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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

17. - 30. November 2003

17. bis 23. November
  • In weiten Teilen Bagdads ist am Morgen des 17. November der Strom ausgefallen. Gegen Mitternacht gingen in der irakischen Hauptstadt plötzlich die Lichter aus, und auch nach zehn Stunden konnte die Elektrizitätsversorgung noch nicht wiederhergestellt werden. Der Leiter des Kraftwerks El Dura, des wichtigsten Kraftwerks der Stadt, Dschinan Matti, schloss Sabotage als Ursache aus. Dschinan Matti sagte, die Stromzufuhr aus dem Norden des Landes nach Bagdad sei wegen schwerer Regenfälle unterbrochen. Die Kraftwerke in der Hauptstadt seien deswegen überlastet gewesen.
  • Bei der Explosion eines Sprengsatzes in der nordirakischen Stadt Kirkuk ist am 17. November ein Mann schwer verletzt worden. Nach Polizeiangaben detonierte die Bombe in der Nähe des Büros der Islamischen Bewegung Kurdistans.
  • Die US-Armee hat in Irak eine Offensive gegen mutmaßliche Untergrundkämpfer in der Region der Widerstandshochburg Tikrit gestartet. Eingesetzt werden Militärjets, Panzer sowie hunderte von Soldaten verschiedener Bataillone. Die Offensive richte sich gegen "paramilitärische Gruppen, Anhänger des früheren Regimes, ausländische Terroristen und andere subversive Elemente", sagte ein US-Militärsprecher am 17. November. Ein mutmaßlicher Widerstandsführer und rund 50 weitere Verdächtige wurden festgenommen. Der auch als Abu Kaaf bekannte Guerillaführer Kathim Mohammed Faris sei in der Nähe von Ramadi gefasst worden, teilte das US-Zentralkommando in Bagdad mit. Der irakische Ex-Offizier sei für mehrere Angriffe auf die Besatzungstruppen verantwortlich. Außerdem seien die Brüder Latif und Salif Ibrahim festgenommen worden, die an einem Angriff auf einen US-Militärkonvoi nahe Falludscha im Oktober beteiligt gewesen sein sollen.
  • Bei seinem ersten Besuch in Iran hat der amtierende Chef des irakischen Regierungsrats, Dschalal Talabani, am 17. November seinen Willen bekundet, die Beziehungen zum Nachbarland zu beleben. "Wir sind in erster Linie hier, um unsere bilateralen Beziehungen anzuregen", sagte Talabani nach einer Meldung der Nachrichtenagentur IRNA bei der Ankunft in Teheran. Gleichzeitig widersprach er der Einschätzung iranischer Regierungsvertreter, wonach die Unsicherheit in Irak allein auf die US-Truppen zurückzuführen sei. "Die wichtigste Ursache ist eine Gruppe von Terroristen, die aus Anhängern von Saddam Hussein besteht", sagte Talabani.
  • Die Europäische Union hat den "Kurswechsel" der US- Politik im Irak begrüßt, gleichzeitig aber auch auf rasche Umsetzung gedrungen. Der am Wochenende (15./16. Nov.) bekannt gegebene Zeitplan zur Übergabe der politischen Macht an die Iraker sei "zufrieden" aufgenommen worden, heißt es in einem Beschluss am 17. November. Die EU-Minister sprachen sich dafür aus, dass möglichst viele Iraker sich am Entwurf einer neuen Verfassung beteiligen.
    "Kurswechsel"? - Mit einer Großrazzia in Bagdad und Angriffen auf Dutzende mutmaßliche Widerstandsposten haben die USA ihren Kampf gegen irakische Untergrundkämpfer am 17. November weiter verstärkt. Zum zweiten Mal innerhalb zweier Tage feuerten US-Truppen in Nordirak eine satellitengesteuerte Rakete mit einem 250-Kilogramm- Sprengkopf auf ein mutmaßliches Ausbildungslager der militanten Besatzungsgegner.
    Im Mittelklasseviertel Asamijah von Bagdad durchkämmten in der Nacht zum 17. November rund 2.000 US-Soldaten Häuser und Wohnungen nach Verdächtigen. Bei der von gepanzerten Fahrzeugen und niedrig fliegenden Hubschraubern unterstützten Aktion wurden 21 Personen festgenommen - ein Dutzend davon, weil sie gegen die Vorschrift verstießen, nicht mehr als eine Schusswaffe zu besitzen. Bei den Betroffenen, die die schlechte Sicherheitslage als Grund für den Waffenbesitz vorbrachten, stieß dies auf Unverständnis. (Anmerkung des Chronisten: Was würden die US-Bürger sagen, wenn man ihnen ihre überzähligen Waffen abnehmen wollte?)
  • Aus Protest gegen die Politik der US-Verwaltung legte der Italiener Marco Calamai seinen Posten als Berater nieder. Er sei enttäuscht von der US-Zivilverwaltung in Bagdad, erklärte der Italiener Calamai, der als Mitarbeiter in der südirakischen Provinz Dhi Kar tätig war. Die Übergangsverwaltung funktioniere nicht, sagte Calamai nach Berichten der Zeitung "Corriere della Sera"vom 17. November. Die US-Politik habe "soziale Unzufriedenheit und Ärger" unter den Irakern hervorgerufen, so dass Terrorismus "leicht Fuß fassen" könne.
  • Bei Angriffen auf US-Truppen sind am 17. November nördlich von Bagdad zwei US-Soldaten getötet worden. Wie ein US- Militärsprecher mitteilte, kam ein US-Soldat nahe der Stadt Balad ums Leben, als seine Einheit von Bewaffneten angegriffen wurde. Zwei weitere US-Soldaten wurden dabei verletzt. Ein zweiter US-Soldat verlor dem US-Militärsprecher zufolge sein Leben, als ein Sprengstoffanschlag auf seinen Konvoi im Süden der irakischen Stadt verübt wurde.
  • US-Soldaten haben nach einer AFP-Meldung auf einem Markt in Bagdad Augenzeugen zufolge am 17. November drei Iraker erschossen. Mindestens vier weitere Menschen seien verletzt worden, berichteten die Augenzeugen sowie Angehörige der Opfer. Die Soldaten hätten das Feuer eröffnet, als ein Kunde eine gerade gekaufte Waffe mit einem Schuss in die Luft getestet habe. Auf dem Mrejdi-Markt im schiitischen Stadtteil Sadr City werden unter anderem auch illegale Waffen verkauft. Vor einer Woche hatten Soldaten den von den USA unterstützten Bürgermeister des Stadtteils erschossen.
  • Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) hat den neuen US-Plan für eine beschleunigte Machtübergabe an eine irakische Regierung als "einen Schritt in die richtige Richtung" begrüßt. (Fischer in der Pressekonferenz: "We discussed the initiative now to move forward with the transfer of sovereignty in Iraq. We appreciate that step forward, and hopefully it can be broadened and -- towards the U.N.") Fischer sagte am 17. November nach einem rund einstündigen Gespräch mit seinem US-Kollegen Colin Powell in Washington, dies entspreche dem, was von deutscher Seite immer nahe gelegt worden sei. Allerdings wäre es sehr nützlich, wenn der Übergangsplan durch eine Einbeziehung der UNO auf eine breitere Grundlage gestellt werden könne. Powell sagte, die US-Zivilverwaltung von Paul Bremer sei daran interessiert, mit der UNO in Irak zusammenzuarbeiten. Die Einbeziehung der Vereinten Nationen sei Teil des US- Plans. (Powell wörtlich: "And we want the U.N. to play a role, and it is a part of our plan in moving forward.") (Vgl. Mitschnitt der Pressekonferenz in englischer Sprache.)
  • Unmittelbar vor dem Staatsbesuch von George W. Bush in Großbritannien haben mehr als 85.000 Friedensaktivisten die Londoner Regierung aufgefordert, die Einladung an den amerikanischen Präsidenten zu widerrufen. Sie übergaben die Petition am 17. November an das Büro von Premierminister Tony Blair.
    Bei einer Erhebung für den "Guardian" (Ausgabe vom 18. November) hießen 43 Prozent der 1.000 Befragten Bush willkommen. 36 Prozent erklärten, er sollte lieber nicht nach Großbritannien kommen.
    Die Zustimmung der Amerikaner zu Präsident George W. Bush ist dagegen auf den bisherigen Tiefststand gefallen. 50 Prozent der Befragten hießen Bushs Amtsführung gut, aber 47 Prozent missbilligten sie, wie eine am 18. November vom Fernsehsender CNN und der Tageszeitung "USA Today" veröffentlichte Gallup-Umfrage ergab. Dies war die niedrigste Zustimmungsrate, seit Bush im Januar 2001 sein Amt antrat.

Öl-Lobbyist wird US-Botschafter in Saudi-Arabien
US-Präsident George W. Bush hat am 17. November (Ortszeit) einen einflussreichen Öl-Lobbyisten zum neuen Botschafter in Saudi-Arabien ernannt. Der designierte Botschafter James Oberwetter war bislang Vizepräsident des Ölkonzerns Hunt Oil Company und arbeitet außerdem für das American Petroleum Institute (API), die einflussreichste Lobbyvertretung der US-Ölindustrie in Washington. Oberwetter hatte zuvor eine Zeit lang als Vorsitzender des API gearbeitet, das die Interessen von mehr als 400 Ölunternehmen vertritt. Der Manager stand bereits in den Diensten des Präsidentenvaters George Bush senior. Saudi- Arabien ist der größte Ölexporteur der Erde. Der US-Senat muss der Ernennung noch zustimmen.
  • Die US-Armee hat in der Nacht zum 18. November massiv Freischärler in der Umgebung der irakischen Stadt Bakuba im Nordwesten von Bagdad angegriffen. Die Armee habe die mutmaßlichen Widerstandsnester aus der Luft, mit Artillerie und Mörsergranaten angegriffen, sagte ein Armeesprecher. "Das ist im Hinblick auf die Tonnage und den Umfang (der eingesetzten Ausrüstung) der größte Einsatz, den wir bislang in der Region um Bakuba hatten", sagte Oberstleutnant Mark Young. Der Beschuss eines Gebiets an einer Schnellstraße bei der Stadt dauerte den Angaben zufolge zwei Stunden und war Teil einer auf drei Nächte angelegten Operation unter dem Namen "Wütendes Feuer". Zwei US-Kampfflugzeuge des Typs F15 aus Katar warfen vier 500 Pfund schwere Bomben auf angeblich verlassene Bauernhäuser und andere Ziele an der Schnellstraße ab. Es lagen zunächst keine Angaben zu Opfern vor. Kampfhubschrauber eröffneten dann das Feuer auf andere Ziele außerhalb der Stadt, die etwa 60 Kilometer von Bagdad entfernt liegt. Der Beschuss durch Haubitzen und Granatwerfer war kilometerweit zu hören.
  • Die US-Streitkräfte in Irak haben am 18. November nach eigenen Angaben die schwersten Luftangriffe seit Ende der offiziellen Kampfhandlungen geflogen. In der Nähe der Städte Bakuba und Samara nordöstlich von Bagdad wurden Stellungen von Aufständischen bombardiert.
    Die US-Streitkräfte haben am Abend auch das Zentrum von Bagdad mit Raketen beschossen. Der Angriff sei Teil der "Operation Eisenhammer" gewesen, teilte ein Sprecher der US-Armee in Bagdad mit. Die Raketen seien aus der Luft auf Ziele "im Zentrum Bagdads" abgeschossen worden. Die genauen Ziele waren zunächst nicht bekannt. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, wurden zunächst rund 20 Geschosse und dann in einer zweiten Salve 40 weitere abgefeuert.
  • Ein US-Soldat kam am 18. November nahe der Stadt Balad ums Leben, als seine Einheit von Bewaffneten angegriffen wurde. Ein zweiter US-Soldat wurde getötet, als ein Sprengstoffanschlag auf seinen Konvoi im Süden der irakischen Stadt verübt wurde. In der Hauptstadtregion starb ein US-Soldat durch "nicht feindliches Feuer", wie die Armee erklärte.
  • In Tikrit wurde am 18. November erstmals ein US-Offizier wegen des Verdachts auf Misshandlung eines Irakers vor ein Militärgericht gestellt. Der Oberstleutnant soll einen Iraker während eines Verhörs geschlagen und mit dem Tod bedroht haben.
  • Die Angriffe auf die US-Truppen in der irakischen Provinz Anbar werden zumeist von religiös- extremistischen Irakern und Anhängern des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein ausgeführt. Ausländische Kämpfer seien kaum an den Überfällen beteiligt, berichtete am 18. November US-General Charles Swannack, der Kommandeur der 82. Luftlandedivision. "Wir haben es zumeist mit Einheimischen zu tun", sagte Swannack. Die Provinz Anbar hat Grenzen zu Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien.
  • Die USA erwägen eine neue UN-Resolution zur Übergabe der Souveränität an die Iraker. Eine Resolution zur Machtübergabe könnte "zu gegebener Zeit" nützlich sein, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am 18. November. Derzeit sei aber kein Entwurf in Arbeit. Die US- Regierung konzentriere sich vielmehr auf die durch die im Oktober verabschiedete Resolution 1511 festgelegte Frist am 15. Dezember. Zu diesem Termin soll der irakische Regierungsrat den Zeitplan für die Annahme einer neuen Verfassung und für Parlamentswahlen vorstellen.
  • Bei zwei Anschlägen in der nordirakischen Stadt Mossul sind am 18. November zwei irakische Polizisten und ein Dolmetscher für die US-Armee verletzt worden. Aus zwei Wagen heraus sei das Feuer auf eine Polizeiwache in der Stadt eröffnet worden, teilte die irakische Polizei am 19. November mit. Die beiden Polizisten seien durch Schüsse und Granatsplitter verletzt worden. Anschließend hätten US- Streitkräfte die Umgebung abgeriegelt. Bei einem anderen Vorfall schossen Unbekannte auf einen Dolmetscher, als er ein Hotel verließ, und verletzten ihn, wie die Behörden weiter mitteilten.
  • Die Bundesregierung hat nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung das Team des Technischen Hilfswerkes (THW) aus Bagdad abgezogen. Dies meldete das Blatt am 19. November vorab unter Berufung auf Regierungskreise. Die vier Experten waren zum Aufbau des maroden irakischen Trinkwassersystems eingesetzt gewesen. Wegen der "angespannten Sicherheitslage" in Bagdad seien die Spezialisten für Trinkwasserversorgung und Infrastruktur nun abbeordert worden, schreibt das Blatt weiter.
    Das Deutsche Rote Kreuz beobachtet die Entwicklung des Irak-Konflikts mit Sorge. "Es wird eher schlimmer als besser", sagte DRK-Generalsekretär Clemens Graf von Waldburg-Zeil am 19. November in Berlin. Erst wenn die Sicherheitslage es zulasse, würden wieder Helfer aus Deutschland eingesetzt.
  • Bei der Explosion einer Autobombe in der irakischen Stadt Ramadi sind am Abend des 19. November mehrere Menschen verletzt oder getötet worden. Der Anschlag richtete sich gegen das Haus eines Scheichs, der die US-Verwaltung unterstützt. Mindestens ein Kind wurde tot geborgen, wie ein Verwandter von Scheich Amir Ali Suleiman mitteilte. Ramadi liegt rund 100 Kilometer westlich von Bagdad und ist Teil des "Sunnitischen Dreiecks", in dem der Aufstand gegen die US-Truppen am stärksten ist.
  • Die nordirakische Stadt Kirkuk wurde am 19. November aus der Luft bombardiert. Die US-Streitkräfte führen damit eine aggressivere Strategie gegen die Aufständischen, die Tag für Tag neue Ziele der Besatzungstruppen angreifen. Am 19. November wurde nach Berichten von Augenzeugen ein Versorgungskonvoi nördlich von Samara attackiert. US-Soldaten erwiderten das Feuer und erschossen zwei Iraker, darunter einen Jugendlichen.
  • Das Team des Technischen Hilfswerks (THW) wird seine Arbeit im Irak nach Angaben des Bundesinnenministeriums fortsetzen. Eine Ministeriumssprecherin dementierte am 19. November einen Zeitungsbericht, wonach die vier THW-Helfer abgezogen worden seien. "Sie werden nicht abgezogen." Der Aufenthalt der Trinkwasserspezialisten sei trotz der angespannten Sicherheitslage vertretbar. Die Experten würden weiter von Mitarbeitern des Bundesgrenzschutzes geschützt.
  • Fußball statt Krieg:
    Statt der von den USA erhofften Soldaten schickt Japan jetzt immerhin Fußbälle nach Irak. Insgesamt 1200 vom japanischen Fußballbund gesammelte alte Bälle, 5000 Trikots und 400 Paar Fußballschuhe sollen einem Frachter auf den Weg nach Irak mitgegeben werden, wie eine Sprecherin des Außenministeriums am 20. November in Tokio sagte. "Die Verbindungen in der Fußballwelt sind sehr eng, und weil unsere irakischen Freunde sich in einer schwierigen Lage befinden, haben wir beschlossen, zu helfen", betonte die Sprecherin. Die Lieferung solle auf Wunsch des irakischen Fußballverbands zunächst in Jordanien zwischengelagert werden, weil es in Bagdad nicht genug Platz gebe.
  • US-Soldaten haben nach Angaben der irakischen Polizei den Schwager des früheren Machthabers Saddam Hussein festgenommen. Wie ein ranghoher irakischer Polizeioffizier am 20. November Donnerstag mitteilte, wurde der frühere Luftwaffengeneral Arschad Jassin am Mittwoch in einem nordirakischen Dorf gefasst - 40 Kilometer von der Erdölstadt Kirkuk entfernt. Zusammen mit ihm sei der US-Armee der Kommandeur von Saddam Husseins früherer Leibgarde, Radman Ali El Huraimus, ins Netz gegangen.
  • Mehrere Explosionen haben am Morgen des 21. November das irakische Ölministerium sowie zwei von zahlreichen Ausländern bewohnte Hotels in der Bagdader Innenstadt erschüttert. Über dem Gelände des Ministeriums stiegen dicke schwarze Rauchwolken auf. Ein Anwohner berichtete, er habe fünf Explosionen gehört. Unmittelbar zuvor wurden die Hotels Palestine und Sheraton mit mehreren Raketen angegriffen. Im Palestine rissen die Geschosse im 16. Stockwerk ein Loch in die Fassade, auch zwei weitere Etagen schienen getroffen zu sein. Im gegenüber liegenden Sheraton wurden offenbar die oberen Stockwerke getroffen. Mindestens ein Mann wurde nach Berichten von Augenzeugen verletzt. Beide Hotels, die von Irakern betrieben werden, zählen zu den am besten geschützten in Bagdad. US-Soldaten und irakische Polizisten entdeckten in der Nähe eine Abschussvorrichtung für Raketen, die auf einem Eselskarren versteckt war. Damit seien mindestens drei Raketen abgefeuert worden. Fünf weitere seien noch auf dem Karren gefunden worden.
    Auch vor der italienischen Botschaft in Bagdad wurde Augenzeugen zufolge ein Eselskarren mit Raketen entdeckt. Der irakische Polizeichef Ahmed Ibrahim sprach von 30 Raketen.
  • In der Nähe der westlich von Bagdad gelegenen Stadt Ramadi kam am 21. November ein US-Soldat bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe ums Leben. Zwei Soldaten des Konvois wurden bei dem Anschlag verletzt.
    Weiter südlich, in Kerbela, feuerten Aufständische mindestens vier Mörsergranaten auf einen Militärstützpunkt mit thailändischen Soldaten ab.
  • Ein ungarischer Zivilist ist in Irak von US-Soldaten erschossen worden, wie das Außenministerium in Budapest am 21. November erklärte. Der 27-Jährige habe sich am 17. November mit seinem Auto mit hoher Geschwindigkeit einem Kontrollposten genähert und trotz Aufforderung nicht angehalten, hieß es in einer Erklärung. Die Soldaten hätten daraufhin das Feuer eröffnet. Der Wagen des Jurastudenten sei dann in ein Armeefahrzeug gerast. Dabei seien mehrere Soldaten verletzt worden. Der Vorfall ereignete sich nach Informationen der ungarischen Nachrichtenagentur MTI in Ramadi, 130 Kilometer westlich von Bagdad. Der Getötete hatte sein Studium für drei Monate unterbrochen, um in Irak für eine deutsche Müllentsorgungsfirma als Dolmetscher und Fahrer zu arbeiten. Dem 300 Mann starken Kontingent der ungarischen Armee, das unter polnischem Kommando in Hillah stationiert ist, gehörte er nach Angaben des Verteidigungsministeriums nicht an.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hat den US-Streitkräften in Irak vorgeworfen, nach Angriffen auf ihre Soldaten in einer Art Rachefeldzug Häuser zu zerstören. In einem Brief an US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe sie um Aufklärung darüber gebeten, ob die Zerstörung der Häuser als kollektive Vergeltungsmaßnahme gebilligt werde, teilte die Organisation am 21. November in Washington mit. Sie wies darauf hin, dass dies gegen die Genfer Menschenrechtskonvention verstoße.
  • Selbstmordattentäter haben am 22. November bei Anschlägen am Samstag im Irak mindestens 18 Menschen getötet:
    In der Stadt Chan Bani Saad raste ein Auto nach Angaben des US-Militärs auf die Polizeiwache zu und explodierte, als Beamte das Feuer eröffneten. Sechs Polizisten und drei Zivilisten seien getötet worden.
    Im nahe gelegenen Bakuba explodierte eine weitere Autobombe vor der dortigen Polizeiwache und tötete mindestens sieben Polizisten und zwei Zivilisten.
  • Über Bagdad wurde ein Flugzeug des Kurierdienstes DHL (einer Tochter der deutschen Post) möglicherweise von einer Rakete getroffen und musste notlanden.
  • Die US-Regierung will nach Informationen der "New York Times" bis Anfang 2006 mindestens hunderttausend Soldaten in Irak belassen. Sollte eine noch längere Truppenpräsenz nötig sein, werde die US-Armee "den Schmerz wirklich zu spüren beginnen", zitierte die Zeitung am 22. November einen nicht namentlich genannten US-Militär. Ein weiterer hochrangiger Armeeangehöriger sagte der Zeitung hingegen, es sei derzeit noch zu früh, um die genaue Truppenstärke des Jahres 2006 zu benennen. Dieser Punkt werde voraussichtlich im Sommer kommenden Jahres in Verhandlungen mit der bis dahin eingesetzten irakischen Regierung entschieden. Das Pentagon hatte angekündigt, die Zahl der US-Soldaten in Irak bis Mai 2004 von derzeit 130.000 auf 105.000 zu reduzieren.
  • Zum ersten Mal seit dem Kriegsbeginn im März ist am 22. November wieder ein Personenzug die 750 Kilometer lange Strecke von der syrischen Grenze bis zur nordirakischen Stadt Mossul gefahren. Die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs stelle einen grossen Schritt zur Normalität in Irak dar, sagte der britische Generalmajor Andrew Figgures. Ein Vertreter der irakischen Eisenbahn sagte, demnächst sollten die Züge auch wieder vom syrischen Aleppo über Mossul bis Bagdad fahren.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag in Irak sind am 23. November nach Augenzeugenberichten zwei US-Soldaten verwundet worden. Das Auto der Soldaten sei bei dem Dorf El Aswad nahe der Widerstandshochburg Baakuba beschädigt worden, als am Straßenrand ein Sprengsatz explodierte, berichtete ein Anwohner. Auf der Straße sei Blut zu sehen gewesen.
  • Im Zentrum der nordirakischen Stadt Mossul sind am 23. November laut Augenzeugenberichten zwei US-Soldaten getötet worden. Die beiden Männer seien in ihrem Fahrzeug überfallen wurden, die Angreifer hätten ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Die Leichen lagen den Angaben zufolge im Stadtbezirk Ras el Dschadda auf der Strasse.
  • Nach dem Raketenangriff auf ein Frachtflugzeug der Deutsche Post-Tochter DHL haben die US-geführten Streitkräfte in Irak die vorläufige Einstellung ziviler Flüge nach Bagdad beschlossen. Die Flüge der jordanischen Fluggesellschaft Royal Wings und der DHL würden bis zum Vorliegen neuer Ermittlungergebnisse vorläufig eingestellt, sagte ein US-Militärsprecher am 23. November in der irakischen Haupstadt. Militärflüge würden fortgesetzt.
  • In der Nähe der nordirakischen Stadt Kirkuk ist am Abend des 23. November ein Anschlag auf eine wichtige Gas-Pipeline verübt worden. Nach der Explosion eines Sprengsatzes an der Leitung sei es zu einem "riesigen" Feuer gekommen, teilten Vertreter der North Oil Company mit. Vermutlich werde der Anschlag zu Produktionsengpässen in der Raffinerie von Baidschi führen, wohin das Gas aus dem Dschambur-Ölfeld gepumpt werde.
  • US-Soldaten haben nördlich der irakischen Hauptstadt Bagdad an einer Straßensperre das Feuer auf einen Wagen eröffnet und dabei einen Fahrzeuginsassen getötet. Ein weiterer Insasse des Wagen sei bei dem Zwischenfall in Dawar verletzt worden, teilte US-Militärsprecher Bill MacDonald am 24. November in der nordirakischen Stadt Tikrit mit. Der Wagen sei mit hoher Geschwindigkeit auf einen Kontrollpunkt zugerast und habe trotz Warnschüssen nicht gestoppt. In der Nähe von Balad, ebenfalls nördlich von Bagdad, hätten US-Soldaten einen Iraker erschossen, der sie bei der Durchsuchung einer Obstplantage angegriffen habe. Beide Zwischenfälle ereigneten sich dem Sprecher zufolge bereits am 23. November. (AFP)
24. bis 30. November
  • US-Soldaten haben drei irakische Zivilisten erschossen. Nach Angaben des arabisches TV-Senders El Dschasira waren sie in Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit mit dem Auto auf dem Weg zu einem Markt gewesen. (Nicht klar wurde in dieser dpa-Meldung vom 24. November, ob es sich um die selben Vorgänge wie in der letzten Meldung von AFP handelte.)
  • Der von den USA eingesetzte irakische Regierungsrat hat ein Arbeitsverbot gegen den arabischen TV-Nachrichtensender El Arabija in Irak ausgesprochen. Die von Dubai aus sendende Station habe sich mit der Ausstrahlung eines Tonbandes von Ex-Präsident Saddam Hussein der Anstiftung zur Gewalt gegen die US-Truppen schuldig gemacht, sagte der amtierende Ratsvorsitzende Dschalal Talabani am 24. November in Bagdad. Das Gremium werde den Sender zudem vor irakischen Gerichten verklagen. Dies sei die erste Klage gegen ein Medium in Irak seit dem Sturz Saddam Husseins. Zwar sei die Meinungsfreiheit garantiert, "Anstiftung zum Mord" sei jedoch "in jedem Land der Welt verboten", fügte Talabani hinzu. Unklar blieb, für welchen Zeitraum das Verbot gelten sollte.
  • Der französische Präsident Jacques Chirac hat die jüngsten Pläne der USA für eine Übertragung der Souveränität an die Iraker grundsätzlich begrüßt, dabei aber weitere Nachbesserungen angemahnt. Washingtons Vorschlag sei "positiv, aber unzureichend und unvollständig", sagte Chirac am 24. November nach einem Gipfeltreffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in London. Dabei sei die grundsätzliche Ausrichtung "gut". Die vorgesehene Übergangszeit erscheine ihm aber "etwas lang" und die Rolle der Vereinten Nationen "nur unzureichend genau erklärt", betonte Chirac.
  • US-Soldaten haben am 24. November in der nordirakischen Region um die Ölstadt Kirkuk mit dem Rückzug aus den örtlichen Polizeiwachen begonnen. Die US-Armee werde sich nach anhaltenden Anschlägen nun beschleunigt aus den insgesamt 23 Polizeistationen der Provinz zurückziehen, darunter auch aus allen acht Polizeivertretungen in der Stadt selbst, teilte der Polizeichef von Kirkuk, Turhan Jussef, mit. Die irakische Polizei werde vollständig die Verantwortung für die Sicherheit in der Region übernehmen.
  • Der von den USA eingesetzte Regierende Rat im Irak hat am 24. November der UNO den Zeitplan für die Bildung einer Übergangsregierung vorgelegt. Dabei wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) zugleich aufgefordert, in einer Resolution die gesteckten Ziele zu unterstützen. In dem öffentlich gemachten Schreiben versicherte der gegenwärtige Präsident des Regierenden Rates, Dschalal Talabani, dass die Menschenrechte geachtet würden. Hierzu gehöre auch die Religionsfreiheit. Auch soll eine zivile Kontrolle über die irakischen Streitkräfte und die Sicherheitsdienste gewährleistet werden. Der Regierende Rat sicherte zu, bis spätestens zum 31. Mai 2004 eine vorläufige Legislative zu bilden, die dann bis Ende Juni 2004 eine Übergangsregierung wählt. Eine neue Verfassung soll bis zum 15. März 2005 entworfen sein und dann den Irakern zur Abstimmung vorgelegt werden. Allgemeine Wahlen zur Bestimmung der Regierung sollen dann noch vor dem Jahresende 2005 stattfinden, wie aus dem Schreiben von Talabani weiter hervorgeht. - Der Sicherheitsrat hatte in der Resolution vom 16. Oktober gefordert, dass ihm bis Mitte Dezember ein Zeitplan vorgelegt wird.
  • Trotz überwältigender Ablehnung in der japanischen Bevölkerung hält die Regierung in Tokio an ihrem Plan fest, Truppen nach Irak zu entsenden. In Anbetracht der Partnerschaft mit den USA, der Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft und des nationalen Interesses müsse Japan zur Bildung einer demokratischen und stabilen Regierung in Irak beitragen, sagte Ministerpräsident Junichiro Koizumi am 25. November vor dem Tokioter Parlament. Kabinettssekretär Yasuo Fukuda erklärte, angesichts der "Terrorakte" in Irak und der Türkei sei es natürlich, dass die öffentliche Meinung gegen eine Truppenentsendung sei. Aber "wenn wir diesen Drohungen nachgeben", könnten die "terroristischen Gruppen" noch ermutigt werden.
  • Mit scharfen Worten hat Reporter ohne Grenzen (ROG) am 25. November die Entscheidung des irakischen Verwaltungsrats vom Tag davor verurteilt, dem Fernsehsender Al Arabija vorläufig Sendeverbot zu erteilen. Die Menschenrechtsorganisation fordert die Rücknahme der Entscheidung und verurteilt außerdem das gewaltsame Vorgehen bei der Schließung des Senders. Irakische Polizisten hatten das Büro im Bagdader Stadtteil Mansur gestürmt. "Die Entscheidung über die Auswahl und Verbreitung von Informationen, gehört allein in die Verantwortung der Fernsehchefs", erklärte Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, gestern in Paris. "Der irakische Verwaltungsrat hat nicht das Recht, Medien mit Gewalt eine journalistische Leitlinie aufzuzwingen. Solche Methoden gehören der Vergangenheit an und sind nicht vereinbar mit den Zusagen von mehr Demokratie." Ménard betonte weiter, dass ein Sender nicht zum Mord anstifte, wenn er ein Tonband mit einem Aufruf zum Widerstand von Saddam Hussein ausstrahle.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat am 25. November eine erfolgreiche Bilanz der Lage im Irak gezogen. So seien allein in der vergangenen Woche 12.000 Patrouillen und 230 Razzien durchgeführt und rund 1.200 "feindliche Kräfte" festgenommen worden. Auch die Fortschritte beim Wiederaufbau seien beachtlich, fuhr der Pentagon- Chef fort. So seien alle 240 Krankenhäuser wieder geöffnet. Die Stromerzeugung liege in ihrem Umfang über der in der Vorkriegszeit, so Rumsfeld weiter.
  • Das Zentrum von Bagdad ist am Abend des 25. November von schweren Explosionen erschüttert worden. Der genaue Ort und die Ursache der Detonationen waren zunächst unklar. Direkt nach der Explosion um 20.00 Uhr Ortszeit waren Sirenengeheul und Schüsse zu hören. Die Geräusche schienen vom Westufer des Tigris zu kommen, wo die so genannte grüne Zone mit den wichtigsten Einrichtungen der US-Besatzungstruppen liegt. Ein US-Militärsprecher erklärte, auch er habe die Explosionen gehört, man wisse aber noch nichts Genaueres. Einige irakische Bewohner Bagdads sagte, ein Geschoss sei in der Nähe des Mansur-Melia-Hotels eingeschlagen. Das Hotel liegt nur rund 300 Meter vom US-Hauptquartier in der grünen Zone entfernt.
  • Angehörige von in Irak stationierten US-Soldaten starten am Wochenende zu einer einwöchigen Reise an den Einsatzort ihrer Verwandten. Das teilte die US-Organisation Global Exchange, die die Reise organisiert, am 25. November mit. "Ich weiß, dass es derzeit sehr riskant ist, aber ich fühle mich verpflichtet, hinzufahren", sagte die Mutter zweier Soldaten, Annabelle Valencia aus Tucson im US-Bundesstaat Arizona. "Ich will meinen Sohn und meine Tochter sehen und mit anderen Soldaten reden", sagte Valencia. Außerdem wolle sie mit Irakern sprechen, vor allem mit Frauen. "Und ich will mit den US-Vertretern reden und sie fragen, wann sie unsere Soldaten nach Hause schicken und den Irakern erlauben, ihr Land selbst zu verwalten."
  • Die Arbeit der internationalen Rüstungsinspekteure in Irak ist vom Kriegsbeginn jäh gestoppt worden. Jetzt wollen Frankreich und Grossbritannien das Kontrollgremium UNMOVIC mit einem weltweiten und dauerhaften Mandat für die Suche nach biologischen Waffen und die Aufdeckung von Raketenprogrammen ausstatten, wie Recherchen der Nachrichtenagentur AP ergeben haben. (AP-Meldung vom 26.11.2003) Der britisch-französische Vorstoß wird nach Angaben von UN-Mitarbeitern und Diplomaten auch von der Europäischen Union insgesamt sowie von Russland und Kanada unterstützt. Die USA aber sind dagegen - und sehen sich damit in dieser Frage im gleichen Lager wie die zurzeit dem Sicherheitsrat angehörenden Staaten Syrien und Pakistan, deren Rüstungsplanung international mit Sorge betrachtet wird.
  • Im Norden Iraks ist eine Ölpipeline in Brand geraten. Augenzeugen berichteten am 26. November von Flammen und schwarzem Rauch an der Pipeline, die von den Ölfeldern zur grössten Raffinerie des Landes in Beidschi führt. Die Ursache für den Brand war zunächst nicht bekannt. Meist gehen solche Vorfälle auf Sabotage zurück.
  • Die US-Truppen in Irak haben die Frau und die Tochter eines ranghohen Vertreters des gestürzten Regimes von Saddam Hussein festgenommen. Wie ein Sprecher der Streitkräfte am 26. November mitteilte, wurden die Angehörigen des gesuchten Issat Ibrahim el Duri am Dienstag in Samarra gefasst, 115 Kilometer nördlich von Bagdad. El Duri steht auf der US-Liste der meistgesuchten Iraker auf Platz sechs. Er galt als enger Vertrauter von Expräsident Saddam Hussein und war stellvertretender Vorsitzender des Revolutionären Kommandorates. Die USA verdächtigen El Duri, einige der Anschläge auf die US-Truppen geplant zu haben.
  • Der britische Aussenminister Jack Straw erwartet von einem beschleunigten Machttransfer in Irak eine Stabilisierung der nach wie vor angespannten Sicherheitslage. Straw sagte am 26. November auf einer Pressekonferenz in Bagdad, eine "stabile politische Architektur" werde Terroristen Rückhalt oder Duldung in der irakischen Bevölkerung entziehen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat am 26. November eine Irak-Kontaktgruppe einberufen, die die Vorstellungen der irakischen Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft zu Irak bündeln soll. Der Gruppe gehören nach Angaben eines UN-Sprechers neben den sechs Nachbarländern Iraks und Ägypten die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sowie vier nichtständige Mitglieder dieses Gremiums an. Die Gruppe habe die Aufgabe, die Vorgehensweise der Staatengemeinschaft im Bezug auf Irak zu koordinieren, hieß es. Am 1. Dezember wollen die Vertreter der Kontaktgruppe erstmals tagen.
  • Ein irakischer Ex-General ist bei der Vernehmung durch US-Truppen gestorben. Der ehemalige General der irakischen Luftabwehr sei eines natürlichen Todes gestorben, teilte das US- Militärkommando am 27. November in Bagdad mit.
  • Am 27. November ist die italienische Botschaft in Bagdad mit einer Rakete beschossen worden. Das berichteten Augenzeugen. Nach Angaben des staatlichen italienischen Fernsehens gab es keine Verletzten.
  • Die US-Armee hat in Irak einen ehemaligen Leibwächter des entmachteten Staatschefs Saddam Hussein festgenommen. Der General Chalid Arak Hatimi sei bei einer Hausdurchsuchung nördlich von Ramadi festgenommen worden, teilte das US-Zentralkommando am 27. November mit. Bei diesem Einsatz seien auch drei weitere Iraker festgenommen worden.
  • Der höchste geistliche Würdenträger der irakischen Schiiten, Ayatollah Ali Sistani, hat am 27. November die Wahl des Übergangsparlaments und der Übergangsregierung gefordert. Auch die Stadträte sollten durch freie Wahlen bestimmt werden, gab der Vorsitzende des Regierungsrats, Dschalal Talabani, nach einem Treffen die Forderungen Sistanis wieder. Für die Erstellung der Wählerlisten könnten die Rationierungskarten der Bewohner herangezogen werden.
  • US-Präsident George W. Bush ist am 27. November überraschend nach Irak geflogen. Anlässlich des amerikanischen Feiertages Thanksgiving stattete Bush den US-Truppen in Bagdad einen Kurzbesuch von gut zwei Stunden ab. Die Reise war nicht angekündigt, sie wurde erst nach der Landung am Abend bekannt. Es ist der erste Besuch eines amerikanischen Präsidenten in Irak. "Wir werden siegen. Wir werden gewinnen, weil unsere Sache gerecht ist", betonte Bush vor jubelnden Soldaten des 2. Panzerkavallerie-Regimentes und servierte das traditionelle Truthahn-Essen. Bush hielt sich nur auf dem Flughafen von Bagdad auf.
  • Japan schickt einem Zeitungsbericht zufolge im Dezember zehn Soldaten der Luftwaffe als Vorauskommando nach Kuwait. Im Januar 2004 sollten 140 Soldaten zur Unterstützung britischer und US-Truppen folgen, berichtete die Zeitung "Yomiuri Shimbun" in ihrer Ausgabe vom 28. November. Dem Hauptkontingent stünden drei Frachtmaschinen des Typs C-130 für Transportflüge zwischen Kuwait und Irak zur Verfügung. Das Kabinett in Tokio wolle die Entsendung in der kommenden Woche billigen, schreibt das Blatt weiter.
  • Die USA erwägen einem Pressebericht zufolge entgegen ihrer ursprünglichen Pläne die direkte Wahl einer irakischen Übergangsregierung durch das Volk. Wie die "Washington Post" am 28. November berichtete, wird die US- Regierung möglicherweise auf eine entsprechende Forderung des geistigen Schiiten-Führers Ayatollah Ali Sistani eingehen. "Wahlen sind jetzt eine Möglichkeit", sagte ein ranghoher, mit der irakischen Politik vertrauter US-Vertreter der Zeitung. "Wir bemühen uns um eine Lösung." Die US-Regierung sei möglicherweise gezwungen, Sistani zufrieden zu stellen.
  • Konzeptionslosigkeit und falsche Vorstellungen über den Umgang mit der irakischen Bevölkerung prägten laut einem internen Bericht der US- Streitkräfte die ersten Schritte der Besatzer nach dem Fall Bagdads. Der Bericht der 3. Infanteriedivision (sie hatte den Sturm auf Bagdad angeführt), der der Nachrichtenagentur AP vorliegt, bestätigt in vielen Punkten die von außen stehenden Beobachtern erhobene Kritik an der Nachkriegspolitik der USA. Als folgenschwerer Fehler erwies sich dem Bericht zufolge die politische Entscheidung, die US-Truppen zunächst als Befreier statt als Besatzungsmacht zu präsentieren. Die daraus resultierende Unsicherheit der US-Kommandeure habe ein entschlossenes Vorgehen gegen Plünderungen verhindert und den Wiederaufbau verzögert, was das Vertrauen der Bevölkerung in die US-Truppen nachhaltig beschädigt habe. Nach internationalem Recht hätten die USA unmittelbar nach dem Sturz des irakischen Regimes sowohl die Rechte als auch die Pflichten einer Besatzungsmacht gehabt, betonen die nicht näher identifizierten Autoren. Die Truppen seien auf diese Situation aber nicht vorbereitet worden: "Obwohl es nahezu sicher war, dass die Streitkräfte den Regimewechsel herbeiführen würden, gab es keinen Plan für die weitere Kontrolle und den Wiederaufbau, selbst als die Division Bagdad bereits erreicht hatte. (AP, 28.11.2003)
  • In Bagdad protestierten am 28. November Hunderte Iraker gegen Terrorismus und verurteilten dabei den gestürzten Staatschef Saddam Hussein. Die Veranstaltung war von mehreren irakischen Parteien organisiert worden, die nicht im Regierungsrat vertreten sind. Die Demonstranten beklagten insbesondere den Tod von irakischen Zivilpersonen bei Übergriffen auf US-Soldaten.
  • Im Mannheimer Prozess wegen illegaler Rüstungsgeschäfte mit Irak hat das Landgericht am 28. November einen US- Staatsbürger zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Geschäftsmann irakischer Abstammung unter Umgehung des UN-Embargos Bohrwerkzeuge für ein irakisches Rüstungsprogramm vermittelte. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert. Der Gericht verurteilte den Angeklagten konkret wegen zweier Verstöße gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz. Der Verurteilte war am 25. November 2002 in Bulgarien festgenommen und im März 2003 nach Deutschland ausgeliefert worden. Der Amerikaner irakischer Abstammung hatte laut Anklage, zusammen mit einem bereits verurteilten Ingenieur von April bis September 1999 an der Ausfuhr von Tiefbohrwerkzeugen nach Irak im Wert von 205.000 Euro mitgewirkt. Nach Ansicht des Gerichts waren die Werkzeuge zur Herstellung von Artilleriegeschützrohren geeignet und unter Umgehung des UN-Embargos von Deutschland über Jordanien nach Irak geliefert worden.
  • Ein US-Soldat ist in der nordirakischen Stadt Mosul durch eine Mörsergranate getötet worden. Nach Angaben des US- Militärkommandos in Bagdad vom 28. November wurde das Hauptquartier seiner Armee- Einheit von Aufständischen beschossen.

Die Wiener Ärztin Eva-Maria Hobiger ist wegen ihres Engagements für humanitäre Hilfe in Irak von der Redaktion des ZDF-Magazins "Mona Lisa" zur "ML-Frau des Jahres" gewählt worden. Wie das ZDF am Freitag mitteilte, arbeitet die Röntgenologin und Gründerin der Hilfsorganisation "Aladins Wunderlampe" jährlich viele Wochen in einer Klinik in Basra, um krebskranken und missgebildeten Kindern zu helfen. In der Millionenstadt gebe es eine erschreckend hohe Zahl von Krebserkrankungen und Missbildungen, die von vielen Ärzten auf den Einsatz von Uranmunition zurückgeführt würden, hieß es.
Lesen Sie von E.-M. Höbiger auf unseren Seiten die Beiträge: Menschen ohne Hoffnung
und Irak-Embargo: Missbrauch des "Sanktionsrechts".

  • Die Regierung in Den Haag hat das Mandat für die 1.140 niederländischen Soldaten in Irak um sechs Monate verlängert. Dem Beschluss vom 28. November zufolge soll die Truppe angesichts der Sicherheitslage vor Ort um 70 zusätzliche Soldaten aufgestockt werden, wie der Fernsehsender NOS berichtete. Die Mission war ursprünglich bis zum 15. Januar begrenzt. Das niederländische Kontingent, das im August nach Irak entsandt wurde, ist in der südlichen Region von El Muthana stationiert.
  • Die Grünen-Parteichefin Angelika Beer hat den Angriffskrieg der USA auf Irak und die Nachkriegspolitik der Amerikaner in dem Land scharf kritisiert. In Irak seien weder Massenvernichtungswaffen noch Verbindungen des gestürzten Regimes zu El Kaida gefunden worden, sagte sie am 28. November in der Eröffnungsrede auf dem Grünen-Parteitag in Dresden. Stattdessen gebe es "hunderte von Toten, bürgerkriegsartige Zustände und eine völlig destabilisierte Lage in der Region". (Anmerkung des Chronisten: Mit "Hunderten von Toten" wird Beer wohl nur an die getöteten Soldaten der Kriegsallianz gedacht haben. Dass es darüber hinaus Zigtausende tote Iraker gab, ist scheint ihr entgangen zu sein.)
  • Der syrische Ministerpräsident Nadschi el Otari hat den Kampf der Iraker gegen die Besatzungstruppen verteidigt. Es handele sich nicht um Terroristen, sondern um eine Befreiungsbewegung, sagte Otari in einem am 28. November von dem ägyptischen Magazin "El Mussawar" verbreiteten Interview. Es war sein erstes grösseres Interview seit seinem Amtsantritt im September.
  • Die New Yorker Senatorin Hillary Clinton hat bei ihrem Besuch in Bagdad am 28. November ein Umdenken in der US-Außenpolitik gefordert. Angesichts der prekären Sicherheitslage und der "sehr schwierigen" Organisation der Machtübergabe an eine einheimische Führung müsse der Konflikt "internationalisiert" werden, sagte die frühere First Lady. "Dies wird ein Umdenken bei unserer Regierung erfordern. Ich sehe das nicht kommen."
  • Ein im Irak stationierter US-Soldat hat ein siebenjähriges Kind durch einen Schuss ins Bein verletzt. Der Soldat habe aus Notwehr gehandelt, teilte das US-Militär in Bagdad mit. Zu dem Zwischenfall bei Ramadi kam es, nachdem eine US-Patrouille zwei bewaffnete Männer in ein Haus gehen sah. Aus dem Gebäude sei dann ein siebenjähriges Kind mit einer Kalaschnikow in der Hand aufgetaucht und habe die Waffe auf die Soldaten angelegt. Daraufhin habe einer von ihnen geschossen. (dpa, 29.11.2003)

Tödlicher Monat November
Noch nie seit Beginn des Irak-Krieges am 20. März haben die US-Besatzungstruppen so hohe Verluste erlitten wie im November. Nach der vorläufigen Monatsbilanz der US-Streitkräfte wurden im November mindestens 75 Soldaten getötet. Seit dem 20. März seien 436 US-Soldaten getötet worden, wie aus Zahlen des US-Verteidigungsministerium und der US-Streitkräfte in Bagdad hervorgeht. 299 davon seien bei Kämpfen getötet worden, der Rest sei bei Unfällen umgekommen. Von den alliierten Truppen seien 75 Soldaten - darunter 52 Briten und 17 Italiener - getötet worden. Der bisher tödlichste Monat war der April, als auf dem Höhepunkt der Invasion 73 Soldaten getötet wurden. US-Präsident George W. Bush hatte am 1. Mai das Ende der grösseren Kampfhandlungen verkündet. (AP, 29.11.2003)
  • Der provisorische irakische Regierungsrat hat am 29. November seine Beratungen über den Machttransfer im kommenden Jahr aufgenommen. Die Mitglieder kamen in Bagdad zu ihrem ersten Treffen seit dem Ende des Ramadan zusammen. Dabei wollten sie darüber diskutieren, ob der mit US-Zivilverwalter Paul Bremer vereinbarte Plan eingehalten oder zugunsten von Direktwahlen geändert werden soll. Der Regierungsrat ist über diese Frage tief gespalten. Der führende schiitische Geistliche, Ali Sistani, hatte vor zwei Tagen Direktwahlen für alle irakischen Übergangsinstanzen gefordert. Den bisherigen Plan, Gremien aus Würdenträgern aller Provinzen über die Zusammensetzung von Übergangsparlament und -regierung bestimmen zu lassen, lehnte er ab.
  • Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat eingestanden, vor dem Irak-Krieg über keine genauen Informationen zum irakischen Waffenarsenal verfügt zu haben. Das Fehlen "spezifischer Informationen" sei dem Weißen Haus jedoch im Herbst vergangenen Jahres in einem Bericht detailliert erläutert worden, schrieb der ehemalige CIA-Analytiker Stuart Cohen in einem am 29. November auf der Website der Behörde veröffentlichten Artikel. Schon zu Beginn der "Nationalen Nachrichtendienst-Einschätzung" sei darauf hingewiesen worden, dass die CIA über keine genauen Daten beispielsweise über irakische Massenvernichtungswaffen verfügt habe, schrieb Cohen weiter, der den damaligen Report als Hauptautor verantwortete.
  • Aufständische in Irak haben am Wochenende 29./30. November bei einer Serie von Angriffen mindestens 14 Ausländer getötet.
    Sieben spanische Geheimdienstmitarbeiter kamen ums Leben, als ihr Autokonvoi am 29. November südlich von Bagdad in einen Hinterhalt geriet. Der spanische Konvoi wurde nach Regierungsangaben aus Madrid mit Handgranaten und Schnellfeuerwaffen angegriffen. Wie ein Reporter des britischen Fernsehsenders Sky News berichtete, feierte eine Gruppe irakischer Jugendlicher den Überfall auf den Konvoi. Die Jungen hätten Lobeshymnen auf den gestürzten Machthaber Saddam Hussein gesungen. Spanien hat derzeit 1.300 Soldaten in Irak stationiert.
    Bei Tikrit wurden ebenfalls am 29. November zwei japanische Diplomaten bei einem Stopp während einer Überlandfahrt erschossen. Ihr irakischer Fahrer erlitt ebenfalls tödliche Verletzungen. Die Männer hatten der US-Armee zufolge keinen militärischen Begleitschutz angefordert. Die beiden Opfer waren die ersten Japaner, die nach dem Sturz des früheren Machthabers Saddam Hussein in Irak getötet wurden.
    Nach US- Angaben griffen Unbekannte am 29. November bei Tikrit ausländische Beschäftigte der US-Armee mit Handfeuerwaffen an: Ein Kolumbianer wurde getötet, zwei weitere verletzt.
    In der Nähe der irakischen Stadt Tikrit wurden am 30. November zwei Südkoreaner bei einem Überfall getötet. Zwei weitere wurden bei dem Angriff auf einer Überlandstraße verletzt, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap meldete. Ein US-Armeesprecher gab den Tod von drei Zivilisten bei einem Überfall nördlich von Bagdad bekannt, wollte aber nicht bestätigen, dass es sich bei den Opfern um Südkoreaner handelt.
    Bei einem Angriff auf einen amerikanischen Konvoi sind am 30. Dezember im Westen des Iraks zwei Soldaten getötet worden. Wie das US-Militärkommando in Bagdad mitteilte, wurde ein weiterer Soldat verletzt.
  • Beim schwersten Gefecht seit dem offiziellen Ende der Hauptkampfhandlungen haben US-Truppen am 30. November in Nordirak 54 Iraker getötet. Die Streitkräfte wehrten nach eigenen Angaben Angriffe auf zwei US-Konvois ab, die im Osten und Westen der Stadt Samarra gleichzeitig mit Bomben und Granaten beschossen wurden. Die Angreifer hätten eine Straßensperre errichtet und von den Dächern aus das Feuer eröffnet. Bei den Gefechten wurden nach Angaben eines Militärspechers mindestens 18 Iraker verletzt und weitere acht gefangen genommen. Auch fünf amerikanische Soldaten und ein Zivilist seien verletzt worden. Viele der getöteten Iraker trugen den Angaben zufolge Uniformen der Fedajin, einer Elitetruppe des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein. Etwa ein Stunde später wurde ein weiterer Konvoi der US-Truppen von vier Männern mit automatischen Waffen angegriffen, wie der Sprecher weiter mitteilte. Die Soldaten hätten zurückgeschossen und alle vier verletzt. Samarra liegt etwa 100 Kilometer nördlich von Bagdad im so genannten sunnitischen Dreieck, in dem die alliierten Truppen bisher auf den größten Widerstand stießen.


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