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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse
Oktober 2007
Montag, 1. Oktober, bis Sonntag, 14. Oktober
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Bei seinem Antrittsbesuch am 2. Okt. im Irak hat Gordon Brown den Abzug weiterer Soldaten aus dem Golfstaat bis Weihnachten in Aussicht gestellt. "Ich glaube, dass bis zum Jahresende die britischen Streitkräfte von 5500 auf 4500 reduziert und bis Weihnachten 1000 unserer Soldaten für andere Zwecke nach Großbritannien zurückgebracht werden können", sagte Brown heute in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Zudem wolle die britische Armee möglicherweise binnen zwei Monaten die Kontrolle über die südirakische Provinz Basra an die Iraker zurückgeben.
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Das US-Militär im Irak am 3. Okt. hat einen brisanten Fund bekannt geben. Auf der Liste befinden sich dem US-Militär zufolge die Namen von etwa 500 Qaida-Kämpfern aus Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika. Die Armee habe zudem 143 Lebensläufe ausländischer Extremisten mit Fotos und persönlichen Daten, den Namen ihrer Anwerber und Angaben zu den Reise-Routen in den Irak sichergestellt, sagte Sprecher Kevin Bergner heute. Einige Männer hätten sich schriftlich zu Selbstmordanschlägen bereiterklärt.
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Der Irak hat Waffen für 100 Millionen Dollar geordert (04. Okt). Allerdings ging der Auftrag nach China- die verbündeten Amerikaner räumen Lieferschwierigkeiten ein.
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Seit Monaten bekämpfen sich die Schiiten im Irak gegenseitig, vor allem im Süden. Es geht um Macht, Geld und Herrschaft über Pilgerstätten in Tiefpunkt war das Blutbad von Kerbela Ende August, bei dem mehr als 50 Menschen starben. Das Blutvergießen soll nun ein Ende haben. Das zumindest vereinbarten heute (6. Okt.)die beiden einflussreichsten Schiiten des Landes: Der radikale Prediger und Chef der Mahdi-Armee, Muktada al-Sadr, und der Vorsitzende des Hohen Islamischen Rates (SIIC), Abd al-Asis al-Hakim, unterzeichneten eine Drei-Punkte-Erklärung.
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Selbstmordattentäter haben im Nordirak zwei Autobomben zur Explosion gebracht und zahlreiche Menschen in den Tod gerissen. (9. Okt.) Bei den Explosionen kamen Augenzeugenberichten zufolge bis zu 50 Menschen ums Leben, 60 wurden verletzt. Die Anschläge richteten sich offenbar gegen führende lokale Vertreter im Kampf gegen das Terrornetzwerk al-Qaida.
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Mitarbeiter einer ausländischen Sicherheitsfirma haben im Irak am 10. Okt. erneut unschuldige Zivilisten getötet. Der Zwischenfall habe sich im Stadtzentrum von Bagdad ereignet, teilte die irakische Regierung mit. Die ausländischen Sicherheitsleute hätten dabei "grundlos" zwei Frauen in einem Auto erschossen. Die in Dubai ansässige Firma Unity Resources gab zu, ihre Mitarbeiter hätten im Bezirk Karrada auf das mit hoher Geschwindigkeit herankommende Fahrzeug geschossen, nachdem verschiedene Aufforderungen zum Anhalten nichts gebracht hätten. Unity Resources macht im Irak seit drei Jahren Geschäfte und hat eine Lizenz als private Sicherheitsfirma.
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Angesichts der aufwändigen Kampfeinsätze im Irak und in Afghanistan will US-Verteidigungsminister Robert Gates die Vergrößerung der US-Streitkräfte beschleunigen. Die Vergrößerung der Armee um 65.000 auf 574.000 Soldaten solle bereits im Jahr 2010 abgeschlossen sein, sagte Verteidigungsstaatssekretär David Chu am 10. Okt. in Washington. Gates hatte ursprünglich das Jahr 2012 als Ziel genannt. Chu räumte ein, dass die Vergrößerung wegen der sinkenden Bereitschaft junger US-Bürger zum freiwilligen Armeeeintritt erschwert werde. Deshalb wolle die Armee verstärkt versuchen, Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit zum Verbleib zu bewegen.
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Die US-Marineinfanteristen wollen ihre Einheiten aus dem Irak abziehen und ihren Einsatz auf Afghanistan konzentrieren. Diesen Vorschlag hätten die Marines in der vergangenen Woche US-Verteidigungsminister Robert Gates unterbreitet, berichtete die Tageszeitung "New York Times" am 11. Okt. unter Berufung auf Armeevertreter und Mitarbeiter des Pentagons. Mit der Entsendung der 25.000 Marineinfanteristen nach Afghanistan würde sich die Struktur der US-Truppen in dem Land grundlegend ändern. Unter den derzeit 26.000 dort stationierten US-Soldaten sind bislang keine Angehörigen der Marineinfanterie. Dieser Plan würde die Marines zur "dominierenden amerikanischen Kraft in Afghanistan" machen, schrieb die "New York Times". Dabei solle aber der Kampf gegen den Terrorismus und die Suche nach El-Kaida-Chef Osama bin Laden weiter in den Händen von speziellen Einsatzkräften bleiben, die bereits vor Ort seien. Der Einsatz der US-Armee im Irak ginge dann gänzlich in die Hände des Heeres über. Derzeit sind im Irak rund 160.000 US-Soldaten stationiert. Nach Berichten der "New York Times" hat das Pentagon noch nicht über den Vorschlag der US-Marines entschieden.
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Bei einem Angriff auf einen US-Militärstützpunkt in der Nähe der irakischen Hauptstadt Bagdad wurden mindestens zwei Soldaten getötet und 38 weitere verletzt worden. Wie die US-Armee am 11. Okt. mitteilte, wurde das Camp Victory nahe dem Flughafen am Vortag durch "indirektes Feuer" getroffen. Damit sind in der Regel Angriffe mit Mörsergranaten oder Raketen gemeint. Über die Nationalität der Opfer liegen bisher keine Angaben vor. In Camp Victory sind größtenteils US-Soldaten stationiert.
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Anschlag am 12. Okt. in der irakischen Stadt Tus Chormato, 180 Kilometer nördlich von Bagdad. Auf einem Spielplatz hat ein Mann Kinder mit Süßigkeiten angelockt, dann sprengte er sich in die Luft. Nach Angaben eines Polizeisprechers riss der Terrorist drei Menschen mit in den Tod, darunter ein Kind des Assistenten des Gouverneurs der Provinz Salaheddin, Kasim Barsani.
Montag, 15. Oktober, bis Mittwoch, 31. Oktober
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Ankara gibt sich entschlossen und löst mit seinem Plan, kurdische Extremisten im Nordirak zu bekämpfen, nicht nur im Irak Sorge aus. "Unsere Geduld ist am Ende", sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan heute (16. Okt.) vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara. Erdogan forderte die irakische Regierung auf, gegen kurdische Extremisten von der Untergrundorganisation PKK vorzugehen. Ansonsten sei eine türkische Militärintervention nicht mehr zu verhindern.
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Erstmals seit dem Einmarsch in Zypern 1974 ermächtigte das Parlament am 17. Okt. wieder eine Regierung, Truppen in ein benachbartes Land zu schicken.
Mit der überwältigenden Mehrheit von 507 von 550 Stimmen gaben die Abgeordneten der Großen Nationalversammlung der Regierung für die Dauer eines Jahres eine Blankovollmacht, jederzeit ohne weitere Konsultationen des Parlaments der Armee den Marschbefehl für eine Operation im Nordirak geben zu können.
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Die Union protestiert gegen die mögliche Invasion türkischer Truppen im Nordirak. (20. Okt.) Außenpolitiker Eckart von Klaeden wirft der Regierung in Ankara vor, sie dürfe "nicht ohne Weiteres in ein Nachbarland einmarschieren" - und kritisiert im Interview den Umgang mit der Armenien-Frage.
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Die Gewalt im Grenzgebiet der Türkei und des Irak eskaliert. (21. Okt.) Bei Gefechten zwischen PKK-Rebellen und türkischen Soldaten starben mindestens 44 Menschen. Die Kurden wollen türkische Soldaten als Geiseln genommen haben. Ein Einmarsch türkischer Truppen im Irak wird stündlich wahrscheinlicher.
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Die USA wollen die Türkei um jeden Preis von einer Invasion in den Irak abhalten. Sie verstärken den Druck auf Bagdad, vermitteln hektisch zwischen allen Fronten - ob sie die PKK-Offensive und die Wut in der Türkei noch unter Kontrolle bringen können, ist ungewiss. Die US-Außenministerin Rice bat die Türkei am 22. Okt. indes um einen Aufschub der geplanten Militäraktion.
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Appell an die Kurden-Rebellen: Der Präsident der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, Massud Barsani, hat die PKK aufgefordert, die Region nicht in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Barsani versicherte US-Außenministerin Condoleezza Rice in dem Gespräch am 22. Okt., sich intensiv um eine Beruhigung der Lage an der Grenze zur Türkei zu bemühen. In einer Erklärung seiner Regierung hieß es, Barsani habe Rice versprochen, dass er in diesem Sinne auch auf die in der Türkei verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK einwirken werde.
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Die Türkei setzt erst mal auf Diplomatie - und der Irak verspricht am 23. Okt. gegen die PKK vorzugehen. Doch Ankaras Einmarschpläne sind damit keineswegs vom Tisch: Viele Türken fordern einen Militärschlag gegen die PKK.
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Erneut sind bei einem US-Angriff am 23. Okt. im Irak Zivilisten ums Leben gekommen. Dieser ereignete sich der irakischen Polizei zufolge heute in der nordirakischen Provinz Salaheddin. Laut dem stellvertretenden Polizeikommandeur der Provinz, Dschasim Mohammed, griff die US-Armee Bauern aus dem Ort Didschla nahe bei Tikrit beim Bestellen ihrer Felder von einem Militärhubschrauber aus an. Zwei Landwirte seien dabei verletzt worden. Mehrere Dorfbewohner schleppten die Verletzten zu einem nahegelegenen Haus. Dort kamen demnach viele Menschen zusammen, um den beiden zu helfen. In diesem Moment habe die US- Armee das Haus bombardiert. Sieben Männer, sechs Frauen und drei Kinder starben. 14 weitere Menschen seien verletzt worden
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Türkische Angriffe am 24. Okt. im Nordirak gegen die PKK. Die türkische Regierung hat die Angriffe mit Hubschraubern und schweren F-16-Kampfflugzeugen im Nordirak bestätigt. Auch wenn sie versichert, sie beabsichtige keinen Einmarsch in das Nachbarland, sind die Attacken ein deutliches Zeichen. Mit den Luftangriffen hat die türkische Regierung wahrgemacht, was Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zuvor nur angedroht hatte: "Wir können nicht ewig warten", hatte er bei einem Besuch in London gesagt.
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Die türkische Armee ist längst im Nordirak (26. Okt.). Mitten im Kurden-Gebiet steht sie mit 150 Panzern und schwerer Artillerie. Ihr Kampf gegen die PKK kommt trotzdem nicht voran. Kein Wunder: Mit militärischer Macht sind die Separatisten kaum zu schlagen. Das ungehinderte Agieren der Türken im Irak illustriert, wie sehr die heraufbeschworene Krise und der Aufmarsch der Truppen an der Grenze auch innenpolitischen Zielen Ankaras dienen.
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Blutiger Anschlag am 29. Okt. auf ein Polizeicamp nordöstlich von Bagdad: Ein Selbstmordattentäter hat sich in der Stadt Bakuba in die Luft gesprengt und mindestens 25 Rekruten mit in den Tod gerissen.
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Iraks größter Staudamm könnte jederzeit brechen, warnten Ingenieure der US-Armeeam 30. Okt. Die Folgen wären verheerend. Mehr als 500.000 Menschen könnten sterben, Mossul und Teile Bagdads würden unter einer meterhohen Flutwelle verschwinden.
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Am 30. Okt wehrten sich US-Diplomaten gegen der Zwangsversetzung nach Bagdad. Die Zwangsversetzungsmaßnahme wurde damit begründet, dass es nicht genügend Freiwillige für die Arbeit der Botschaft in Bagdad gebe. Condoleezza Rice hat Pläne für eine mögliche Zwangsversetzung von Diplomaten in den Irak verteidigt. Das Land sei einfach besonders wichtig, sagte die US-Außenministerin am 1 Nov.
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