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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16. bis 31. Januar 2006

Montag, 16. Januar, bis Sonntag, 22. Januar
  • Zum dritten Mal innerhalb von zehn Tagen ist im Irak ein US-Hubschrauber abgestürzt. Nach US-Militärangaben vom 16. Jan. stürzte der Apache-Kampfhubschrauber während eines Patrouillenflugs bei Mischadah nördlich von Bagdad in ein Sumpfgebiet; beide Piloten kamen dabei ums Leben. Ein Korrespondent des Nachrichtensenders El Arabija berichtete, die Maschine sei mit einer Rakete abgeschossen worden. In einer Internetbotschaft übernahm eine bislang wenig bekannte radikalislamische Gruppe namens Saladin-el-Ajubi-Brigaden die Verantwortung für den Abschuss. Die Echtheit der Erklärung konnte zunächst nicht überprüft werden.
  • Die Unionsfraktion im Bundestag hat die Opposition davor gewarnt, einen Untersuchungsausschuss zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak-Krieg durchzusetzen. "Die Funktions- und insbesondere die Kooperationsfähigkeit des BND muss gewährleistet bleiben", sagte Unionsfraktions-Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) dem "Handelsblatt" (16. Jan.). Er rief die Opposition auf, zunächst die normalen parlamentarischen Instrumente zur Kontrolle der Geheimdienste auszuschöpfen. "Wenn die Geheimhaltung nicht gewährleistet ist, dann ist man nicht mehr kooperationsfähig."
  • Die irakische Wahlkommission hat nur einem Bruchteil der Beschwerden nach der Parlamentswahl im Dezember stattgegeben. Wegen gefälschter Stimmzettel oder anderer Manipulationen würden 227 der 32.000 Wahlurnen nicht berücksichtigt, teilte Wahlkommissionsmitglied Hussein Hendawi am 16. Jan. in Bagdad mit. Das vorläufige amtliche Wahlergebnis werde nun in fünf bis sechs Tagen vorliegen. Nach Hendawis Angaben gingen bei der Unabhängigen Wahlkommission nach der Wahl 1.985 Beschwerden ein. 58 seien als sehr schwer eingestuft worden. Die ausgeschlossenen Wahlurnen dürften keinen Einfluss auf das Ergebnis haben, da es sich um weniger als ein Prozent aller Wahlurnen handele. Bei der Parlamentswahl habe es weniger Beschwerden als bei der der Präsidentenwahl vor einem Jahr gegeben.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 16. Jan. an einer Straßensperre der Polizei im Irak vier Polizisten und ein Kind mit in den Tod gerissen. Nach Angaben der US-Armee lieferten sich Extremisten nördlich von Bagdad zuerst eine Schießerei mit der Polizei. Dann brachte der Attentäter seine Autobombe zur Explosion.
  • Bei einem Angriff auf ein Büro der Unabhängigen Irakischen Wahlkommission (IECI) in Kirkuk kam am 17. Jan. ein Mitarbeiter ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Vier Bewaffnete seien am Morgen in das Büro marschiert und hätten das Feuer eröffnet, teilte ein Polizeisprecher mit. Eine halbe Stunde später wurde der nahe gelegene Sitz der Volkspartei Kurdistans beschossen, auch hier gab es einen Toten und zwei Verletzte. Die Polizei ging davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelte. Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe wurden zudem zwei Polizisten verletzt.
  • Das für den Prozess gegen Expräsident Saddam Hussein zuständige Sondertribunal teilte am 17. Jan. mit, der am 14. Jan. zurückgetretene Vorsitzende Richter Risgar Mohammed Amin werde voraussichtlich durch seinen bisherigen Stellvertreter Saad al Hamasch ersetzt. Noch habe die Regierung Amins Rücktrittsgesuch aber noch nicht angenommen, betonte ein Gerichtssprecher. Amin soll sich bereit erklärt haben, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken.
  • Generalbundesanwalt Kay Nehm wird trotz mehrerer Anzeigen kein Ermittlungsverfahren wegen der Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad während des Irak-Kriegs einleiten. "Nach einer vorläufigen Bewertung sind Gründe für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht erkennbar", sagte Nehms Sprecherin Frauke Scheuten am 17. Jan. in Karlsruhe.
  • Arbeiter haben am 17. Jan. im südlichen Irak ein Massengrab entdeckt, das offenbar während des Schiitenaufstandes 1991 angelegt wurde. Bei den 22 Opfern, deren Leichen in Kifil nahe Nadschaf verscharrt wurden, habe es sich um Widerständler gegen das Regime von Saddam Hussein gehandelt, berichtete ein Polizeisprecher. Unter ihnen seien auch Kinder und Frauen gewesen. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass während der Herrschaft Saddam Husseins mehr als 300.000 Menschen getötet wurden, die meisten von ihnen Kurden und Schiiten.
  • Bei einem Überfall mitten in Bagdad haben Unbekannte am 17. JAn. sieben zivile Mitarbeiter der irakischen Streitkräfte erschossen. Acht Angreifer seien mit Waffengewalt an den Arbeitsplatz der Angestellten vorgedrungen und hätten das Feuer eröffnet, teilten die Sicherheitsbehörden mit. Danach seien sie geflohen. Die Opfer arbeiteten den Angaben zufolge für einen Kantinenbetrieb, der bei der irakischen Armee unter Vertrag steht. Zum Zeitpunkt des Überfalls hätten sie gerade Verpflegung für Soldaten in der irakischen Hauptstadt zubereitet.
  • Die italienische Staatsanwaltschaft will wegen des Todes eines im Irak erschossenen Geheimdienstbeamten Mordanklage gegen einen US-Soldaten erheben, wie Medien am 17. Jan. berichteten. Nicola Calipari war im Mai vergangenen Jahres an einer Kontrollstelle der US-Streitkräfte in seinem Auto getötet worden. Er war gemeinsam mit der Journalistin Giuliana Sgrena auf dem Weg zum Bagdader Flughafen. Sgrena war zuvor aus irakischer Geiselhaft freigelassen worden, sie wurde bei dem Zwischenfall verletzt. Der US-Soldat solle wegen Mordes an Calipari und versuchten Mordes an Sgrena und einem weiteren Agenten vor Gericht gestellt werden, hieß es in Medienberichten. Italien und die USA haben zu dem Zwischenfall unterschiedliche Untersuchungsergebnisse vorgelegt, der Fall hat die Beziehungen zwischen beiden Ländern belastet.
  • Die Entführer der vor zehn Tagen in Bagdad verschleppten US-Journalistin Jill Carroll haben sich laut Medienberichten erstmals mit einem Ultimatum gemeldet. Wie der arabische Nachrichtensender El Dschasira am 17. Jan. berichtete, drohten sie mit der Ermordung ihrer Geisel, sollten nicht binnen 72 Stunden alle weiblichen irakischen Gefangenen freigelassen werden. Videoaufnahmen zeigten eine Geisel, bei der es sich um die 28-jährige Journalistin handeln soll. Zu der Entführung habe sich eine bislang unbekannte islamistische Gruppe namens "Brigaden der Rache" bekannt.
  • Der in Haft sitzende ehemalige irakische Vize-Regierungschef und -Außenminister Tarek Asis will möglicherweise in Kroatien Asyl beantragen. Das Außenministerium in Zagreb habe einen Brief von Asis' Rechtsanwälten erhalten, in dem Kroatiens Position zu einem möglichen Asylantrag abgefragt werde, sagte eine Ministeriumssprecherin am 18. Jan. der Nachrichtenagentur AFP.
  • Das irakische Justizministerium hat die baldige Freilassung von sechs inhaftierten Irakerinnen angekündigt. Ein Ministeriumsvertreter teilte am 18. Jan. mit, die Entscheidung sei nach der Überprüfung der Haftgründe gefallen; die gefangenen Frauen kämen "in den kommenden Tagen" auf freien Fuß. Der Justizbeamte machte keine Angaben über einen möglichen Zusammenhang mit einem Ultimatum der Geiselnehmer der im Irak verschleppten US-Journalistin Jill Carroll. Diese hatten in einem am 17. Jan. vom katarischen Fernsehsender El Dschasira ausgestrahlten Videoband die Freilassung aller weiblichen Gefangenen im Irak innerhalb der kommenden drei Tage gefordert; andernfalls drohten sie mit dem Tod ihrer Geisel.
  • Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) hat am 18. Jan. die beiden während des Irak-Kriegs in Bagdad verbliebenen BND-Mitarbeiter zu ihrem umstrittenen Einsatz angehört. Wie der PKG-Vorsitzende Norbert Röttgen (CDU) am Abend mitteilte, befand das Gremium anschließend einstimmig, dass die Mitarbeiter glaubhaft bekundeten, "in keiner Weise - weder bei Vorbereitung noch bei Planung oder Durchführung - an der Bombardierung des Restaurants im Stadtteil Mansur am 7. April 2003 mitgewirkt zu haben". Sie hätten zudem berichtet, dass "zu keinem Zeitpunkt direkte Kontakte zwischen ihnen und Vertretern der USA bis zum Eintreffen der Streitkräfte in Bagdad bestanden" hätten.
  • Bei einem Doppelanschlag in Bagdad sind am 19. Jan. mindestens 15 Menschen getötet und weitere 23 verletzt worden. Im Zentrum der Hauptstadt habe sich ein Selbstmordattentäter in einem Café in die Luft gesprengt und dabei zwölf Menschen mit in den Tod gerissen, teilte ein Beamter des Innenministeriums mit. Bei einem Autobombenanschlag auf eine Patrouille der irakischen Polizei seien in der Nähe drei Polizisten getötet worden. Beide Anschläge seien fast zeitgleich verübt worden.
  • Bei der irakischen Parlamentswahl am 15. Dezember ist es nach Einschätzung der internationalen Prüferkommission zu Fälschungen gekommen. Das Gesamtergebnis der Abstimmung stehe durch die Manipulationen aber nicht in Frage, heißt es in dem am 19. Jan. vorgelegten Bericht der Internationalen Mission für die Irak-Wahl. Die Experten beklagten "Schwächen bei der Organisation der Wahl". So hätten in einigen Wahllokalen Stimmzettel gefehlt, und es habe "Probleme" bei der Erfassung der Wahlberechtigten gegeben.
  • Irakische Sicherheitskräfte haben nördlich von Bagdad die Leichen von 30 Menschen entdeckt, die von Extremisten ermordet wurden. Wie es aus Armeekreisen am 19. Jan. in Tikrit hieß, handelt es sich mehrheitlich um Polizisten, Soldaten und andere Beamte. Ihre Mörder hätten ihnen die Augen verbunden und sie aus nächster Nähe erschossen. (dpa)
  • Die drei Oppositionsparteien FDP, Linkspartei und Grüne haben am 20. Jan. im Bundestag ihre Absicht bekräftigt, einen Untersuchungsausschuss zu umstrittenen Aktivitäten deutscher Sicherheitsbehörden einzusetzen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, der geplante Ausschuss solle "Grauzonen erhellen", die es möglicherweise in Deutschland im Zusammenhang mit Geheimdienstaktivitäten gegeben habe. Mit Blick auf die Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri durch den US-Geheimdienst CIA sagte Westerwelle: "Wir wollen wissen, was die Regierung dagegen getan hat." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, die Aussagen der beiden im Irak verbliebenen BND-Agenten vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) seien "noch lange nicht alles, was an Aufklärung nötig ist". (AFP)
  • Wahlergebnisse
    Die Allianz der schiitischen Parteien hat nach offiziellen Angaben bei der Wahl im Irak 128 der 275 Sitze gewonnen. Die kurdischen Parteien kamen auf 53 Mandate, wie die Wahlkommission am 20. Jan. in Bagdad bekannt gab. Zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Bagdad und vier Provinzen verstärkt. Allein in der Hauptstadt waren rund 5.000 Soldaten im Einsatz, zusätzliche Kontrollposten wurden errichtet.
    Die Schiiten haben bei der zweiten Parlamentswahl nach dem Sturz Saddam Husseins ihre absolute Mehrheit verloren, bleiben aber stärkste politische Kraft im Irak. Nach dem am 20. Jan. veröffentlichten Ergebnis der Abstimmung vom 15. Dezember konnten die arabischen Sunniten ihren Einfluss im Parlament deutlich steigern, mit knapp 60 der 275 Mandate stellen sie nun mehr als ein Fünftel der Abgeordneten - was in etwa ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Verlierer sind zum einen die Kurden und zum anderen die säkulare Partei von Ajad Allawi. In Allawi hatten die USA einst große Hoffnungen gesetzt, sie machten ihn 2004 zum Chef einer Übergangsregierung. Nun schrumpft seine Fraktion im neuen Parlament um 15 auf 25 Abgeordnete.
    Das religiös-schiitische Parteienbündnis Vereinigte Irakische Allianz musste zwar ebenfalls Federn lassen - es verlor gegenüber der Wahl zur Nationalversammlung im Januar 2005 18 Mandate und damit seine absolute Mehrheit im Parlament. Mit jetzt 128 der 275 Sitze bleibt es aber die beherrschende politische Kraft. Derzeit stellt das Bündnis den Ministerpräsidenten, Ibrahim al Dschaafari. Für eine Regierungsbildung benötigt das Bündnis aber die Unterstützung anderer Parteien. ybr> Die Minderheit der sunnitischen Araber, die die Abstimmung vor einem Jahr noch weitgehend boykottiert und nur 17 Mandate erzielt hatte, kommt im neuen Parlament auf knapp 60 Sitze. 44 davon entfallen auf das Bündnis Irakische Eintracht, eine weitere Liste um den sunnitischen Politiker Saleh al Mutlak gewann elf Parlamentssitze, wie ein Mitglied der Wahlkommission, Safwat Raschid, mitteilte.
    Zudem schafften Vertreter einiger kleinerer sunnitischer Parteien den Einzug ins Parlament. Die USA hoffen, dass eine stärkere Rolle der Sunniten in Parlament und Regierung den Aufstand schwächt, der in weiten Teilen von der Minderheit getragen wird. Ein Sprecher der US-Botschaft, Tom Casey, erklärte, die Amerikaner begrüßten die Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnis und seinem mit dem Verlauf des Wahlprozesses zufrieden.
    Die beiden größten kurdischen Parteien stellen nur noch 53 Abgeordnete, die konkurrierende Kurdische Islamische Gruppe gewann fünf Mandate. Das ist ein herber Verlust für die kurdische Minderheit, die bislang insgesamt über 75 Parlamentssitze verfügte.
    Die Politiker haben nun vier Tage Zeit, die Wahlergebnisse anzufechten. Darüber muss die Wahlkommission dann binnen zehn Tagen entscheiden, bevor das Ergebnis offiziell festgestellt und das neue Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten kann.
  • Die irakische Regierung hat vertrauliche Kontakte der US-Einheiten im Irak zu aufständischen Sunniten kritisiert. Mit ihrer "Appeasement-Politik" begingen die USA einen "schweren und fatalen Fehler", sagte der nationale Sicherheitsberater Muaffak el Rubaie der "Washington Times" (Ausgabe vom 20. Jan.). Derartige Kontakte seien ohne das Wissen der Regierung in Bagdad aufgenommen worden. Die USA "sollten es der irakischen Regierung überlassen, das in die Hand zu nehmen", betonte Rubaie.
  • Im Irak ist ein britischer Angesteller einer privaten Sicherheitsfirma getötet worden. Das sagte ein Sprecher des britischen Außenministerium am 20. Jan. Die britische Nachrichtenagentur Press Association berichtete unter Berufung auf die Eltern des Opfers, bei dem Getöteten handle es sich um einen 29-Jährigen, der jahrelang bei den Fallschmirmjägern der britischen Armee gedient habe, bevor er bei der privaten Sicherheitsfirma anheuerte. Über die Todesumstände wurde zunächst nichts bekannt.
  • In der westirakischen Stadt Ramadi ist es am 20. Jan. zu Gefechten amerikanischer und irakischer Soldaten mit Aufständischen gekommen. Wie die US-Marineinfanterie mitteilte, griffen die Rebellen am Nachmittag Stützpunkte der Koalitionstruppen in der 115 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt an. Die Angriffe seien nach etwa einer Stunde zurückgeschlagen worden, hieß es. Über mögliche Opfer wurden keine Angaben gemacht. Ramadi, die Hauptstadt der Provinz Anbar, ist seit langem ein Brennpunkt des Widerstands gegen die US-Truppen.
  • Trotz ihres überlegenen Sieges bei der irakischen Parlamentswahl will die religiöse Schiitenpartei Vereinigte Irakische Allianz das Ergebnis des Urnengangs anfechten. Der Einspruch solle noch im Laufe des Tages den Rechtsexperten der Wahlkommission übergeben werden, sagte ein Vertreter der Partei am 21. Jan. der Nachrichtenagentur AFP. Der Protest der Schiiten richtet sich gegen das komplizierte System der Sitzverteilung, das die Partei nach eigenen Angaben acht Sitze im Parlament kostete.
  • Bei der Explosion einer Autobombe sind am 21. Jan. auf einem belebten Markt in einem Vorort von Bagdad vier Menschen getötet worden. Aus Krankenhauskreisen hieß es, fünf Marktbesucher seien verletzt worden.
    In der Nähe der irakischen Stadt Tikrit 160 Kilometer nördlich der Hauptstadt wurden am selben Tag nach Polizeiangaben ein irakischer Offizier, sein Sohn und ein Soldat von Aufständischen erschossen.
  • Die autonome Kurdenregion im Norden Iraks steht künftig unter einheitlicher Verwaltung. Die Chefs der beiden großen Kurdenparteien, Dschalal Talabani und Massud Barsani, unterzeichneten am 21. Jan. während einer außerordentlichen Sitzung des kurdischen Parlaments in Erbil einen entsprechenden Vertrag. Von dem Abkommen sind die Bereiche Inneres, Finanzen, Justiz und Verteidigung allerdings ausgenommen. An der Zeremonie nahm auch der US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad, teil.
  • Die Gerüchteküche im Fall Osthoff kocht weiter:
    Susanne Osthoff hatte zum Zeitpunkt ihrer Freilassung im Irak angeblich einen Teil des Lösegeldes bei sich: Wie der "Focus" berichtet, entdeckten Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Bagdad mehrere tausend US-Dollar. Sie fanden die mit Gummibändern zu Bündeln zusammengebundenen Scheine in Osthoffs Kleidern, als die Archäologin die Dusche der diplomatischen Vertretung benutzte. Als Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) die Seriennummern der Dollarscheine untersuchten, stellten sie eine Übereinstimmung mit dem von der Bundesregierung gezahlten Lösegeld fest. Über die Geldbündel informierten Diplomaten der Botschaft laut "Focus" umgehend den Krisenstab des Auswärtigen Amtes in Berlin. Dort habe Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) "absolute Geheimhaltung" in der Angelegenheit angeordnet. Offiziell gibt es von der Bundesregierung weder eine Bestätigung noch ein Dementi zu etwaigen Lösegeldzahlungen im Fall Osthoff. (AFP, 21. Jan.)
  • Bei einem Bombenanschlag in der irakischen Stadt Baakuba sind am 22. Jan. mindestens vier irakische Polizisten getötet worden. Acht weitere Polizisten wurden nach Angaben aus Polizeikreisen zum Teil schwer verletzt, als die Bombe beim Vorbeifahren einer Patrouille im Stadtzentrum detonierte. Zum Zeitpunkt des Anschlags fand in der 60 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt ein Großeinsatz mit Kontrollen und Razzien statt.
  • US-Truppen haben nach Angaben der Polizei drei irakische Soldaten erschossen. Die Iraker seien in Privatautos auf der Fahrt zurück in ihre Kaserne in Samarra gewesen, als ihnen ein US-Militärkonvoi entgegenkam, berichtete die Polizei am 22. Jan. Die Amerikaner hätten das Feuer auf die Fahrzeuge eröffnet. Vier irakische Soldaten seien verletzt worden. Bei der Überprüfung der Identität der Soldaten hätten die Amerikaner dann festgestellt, dass es sich nicht um Aufständische, sondern um Armeeangehörige handelte.
  • Bei einem Granatangriff sind in der Nacht zum 22. Jan. vier Kinder eines Polizisten getötet worden. Die Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren wurden gemeinsam mit ihrem Onkel getötet, als Aufständische kurz nach Mitternacht das Haus der Familie in Balad Rus angriffen, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Bagdad. Die Polizei erklärte, die Eltern der Kinder hätten den Angriff überlebt.
Montag, 23. Januar, bis Sonntag, 29. Januar
  • Bei den Geldscheinen, die Berichten zufolge nach der Freilassung aus Geiselhaft in Irak bei der Archäologin Susanne Osthoff gefunden wurden, soll es sich nur um einen ganz geringen Teil des Lösegelds gehandelt haben. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 23. Jan. waren es 3.000 von möglicherweise bis zu fünf Millionen Dollar. Offenbar hätten ihr die Entführer damit Geld zurückerstattet, das sie Osthoff zuvor bei dem Kidnapping abgenommen hätten. Ein Verdacht gegen die Exgeisel bestehe nicht, heißt es weiter in dem Zeitungsbericht. Der Autor Hans Leyendecker beruft sich darin auf Informationen aus Sicherheitsbehörden. Mutmaßungen, Osthoff habe möglicherweise mit den Entführern gemeinsame Sache gemacht, seien von den Sicherheitsbeamten dementiert worden. "Für diese Spekulationen haben wir keinerlei Beleg", zitiert die Zeitung einen Beamten.
  • Ein Selbstmordattentäter hat am 23. Jan. im Zentrum von Bagdad mindestens drei Menschen mit in den Tod gerissen. Bei den Todesopfern handelte es sich um zwei Zivilpersonen und einen Polizisten, wie die irakische Polizei erklärte. Sechs Menschen seien verletzt worden, darunter fünf weitere Polizisten. Der Attentäter zündete eine Autobombe in der Nähe eines Kontrollpunktes an der streng bewachten Grünen Zone, in der unter anderem die irakische Regierung und die US-Botschaft untergebracht sind. Der Anschlag richtete sich den Angaben zufolge gegen eine Polizeistreife in der Nähe der iranischen Botschaft.
  • Einen Tag vor der Fortsetzung des Prozesses gegen den früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein ist am 23. Jan. ein neuer Vorsitzender Richter ernannt worden. Wie Ermittlungsrichter Raed el Dschuhi mitteilte, soll der 1941 geborene Kurde Rauf Raschid Abdel Rahman das Gericht solange leiten, bis eine Entscheidung über den Rücktritt seines ebenfalls kurdischen Vorgängers, Riskar Mohammed Amin, gefallen ist. Aus Amins Umgebung verlautete unterdessen, dass dessen Rücktritt "endgültig und unwiderruflich sei". Amin war Anfang Januar zurückgetreten. Politiker aus dem Irak und den USA hatten seine Prozessführung als zu rücksichtsvoll gegenüber Saddam Hussein kritisiert. Dieser hatte wiederholt in längeren Monologen Vorwürfe gegen die USA und die derzeitige irakische Regierung erhoben.
  • Die Grünen wollen vorerst keinen Untersuchungsausschuss zu den umstrittenen Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes im Irak beantragen. Die Bundesregierung habe zugesagt, die Vorwürfe "sehr zeitnah" weiter aufzuklären und im Februar einen öffentlich zugänglichen Bericht vorzulegen, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast am 23. Jan. in Berlin. Die FDP sieht angesichts der zögerlichen Haltung der Grünen derzeit keine Chance für die Einsetzung eines solchen Ausschusses. Die Notwendigkeit für einen Ausschuss sei "eher kleiner" geworden, da die Bundesregierung Bereitschaft gezeigt habe, die Fragen der Grünen umfassend aufzuklären, sagte Künast nach einem Gespräch der Fraktionspitzen mit Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU). "Wir setzen auf die nächsten Wochen." Ihre Partei sage jetzt: "Wenn andere Waffen zur Aufklärung beitragen, ist es an der Regierung, einen Ausschuss überflüssig zu machen."
  • Zwei Monate nach dem Entführungsfall Osthoff sind im Irak wieder Deutsche in der Gewalt von Kidnappern. Das wurde am 24. Jan. der Nachrichtenagentur ddp aus Sicherheitskreisen bestätigt. Die Bundesregierung hatte zuvor noch von "Hinweisen" gesprochen, wonach zwei deutsche Techniker in der nordirakischen Stadt Beidschi entführt worden seien. Sie sollen Medienberichten zufolge für die sächsische Firma Cryotec arbeiten.
    Die beiden im Irak entführten deutschen Ingenieure stammen nach Angaben der Bundesregierung aus Leipzig. Dies sagte Kanzleramtschef Thomas de Maizière nach Angaben einer Sprecherin am 24. Jan. bei einer Veranstaltung zur Amtsübergabe beim Bundesnachrichtendienst (BND) an Ernst Uhrlau. Nach irakischen Polizeiangaben wurden die beiden Männer vom Gelände einer Ölraffinerie in Baidschi rund 200 Kilometer nordwestlich von Bagdad verschleppt.
  • Das Auswärtige Amt hat am 24. Jan. einen Krisenstab zur Entführung der zwei deutschen Ingenieure im Irak eingerichtet. Das teilte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Rande eines Treffens mit dem georgischen Außenminister Gela Beschuaschwili in Berlin mit. "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um nicht nur an Informationen zu kommen, sondern, wenn sich bestätigt, dass Geiseln genommen wurden, die Geiseln gesund zurückzubekommen", sagte Steinmeier weiter.
  • Im Irak halten sich nach Schätzung des Auswärtigen Amtes derzeit noch rund 100 deutsche Staatsbürger auf. Dabei handelt es sich meist um Deutsche, deren Familien im Irak leben oder die andere feste Bindungen in dem Land haben. Die Zahl von 100 ist ein grober Richtwert. Niemand ist verpflichtet, sich bei der deutschen Botschaft in Bagdad zu melden. Unter den Deutschen sind auch Vertreter von Unternehmen und sowie einige weniger Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
  • In Bagdad entkam die populäre Fernsehmoderatorin Nagham Abdul Sahra einer Entführung, indem sie sich aus dem zweiten Stock ihrer Wohnung stürzte. Schwer verletzt rief sie um Hilfe und trieb damit die Geiselnehmer in die Flucht, die ihren Mann bereits gefesselt hatten. Der Vorfall ereignete sich am 24. Jan.
  • Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, hat der Firma der im Irak entführten Deutschen Vorwürfe gemacht. Erler sagte am 25. Jan. dem MDR, das Auswärtige Amt habe immer wieder sehr ernste Reisewarnungen gegeben. Es liege eine hohe Verantwortung bei denen, die diese zwei Techniker da hingeschickt und sie ohne Schutz dort hätten arbeiten lassen, sagte der SPD-Politiker. Das Schicksal der beiden Deutschen im Irak ist weiter ungewiss. Bisher gibt es keinen Kontakt zu den Kidnappern.
  • Der Vorstoß der Bundestagsfraktionen von FDP und Linkspartei für einen Untersuchungsausschuss zur BND-Affäre ist vorerst gescheitert. Ohne Mitwirkung der Grünen erreichten beide Oppositionsparteien am 25. Jan. das zur Einsetzung erforderliche Quorum von mindestens 25 Prozent der Abgeordneten nicht. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) will auf der Basis eines angeforderten Regierungsberichts bis Ende Februar einen öffentlich zugänglichen Bericht zu der Affäre formulieren. Beide Parteien kritisierten, dass sich die Grünen der Aktion verweigert hätten. Die Grünen sind grundsätzlich ebenfalls für einen Untersuchungsausschuss, wollen aber der Bundesregierung Zeit einräumen, um bis Ende Februar noch offene Fragen zu den geheimen CIA-Flügen, zu angeblichen Folterverhören in Geheimgefängnissen sowie zum Einsatz von BND-Agenten im Irak zu beantworten.
    Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Petra Pau, teilte mit, alle drei Oppositionsfraktionen zusammen hätten bisher 151 Hauptfragen sowie weitere 112 dazugehörige Nebenfragen zu diesem Themenkomplex gestellt. Die Bundesregierung habe von den Hauptfragen nur 74 und von den Unterfragen nur 64 beantwortet, sagte sie. Es sei daher nicht verständlich, dass die Grünen weiterhin auf den Aufklärungswillen der Bundesregierung vertrauten.
  • Sechs Wochen nach der Parlamentswahl hat das siegreiche Bündnis, die schiitische Vereinigte Irakische Allianz, Gespräche mit Sunniten und Kurden über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit aufgenommen. An den Verhandlungen sei das sunnitische Bündnis Irakische Eintracht beteiligt, teilte der schiitische Abgeordnete Baha al Aaradschi am 25. Jan. mit. Zum Auftakt der Gespräche am 24. Jan. habe die Allianz vier Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen, sagte Aaradschi. Dies seien der amtierende Regierungschef Ibrahim al Dschaafari, Adil Abdul Mahdi vom Höchsten Rat für eine Islamische Revolution im Irak (SCIRI), der Atomwissenschaftler Hussein al Scharastani sowie Nadim al Dschabiri aus der streng religiösen Partei Fadhila. Nasir al Ani vom Bündnis Irakische Eintracht erklärte, die Sunniten würden die Wahl des künftigen Regierungschefs den Schiiten überlassen. Ungeachtet von Anschlägen auf die arabischen Sunniten werde sein Bündnis bei der Regierungsbildung mitarbeiten, fügte er hinzu.
  • Bei Kämpfen zwischen US-Truppen und Aufständischen nahe der westlichen Stadt Ramadi wurde ein irakischer Fernsehjournalist getötet, wie der Sender Bagdad Television am 25. Jan. bekannt gab. Mahmud Saal sei von mehreren Schüssen getroffen worden und am Schauplatz der Kämpfe gestorben, sagte ein Arzt des Krankenhauses in Ramadi. Es war zunächst unklar, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat.
  • Bei zwei Bombenanschlägen im Irak sind vier Menschen ums Leben gekommen. Eine der Explosionen ereignete sich südlich von Bagdad, wie die US-Streitkräfte am 26. Jan. mitteilten. Ein US-Soldat wurde dabei getötet, ein weiterer verletzt. Bei einem weiteren Anschlag an der Straße zwischen Bagdad und Mossul kamen nach offiziellen Angaben drei irakische Sicherheitskräfte ums Leben. Nach Zählung der Nachrichtenagentur AP sind seit Beginn des Irak-Krieges im März 2003 mindestens 2.237 US-Soldaten getötet worden.
  • Die US-Streitkräfte in Bagdad haben am 26. Jan. die Freilassung von 419 irakischen Gefangenen angekündigt, darunter auch fünf Frauen. Letztere wurden am Nachmittag des 26. Jan. ihren Familien übergeben. Dies stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Entführung der US-Journalistin Jill Carroll, betonte ein Militärsprecher. Die Kidnapper der Reporterin der Zeitung "Christian Science Monitor" haben die Freilassung aller weiblichen Gefangenen im Irak gefordert.
    Die US-Streitkräfte hatten in der vergangenen Woche die Inhaftierung von neun Irakerinnen bestätigt. Am 26. Jan. teilten sie mit, dass tags zuvor zwei weitere Frauen festgenommen worden seien. Die jetzigen Freilassungen seien erfolgt, "weil Militärbeamte zu dem Schluss gelangten, dass es keinen Grund gibt, die Betroffenen weiterhin festzuhalten", erklärte Oberstleutnant Guy Rudisill.
  • Ein erstes Lebenszeichen der beiden im Irak verschleppten Ingenieure haben die Entführer drei Tage nach der Entführung übermittelt. In einem am 27. Jan. von Al Dschasira zunächst ohne Ton ausgestrahlten Video rufen René Bräunlich und Thomas Nitzschke die Regierung in Berlin auf, alles zu tun, um ihre Freilassung zu erreichen.
    Das Video war auf den 24. Jan. datiert, dem Tag der Entführung. Als Uhrzeit auf dem Band erscheint 10.08 Uhr. Laut irakischer Polizei ereignete sich die Entführung zwischen 08.30 und 09.00 Uhr.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Entführung der beiden Deutschen im Irak aufs Schärfste verurteilt und ihre sofortige Freilassung gefordert. Die Bilder auf dem am 27. Jan. bekannt gewordenen Video der Entführer hätten sie "tief bewegt", sagte die Kanzlerin in Berlin.
  • Die US-Armee hat in mindestens zwei Fällen die Ehefrauen von irakischen Aufständischen festgenommen, um an die Ehemänner heranzukommen. Das geht aus Unterlagen des US-Militärs hervor, die die US-Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) am 27. Jan. vorlegte. In einem Fall nahmen eine Sondereinheit im Mai 2004 in Tarmija eine 28-jährige Mutter von drei Kindern fest. Ein Geheimdienstoffizier, der sich gegen diese Aktion ausgesprochen hatte, beschwerte sich in einem Schreiben, dem Team sei in der Vorbesprechung explizit gesagt worden, Ziel sei es, dass sich der Ehemann der Frau freiwillig stelle. Sie sei nach zwei Tagen gemeinsam mit ihrem Bruder wieder freigelassen worden.
  • Im Irak sind am 28. Jan. bei einem Bombenanschlag in einer Konditorei zehn Zivilisten ums Leben gekommen. Drei weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt, als der Sprengsatz in einem Geschäft für orientalisches Gebäck in Iskandarija explodierte. Weshalb das Geschäft als Anschlagziel ausgewählt wurde, bleibt unklar. Iskandarija liegt im so genannten Todesdreieck südlich von Bagdad. In dieser Region kommt es seit dem Sturz des alten Regimes immer wieder zu Anschlägen.
  • Die Gewalt im Irak hat am 28. Jan. mindestens vier weitere Menschen das Leben gekostet. Bei einem Feuergefecht mit Aufständischen wurde im Bagdader Stadtteil Dora ein Soldat getötet, wie die Polizei mitteilte. Ein weiterer wurde verletzt. Ebenfalls in Dora erschossen Bewaffnete zwei Zivilpersonen. In Falludscha starb ein Polizist bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe. Zwei weitere Sicherheitskräfte seien schwer verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.
  • In der Hauptstadt fielen am 28. Jan. zwei US-Soldaten einem Sprengsatz zum Opfer.
  • Die Entführer einer Gruppe westlicher Friedensaktivisten erhöhen den Druck auf die USA und die irakische Regierung. Die vier Männer aus den USA, Großbritannien und Kanada würden getötet, wenn nicht alle irakischen Häftlinge aus den Gefängnissen der US-Streitkräfte und der Bagdader Regierung befreit würden, hieß es in einer am 28. Jan. vom Fernsehsender Al Dschasira veröffentlichten Aufnahme. Ein Ultimatum wurde aber nicht genannt.
  • Die Entführer der beiden deutschen Ingenieure in Irak fordern von der Bundesregierung nach einem Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins "Spiegel" vom 28. Jan. die Freilassung von weiblichen Gefangenen aus irakischen Gefängnissen. In dem insgesamt zweiminütigen Bekenner-Video stellen die Vermummten demnach zudem zwei weitere Forderungen. So solle die Bundesregierung die deutsche Botschaft "sofort aus dem Irak zurückziehen" und die "Kooperation mit der abtrünnigen irakischen Regierung einstellen". Begründet werde die Geiselnahme der beiden Männer aus Sachsen in dem Video mit den Worten, sie seien zwei "ungläubige Ingenieure", die für "die ungläubige Regierung" gearbeitet hätten.
  • Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat der irakischen Regierung am 28. Jan. vorgeworfen, das Gerichtsverfahren gegen den früheren Machthaber Saddam Hussein zu beeinflussen. Der Rücktritt des inzwischen ersetzten Vorsitzenden Richters Risgar Mohammed Amin sei auf «nichts anderes als einen Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit» zurückzuführen, sagte Richard Dicker, ein Rechtsexperte von Human Rights Watch.
  • Nur wenige Minuten nach der Wiederaufnahme des Prozesses gegen Saddam Hussein ist es am 29. Jan. erneut zu einem Eklat gekommen. Zunächst wurde ein Mitangeklagter des irakischen Expräsidenten des Saales verwiesen, weil dieser den Richter als "Hurensohn" bezeichnet hatte. Anschließend wurde ein Anwalt Saddam Husseins aus dem Gebäude gebracht. Der gestürzte Machthaber selbst rief an die Adresse der Ankläger: "Nieder mit den Verrätern!" und bestand darauf, ebenfalls den Gerichtssaal zu verlassen. Dennoch setzte der neue Vorsitzende Rauf Raschid Abdel Rahman den Prozess nach kurzer Unterbrechung fort. Er setzte kurzerhand vier neue Verteidiger ein und begann mit der Vernehmung anonymer Zeugen. Nach viereinhalb Stunden vertagte Abdel Rahman die Verhandlung auf den 1. Februar.
  • Bei neuer Gewalt kamen am 29. Jan. mindestens 20 Menschen ums Leben, darunter 13 irakische Polizisten und Soldaten. Der schwerste Anschlag wurde in Udscha, dem Geburtsort Saddam Husseins, verübt: Eine Autobombe riss vier irakische Soldaten in den Tod. Bei einer Serie fast zeitgleich gezündeter Autobomben vor der Mission des Vatikans und mindestens vier Kirchen in Bagdad und Kirkuk wurden drei Iraker getötet und neun verletzt. Die Toten gab es bei einem Anschlag in Kirkuk im Norden des Iraks.
  • Ein Nachrichtenmoderator des US-Fernsehsenders ABC und ein Kameramann wurden am 29. Jan. bei einer Explosion im Irak schwer verletzt. Wie der Sender erklärte, wurden Bob Woodruff und Doug Vogt in der Nähe von Tadschi von einem Sprengsatz getroffen. Beide begleiteten die 4. US-Infanteriedivision als so genannte eingebettete Journalisten und trugen Schutzkleidung.
Montag, 30. Januar, bis Dienstag, 31. Januar
  • Für den 18. März haben Globalisierungskritiker zu einem weltweiten Aktionstag gegen Krieg und Militarisierung aufgerufen. Die Vereinbarung wurde zum Abschluss des Weltsozialforums in Venezuela getroffen. Bei den Protesten sollen in erster Linie der Krieg im Irak, aber etwa auch der UN-Einsatz in Haiti kritisiert werden. (dpa, 30. Jan.)
  • Auf einen dänisch-irakischen Militärkonvoi ist am 30. Jan. nördlich von Basra ein Sprengstoffanschlag verübt worden. Verletzt wurde dabei niemand. Die Koalitionsstreitkräfte leiteten Ermittlungen ein, ob der Angriff mit den umstrittenen Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung zusammenhängen könnte, wie der britische Major Peter Cripps mitteilte. Die Proteste in den arabischen Ländern richten sich gegen die Veröffentlichung von Zeichnungen mit dem Propheten Mohammed in der größten und betont islamkritischen dänischen Zeitung "Jyllands- Posten" Ende September. Unter anderem wurde Mohammed als finsterer Terrorist mit einer Bombe im Turban dargestellt.
  • Die Zahl der im Irak getöteten britischen Soldaten hat am 31. Jan. die Schwelle von 100 erreicht. Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe in Basra wurde ein Angehöriger der 7. Panzerbrigade getötet, drei weitere Soldaten erlitten Verletzungen. Großbritannien hat mehr als 8.000 Soldaten im Irak stationiert, vor allem im schiitischen Süden, wo die Lage ruhiger ist als in den nördlichen Landesteilen. Die Zahl der getöteten US-Soldaten liegt bei mehr als 2.200.
  • Die 600 japanischen Soldaten im Irak sollen nach Informationen der Tokioter Nachrichtenagentur Kyodo ab März abgezogen werden. Der letzte japanische Soldat soll das Land bis Mai verlassen. Das Kontingent war ausschließlich für den Wiederaufbau in der südirakischen Stadt Samawah im Einsatz. Der Nationale Sicherheitsberater der irakischen Regierung, Muwafak al Rubaie, sagte am 31. Jan., er erwarte auch eine Verringerung der US-Truppen auf weniger als 100.000 bis Ende des Jahres. Die Truppenstärke wurde vom Maximum 160.000 bereits auf 136.000 abgebaut.
  • In der Hauptstadt Bagdad fand die Polizei am 31. Jan. die Leichen von elf Männern, die gefesselt und mit verbundenen Augen in einem Lastwagen lagen. Drei weitere Leichen wurden im Stadtteil Rustamijah geborgen.
  • US-Präsident räumte in seiner Rede zur Lage der Nation am 31. Jan. ein, dass sich die USA im Irak derzeit in einer "schwierigen" Situation befänden, "weil unser Feind brutal vorgeht". Angesichts wachsenden Unmuts in den USA über den Irak-Einsatz rief der Präsident zum Durchhalten auf. Mit einem plötzlichen Abzug würde das Land den Terroristen der El Kaida ausgeliefert.


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