein bevorzugtes Ziel sein. Es gebe jedoch derzeit keine Hinweise auf eine konkrete Terrorgefahr. "La Liberté" wies darauf hin, dass einschlägige Internet-Foren dazu aufforderten, die "beiden sichersten Länder Europas" ähnlich wie den Irak und Afghanistan in eine "Hölle" zu verwandeln. Es gebe derzeit keine Hinweise, die es erlaubten, von der Gefahr eines Anschlags in Österreich oder der Schweiz zu sprechen, sagte ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums. Der Zeitungsartikel sei von dem Schweizer Präventionsbeauftragten wohl missverstanden oder überinterpretiert worden. Die zuständigen Behörden der beiden Länder stünden in ständigem Kontakt, um die Sicherheit der Europameisterschaft zu gewährleisten.
    Bereits vor der Fußball-EM 2004 in Portugal seien Anschläge befürchtet worden, sagte der Sprecher des Europäischen Fußballverbandes UEFA. Vor dem ersten Spiel in Portugal habe die portugiesische Polizei auch Verdächtige aus dem Umfeld islamistischer Netzwerke festgenommen. Der Vorfall sei jedoch nicht öffentlich gemacht worden. "Wir sind bei diesen Großereignissen immer äußerst aufmerksam." Die UEFA arbeite immer sehr eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen. Das diesjährige Turnier wird vom 7. bis 29. Juni von Österreich und der Schweiz gemeinsam ausgerichtet.
  • Die US-Armee hält im Irak derzeit mehrere hundert Minderjährige gefangen. Im April seien rund 500 Jugendliche in Gefängnissen des US-Militärs inhaftiert gewesen, heißt es in einem Bericht der US-Regierung an die UN-Kommission für die Rechte der Kinder, den die Bürgerrechtsvereinigung ACLU am 15. Mai veröffentlichte. Die Gefangenen seien eine "unbedingte Bedrohung" für die Sicherheit im Irak und würden gemäß eines Beschluss des UN-Sicherheitsrates festgehalten, argumentierte die US-Regierung demnach. Dem Bericht zufolge hielten die USA seit 2002 insgesamt rund 2500 Inhaftierte im Irak, Afghanistan sowie in dem US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba gefangen, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme jünger als 18 Jahre alt waren. Im vergangenen Jahr waren demnach im Irak noch 800 Jugendliche in US-Haft. Es sei "schockierend", dass die USA hunderte Jugendliche im Irak und in Afghanistan gefangen hielten, deren Rechte als Kinder nicht geschützt würden, sagte der ACLU-Vorsitzende Jamil Dakwar. Ein Sprecher des Pentagon bestätigte die genannten Zahlen, machte jedoch keine weiteren Angaben zu dem Bericht. Demnach sind in Guantanamo im Moment keine Minderjährigen inhaftiert, jedoch waren zwei der derzeitigen Gefangenen zum Zeitpunkt ihrer Gefangennahme noch minderjährig. Nach Angaben der US-Regierung werden Minderjährige in der Regel nicht länger als zwölf Monate gefangen gehalten.
  • El Kaida-Chef Osama bin Laden hat die Muslime der Welt anlässlich des 60. Jahrestages der israelischen Staatsgründung zum Kampf für ein befreites Palästina aufgerufen. "Wir werden mit der Hilfe Gottes den Kampf gegen die Israelis und ihre Verbündeten fortsetzen", sagte Bin Laden in einer Audio-Botschaft. "Solange es einen aufrichtigen Muslim auf der Erde gibt, werden wir keinen Meter von Palästina preisgeben." Der Chef des islamistischen Terrornetzwerks El Kaida nannte den Dschihad "eine Pflicht, um Palästina zu befreien". Bin Laden griff in der ihm zugeschriebenen, rund zehnminütigen Botschaft, die im Internet veröffentlicht wurde, die westlichen Staatsführer wegen ihrer Teilnahme an den Feierlichkeiten in Israel scharf an. Diese würden damit die "unausstehliche Besatzung unserer Gebiete" unterstützen. US-Präsident George W. Bush hatte die Gründung Israels am Donnerstag mit einer Rede vor der Knesset in Jerusalem gewürdigt; Palästinenser sehen in dem Ereignis vom 14. Mai 1948 eine Katastrophe, die "Nakba".
    Das auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierte US-Analyseunternehmens SITE hatte die Botschaft Bin Ladens am 15. Mai angekündigt. Der international gesuchte Terrorist hatte sich zuletzt im März mit einer Tonaufzeichnung zu Wort gemeldet, die von dem Sender El Dschasira ausgestrahlt wurde. Darin hatte er die Muslime aufgerufen, den Aufstand im Irak zu unterstützen und dadurch auch den Palästinensern zu helfen.
  • Ein iranischer Botschaftskonvoi ist in Bagdad unter Beschuss geraten. Dabei wurden vier Menschen verletzt, darunter auch zwei Diplomaten, wie ein Botschaftssprecher am 16. Mai mitteilte. Die Regierung in Teheran warf den USA vor, sie hätten zu Angriffen auf iranische Vertretungen im Irak ermuntert. Die US-Streitkräfte erklärte, sie verurteilten jeden Angriff “auf Besucher oder Gäste eines Landes“. Wer für den Schusswechsel verantwortlich war, war zunächst nicht klar. Die irakischen Behörden teilten mit, es sei zu dem Schusswechsel gekommen, als bei einer Kontrolle die meisten Angehörigen des Konvois keine Ausweise vorzeigen konnten. Nach Angaben des Botschaftssprechers war der Konvoi auf dem Weg zu einem schiitischen Schrein. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki bot unterdessen Angehörigen bewaffneter Gruppen in der nordirakischen Stadt Mossul eine Amnestie an, wenn sie ihre Waffen abliefern. Sie hätten zehn Tage, ihre mittleren und schweren Waffen abzugeben, erklärte al-Maliki in Mossul. Sie würden dafür Geld als Entschädigung erhalten. Die Amnestie gelte für diejenigen, die verleitet worden seien, die Waffen gegen die Regierung zu erheben, die nicht an Angriffen auf Zivilisten beteiligt gewesen seien und die kein Blut an ihren Händen hätten. Mossul gilt als Hochburg der Terrorgruppe Al Kaida im Irak.
  • Eine Selbstmordattentäterin hat in der irakischen Stadt Bakuba am 17. Mai ein Mitglied einer lokalen Bürgerwehr mit in den Tod gerissen und 15 weitere Menschen verletzt. Augenzeugen berichteten, die Frau habe ihren Sprengstoffgürtel vor dem Gebäude der Bürgerwehr gezündet, die mit Unterstützung der US-Armee gegen die El-Kaida- Terroristen kämpft. Nach Einschätzung von Beobachtern sind die Selbstmordattentäterin vor allem Frauen, deren Ehemänner, Väter oder Brüder von den Sicherheitskräften getötet worden waren.
  • In einer großen Offensive gegen Al Kaida im Irak haben Regierungstruppen und Polizei in Mossul innerhalb einer Woche über 1.000 Verdächtige festgenommen. Die Offensive wurde gezielt in der drittgrößten Stadt des Landes durchgeführt, da sich Mossul zuletzt zu einer Hochburg der Al Kaida entwickelt hatte. Insgesamt wurden 1.068 mutmaßliche Al-Kaida-Terroristen festgenommen, 94 von ihnen wurden inzwischen wieder freigelassen, wie die Behörden am 17. Mai mitteilten. Ministerpräsident Nuri Al-Maliki, der den Einsatz in Mossul überwacht hatte, kehrte am 17. Mai ins rund 360 Kilometer weiter südlich gelegene Bagdad zurück. Dort sollte er mit der demokratischen Mehrheitsführerin im Kongress, Nancy Pelosi, zusammentreffen. Pelosi, eine Kritikerin des Irak-Kriegs, traf bei ihrem nicht angekündigten Besuch auch den US-Botschafter Ryan Crocker und den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte, General David Petraeus.
  • Ein irakisches Gericht hat einen mutmaßlichen Al-Kaida-Führer wegen seiner Verwicklung in die Entführung und den Tod des chaldäisch-katholischen Erzbischofs von Mossul zum Tode verurteilt. Das teilte ein Regierungssprecher am 18. Mai in Bagdad mit. Erzbischof Paulos Faraj Rahho war Ende Februar entführt und nach wenigen Tagen getötet worden. Bei dem Verurteilten handelte es sich um Ahmed Ali Ahmed alias Abu Omar, der auch in andere Terrorakte verwickelt gewesen sein soll. Weitere Einzelheiten nannte der Regierungssprecher nicht. Rahhos Tod hatte international Bestürzung ausgelöst und die Verfolgung der Christen im Irak zu einem traurigen Höhepunkt gebracht. Die chaldäischen Katholiken sind die größte Gemeinschaft innerhalb der christlichen Minderheit, die aus rund einer Million Gläubigen besteht.
  • Ein amerikanischer Scharfschütze hat im Irak eine Ausgabe des Korans für Zielübungen verwendet und damit große Empörung ausgelöst. Der Soldat sei nach dem Vorfall aus dem Land abgezogen worden, teilten die US-Streitkräfte am 18. Mai mit. Den Angaben zufolge fanden irakische Polizisten den durchlöcherten Koran in der Ortschaft Radwanija westlich von Bagdad. Gegen den Soldaten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, wie ein Militärsprecher mitteilte. Der Vorfall ereignete sich bereits am 9. Mai und wurde zwei Tage später bekannt. Die Streitkräfte bemühten sich um Schadensbegrenzung: In einer Zeremonie wurde Stammesführern ein neuer Koran überreicht, der zuvor von einem US-Soldaten geküsst wurde. Bei der feierlichen Übergabe bat Generalmajor Jeffery Hammond um Entschuldigung. Er verlas außerdem ein Entschuldigungsschreiben des Scharfschützen. Die Streitkräfte bezeichneten den Vorfall als ernst und äußerst beunruhigend. Die Soldaten seien normalerweise professionell und respektierten alle Glaubensrichtungen.
    Nach Angaben eines Stammesführers war für den 22. Mai zunächst ein Demonstrationszug geplant. Er wurde jedoch unter Druck der US-Armee und aus Angst vor Racheakten von Aufständischen abgesagt. Die konservative Vereinigung muslimischer Gelehrter verurteilte den Vorfall als “abscheuliche Tat gegen das Buch des allmächtigen Gottes“. Auch der Prediger der Moschee von Radwanija sagte, dass die örtlichen Anführer empört gewesen seien. Sie hätten aber die Entschuldigung akzeptiert. Die Zusammenarbeit zwischen US-Soldaten und sunnitischen Stammesführern war ein wichtiger Grund für den deutlichen Rückgang der Gewalt im Irak im vergangenen Jahr. Allerdings gibt es immer wieder Rückschläge.
Montag, 19. Mai, bis Sonntag, 25. Mai
  • Bei einem Überfall Aufständischer westlich von Mossul sind am 19. Mai elf irakische Polizeirekruten getötet worden. Ihre Leichen und ein von Kugeln durchsiebter Kleinbus der Rekruten wurden am 19. Mai nahe der syrischen Grenze gefunden, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Irakische Sicherheitskräfte sind in der Gegend von Mossul in letzter Zeit mit Unterstützung der US-Truppen massiv gegen Aufständische vorgegangen, einige sollen dabei nach Syrien geflüchtet sein.
  • Die irakische Polizei hat einen Regionalführer von Al Kaida im Irak festgenommen. Das Innenministerium erklärte, Abdhul Chalik al Sabawi, Chef der Terrororganisation in Mossul, sei am 19. Mai in der Provinz Salahuddin gefasst worden. Al Sabawi trage den Titel “Wali“ (Gouverneur), mit dem die Organisation ihre Regionalführer beschreibe. Die irakischen Sicherheitskräfte haben in den vergangenen Tagen Mossul und die Umgebung auf der Suche nach Mitgliedern von Al Kaida im Irak durchkämmt.
  • Vor einem Gericht in Bagdad ist am 20. Mai der Prozess gegen den früheren irakischen Außenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarik Asis und sieben weitere Mitglieder des früheren Regimes fortgesetzt worden. Unter den Angeklagten ist auch ein Cousin des hingerichteten Exdiktators Saddam Hussein, Ali Hassan al Madschid, genannt “Chemie-Ali“. Dieser wurde bereits in einem anderen Prozess wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt wurde. Im jetzigen Prozess geht es um die Hinrichtung Dutzender Händler 1992, denen die Regierung damals vorgeworfen hatte, am drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise schuld zu sein. Der Irak hatte damals mit den Folgen von UN-Sanktionen gegen das Land zu kämpfen. Der ehemalige irakische Außenminister und stellvertretende Ministerpräsident Tarik Asis hat den Prozess gegen ihn und weitere führende Mitglieder des früheren Regimes am 20. Mai als persönlichen Rachefeldzug der schiitischen Regierung zurückgewiesen. Der Prozess gegen den 72-jährigen Asis und sieben weitere Mitglieder des früheren Regimes begann schon am 29. April. Er wurde aber sofort vertagt, weil der angeklagte Cousin des hingerichteten Exdiktators Saddam Hussein, Ali Hassan al Madschid zu krank war, um vor Gericht zu erscheinen. Der leitende Staatsanwalt Adnan Ali erklärte, auch in diesem Verfahren würden allen Angeklagten Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Das bedeutet, dass als Höchststrafe die Todesstrafe möglich ist. Ali forderte eine “Bestrafung, die die Herzen der Witwen und Unterdrückten erleichtert“. Er erklärte, alle Angeklagten seien schuldig, weil sie Mitglieder des Revolutionären Kommandorats waren, des Führungskreises um Saddam Hussein, der die Entscheidungen des Machthabers billigte. Asis, der einzige Christ in der damaligen irakischen Regierung, entgegnete, er sei stolz auf seine Mitgliedschaft im Kommandorat, in der Baath-Partei und anderen Gremien unter Saddam Hussein. Die Konzentration dieses Verfahrens auf die Mitglieder des Kommandorats zeige, dass es nur um Rache gehe. “Ich weiß, dass es eine persönliche Rache ist.“
  • Tausende irakische Soldaten rückten am 20. Mai mit Panzerunterstützung in den Bagdader Stadtteil Sadr City ein. Es war der bislang entschiedenste Versuch der irakischen Regierung, diesen Stadtteil, der zu den Hochburgen des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al Sadr gehört, unter ihre Kontrolle zu bringen. Militärsprecher Kassim al Mussaui erklärte, die Truppenbewegung sei Teil einer Waffenruhe, die mit al Sadr geschlossen worden sei. Al Sadrs Mahdi-Miliz beherrschte bislang das Elendsviertel. Al Mussaui erklärte, es habe keine gewaltsamen Zwischenfälle gegeben, seit die Truppen vor Sonnenaufgang in den Stadtteil eingerückt seien. Bisher waren die amerikanischen und irakischen Soldaten in den Randgebieten von Sadr City geblieben. In dem Stadtteil leben mehr als zwei Millionen Menschen.
  • Bei einem US-Raketenangriff im Irak wurden nach Polizeiangaben acht Zivilpersonen getötet, darunter Kinder. Die US-Streitkräfte erklärten, der Angriff habe sich gegen Mitglieder von Al Kaida gerichtet, räumten aber zivile Opfer ein. Ein Hubschrauber habe auf ein Auto gezielt, dessen Insassen “feindselige Absichten“ hätten erkennen lassen. Aufnahmen von Associated Press TV News zeigten die Leichen von drei Kindern unter den Toten nach dem Angriff am Abend des 21. Mais in der Nähe von Beidschi. Ein Sprecher der irakischen Polizei sagte, bei den Toten handele es sich um Bauern und ihre Kinder, die vor den US-Razzien flüchten wollten.
  • Bei gewalttätigen Protesten gegen die Entweihung eines Korans durch einen US-Soldaten sind in Afghanistan ein NATO-Soldat und zwei Zivilpersonen getötet worden. Der Soldat wurde am 22. Mai von einer Gewehrkugel getroffen, wie ein NATO-Sprecher mitteilte. Wer die Kugel abgefeuert hat, war zunächst unklar. Der Protest richtete sich gegen einen amerikanischen Scharfschützen im Irak, der eine Ausgabe des Korans für Zielübungen verwendet hat. Der Soldat wurde nach dem Vorfall, der am 18. Mai bekannt wurde, aus dem Irak abgezogen. Die Demonstration fand in der westafghanischen Provinz Chor in der Nähe eines Flugfelds statt. Die Protestkundgebung eskalierte, als die Demonstranten damit begannen, Steine zu werfen und Zelte anzuzünden.
  • Der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Irak, General David Petraeus, wird Präsident George W. Bush vermutlich bis zum Herbst zu einem weiteren Truppenabzug raten. Er habe das Gefühl, dass er bis dahin eine Verringerung der Truppenstärke empfehlen könne, sagte Petraeus am 22. Mai vor einem Senatsausschuss in Washington. Zu konkreten Zahlen äußerte sich der General nicht. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass die irakischen Sicherheitskräfte wie vom Pentagon erwartet bis zum Jahresende in allen Provinzen die Führung übernehmen könne, erklärte Petraeus. Dieses Ziel habe sich vielmehr auf 2009 verschoben. Grund sei unter anderem verstärkte Gewalt in der Stadt Basra. Im US-Senat stand am 22. Mai die Abstimmung unter anderem über die Finanzierung der Kriege im Irak und in Afghanistan an. Vorgesehen ist ein Budget von 165 Milliarden Dollar (104,7 Milliarden Euro), um die Einsätze bis zum Amtsantritt von Bushs Nachfolger Anfang kommenden Jahres zu finanzieren.
  • Im Zusammenhang mit dem US-Militäreinsatz im Irak sind mehrere Milliarden Dollar ohne ordnungsgemäße Abrechnung an amerikanische und irakische Auftragnehmer gezahlt worden. Zu diesem Schluss kommt eine interne Untersuchung des US-Verteidigungsministeriums. Kaum eine der überprüften Transaktionen im Gesamtwert von 8,2 Milliarden Dollar (5,2 Milliarden Euro) entspreche den gesetzlichen Regelungen zur Verhinderung von Betrug, hieß es in dem Bericht, der dem zuständigen Ausschuss des Repräsentantenhauses am 22. Mai vorgelegt wurde. In einem Fall seien beispielsweise einer US-Firma elf Millionen Dollar gezahlt worden, ohne dass es irgendeinen Beleg gebe, welche Güter oder Dienstleistungen diese zur Verfügung gestellt habe. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton zeigte sich "schockiert" über Berichte aus dem Haushaltsausschuss des Kongresses, nach denen im großen Stile Militärausgaben getätigt wurden, für die es keine Belege gibt. Diese Untersuchungen müssten wie ein "Weckruf" für den amtierenden Präsidenten George W. Bush wirken, dass Milliardenbeträge aus den Steuereinnahmen in den USA "nicht auffindbar und vermutlich vergeudet" seien, erklärte Clinton. Die Finanzaufsicht des Pentagons stellte bei einer Überprüfung von Ausgabeposten in Höhe von 8,2 Milliarden Dollar fest, dass für 7,7 Milliarden Dollar keine angemessenen Verwendungsnachweise vorlagen. Die bestehenden haushaltrechtlichen Regelungen seien in großem Stil missachtet worden, sagte die Vize-Generalinspekteurin Mary Ugone im zuständigen Kongress-Ausschuss. In einem Bericht der Generalinspektion vom November 2007 waren bereits Fehlbeträge von fünf Milliarden Dollar aufgelistet worden, die als Aufwendungen zur Unterstützung der irakischen Sicherheitskräfte deklariert wurden. Laut Ugone wickelte das Pentagon seit dem Beginn des Irak-Einsatzes Ausgaben in einer Gesamthöhe von 492 Milliarden Dollar ab.
  • Die Terrororganisation Al Kaida im Irak ist nach Worten des US-Botschafters in Bagdad, Ryan Crocker, nahezu besiegt. Die Offensiven der irakischen und amerikanischen Streitkräfte sowie die Unterstützung durch sunnitische Stammesführer habe dies möglich gemacht, sagte Crocker am 24. Mai beim Besuch von Wiederaufbauprojekten in Nadschaf. “Sie werden mich nicht sagen hören, dass Al Kaida besiegt ist, aber sie waren nie so kurz davor wie jetzt, besiegt zu werden“, sagte Crocker. Crocker lobte den irakischen Regierungschef ausdrücklich für die jüngsten Militäroffensiven in der nordirakischen Stadt Mossul und der Hafenstadt Basra im Süden des Landes. Die Zahl der Angriffe im Irak ging inzwischen nach US-Militärangaben auf 41 pro Tag zurück - der niedrigste Wert seit 2004. Die zunehmend erfolgreiche Bekämpfung der Terroristen der Al Kaida schreiben Beobachter indes vor allem den mit den USA verbündeten sunnitischen Stämmen zu. Im Stadtteil Sumer in Mossul wurden unterdessen vier irakische Soldaten von einer am Straßenrand platzierten Bombe getötet, wie die Polizei mitteilte. In Bagdad kamen nach Behördenangaben drei Anhänger einer führenden sunnitischen Partei bei einer Bombenexplosion nach einer Versammlung ums Leben. In der Nähe von Bakuba wurde ein mit den US-Streitkräften zusammenarbeitender Sunnit erschossen.
Montag, 26. Mai, bis Samstag, 31. Mai
  • Das Exekutivkomitee des Fußballverbandes FIFA hat den Asienmeister Irak vorläufig suspendiert. Das beschloss das Gremium in Sydney am 26. Mai. Wie die FIFA mitteilte, reagiere man damit auf einen Erlass der irakischen Regierung, der die Auflösung des nationalen Fußballverbandes zur Folge habe. Einmischung von Regierungen sind laut FIFA-Statuten untersagt. Der FIFA-Kongress soll über eine Suspendierung bis zum Sommer 2009 entscheiden. Der irakischen Regierung wurde ein Ultimatum bis zum 29. Mai gestellt, den Erlass zurückzunehmen. Sollte dies nicht geschehen, würden irakische Fußballer von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen und könnten somit nicht an den Qualifikationsspielen für die Fußball-WM 2010 teilnehmen. Auch eine Teilnahme des Irak am Confederations Cup im Juni 2009 in Südafrika wäre nicht möglich. Dafür hatte sich das Team als Asienmeister 2007 qualifiziert.
  • Das Schicksal der zwei in Afghanistan und im Irak seit Monaten vermissten deutschen oder deutschstämmigen Geiseln ist nach einem Zeitungsbericht immer ungewisser. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung (26. Mai) liegen der Bundesregierung Hinweise aus Geheimdienstquellen vor, wonach fraglich ist, ob der vor fünf Monaten in Afghanistan verschleppte Tischler Harald K. aus Bayern und der vor 15 Monaten in Bagdad entführte Deutsch-Iraker Sinan Krause noch leben. Der zum Islam übergetretene Harald K. sei vermutlich Opfer einer Familienrache, hieß es laut Zeitung in Regierungskreisen.
  • Im Irak ist am 26. Mai erneut ein US-Soldat einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen. Er wurde nach Angaben der Streitkräfte bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe in der Provinz Salahuddin nördlich von Bagdad getötet. Zwei seiner Kameraden erlitten Verletzungen. Seit Beginn des Irak-Krieges im März 2003 kamen damit nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mindestens 4.082 Mitglieder der US-Streitkräfte ums Leben.
  • Die US-Regierung plant erneut die Zwangsverpflichtung von Diplomaten für die Arbeit im Irak. Das Außenministerium in Washington hat nach Informationen der Nachrichtenagentur AP mit der Auswahl von Mitarbeitern begonnen, die im kommenden Jahr in der US-Botschaft in Bagdad und in verschiedenen Provinzen eingesetzt werden könnten, sollten sich nicht genügend Freiwillige für insgesamt rund 300 Posten bewerben. Die infrage kommenden “besonders qualifizierten“ Kandidaten würden in den kommenden Tagen aufgefordert, sich freiwillig zu melden, heißt es in einer internen Mitteilung vom 26. Mai, die der AP vorlag. Sollte dem niemand nachkommen, werden dem Ministerium zufolge Diplomaten zwangsverpflichtet. Außenministerin Condoleezza Rice richtete einen persönlichen Appell an die Mitarbeiter. “Ich ermuntere Sie, sich unseren Teams in Bagdad und Kabul anzuschließen“, erklärte Rice in einer Videobotschaft, die im Hauskanal des Außenministeriums gesendet werden soll. Eine ähnliche Situation und massive Proteste gab es bereits im vergangenen Jahr, damals meldeten sich jedoch noch genügend Freiwillige für 48 freigewordene Posten. Seit die US-Regierung Botschaften im Irak und in Afghanistan eröffnet hat, waren dort ausschließlich Freiwillige für jeweils ein Jahr im Einsatz. Sie erhalten Boni wie Zuschläge und Extraurlaub. Seit Beginn des Krieges 2003 sind im Irak mindestens drei Mitarbeiter im auswärtigen Dienst getötet worden.
  • Rund 40.000 US-Soldaten werden nach Angaben des Verteidigungsministeriums wegen posttraumatischem Stress als Folge ihres Einsatzes in den Kriegen im Irak und in Afghanistan behandelt. Die Zahl der diagnostizierten Fälle stieg im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie das Pentagon am 27. Mai mitteilte. Zahlreiche weitere Truppenangehörige versuchen demnach vermutlich ihre Probleme zu verheimlichen. Die Zahlen des Pentagon - die ersten, die das Ministerium dazu veröffentlicht - liegen weit unter denen einer unabhängigen Studie. Demnach leiden rund 300.000 Truppenangehörige unter Depressionen oder PTSD. Washington hatte bislang nur Prozentzahlen genannt und erklärt, bis zu 20 Prozent der Soldaten hätten vermutlich mit Depressionen, Ängsten und Stress zu kämpfen. Im vergangenen Jahr meldeten die Streitkräfte den Angaben zufolge mehr als 10.000 neue Fälle, 2006 waren es mehr als 6.800. Offiziellen Schätzungen zufolge begeben sich etwa die Hälfte der Betroffenen aus Scham oder Angst um ihre Karriere nicht in ärztliche Behandlung
  • Der ehemalige Sprecher des Weißen Hauses hat US-Präsident George W. Bush eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit vor dem Irak-Krieg vorgeworfen. Bush sei nicht "offen und ehrlich beim Thema Irak" gewesen, schreibt Scott McClellan in einem Buch über seine Arbeit im Weißen Haus, aus dem US-Medien am 28. Mai vorab zitierten. Das Weiße Haus habe auf "Propaganda" zurückgegriffen. McClellan, der dem Präsidenten zwischen 2003 und 2006 diente, wertet die Irak-Invasion im Frühjahr 2003 als "nicht notwendig" und spricht von "ernsthaftem strategischen Pfusch". "Ich mag und bewundere Präsident Bush noch immer", schreibt McClellan. Der Staatschef und seine Berater hätten sich aber einer "Propaganda-Kampagne" bedient, anstatt auf Offenheit und Ehrlichkeit zu setzen, um sich die Unterstützung der Öffentlichkeit in den USA zu sichern. Dabei sei Bush von seinen engsten Mitarbeitern "unglaublich schlecht" beraten worden, vor allem von den Verantwortlichen aus dem Bereich nationale Sicherheit. Besonders deutlich kritisiert McClellan die damalige Sicherheitsberaterin und jetzige Außenministerin Condoleezza Rice: Egal was falsch gelaufen sei, Rice habe es immer geschafft, ihre Hände sauber zu halten. Der frühere Spitzenbeamte geht in seinem in der kommenden Woche erscheinenden Buch "What Happened: Inside the Bush White House and Washington's Culture of Deception" auch auf das Missmanagement des Hurrikans "Katrina" im Jahr 2005 ein. Die erste Woche nach der Katastrophe in New Orleans habe die Regierung in einem "Zustand vollständiger Verleugnung" verbracht. "Eine der größten Katastrophen unseres Landes wurde zu einer der größten Katastrophen der Bush-Präsidentschaft", heißt es in McClellans Buch.
  • US-Präsident George W. Bush hat am 28. Mai bei seinen Landsleuten nochmals um Geduld beim Wiederaufbau des Iraks und Afghanistans geworben. Die USA dürften nicht die Nerven verlieren und sich “nicht selbst schlagen“, sagte Bush in einer Rede vor Absolventen der US-Luftwaffenakademie in Colorado Springs mit Blick auf Forderungen in den USA, die Truppen möglichst schnell abzuziehen. Es sei eine schwierige und beispiellose Aufgabe, bei der die USA ständig dazulernten, sagte Bush. Er verglich die beiden Länder mit Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, aus denen starke Verbündete geworden seien. “Das hat Zeit und Geduld erfordert und das Ergebnis gehabt, dass Deutschland und Japan in Freiheit und Wohlstand gewachsen sind und jetzt Verbündete der Vereinigten Staaten sind“, sagte Bush. Zudem habe es den USA für Generationen Sicherheit und Frieden gebracht. “Heute müssen wir dasselbe in Afghanistan und im Irak machen. Indem wir diesen jungen Demokratien helfen, in Freiheit und Wohlstand zu wachsen, werden wir wieder für Generationen Sicherheit und Frieden ernten“, erklärte der US-Präsident mit Bezug auf die von ihm angeregten Wiederaufbauprogramme in Afghanistan und Irak im Stil des Marshallplans für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Er räumte aber auch ein, dass die Lage doch grundlegend verschieden ist, da die US-Truppen im Irak und Afghanistan weiter bekämpft werden.
  • Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki traf am 28. Mai zu einer UN-Konferenz über die Lage in seinem Land in Stockholm ein. “Ziel der Konferenz ist, dem Irak zu helfen“, sagte Al-Maliki. “Die Aufgabe des Aufbaus ist schwieriger als der Kampf gegen den Terrorismus.“ Al-Maliki drückte die Hoffnung aus, das Gläubiger dem Irak Schulden erlassen, die von der durch die US-geführte Invasion im März 2003 gestürzte Regierung Saddam Husseins aufgehäuft worden waren. Diese Forderung sei vor allem an arabische Staaten gerichtet, erklärte Finanzminister Bajan Dschabr. Der Irak schuldet dem Ausland mindestens 67 Milliarden Dollar (42,8 Milliarden Euro), das meiste davon Saudi-Arabien, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. Die Konferenz beginnt am 29. Mai unter großen Sicherheitsvorkehrungen. Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte, wichtig sei, die Versöhnung zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden im Irak voranzutreiben. Zu den Teilnehmern aus mehr als 90 Staaten gehören UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der irakische Premier Nuri al-Maliki sowie US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr iranischer Kollege Manuchehr Mottaki. Bei der Konferenz sollen Fortschritte des “internationalen Pakts“ mit dem Irak überprüft werden, der im Mai vergangenen Jahres unter Vermittlung Bans in Ägypten erzielt wurde. Der Pakt legte für einen Zeitraum von fünf Jahren internationale Hilfen fest, stellte aber auch Bedingungen an die irakische Regierung. Der UN-Gesandte für den Irak-Pakt, Ibrahim Gambari, erklärte, bei der Konferenz in Upplands Vasby sei eine Bestandsaufnahme darüber vorgesehen, inwieweit die Iraker und die internationale Gemeinschaft ihre Verpflichtungen für eine Stabilisierung des Landes eingehalten hätten.
  • Das Dringlichkeitskomitee des Internationalen Fußballverbandes FIFA hat am 29. Mai zum Auftakt des Kongresses in Sydney die vorläufige Suspendierung der irakischen Nationalmannschaft aufgehoben. Damit kann der Asienmeister an der WM-Qualifikation teilnehmen, die für das Team mit dem Auswärtsspiel in Australien beginnt. Die FIFA-Exekutive hatte wegen schwerwiegender staatlicher Einmischung den Ausschluss des Irak von allen internationalen Wettbewerben bis zum Sommer 2009 verfügt. Die irakische Regierung hatte die Auflösung des nationalen Olympischen Komitees und aller Sportverbände angeordnet. In einem Schreiben an die FIFA versicherte der Generalsekretär des Ministerrates, dass der irakische Fußballverband (IFA) von diesen Maßnahmen nicht betroffen sei. Die FIFA bezeichnete dieses Einlenken als positiven Schritt, hegt allerdings weiter Zweifel, ob die irakische Regierung nicht doch noch die Kontrolle über den IFA erlangen will. Daher beschloss das Dringlichkeitskomitee, die Suspendierung nur provisorisch und bedingt aufzuheben.
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Nordwesten des Iraks sind am 29. Mai mindestens 16 Menschen ums Leben gekommen. Bei den Opfern handelte es sich um 14 Polizeianwärter und zwei Polizisten, wie die Behörden der Stadt Sindschar mitteilten. Dort hatte sich der Täter in einer Menschenmenge vor einem Rekrutierungsbüro der Polizei in die Luft gesprengt. Die Bewohner von Sindschar nahe der syrischen Grenze gehören überwiegend zur Minderheit der Jesiden, einer Religionsgemeinschaft der Kurden. Bei einer Serie von Selbstmordanschlägen wurden im vergangenen August hunderte Jesiden getötet.
  • Zunehmender Optimismus, aber auch Kritik an der Regierung in Bagdad haben die zweite Internationale Irak-Konferenz in Stockholm am 29. Mai geprägt. Vor 600 Delegierten des “Paktes für den Irak“ aus fast 100 Staaten lobte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon “sichtbare Fortschritte“ bei den Bemühungen um Frieden, Stabilität und Demokratie. Er sagte: “Der Irak bewegt sich jetzt weg von dem Abgrund, den wir gefürchtet haben wie nichts sonst.“ Es gebe wegen des Rückgangs der Gewalt und der Fortschritte auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet „einen neuen Geist der Hoffnung“. Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki und US-Außenministerin Condoleezza Rice setzten sich in der schwedischen Hauptstadt für weitere Schuldenerlasse gegenüber dem Irak ein. Al-Maliki stufte die Entwicklung in seinem Land als “jenseits der akuten Gefahr“ ein. Die Möglichkeit eines Bürgerkrieges nannte er “endgültig gebannt“. Ein wesentliches Hindernis für weitere Fortschritte sei aber die hohe Schuldenlast aus der Zeit des 2003 gestürzten Regimes von Saddam Hussein sowie durch Kriegsfolgen und Reparationslasten. Dasselbe gelte auch für nach wie vor geltende Sanktionen gegen das Land aus der Ära Saddams. Al-Maliki sagte: “Wir erwarten die aktive Beteiligung der internationalen Gemeinschaft, um diese Last zu erleichtern.“ Der Irak sei kein armes Land und wolle keine Hilfe, sondern “echte Partnerschaft“. Neue Zusagen über Schuldenerlasse bei der Stockholmer Konferenz konnte er nach dem Abschluss nicht bestätigen.
    Al-Maliki kündigte die Einberufung der dritten Internationalen Irak-Konferenz 2009 in Bagdad und sagte weiter: “Das wird die Krönung unserer Anstrengungen werden.“ Vor dem Treffen in Stockholm war auch die Gründungskonferenz 2007 aus Sicherheitsgründen ins Ausland nach Ägypten verlegt worden. Ban Ki Moon sagte, er sei optimistisch, dass die Konferenz im kommenden Jahr in Bagdad durchgeführt werden könne. Der UN-Generalsekretär wie auch die EU und Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt verlangten einen stärkeren Einsatz der irakischen Regierung für die knapp vier Millionen internen und externen Flüchtlinge. Sie kritisierten auch, in unterschiedlicher Schärfe, anhaltende Menschenrechtsverletzungen im Irak sowie weiter akute Mängel bei der Versorgung der Bevölkerung. Mit dem von Bagdad und den UN gemeinsamen getragenen “Pakt für den Irak“ (ICI/“International Compact with Iraq“) soll innerhalb von fünf Jahren ein stabiler Rahmen für den friedlichen Wiederaufbau des Iraks geschaffen werden. Der slowenische Außenminister Dimitrij Rupel meinte als amtierender Ratsvorsitzender, die Union erkenne die Fortschritte beim Wiederaufbau und beim Streben nach Demokratie an. Für den weiteren Prozess im Irak stelle sich die EU “mit Nachdruck hinter die zentrale Rolle der Vereinten Nationen“. Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki äußerte sich positiv über eine “verbesserte Kooperation“ zwischen seinem Land und dem Irak. Rice hob heraus, Washington sei “besonders erfreut“ über die markante Verbesserung der Sicherheitslage in den letzten zwölf Monaten. Darüber hinaus habe die irakische Regierung “ganz erhebliche Verbesserungen“ der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation erreicht. So sei die Inflation eingedämmt und die Arbeitslosigkeit fast halbiert worden.
  • Das Terrornetzwerk El Kaida ist nach Ansicht des Direktors des US-Geheimdienstes CIA, Michael Hayden, in die Defensive gedrängt worden. Weniger als ein Jahr nachdem die CIA vor neuen Bedrohungen durch eine wiedererstarkende El Kaida gewarnt hatte, sagte Hayden der “Washington Post“ am 30. Mai, das Terrornetzwerk sei im Wesentlichen im Irak und Saudi-Arabien besiegt. Es sei in weiten Teilen der restlichen Welt in der Defensive, darunter auch in seinem Rückzugsgebiet im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Der CIA-Chef sprach von wichtigen Siegen im Kampf gegen die Verbündeten von El Kaida im Nahen Osten und von einer zunehmend erfolgreichen Kampagne zur Destabilisierung des inneren Führungszirkels. Obwohl El Kaida weiterhin eine ernsthafte Bedrohung darstelle, ist nach den Worten von Hayden ihr Chef Osama bin Laden dabei, den Kampf um die Herzen und Köpfe in der islamischen Welt zu verlieren. Laut Hayden besteht weiter die Möglichkeit, Schlüsselfiguren von El Kaida zu töten oder gefangen zu nehmen. Dadurch werde das Netzwerk destabilisiert. Für Hayden ist es weiterhin von höchster Priorität, Bin Laden oder seinen Stellvertreter Eiman al-Sawahiri gefangen zu nehmen oder zu töten. Geheimdienstmitarbeiter gehen davon aus, dass sie sich im Stammesgebiet in der pakistanisch-afghanischen Grenzregion aufhalten. Der genaue Aufenthaltsort sei offensichtlich nur ihren engsten Vertrauten bekannt. Trotz aller optimistischen Einschätzungen zeigte sich Hayden besorgt darüber, dass die Fortschritte im Kampf gegen El Kaida zum Stillstand kommen oder ins Gegenteil verkehrt werden könnten. Das könne eintreten durch etwas wie eine “wachsende Selbstzufriedenheit“ oder eine Rückkehr zu der Sorglosigkeit wie vor den Anschlägen vom 11. September 2001. Die Sicherheit, die die Amerikaner seit etwa sieben Jahren genießen würden, sei hart erkämpft, betonte Hayden. Der Terrorismusexperte der Georgetown-Universität, Bruce Hoffman, warnte nach Angaben der Zeitung, der Nachruf auf El Kaida sei in den vergangenen Jahren schon zu oft geschrieben worden. Seiner Einschätzung nach gab es Fortschritte, jedoch sei das Terrornetzwerk weiterhin ein “unerbittlicher Gegner“.
  • Die US-Streitkräfte im Irak haben mit dem zweiten religiös sensiblen Zwischenfall innerhalb eines Monats zu kämpfen: In der einstigen Aufständischen-Hochburg Falludscha soll am 30. Mai ein Marineinfanterist an einem Kontrollpunkt christliche Münzen verteilt haben. Darauf waren in arabischer Sprache eine Frage nach dem ewigen Leben geprägt und ein Bibelzitat aus dem Neuen Testament. Sunnitische Geistliche reagierten mit Empörung, die US-Streitkräfte suspendierten den Soldaten. Der Marineinfanterist habe auf eigene Faust gehandelt, betonte Oberstleutnant Chris Hughes. Mitgliedern des Militärs sei es nicht gestattet, missionarisch für eine Religion gleich welchen Glaubens und Ritus zu werben. “Es deutet alles darauf hin, dass es sich um einen isolierten Zwischenfall handelt - einen einzelnen Marineinfanteristen, der auf eigene Rechnung Münzen ausgibt.“ Allerdings haben die Streitkräfte gerade erst die Welle der Empörung nach einem Zwischenfall im Westen Bagdads geglättet, nachdem ein US-Scharfschütze den Koran als Zielscheibe für seine Schießübungen benutzt hatte. Der Mann wurde aus dem Irak versetzt.
    Ein einflussreicher sunnitischer Stammesführer in Falludscha, Scheich Abdul-Rahman al-Subaije, sagte, der Vorfall mit den Münzen sei nicht zufällig geschehen. “Es wurde geplant und mit Vorsatz umgesetzt“, sagte er. “Die sunnitische Bevölkerung kann so etwas nicht akzeptieren und erdulden. Ich werde vielleicht nicht in der Lage sein, die Kontrolle zu behalten, wenn sich solche Dinge wiederholen.“ Die Allianz mit den Stammesführern ist für die US-Streitkräfte im sogenannten sunnitischen Dreieck von großer strategischer Bedeutung. Erst als sich die Stammesführer von der Al Kaida im Irak lossagten, besserte sich die Sicherheitslage in dem Gebiet.
  • Der französische Außerminister Bernard Kouchner ist am 31. Mai zu einem nicht angekündigten Besuch in der südostirakischen Stadt Nasirija eingetroffen. Er wurde nach der Landung auf der US-Basis der Stadt vom schiitischen Vizepräsidenten Adel Abdul Mahdi und Provinzgouverneur Asis Kadhim Alwan begrüßt. Kouchner kam aus Amman, wo er tags zuvor ein Abkommen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in Jordanien unterzeichnet hatte. Es ist der zweite Besuch von Kouchner im Irak innerhalb eines Jahres und zeigt die Bemühungen der französischen Regierung, ihre Beziehungen zu Bagdad wiederaufzubauen. Frankreich gehörte zu den schärfsten Kritikern der von den USA geführten Invasion des Iraks. Kouchner bezeichnete seinen Besuch als “Zeichen des Friedens und der Kooperation“. Er sei gekommen, um über den französischen Beitrag zum Wiederaufbau des Iraks zu sprechen. Kouchner, der Mitgründer der Organisation Ärzte ohne Grenzen ist, kündigte an, vier irakische Kinder würden zu Herzoperationen nach Frankreich gebracht. Er wollte später auch noch in den Nordirak reisen und in der halbautonomen kurdischen Region ein französisches Konsulat in der Stadt Erbil eröffnen.
  • Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Kontrollstelle der Polizei sind im Irak am 31. Mai mindestens zehn Menschen getötet worden. Zwölf weitere wurden teils schwer verletzt, wie die Behörden in der Stadt Hit rund 140 Kilometer westlich von Bagdad mitteilten. Sechs der Toten waren Polizisten, die an dem Checkpoint Dienst taten. Nach dem Anschlag wurde in der Stadt ein Ausfahrverbot für alle Privatfahrzeuge verhängt.


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