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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

September 2007


Samstag, 1. September, bis Sonntag, 9. September
  • Der britische Premierminister Brown hat den ungestörten Rückzug der 500 britischen Soldaten am 1. Sept. aus der Innenstadt von Basra als Beleg dafür gewertet, dass die Sicherheitslage am Ort stabil sei. Die ungestörte Verlegung der Truppen in die letzte britische Militärbasis am Flughafen außerhalb der Stadt zeige, dass das Einsatzziel erreicht werde, mehr Verantwortung an die irakischen Sicherheitskräfte zu übergeben. Brown sagte, es stehe jetzt noch die Entscheidung bevor, den gegenwärtigen Kampeinsatz in einen reinen Überwachungseinsatz zu überführen.
  • Der Oberste Gerichtshof des Irak hat am 4. Sept. das Todesurteil gegen Ali Hassan al-Madschid bestätigt. Der Cousin des ehemaligen irakischen Machthabers Saddam Hussein soll innerhalb von 30 Tagen gehängt werden. Er ist verantwortlich für den Chemiewaffeneinsatz in Halabdscha. Er soll am Samstag (8. Sept.) gehängt werden.
  • Der US-Oberbefehlshaber im Irak, General David Petraeus, hat am 5. Sept. einen möglichen Teilabzug der amerikanischen Truppen im Frühjahr 2008 angedeutet. Petraeus verwies in einem Interview auf die hohen Belastungen der Armee und erklärte, dies sei ein zentraler Punkt, wenn er in der kommenden Woche dem US-Kongress seine Empfehlungen für die künftige Irak-Strategie abgebe.
  • Die nationale irakische Polizei sollte einer US-Kommission (6. Sept.) zufolge aufgelöst und komplett neu aufgebaut werden. Die Spannungen zwischen den Volksgruppen seien zu groß, befand ein unabhängiges Komitee unter der Leitung des ehemaligen amerikanischen Kommandanten für Europa General James Jones. Unterdessen wurde der schwedische Diplomat Staffan de Mistura zum neuen UN-Gesandten für den Irak berufen.
  • Erste Details aus dem Irak-Bericht des US-Oberkommandierenden Petraeus sind am 8. Sept. durchgesickert. Demnach will der General bei der mit Spannung erwarteten Kongressanhörung am 10. Sept. für mehr Zeit im Irak plädieren. Die Strategie der Truppen-Aufstockung sei noch am erfolgreichsten.
Montag, 10. September, bis Sonntag, 16. September
  • Laut einer Umfrage (10. Sept.) sehen die Iraker ihre Zukunft deutlich negativer als noch vor einem halben Jahr. Die Aufstockung der US-Truppen betrachten die meisten als Fehler. Die meisten Iraker finden, dass sich die Bedingungen seit der Aufstockung der US-Truppen in und um Bagdad verschlimmert haben. Die Sicherheitslage, das Tempo beim Wiederaufbau, die Voraussetzungen für einen politischen Dialog und die wirtschaftliche Entwicklung seien keinesfalls besser als zuvor, sondern schlechter - dieser Ansicht sind 68 bis 70 Prozent der Iraker. Die Erhöhung der Truppenstärke seitens der Amerikaner sei ein Fehler.
  • Der US-Oberkommandierende im Irak wird dem Kongress Zeitungsberichten zufolge keinen wesentlichen Truppenabzug aus dem Irak empfehlen. Sein Vorgesetzter, Admiral Fallon, beurteilt die Lage allerdings völlig anders. Knapp viereinhalb Jahre nach dem Einmarsch im Irak legt David Petraeus dem Kongress heute seinen Bericht zur Lage im Land vor. Bei seiner Stellungnahme rät er vermutlich dazu, einen Teil der 168.000 im Irak stationierten US-Soldaten abzuziehen. Allerdings wird er Kreisen zufolge keinen wesentlichen Truppenabbau in dem Golfstaat empfehlen. Informationen der Nachrichtenagentur AP am 10. Sept. zufolge soll es sich um eine Größenordnung von 3500 bis 4500 US-Soldaten handeln, die bis Anfang 2008 abgezogen werden könne.
  • Die Truppenabzugspläne des US- Oberkommandierenden im Irak haben im US-Kongress den Streit über den Krieg in voller Schärfe entfacht. Die Sprecherin des Abgeordnetenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, nannte den Vorschlag am 11. Sept. von US-General David Petraeus "einfach inakzeptabel". Die Zahl der US-Soldaten müsse nach einem wesentlich aggressiveren Zeitplan reduziert werden, sagte sie.
  • US-Präsident Bush erläutert in einer Rede an die Nation seine Konsequenzen aus dem Petraeus-Bericht. Wichtige Einzelheiten über einen Teilabzug aus dem Irak wurden schon vorab bekannt - und riefen Kritik bei den Demokraten hervor. Nach Angaben eines Regierungsbeamten in Washington wird George W. Bush in seiner TV-Rede am 13. Sept. zum Irak einen Teilabzug der Truppen bekannt geben. Er habe dem Vorschlag des Oberkommandierenden im Irak, General David Petraeus, zugestimmt, rund 5700 Soldaten bis zum Ende des Jahres nach Hause zu bringen.
  • Ein Hauptverbündeter der US-Armee im Irak ist bei einem Anschlag am 13. Sept. getötet worden. Der Stammesfürst Abdul Sattar Abu Rischa hatte in der Provinz Anbar eine Allianz gegen das Terrornetzwerk al-Qaida geschmiedet. Das Bombenattentat gegen Abu Rischa sei in der Nähe seines Hauses in Ramadi in der westirakischen Wüstenprovinz Anbar verübt worden, teilte die Polizei mit. Danach gingen die Angriffe sunnitischer Aufständischer zurück.
  • Die Bewegung des radikalen Schiitenführers Muktada al-Sadr hat den Rückzug aus der Regierung am 15. Sept. bekanntgegeben. Sie will stattdessen mit der Fadhila-Partei koalieren, die schon vor einem halben Jahr die Schiitenallianz verlassen hatte. Die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki verfügt damit nur noch über garantierte 108 Sitze im Parlament, womit ihm 30 Mandate zur Mehrheit fehlen.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 16. Sept. einen Sprengsatz in einem Straßencafé gezündet und mindestens sechs Menschen in den Tod gerissen. Gestern hatte ein Selbstmörder sich vor einer Bäckerei in die Luft gesprengt und zehn Menschen getötet. 18 weitere seien verletzt worden, teilte die Polizei heute mit. Der Attentäter hatte den Sprengstoff an seinem Körper zur Explosion gebracht.
Montag, 17. September, bis Sonntag, 30. September
  • Tausende private Leibwächter sind seit dem Sturz Saddam Husseins im Irak im Einsatz, ihr martialisches Auftreten empört immer wieder die Bevölkerung. Nun (17. Sept.) zieht Bagdad den US-Sicherheitsriesen Blackwater nach einer tödlichen Schießerei zur Rechenschaft. 8 tote Zivilisten und 13 Verletzte – das ist die blutige Bilanz eines Feuergefechts gestern auf einem Platz in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Die tödlichen Schüsse kamen nicht etwa aus den Waffen von Extremisten. Nach derzeitigem Stand waren es Mitarbeiter der US-Sicherheitsfirma Blackwater, die laut Augenzeugen wahllos auf Menschen feuerten, nachdem in der Nähe ihres Konvois von sechs Geländefahrzeugen Granaten eingeschlagen waren.
  • Der Bewegungsradius für US-Diplomaten in Bagdad hat sich immens verkleinert. Nach dem Blackwater-Zwischenfall (17. Sept.) dürfen sie die streng bewachte "Grüne Zone" nicht mehr verlassen. Der Streit um die private US-Sicherheitsfirma droht zur Zerreißprobe für das amerikanisch-irakische Verhältnis zu werden.
  • Erneut (26.Sept.) ist es im Irak zu einer Serie von verheerenden Anschlägen gekommen. Mindestens 59 Menschen sind dabei ums Leben gekommen, 120 weitere wurden verletzt. Durch die Explosion zweier Autobomben in einem überwiegend von Schiiten bewohnten Viertel Bagdads wurden 32 Menschen getötet. Die Bomben detonierten kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als sich die Bewohner auf das Abendessen im Fastenmonat Ramadan vorbereiteten. Es war einer der schlimmsten Anschläge in der irakischen Hauptstadt in den vergangenen Wochen.
  • Der US-Senat unterstützt eine föderale Teilung des Irak (27. Sept.). Der demokratischen Mehrheit zufolge soll es künftig drei irakische Gebiete geben. 75 Senatoren stimmten für den Vorschlag, den der demokratische Präsidentschaftsanwärter Joseph Biden eingebracht hatte, 23 waren dagegen. Der Idee zufolge soll der Irak in ein kurdisches, ein sunnitisches und ein schiitisches Gebiet unterteilt werden, während unter anderem die Zuständigkeit für die Sicherheit an den Grenzen und für die Einkünfte aus den Ölvorkommen bei der Zentralregierung in Bagdad bleiben. Dies soll den US-Truppenabzug ermöglichen. Die aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftsbewerber haben sich bisher nicht auf einen Zeitplan zum Abzug festgelegt.


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