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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

August 2003

1. bis 10. August
  • Der arabische Fernsehsender Al Dschasira hat am 1. August erneut eine dem gestürzten irakischen Diktator Saddam Hussein zugeschriebene Tonbandaufzeichnung ausgestrahlt. Darin werden die Iraker zum Widerstand aufgerufen. Jeder, der mit den Besatzungstruppen zusammenarbeite, sei ein Agent und Verräter, hieß es in der Aufzeichnung. Wie schon bei früheren Bändern, die vom US-Geheimdienst als authentisch eingestuft worden waren, glich die Stimme der des Ex-Diktators. In der mehrminütigen Ansprache warf der Sprecher auf dem Band den alliierten Streitkräften vor, die Reichtümer Iraks auszuplündern. Allein die "ausländische Aggression" sei der Grund für die schwierige Lage, in der sich Irak derzeit befinde. Die Saddam zugeschriebene Stimme nannte als Datum für die Aufzeichnung den 27. Juli.
  • In der Nacht zum 1. August sollen bei Ramadi im so genannten sunnitischen Dreieck vier Iraker getötet worden sein, nachdem sie einen US-Militärkonvoi angegriffen hatten.
  • Augenzeugen berichteten Al Dschasira am 1. August über mehrere Angriffe auf US-Soldaten. Bei einem Angriff auf einen Stützpunkt der Amerikaner in der Stadt Samarra habe es mehrere Verletzte gegeben. Aus der Nähe der westirakischen Stadt Falludscha meldete der Sender die Explosion eines Sprengsatzes. Der arabische Fernsehsender Al Arabija berichtete über den Brand einer Öl-Pipeline in Beji, rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad.
    Bei einem Granatenangriff auf einen Konvoi der US-Armee ist am Abend des 1. August ein Soldat getötet worden. Drei weitere Soldaten der 4. Infanteriedivision hätten Verletzungen davongetragen, sagte ein Armeesprecher am Tag darauf. Der Konvoi sei südlich der Ortschaft Schumajat etwa hundert Kilometer nördlich von Bagdad unter Beschuss geraten. Der Ort liegt im sunnitischen Kernland Zentraliraks, wo der Widerstand gegen die US-Soldaten besonders groß ist.
  • Der Führer der irakischen Monarchiebewegung, der Scherif Ali bin Hussein, kritisierte das Vorgehen der US-Besatzungsmacht in Irak. Ali, der zur Familie des letzten irakischen Königs gehört, sagte in einem am 1. August veröffentlichten Interview mit der arabischen Zeitung Al-Hayat: "Die Amerikaner sind nach Irak gekommen, um die Probleme des Landes zu lösen, und sind nun selbst zu einem Problem geworden." Die Monarchiebewegung gehört zu den sechs irakischen Exil-Oppositionsgruppen, die bereits vor dem Krieg enge Kontakte zur US-Regierung hatten. Der provisorische irakische Regierungsrat sei nicht gewählt, sondern von den USA eingesetzt worden, kritisierte er weiter. Der Rat sei daher nicht in der Lage, unabhängig Entscheidungen zu treffen.
  • Noch am Wochenende (2./3. August) soll ein Expertenteam der Vereinten Nationen nach Bagdad reisen, um bei der Vorbereitung freier Wahlen zu helfen. Das vierköpfige Team werde für zwei Wochen in Irak bleiben, sagte UN-Sprecher Fred Eckhard am 1. August (Ortszeit) in New York. Die Fachleute sollen mit den verantwortlichen irakischen Politikern und der US-Verwaltung Wahlgesetze, notwendige Schritte wie die Registrierung politischer Parteien sowie Möglichkeiten für eine Unterstützung der Wahl durch die UN erörtern.
  • Das britische Verteidigungsministerium hat angeblich versucht, ein Papier zu vernichten, das mit der Kelly-Affäre zu tun hatte. Der "Daily Telegraph" berichtete am 2. August, das Ministerium habe drei Tage nach dem Tod des Waffenexperten David Kelly einen "Medienplan" verschwinden lassen wollen. Sicherheitskräfte hätten die Polizei informiert, nachdem sie ein Dokument zur Kelly-Affäre in einem Müllsack für Geheimmaterial gefunden hätten. Der Sack habe verbrannt werden sollen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der Zeitung, das Papier sei unwichtig gewesen. Die Sicherheitskräfte hätten "überreagiert".
  • Die US-Armee untersucht die rätselhafte Häufung von Lungenentzündungen bei Soldaten, die in Irak und der Golfregion stationiert sind. Ein Medizinerteam sei in das US-Militärkrankenhaus Landstuhl geschickt worden, wo ein Großteil der Erkrankten behandelt werde, teilte ein Armeesprecher am 2. August in Washington mit. Das zweite Team werde in Irak mit Ärzten in Feldlagern sprechen sowie Boden-, Luft- und Wasserproben entnehmen. Seit März zogen sich bislang etwa hundert in der Golfregion stationierte Soldaten eine schwere Lungenentzündung zu. Zwei starben, in 15 Fällen mussten die Erkrankten an Beatmungsgeräte angeschlossen werden. Nach bisherigen Erkenntnissen lässt sich die Häufung der Erkrankungen bei den Irakkrieg-Soldaten nicht mit einer lokalen Epidemie erklären. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die Erkrankten zuvor mit giftigen Substanzen aus Chemie- oder Biowaffen in Berührung gekommen waren. Eine Erklärung könnte dagegen das sogenannte Golfkriegssyndrom liefern, unter dem mehr als hunderttausend Veteranen des ersten Irakkriegs 1991 bis heute leiden: Dieses umschreibt eine ganze Reihe unerklärlicher gesundheitlicher Probleme wie Kopfschmerzen, Hautausschläge, Atembeschwerden, Schlafstörungen - aber auch Krebserkrankungen und Geburtsschäden bei Kindern von Veteranen.
  • Auf eine US-Patrouille ist am 2. August in der Bagdader Innenstadt ein Anschlag verübt worden. Augenzeugen berichteten von der Explosion mehrerer Sprengsätze unmittelbar neben gepanzerten Armeefahrzeugen. Mehrere Soldaten sind verletzt worden. Der n-tv-Reporter Georg von Ehren entging dem Anschlag nur knapp. Er war an den Sprengsätzen vorbeigefahren, die unmittelbar danach explodierten und sein Auto beschädigten.
  • Die US-Armee in Irak hat nach eigenen Angaben einen Anführer der Fedajin-Milizen festgenommen. Das ranghohe Mitglied der einstigen Elitetruppe von Saddam Hussein sei am Abend des 31. Juli in Tikrit, der Heimatstadt des Ex-Präsidenten, gefasst worden, teilte ein Armeesprecher am 2. August mit. Die Festnahme sei "sehr wichtig" für den Kampf der US-Armee, den anti-amerikanischen Widerstand in Irak zu brechen, fügte der Sprecher hinzu. Zuvor waren nach US-Militärangaben zwei weitere "enge Mitarbeiter" von Saddam Hussein in Tikrit gefasst worden. Allein in der vergangenen Woche nahm die US-Armee rund 700 Menschen in Irak fest.
  • Am 2. August gab das US-Militär folgendes bekannt: Ein im Irak stationierter US-Soldat ist nach Angaben des UN-Militärkommandos durch einen Freudenschusses eines Irakers gestorben. Der Vorfall habe sich bereits am 30. Juli ereignet. Der Soldat wurde verletzt und starb am 1. August im Krankenhaus.
  • Einen "neuen Schlag für die Glaubwürdigkeit der Regierung" nannte der "Observer" am 3. August die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt von Sir Richard Dearlove vom Chefposten des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. Dearlove wolle - angeblich aus Verärgerung über die Irak-Politik Tony Blairs - nächstes Jahr seinen Dienst quittieren. Ein Regierungssprecher dementierte - allerdings nicht den Rücktritt, sondern das Motiv. Der Rücktritt habe nichts mit dem Irak zu tun, sondern sei "regulär".
  • Der von den USA eingesetzte provisorische Regierende Rat forderte am 3. August, die US-Armee solle dem Gremium die Verantwortung für die Sicherheit im Irak übertragen.
  • Nach der Beisetzung der beiden Söhne Saddam Husseins bei Tikrit am 2. August kam es am Wochenende (2./3. August) wieder zu Anschlägen auf US-Truppen sowie zu großangelegten Razzien der Besatzungsmacht gegen mutmaßliche Saddam-Getreue. Am 3. August wurden 26 Iraker verhaftet, darunter sollen sich zwei Funktionäre der Baath-Partei befunden haben, die an der Planung von Anschlägen beteiligt gewesen sein sollen.
    In Halabdscha verhafteten US-Truppen den Chef der Kurdischen Islamischen Bewegung, Ali Abdel Asis sowie 14 weitere Mitglieder dieser Bewegung, darunter auch Mullah Omar, den Bruder Alis. Ali Abdel Asis ist allerdings ein Gegner Saddams.
  • Am 3. August verlautete aus dem Weißen Haus, dass die USA keine weitere Irak-Resolution haben möchte. Präsidialamtssprecher Scott McClellan sagte, eine Resolution sei unnötig. Die bestehenden Resolutionen (vor allem die Res. 1483) reichten aus, um auch weitere Länder am "Wiederaufbau" des Irak zu beteiligen und die "Stabilisierung im Irak zu unterstützen". Mit den Staaten, die ein weiteres UN-Mandat wünschten, gebe es aber erste Gespräche.
  • Einer am 4. August veröffentlichten Umfrage zufolge vertrauen 59 Prozent der Briten eher dem Sender BBC und nur 41 Prozent dem britischen Premier Tony Blair, wenn es um die irakischen Massenvernichtungswaffen geht. Dies ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Mori, das im Auftrag der Financial Times 982 Briten befragt hatte.
  • Schwedische Rüstungsexperten, die sich im Juni mit einem monagessischen Fernsehteam im Irak aufhielten, behaupteten am 4. August in Stockholm, sie seien dabei auf Hinweise gestoßen, wonach die irakische Regierung noch im vergangenen Jahr ein Programm zur Herstellung von biologischen und chemischen Waffen betrieben habe. Unklar sei aber, ob das Regime tatsächlich Waffen hergestellt habe, teilte der Leiter der Expedition, Aake Sellström von der "Behörde für Verteidigungsforschung" mit. Die schwedische Verteidi gungsministerin Leni Björklund kritisierte die Erklärung und betonte, Sellströms Reise sei von der Regierung nicht genehmigt gewesen.
  • Inzwischen soll sich der provisorische Regierungsrat in Irak über die Besetzung von zwölf der insgesamt 25 Ministerposten geeinigt haben. Nach Angaben der irakischen Zeitung Al-Shiraa vom 5. August soll Adib el Dschadradschi von der Partei der Unabhängigen Demokraten Iraks erster Außenminister der Ära nach dem Sturz von Saddam Hussein werden. Dem Innenministerium werde künftig ein Vertreter der schiitischen Dawa-Partei vorstehen. Die zweite wichtige Schiitenpartei, der Hohe Rat für die Islamische Revolution in Irak, soll das Erziehungs- und Bildungsministerium erhalten.
  • Die Arabische Liga erkennt den von den USA eingesetzten irakischen Verwaltungsrat nicht als legitime Vertretung des Landes an. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, teilte nach dem Treffen eines Außenminister-Komitees der Liga am 5. August in Kairo mit: "Der Rat ist ein Anfang, aber er sollte den Weg ebnen für eine legitime Regierung, die anerkannt werden kann." Der Sitz Iraks bei der Arabischen Liga bleibt damit vorerst vakant. Viele arabische Staaten begrüßten die Bildung des Verwaltungsrats zwar als Fortschritt, betrachten ihn aber nicht als legitime Regierung, weil er nicht vom Volk gewählt wurde. Die Vertreter der zwölf in Kairo versammelten Staaten bilden ein Komitee, das von der Arabischen Liga mit der Beobachtung der Entwicklungen in Irak und in Israel beauftragt worden war. Das Komitee sollte auch erörtern, ob sich die arabischen Staaten an einer internationalen Friedenstruppe für Irak beteiligen sollten. Viele Mitglieder der Liga lehnen eine Entsendung von Truppen ohne Mandat der Vereinten Nationen ab.
  • Bei einem Anschlag in Irak wurde am 5. August ein Mitarbeiter der US-Firma Kellogg Brown & Root durch einen Sprengsatz getötet, der unter seinem Wagen detonierte. Nach Armeeangaben fuhr der Mann in einem Konvoi, der aus dem 190 Kilometer südlich gelegenen Bagdad kam. Kellogg Brown & Root ist eine Tochterfirma von Halliburton, der Ex-Firma von US-Vizepräsident Richard Cheney.
  • In der Affäre um den Freitod des früheren UN-Inspekteurs David Kelly geriet die britische Regierung von Tony Blair erneut unter Druck. Der Sprecher von Premier Tony Blair, Tom Kelly, gab am 5. August zu, David Kelly als wichtigtuerischen Fantasten dargestellt zu haben. Er entschuldigte sich "vorbehaltlos" für seine Äußerung bei der Witwe Kellys. Dies tat im Namen der Regierung auch der stellvertretende Premierminister John Prescott.
  • Kritik am von den USA eingesetzten irakischen "Regierungsrat" übte am 6. August eine der wichtigsten schiitischen Organisationen des Landes, der "Hohe Rat für die Befreiung des Iraks (Sciri). Der "Regierungsrat" sei nur eine "Scheinvertretung, an die wir nicht glauben", sagte Sciri-Präsident Mahdi al Awadi. Er sprach sich für die Gründung einer "unabhängigen islamischen demokratischen Republik" aus, die nicht dem Muster des Iran folgen sollte.
  • Am 6. August erschossen US-Besatzungstruppen bei Razzien gegen mutmaßliche Anhänger Saddam Husseins einen "Angreifer" (dpa); 16 Personen wurden gefangen genommen. - Al Dschasira berichtete außerdem, ein Iraker sei in Bagdad ums Leben gekommen, als er in der Nähe von US-Soldaten einen Sprengsatz habe zünden wollen. Ein weiterer Iraker starb, als unter mysteriösen Umständen ein Lastwagen vor einem Chemikalien-Geschäft explodierte.
  • Am Abend des 6. August sind bei einem Gefecht zwischen US-Besatzungseinheiten und irakischen Aufständischen nach US-Angaben zwei US-Soldaten getötet und ein weiterer verletzt worden.
  • Bei der Explosion einer Autobombe vor der jordanischen Botschaft in Bagdad sind am 7. August nach US-Angaben mindestens acht Menschen getötet und 50 verletzt worden, nach irakischen Angaben sind mindestens 11 Tote zu beklagen. (Einen Tag später erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf 13.) Der Sprengsatz war offenbar in einem Kleinbus versteckt und per Fernsteuerung gezündet worden. Über die Motive der Täter herrscht Unklarheit. Einerseits hatte Jordanien den Krieg der USA gegen Irak indirekt unterstützt, andererseits hatte die Regierung in Amman vor wenigen Tagen zwei Töchtern sowie Enkelkindern von Saddam Hussein Asyl gewährt. Laut Frankfurter Rundschau (08.08.2003) sagte ein Iraker am Ort des Geschehens: "Wir wollen nicht, dass Saddams Angehörige in Jordanien sind, und jetzt zahlen sie (die Jordanier) den Preis dafür.
  • Am 7. August wurde in Bagdad ein US-Soldat auf seinem Wachtposten erschossen.
    Bei der Explosion eines Sprengsatzes bei El Amarija (60 km westlich von Bagdad) wurden mindestens drei US-Soldaten verletzt.
  • Nun gibt es doch wieder Bewegung in Sachen neuer UN-Resolution. Nach russischen Angaben seien sich Russland und die USA weitgehend über eine neue Irak-Resolution einig. Dies sagte der stellvertretende Außenminister Juri Fedotow nach seinem Treffen mit seinem US-Kollegen William Burns in Moskau am 7. August. Burns gab keinen Kommentar dazu ab.
  • Die amerikanische Zeitung San Diego Union-Tribune berichtete am 7. August davon, dass die USA im Irakkrieg Bomben eingesetzt hat, die in ihrer Wirkung den international geächteten Napalm-Bomben vergleichbar sind und schwerste Verbrennungen verursachen. Dies hätten US-Kommandanten gegenüber der Zeitung bestätigt. Der Verdacht, dass die USA Napalm-Bomben abgeworfen hätten, war schon während des Krieges von truppenbegleitenden Journalisten geäußert worden. Dies war vom US-Militär allerdings prompt dementiert worden. Die letzten Napalm-Vorräte, so hieß es im Pentagon, seien 2001 vernichtet worden. Daniel Herrmann berichtet am 8. August in der Frankfurter Rundschau, dass dies durchaus zutreffe. Was während des Irakkrieges abgeworfen wurde, seien "Feuerbomben" vom Typ "MK77". Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Napalm-Bombe, die lediglich einen geringfügig anderen Sprengstoffmix enthalte. Napalm enthält 21 Prozent Benzol, 33 Prozent handelsübliches Benzin und 46 Prozent Polystyrene. Bei der MK77 wurde das Benzin durch Flugbenzin ersetzt. Die US-Organisation "FAS Military Analysis Network" bezeichnet die MK77 im Internet schlicht als Napalm-Bombe.
  • Amerikanische Scharfschützen haben bei einer Razzia in Tikrit am 8. August drei mutmaßliche irakische Waffenhändler erschossen. Ein vierter sei verletzt geflohen. Die vier Männer hätten auf einem Markt damit begonnen, Dinge aus einem Auto auszuladen, die wie Waffen und Sprengstoff ausgesehen hätten, als die US-Soldaten das Feuer eröffneten. "Wenn sich Menschen Waffen zulegen und offen tragen, werden sie zu Kämpfern, und wir werden einschreiten", sagte ein Sprecher des US-Militärs. (Anmerkung des Chronisten: Dies gilt selbstverständlich nicht für die USA selbst, siehe Michael Moores "Bowling for Colombine".) "Ich denke, wir haben heute eine starke Botschaft ausgesendet", fügte der US-Sprecher hinzu.
  • In einem Interview in der New York Times vom 9. August sagte US-Verwalter Bremer, Hunderte von Kämpfern der extremistischen Gruppe Ansar al Islam seien in den Irak zurückgekehrt und planten Terroranschläge. Die Gruppe verfüge angeblich über Verbindungen zu Al Qaida.
  • Am 9. August gab ein US-Militärsprecher bekannt, dass US-Truppen am Vortag den Ex-Innenminister Mahmud Dhiyab al Ahmad gefasst hätten. Mit dieser Festnahme wurden bereits 37 der 55 meistgesuchten Iraker gefangen genommen oder getötet.
  • Am 9.August zog US-Präsident Bush eine positive Bilanz der ersten hundert Nachkriegstage. Er sprach von stetigen Fortschritten im Irak: "Wir halten unser Wort an das irakische Volk, indem wir helfen, ihr Land zu einem Muster für Demokratie und Wohlstand in der Region zu machen", sagte er. Es liege aber noch "schwierige und gefährliche Arbeit vor uns, die Zeit und Geduld erfordern", fügte er hinzu.
  • Die New York Times berichtete am 9. August, die meisten Experten des Pentagon-Geheimdienstes seien zu dem Schluss gekommen, dass die beiden im Irak entdeckten Lastwagenanhänger, die Bush als mobile Biowaffenlabors bezeichnet hatte, harmlos seien. Wahrscheinlich seien die Anhänger dazu benutzt worden, Wetterballons mit Wasserstoff aufzublasen. Genau das hatten irakische und andere Wissenschaftler schon immer behauptet.
  • Treibstoffknappheit führte am Wochenende 9./10. August zu zahlreichen Unruhen in verschiedenen Landesteilen. Die Versorgungsengpässe führten z.B. in Basra zu Stromausfällen, was die Kühlschränke und Klimaanlagen lahm legte - und das bei Hitzen von rund 50 Grad. Vor Tankstellen bildeten sich Schlangen. Hunderte Iraker randalierten am 9. August und zündeten Autoreifen an. Vier Iraker und drei britische Soldaten erlitten Verletzungen.
    Am 10. August soll bei erneuten Ausschreitungen in Basra ein Demonstrant von britischen Streitkräften erschossen worden sein.
  • Die Hitze fordert auch ihren Tribut bei den Besatzungssoldaten. Am 9.August starb ei n US-Soldat während eines Konvois nördlich von Diwiniya. Der Mann habe die Hitze nicht vertragen, hieß es. Ein zweiter Soldat sei in seinem Quartier tot aufgefunden worden; die Todesursache war noch unklar.
  • In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ließ der deutsche Verteidigungsminister, der ohnehin schon das Afghanistan-Engagement der Bundeswehr ausweiten will (siehe Afghnistan-Chronik vom 7. und 9. August), verlauten, dass bei Vorlage eines UN-Mandats Deutschland keinen Grund habe, sich einem Irak-Einsatz der NATO zu widersetzen. Ob die Bundeswehr mitmachen solle, sei aber derzeit eine "theoretische Frage". Bei entsprechenden NATO-Beschlüssen könne es aber sein, "dass wir gefragt werden", räumte er ein.
  • Reuters berichtet am 10. August, dass oppositionelle islamistische Organisationen in Pakistan die Entsendung von Truppen in den Irak durch eine "Fatwa", eine Art religiöses Edikt, unterbinden wollen. Präsident Musharraf hatte ein militärisches Engagement bei Vorlage einer UN-Resolution grundsätzlich zugesagt. Aus Sicht des Religionsgelehrten sei eine Truppenentsendung in den Irak, wo sie unter US-Oberbefehl tätig würden, "unislamisch".
11. bis 17. August
  • Offenbar will die Bundesregierung die Äußerungen von Verteidigungsminister Peter Struck herunterspielen. Am 11. August sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg, an der deutschen Haltung, sich nicht militärisch im Irak zu engagieren, habe sich nichts geändert. Es gebe auch "nichts zu entscheiden". Es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass die USA eine Verantwortungsübernahme der UN für Irak zulassen würden. SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen sagte, es sei "unvernünftig" über einen Einsatz nachzudenken, bei dem die Bundeswehr "aktiver Sicherheitsfaktor" für ein Besatzungsregime wäre. Die FDP begrüßte die Klarstellung der Bundesregierung. CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble warnte indessen vor einem kompromisslosen "Nein", weil dadurch jeder Einfluss auf die Entwicklung im Land aufgegeben würde. Und die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer kann sich offenbar einen Irak-Einsatz vorstellen. Er müsse aber unter der Federführung der UN stehen und "losgelöst sein vom Besatzerstatus, den die USA und die Briten derzeit wahrnehmen".
  • In der Nacht zum 11. August sind in der Nähe der britischen Botschaft in Bagdad zwei Sprengsätze detoniert. Dabei wurde ein Lastwagenfahrer verletzt, der Dokumente zur britischen Botschaft bringen sollte.
    In der nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Bakuba wurden bei einem Sprengstoffanschlag ein US-Soldat getötet und zwei weitere verletzt.
    Nach einem Bericht des Fernsehsenders Al Dschasira vom 11. August, habe ein US-Soldat aus Versehen zwei irakische Polizisten erschossen. Er habe sie für Gegner des Besatzungsregimes gehalten.
    Al Dschasira meldete außerdem, am 11. August seien US-Soldaten am zentralen Tahrir-Platz mit Handgranaten angegriffen worden. Nach Augenzeugenberichten seien mehrere Soldaten und irakische Zivilisten verletzt worden.
  • In der Stadt Nasirija forderten am 11. August etwa 3.000 Demonstranten den Rücktritt des von den USA eingesetzten Gemeinderats. Er vertrete nicht die Einwohner. Aufgerufen zu der Demonstration hatten islamische Parteien.
  • Nach den Protesten vom Wochenende stellten die britischen Truppen am 11. August in Teilen von Basra die Stromversorgung wieder her. Ein Sprecher der Alliierten erklärte, die Lage in der Stadt sei wieder ruhig.

"Verstoß gegen das Embargo"
Zur Erinnerung: Vor dem Irakkrieg sind etwa 300 Friedensaktivistinnen und -aktivisten, darunter rund 20 US-Bürger/innen, in den Irak gereist, um gegen den drohenden Krieg zu protestieren. Die als sog. "menschliche Schutzschilde" vor dem Irakkrieg in den Irak gereisten US-Bürger sind nun nach einem Zeitungsbericht vom US-Finanzministerium zu einer Zahlung von jeweils 10.000 Dollar aufgefordert worden. Die Sarasota Herald Tribune zitierte die 62-jährige Faith Fippinger, der diese Summe als außergerichtlicher Vergleich angetragen worden war. Das Vergehen: Verletzung von US-Sanktionen. Bei einem Prozess drohe ihr im Fall einer Verurteilung wegen der Verletzung des Reiseverbots laut Ministerium eine Geldstrafe in Höhe von einer Mio. Dollar. Fippinger sagte, sie werde das Geld nicht bezahlen. In ihrem Antwortschreiben an das Ministerium berief sie sich auf ihr Recht auf Bewegungsfreiheit und ihre "Sorge um das Leben auf Erden". (Süddeutsche Zeitung, 13. August 2003)
Man darf gespannt sein, wie der Rechtsstreit ausgeht. Dem US-Finanzministerium wäre in jedem Fall zu empfehlen, die Klage auch gegen rund 200.000 US-Soldaten bzw. deren Oberbefehlshaber Donald Rumsfeld zu erheben. Sie haben mit ihrer "Reise" nach Irak mindestens genauso eindeutig gegen das Embargo verstoßen wie die Reisenden in Sachen Frieden. Legt man die außergerichtlich geforderten 10.000 Dollar pro Soldat zugrunde, würde diese Maßnahme zwei Milliarden Dollar in die Kasse des Finanzministeriums spülen.
Pst
  • Der BBC-Journalist Andrew Gilligan hat am 12. August vor dem Untersuchungsausschuss den Kommunikationschef der britischen Regierung, Alastair Campbell, beschuldigt, das Geheimdienstdossier über Iraks Massenvernichtungswaffen vor allem um die Passage verschärft zu haben, Irak sei in der Lage, innerhalb von 45 Minuten ABC-Waffen abschussreif zu machen. - Einen Tag später sagte die BBC-Reporterin Susan Watts aus. Sie widersprach der Darstellung ihres Kollegen Gilligan. Außerdem warf sie der BBC vor, sie bedrängt zu haben, ihre eigenen Berichte in Übereinstimmung mit anders lautenden Aussagen von Andrew Gilligan zu bringen.
  • Der frühere Kommandeur der KFOR-Truppen im Kosovo, Ex-General Klaus Reinhardt, erwartet für den Fall einer UN-Resolution auch eine Beteiligung der Bundeswehr. Die Bundeswehr verfüge über "Leute, die im Peacekeeping erfahren sind, wir haben das über Jahre bewiesen", sagte er am 12. August im Deutschlandfunk. Auch SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose hält ein Irak-Engagement für möglich. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, plädiert stattdessen für eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes.
  • Am 13. August haben die USA eine Resolution im UN-Sicherheitsrat eingebracht, durch die der irakische "Regierungsrat" anerkannt werden und die in Irak tätige UN-Beistandsmission ein formelles Mandat erhalten soll. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder hätten sich zuvor zu vertraulichen Gesprächen getroffen. Eine Einigung auf den Text der Resolution schien greifbar nahe zu sein. Aus Berlin verlautete, eine evtl. Zustimmung des Sicherheitsrats zum von den USA eingesetzten "Regierungsrat" interpretiere die Bundesregierung nicht als formelle Anerkennung, die den Krieg nachträglich legitimieren würde.
    Am 13. August schaltete sich Bundeskanzler Schröder in die Diskussion um ein stärkeres Engagement in Afghanistan und in Irak ein. Er ließ durchblicken, dass er für die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan über Kabul hinaus ist ("politisch richtig"), während nicht gleichzeitig Bundeswehr im Irak stationiert werden könne. Die Stationierung von NATO-Truppen im Irak sei heute eine "spekulative" Frage.
  • Nach türkischen Medienberichten vom 13. August ist die türkische Regierung bereit, auch ohne UN-Mandat 10.000 Soldaten nach Irak zu schicken.
  • Bei Razzien in Tikrit haben US-Streitkräfte am 13. August weitere "ranghohe" Vertraute von Saddam Hussein gefangen genommen.
  • Bei Anschlägen in der Nähe von Tikrit sind am 13. August zwei US-Soldaten getötet worden.
  • Am 14. August hat der UN-Sicherheitsrat eine von den USA eingebrachte knappe Resolution ("das Resolutiönchen", Süddeutsche Zeitung vom 16.08.03) mit 14 Stimmen bei einer Enthaltung Syriens verabschiedet. Darin heißt es, dass der Sicherheitsrat die Einrichtung des "weitgehend repräsentativen Regierungsrates als einen wichtigen Schritt für die Bildung einer international anerkannten repräsentativen Regierung durch die irakische Bevölkerung begrüßt". Ursprünglich sollte der Sicherheitsrat den "Regierungsrat" gutheißen, diese Formulierung ist aber auf den Widerstand einiger Mitglieder gestoßen, sodass der Begriff in "begrüßen" abgemildert wurde. Die Resolution 1500 (2003) sieht auch eine UN-Mission (Unami) vor, deren Mandat auf ein Jahr begrenzt wird. Den Plänen Kofi Annans zufolge soll die Mission aus rund 300 Mitarbeitern bestehen und im wesentlichen die humanitäre Hilfe im Land koordinieren. Ein stärkeres Mandat mit mehr Befugnissen, wie es Frankreich, Indien und Deutschland gewünscht hatten, ist in der neuen Resolution nicht vorgesehen. Die USA sind weiter der Auffassung, dass der Wiederaufbau Iraks unter angloamerikanischer Regie erfolgen solle. Russlands Außenminister Juri Fedotow begrüßte die Resolution und sagte die Entsendung von "Fachleuten" für die Unami zu.
  • Bei einem Bombenanschlag auf einen Rettungswagen im Süden Iraks ist am 14. August ein britischer Soldat getötet worden; zwei Soldaten wurden verletzt. Die Bombe war in einer Straßenlampe verborgen.
  • Die US-Streitkräfte begannen am 15. August in Tikrit mit der Ausbildung irakischer Rekruten. Sie sollen das Fundament einer neuen Landesverteidigung bilden. Etwa 50 von Stammesführern ausgewählte junge Männer sollen sich einem dreiwöchigen Lehrgang unterziehen.
  • Im Bagdader Schiitenvierten Sadr City demonstrierten am 15. August (Freitag) mehr als 10.000 Gläubige gegen die US-Besatzungsarmee. Anhänger des Schiitenführers Muktada Sadr hatten zuvor in Flugblättern zu einem öffentlichen Freitagsgebet aufgerufen, um den "Angriff der amerikanischen Soldaten" auf den Islam zu verurteilen. Zwei Tage zuvor hatten US-Soldaten eine Schiitenfahne von einem Fernsehturm entfernt, worauf es zu Protesten und Ausschreitungen gekommen war. Die US-Armee hatte sich daraufhin für den Vorfall entschuldigt und hatte behauptet, die Fahne sei versehentlich (!?) durch den Helikopter heruntergerissen worden.
  • Am Morgen des 15. August ist rund 20 km nördlich von Bedschi (200 km nördlich von Bagdad) ein Anschlag auf eine wichtige Ölpipeline verübt worden. Ein zweiter Sprengstoffanschlag folgte am 16. August. Der erst vor wenigen Tagen wieder aufgenommene Ölexport über die Türkei ist damit erneut lahmgelegt worden. Paul Bremer bezifferte die Kosten der Schließung der Pipeline auf sieben Mio. Dollar (6,21 Mio. Euro) täglich. Der Brand konnte erst am 17. August gelöscht werden.
  • Bei einer Schießerei mit Plünderern ist am 16. August im Südirak erstmals ein dänischer Soldat getötet worden. Der Soldat habe mit seiner Patrouille versucht, acht Iraker am Diebstahl von Kupfer-Stromkabeln zu hindern. Bei dem Feuergefecht sind zwei Iraker und der Däne ums Leben gekommen.
  • Ein US-Soldat wurde am 16. August bei einem Granatangriff auf eine US-Patrouille in Bakuba nordöstlich von Bagdad verwundet; zwei weitere wurden in Bagdad angeschossen.
  • Am Morgen des 17. August wurde ein Anschlag auf eine der wichtigsten Wasserleitungen in Bagdad verübt. Mehr als 100.000 Einwohner Bagdads waren daraufhin ohne Wasser. Nach Augenzeugen bildete sich ein großer See, in dem Kinder wegen der Hitze badeten.
  • Am 17. August meldete das US-Militär einen Anschlag mit Granaten auf ein Bagdader Gefängnis. Drei irakische Häftlinge sollen unmittelbar bei dem Beschuss getötet worden sein, drei weitere starben im Krankenhaus, 59 wurden verletzt. Dabei wurde auch, wie erst später gemeldet wurde, ein Kameramann der britischen Nachrichtenagentur Reuters tödlich getroffen. Der 41-jährige Mazen Dana hatte den Sturm auf das Gefängnis gefilmt. US-Soldaten hätten ihn für einen irakischen Guerillakämpfer und seine Kamera für einen Raketenwerfer gehalten, erklärte am 18. August ein Sprecher des US-Militärs den "tragischen und extrem bedauerlichen" Vorfall. Danas Fahrer sagte dagegen, die Soldaten hätten gewusst, dass "wir Journalisten waren".
18. bis 24. August
  • Bei einer Explosion in einem Munitionslager sind am 18. August zwölf Iraker getötet worden. Die Iraker seien im Morgengrauen in das Lager in Tikrit eingedrungen, um dort Waffen und Munition zu plündern. Noch Stunden danach stand das Lager in Flammen. Die US-Armee hat den Bereich zum militärischen Sperrgebiet erklärt.
  • Am 18. August wurde in der nordirakischen Stadt Mosul der frühere irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan von kurdischen Verbündeten der USA festgenommen und den US-Streitkräften übergeben. Ramadan galt als rechte Hand Saddams. Auf der Fahndungsliste der USA stand er auf Platz 20 (von 55 meistgesuchten Personen).
  • Der Kommunikationsberater des britischen Premiers Blair, Alastair Campbell, bestritt bei seiner Vernehmung durch den Ermittlungsrichter Brian Hutton in London am 19. August, das Dossier über irakische Massenvernichtungswaffen manipuliert zu haben. Er habe nichts hinzugefügt und nichts herausgestrichen.
  • Bei einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Vereinten Nationen in Bagdad sind am 19. August der UN-Sonderbeauftragte Sergio Vieira de Mello und mindestens 15 weitere Menschen getötet worden. Die Bombe befand sich offenbar auf einem Lastwagen, der von einem Selbstmordattentäter gefahren wurde. In dem Gebäude arbeiteten rund 300 UN-Mitarbeiter. - Der UN-Sicherheitsrat trat unmittelbar nach dem Anschlag zu einer Sitzung zusammen und verurteilte das Verbrechen auf das Schärfste (vgl. die Stellungnahmen von Kofi Annan und vom Sicherheitsrats-Präsidenten). US-Präsident Bush bezeichnete die Attentäter als "Feinde der zivilisierten Welt". Die Tat offenbare, wie verzweifelt die Anhänger des gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein seien.
  • Amnesty international kritisierte am 19. August den Antiterrorkampf der USA wegen zahlreicher massiver Menschenrechtsverstöße. Genannt wurden v.a. menschenunwürdige Haftbedingungen und folterähnliche Verhörmethoden. Ein weiterer Vorwurf lautete: "Die US-Behörden haben im Kampf gegen den Terror eine Paralleljustiz etabliert". ai dokumentierte Einzelfälle von US-Stützpunkten in Kuba (Guantánamo), Afghanistan und Irak.
  • Die UNO wird sich nicht aus dem Irak zurückziehen, sondern das Mandat des Sicherheitsrats "weiter ausführen", erklärte Generalsekretär Kofi Annan am 20. August in Stockholm. Gleichzeitig sprach er sich für eine Erweiterung des UN-Mandats aus. Eine Aufwertung der Vereinten Nationen im Irak schloss auch der britische Außenminister Jack Straw gegenüber dem BBC nicht aus. Er räumte ein, dass die USA und Großbritannien ein solches "Sicherheitsvakuum", wie es sich nun darstellt, nicht erwartet hätten.
    Die Bundesregierung lehnt indessen eine militärische Beteiligung im Irak weiter ab. Diese Frage stelle sich nicht, sagte Außenamtssprecher Walter Lindner am 20. August in Berlin.
    Die Zahl der Todesopfer bei dem Anschlag auf das UN-Quartier in Bagdad stieg inzwischen auf mehr als 20. 100 Menschen sind verletzt worden. Gleichzeitig wurde berichtet, dass die Attentatspläne schon fünf Tage vor dem Anschlag bekannt gewesen sein sollen.
  • Der palästinensische Jornalist und Kameramann Mazen Dana, der am 17. August von US-Soldaten erschossen worden war, wurde am 20. August in seiner Heimatstadt Hebron unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.
  • Nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan äußerte US-Außenminister Colin Powell am 21. August die Absicht, eine neue Irak-Resolution im Sicherheitsrat verabschieden zu lassen, die eine breitere militärische Unterstützung der Besatzungstruppen ermögliche. Zusätzliche Truppen müssten aber unter US-Kommando stehen, machte er deutlich.
  • Am 21. August bestätigten das US-Zentralkommando die Festnahme des als "Chemie-Ali" bekannt gewordenen irakischen Politikers Ali Hassan al-Majid. Er wurde auf der Fahndungsliste als Nr. 5 geführt. Majid soll u.a. für die Giftgasangriffe gegen Kurden 1988 in Nordirak verantwortlich gewesen sein. Kurz nach dem Einmarsch der US-Truppen in Bagdad hatten die USA bereits Alis Tod gemeldet.
  • Trotz der Ankündigung Kofi Annans, dass die UNO in Bagdad bleiben werde, wurden am 21. August Teile ihres Personals evakuiert. So hatten die Weltbank und der IWF als erste beschlossen 19 Vertreter aus Bagdad abzuziehen. Sechs kleinere Charterflugzeuge sollen in den nächsten Tagen Personen und Material der UN ausfliegen. Aus UN-Kreisen verlautet aber, es handle sich dabei nicht um einen Abzug. Es würden lediglich Beamte, deren Verträge ausliefen, oder Verletzte ausgeflogen.
  • Am 22. August kamen zwei US-Soldaten bei Gefechten im Irak ums Leben.
  • Im südirakischen Basra wurden am 23. August drei britische Soldaten getötet. Bei dem Angriff wurde ein weiterer Soldat schwer verletzt, wie ein Armeesprecher mitteilte. Einem Augenzeugen zufolge waren die britischen Soldaten am frühen Morgen in ihrem Fahrzeug aus einem Kleinwagen heraus beschossen worden.
  • Bei gewalttätigen Protesten von schiitischen Turkmenen in der nordirakischen Stadt Kirkuk wurden am 23. August drei Demonstranten von irakischen Polizisten getötet. Soldaten der US-geführten Besatzungsmacht hatten zuvor versucht, die Demonstation von etwa 200 Bewaffneten aufzulösen. Die drei Demonstranten seien von der irakischen Polizei erschossen worden, nachdem sie das Feuer auf einen Polizeiposten eröffnet hätten, teilte der Gouverneur der Stadt mit. US-Soldaten hätten zuvor versucht, die Kundgebung aufzulösen, als sich die Demonstranten in Richtung des Rathauses der Stadt bewegten, teilte ein Beamter mit. Drei Turkmenen, darunter zwei Polizisten, seien festgenommen worden. Mehrere Fahrzeuge seien in Brand gesetzt worden, darunter ein Polizeiauto.
  • Bei einem Großeinsatz am 23. August nahm die irakische Polizei mehrere Ex-Angehörige des Sicherheitsapparats von Saddam Hussein fest. Bei Hausdurchsuchungen im Bagdader Stadtviertel El Amirijah seien zwei ehemalige Geheimdienstoffiziere, ein Kämpfer der früheren irakischen Elite-Einheit Fedajin und sieben weitere Verdächtige festgenommen worden, sagte Polizeichef Ahmed Ibrahim in Bagdad.
  • Vier Tage nach dem Bombenanschlag auf ihr Hauptquartier nahmen Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Bagdad am 23. August ihre Arbeit wieder auf. Die UN-Mitarbeiter traten ihren Dienst am früheren UN-Hauptquartier in Bagdad, dem Canal-Hotel, unter dem Schutz von US-Soldaten an. Von den einst 500 UN-Mitarbeitern sollen künftig vorerst nur noch 200 in der irakischen Hauptstadt tätig sein. Der neue UN-Sondergesandte in Irak, Ramiro Lopes da Silva, warnte vor weiteren Anschlägen. Ein Anschlag wie der am vergangenen Dienstag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad könne sich jederzeit und an jedem Ort wiederholen, sagte da Silva in Bagdad.
  • Nach einem Bericht vom 24. August wurde der Ex-General Subhi Kamal Ersejek in der Stadt Hit nordwestlich von Bagdad in Gewahrsam genommen. Dort hätten ihn US-Soldaten im Haus eines Freundes aufgespürt, wo er sich vor den Besatzungstruppen versteckt gehalten hatte. Der Ex-General sei Chef der Sondereinheit "El-Kuds-Brigaden" in der südirakischen Stadt Nadschaf gewesen.
  • Im Kampf gegen ihre Gegner in Irak setzen die US-Streitkräfte offenbar auf Mitarbeiter der früheren irakischen Geheimdienste. Die US-Behörden hätten Angehörige des früheren Sicherheitsapparats von Ex-Präsident Saddam Hussein in ihren Dienst gestellt, berichtete die "Washington Post" am 24. August unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. Die Zahl der angeheuerten Ex-Geheimdienstler sei nicht bekannt, sie könne in die Hunderte gehen, berichtete die "Washington Post" weiter. "Terrorismus kann nur mit Geheimdiensttätigkeiten bekämpft werden", zitierte die Zeitung einen Beamten. "Ohne irakischen Einsatz wird das nicht funktionieren." - Die US-Truppen leiteten zudem einen Strategiewechsel im Kampf gegen den bewaffneten Widerstand ein, breichtete die "Washington Post". So solle auf große Razzien in irakischen Wohnvierteln künftig verzichtet werden, weil sie den Unmut der Zivilbevölkerung erhöhten.
  • Einer der prominentesten Schiitenführer wurde am 24. August in Nadschaf südlich von Bagdad Ziel eines Bombenanschlags, bei dem drei seiner Wachleute getötet wurden. Für den Anschlag auf den Schiitenführer Mohammed Said el Hakim machte der irakische Verwaltungsrat "Terroristengruppen mit Verbindungen zum früheren Regime" verantwortlich. Die Bombe explodierte nach Behördenangaben kurz nach dem Mittagsgebet vor dem Haus El Hakims. Zehn Menschen, darunter auch Familienangehörige El Hakims, seien verletzt worden. Der Geistliche sei mit Schürfwunden davongekommen.
  • In einer Umfrage der "Sunday Times" (24. August) gaben 67 Prozent aller Befragten an, sich von Blair in der Irakkriegsfrage getäuscht zu fühlen. Ein Drittel aller Befragten sprachen sich für einen Rücktritt Blairs aus. Noch schlechter schneidet Verteidigungsminister Hoon ab; 52 Prozent wollen, dass er seinen Hut nimmt.
25. bis 31. August
  • Beim ersten Todesfall eines dänischen Soldaten im Irak haben dessen Kameraden offenbar nicht nur den Tod des Dänen selbst verursacht. Nach Angaben des Fernsehsenders TV2 am 25. August haben sie auch zwei unbewaffnete irakische Fischer erschossen. Die dänische Militärführung hatte seit dem Vorfall Mitte August behauptet, der 34- jährige Unteroffizier sei während eines Feuergefechtes seiner Patrouille mit Irakern durch einen Querschläger aus einer dänischen Waffe ums Leben gekommen.
  • Aus Protest gegen den Tod von acht Turkmenen in Kirkuk und den Anschlag auf Großayatollah Mohammed Said el Hakim in Nadschaf sind am 25. August mehr als 3.000 Schiiten in der irakischen Hauptstadt Bagdad auf die Straße gegangen. Mit Rufen wie "Nein zu Amerika, nein zu Saddam Hussein" zogen die Demonstranten vor den Präsidentenpalast, in dem die US-Verwaltung ihr Hauptquartier bezogen hat. (Bei Zusammenstößen mit Kurden im nördlichen Kirkuk waren am 22. und 23. August acht turkmenische Schiiten getötet worden. Nach dem Anschlag in Nadschaf, bei dem Hakim am 24. August leicht verletzt und zwei seiner Leibwächter sowie sein Fahrer getötet wurden, machten seine Anhänger die US-Streitkräfte für die mangelnde Sicherheit verantwortlich.
  • Die USA wollen nach Informationen der "New York Times" vom 25. August bis zu 28.000 Iraker in Ungarn zu Polizisten ausbilden. Die US-Behörden hätten von Ungarn die Erlaubnis erhalten, auf einem früher von der sowjetischen Armee genutzten Militärstützpunkt eine große Polizeischule zu errichten, berichtete das Blatt unter Berufung auf Bernard Kerik, einem früheren New Yorker Polizeibeamten, der gegenwärtig für das irakische Innenministerium verantwortlich ist. Auf dem Stützpunkt waren bereits irakische Freiwillige für die Zusammenarbeit mit der US-Armee ausgebildet worden.
    Die Regierung in Budapest hat nach den Worten von Außenminister Laszlo Kovacs bislang kein offizielles Abkommen mit den USA über die Ausbildung irakischer Polizisten in Ungarn geschlossen. Auf eine informelle Anfrage der USA habe seine Regierung in der Vergangenheit zwar zustimmend reagiert, sagte Kovacs am 25. August der Nachrichtenagentur AFP. "Aber seitdem haben wir kein offizielles Ersuchen erhalten." Auch wenn ein Abkommen geschlossen werden sollte, sei sicher, dass nicht alle 28.000 Polizisten in Ungarn ausgebildet werden könnten, fügte Kovacs hinzu.
  • Aus dem e-mail-Infodienst der Israelischen Botschaft vom 25. August 2003: "Ein jordanisches Unternehmen für Sicherheitsdienste, das im Irak tätig ist, hat bei der israelisch-jordanischen Handelskammer ein Angebot zur Zusammenarbeit im Kommunikationsbereich eingereicht. Seit dem Regierungssturz im Irak sind auch israelische Firmen bemüht, Zutritt zu dem Markt zu gewinnen. Vor allem im Bereich der technischen Ausstattung mit Computersystemen für die irakische Polizei und Regierungsbehörden und der medizinischen Ausrüstung für 1.200 Krankenhäuser haben sich neue Chancen eröffnet. (Globes)"
  • Bei einem Sprengstoffangriff auf einen Armeekonvoi ist am 26. August in Zentralirak ein US-Soldat getötet worden. Zwei weitere Soldaten einer Versorgungseinheit seien am Morgen bei dem Anschlag nahe Hamarija, rund hundert Kilometer westlich von Bagdad, verletzt worden, teilte das US-Zentralkommando in Bagdad mit. Die Soldaten seien in ein Armeekrankenhaus gebracht worden.
  • Die Zahl der nach dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen in Irak getöteten US-Soldaten übersteigt mittlerweile die Zahl der während des Krieges getöteten Soldaten. Dies geht aus einer am 26. August in Washington veröffentlichten Statistik des US-Verteidigungsministeriums hervor. Mit dem jüngsten Anschlag vom 26. August sich die Zahl der während der "Operation Iraqi Freedom" getöteten US-Soldaten auf insgesamt 277. 139 von ihnen wurden nach dem 1. Mai getötet, als US-Präsident George W. Bush das Ende der größeren Kampfhandlungen in Irak verkündete. Während der Invasion zur Entmachtung des irakischen Staatschefs Saddam Hussein starben 138 US-Soldaten.
  • Die US-Armee hat nördlich von Bagdad eine Großrazzia gegen mutmaßliche Terroristen und Anhänger der entmachteten irakischen Führung gestartet. An dem Militäreinsatz waren am 26. August rund 3000 Soldaten beteiligt, wie eine US-Armeesprecherin in der Hauptstadt mitteilte. In Chalis, 50 Kilometer nördlich von Bagdad, seien am Morgen 22 Verdächtige festgenommen worden. In der durchsuchten Gegend liegt auch Tikrit, die Heimatstadt des entmachteten Staatschefs Saddam Hussein. Dort sollen sich noch zahlreiche seiner Anhänger versteckt halten.
  • Eine Woche nach dem Anschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad verabschiedete der Sicherheitsrat in New York am 27. August eine Resolution zum besseren Schutz von UN-Mitarbeitern in Krisenregionen. Gemäß der einstimmig angenommenen Entschließung werden Angriffe auf UN-Personal künftig als "Kriegsverbrechen" gewertet. Auf Drängen Washingtons wurde im Resolutionstext ein Hinweis auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestrichen. Dieser wird von der US-Regierung nicht anerkannt.
  • Fast fünf Monate nach dem Sturz Saddam Husseins haben die US-Truppen eine weitere groß angelegte Militäroperation begonnen, um den irakischen Ex-Präsidenten aufzuspüren und das Netz seiner Helfer zu zerreißen. An dem Einsatz seien tausende Soldaten der in Tikrit stationierten 4. Infanteriedivision beteiligt, teilte ihr Sprecher am 27. August mit. Bei ihrer Operation "Efeu-Nadel" wollen die US-Truppen im Norden des Landes Schlupfwinkel Saddams zerstören und ihn dadurch immer mehr in die Enge treiben. "Das ist unser Ziel", sagte Major Josslyn Aberle. "Danach wird es für ihn schwieriger, sich zu verstecken, und sein Netz von Helfern wird weniger gut funktionieren", fügte sie hinzu. Bei dem Einsatz mit Panzern und Kampfhubschraubern seien bereits Dutzende Personen festgenommen worden.
  • Die US-Besatzungstruppen wurden am 27. August erneut Ziel von Angriffen: Ein US-Soldat wurde in der Stadt Falludscha getötet, ein weiterer in Bagdad. Sie starben nach Berichten von Augenzeugen bei Angriffen mit Minen und anderen Sprengsätzen auf Fahrzeugkonvois.
  • Den USA drohen die Kosten des Irak-Einsatzes davonzulaufen. Allein in die zerstörte Strom- und Wasserversorgung Iraks müsse ein zweistelliger Dollar-Milliardenbetrag investiert werden, sagte der US-Zivilverwalter Paul Bremer der "Washington Post" vom 27. August. Selbst wenn die irakische Erdölproduktion wieder auf ihr Vorkriegsniveau steige, würden die Einkünfte nicht für den Wiederaufbau reichen.
  • Wegen des Vorwurfs der Misshandlung irakischer Kriegsgefangener sind vier US-Soldaten am 27. August vor einem Militärausschuss verhört worden. Die zwei Männer und zwei Frauen vom 320. Bataillon der Militärpolizei sollen Iraker während eines Transports getreten und geschlagen haben. Die Anhörung fand im Zeltlager Bucca nahe der irakischen Hafenstadt Umm Kasr statt. Dabei soll nach Angaben von Major Vic Harris entschieden werden, ob der Fall vor ein Militärgericht gebracht werden soll. Die Beschuldigten im Alter von 21 bis 38 Jahren könnten wegen Körperverletzung und Gefangenenmisshandlung sowie wegen Verletzung der Dienstpflichten angeklagt werden. Drei von ihnen droht zudem ein Verfahren wegen falscher Aussage, wobei einer darüber hinaus den Prozess der Rechtsfindung behindert haben soll. Militärsprecher Harris betonte, dass Kriegsgefangene nach den Vorgaben der Genfer Konvention behandelt werden müssten und auch als Menschen Achtung ihrer Würde verdienten.
  • Im Irak ist erneut ein britischer Soldat getötet worden. Wie ein Militärsprecher am 28. August in Basra berichtet, wurde der Soldat aus einer Menschenmenge heraus in der südostirakischen Stadt Ali al Gharbi erschossen. Er gehörte zu einer Patrouille, die zuvor an einer Verhaftungsaktion in der Nähe teilgenommen hatte. Ein weiterer Soldat wurde verletzt. Damit stieg die Zahl der Toten auf Seiten der britischen Truppen auf 50. Erst am 23. August waren drei Militärpolizisten bei einem Anschlag in Basra getötet worden.
  • Frankreich hat seine Forderung nach einer internationalen Truppe unter UN-Mandat im Irak bekräftigt. Man dürfe die Besatzungstruppen nicht einfach nur aufstocken, sagte Außenminister Dominique de Villepin am 28. August in Paris. Präsident Jacques Chirac hatte bereits vergangene Woche nach dem Anschlag auf das UN- Hauptquartier mit 23 Toten in Bagdad erklärt, die politische Führung im Irak müsse nach einem festen Fahrplan an die Vereinten Nationen übergeben werden.
  • Die lukrativen Ölverträge der US-Konzerne Halliburton und Bechtel in Irak sind Zeitungsberichten zufolge noch umfangreicher als bislang bekannt. Allein Halliburtons Verträge mit dem US-Verteidigungsministerium hätten ein Volumen von mehr als 1,7 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro), berichtete die Zeitung "Washington Post" am 28. August unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente. Ursprünglich war das Vertragsvolumen auf rund 500 Millionen Dollar geschätzt worden. Darüber hinaus sei mit dem Ingenieurskorps der US-Armee ein Vertrag über mehrere hundert Millionen Dollar vereinbart worden, berichtete das Blatt weiter.
  • Bei seiner Anhörung vor der Kelly-Kommission am 28. August hat der britische Premierminister Tony Blair Vorwürfe zurückgewiesen, seine Regierung habe Berichte über Iraks Massenvernichtungswaffen aufgebauscht. Wenn die BBC damit Recht gehabt hätte, wäre dies ein Grund für seinen Rücktritt gewesen, sagte Blair. Die Anschuldigungen seien aber "vollkommen absurd". Zugleich übernahm er die Verantwortung für die Benennung des Regierungsberaters David Kelly als Quelle für den umstrittenen BBC-Bericht.
  • Der im Streit um die Rechtfertigung des Irak-Kriegs unter Druck geratene PR-Berater des britischen Premierministers Tony Blair, Alastair Campbell, hat am 29. August seinen baldigen Rücktritt angekündigt. In einer von der britischen Regierung veröffentlichten Stellungnahme erklärte Campbell: "Wir sind am 7. April dieses Jahres überein gekommen, dass ich diesen Sommer meinen Posten aufgeben werde, und ich habe den Premierminister nun offiziell von meiner Entscheidung informiert." Ein Regierungssprecher sagte, Campbell werde seinen Posten nicht sofort aufgeben, er nannte aber keinen konkreten Zeitpunkt. Campbell war vorgeworfen worden, auf sein Betreiben hin sei die Bedrohung durch den Irak in einem Dossier der Regierung aufgebauscht worden, um die britische Öffentlichkeit von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen. Der 46-Jährige hat dies bestritten. In seiner Rücktrittserklärung ging Campbell nicht auf die Irak-Vorwürfe ein.
  • Mindestens 75 Menschen sind am 29. August im irakischen Nadschaf bei einem Bombenanschlag vor einer der wichtigsten schiitischen Moscheen getötet worden (dpa meldete sogar 100 Tote). Unter den Toten war Ajatollah Mohammed Baker el Hakim, ein als gemäßigt geltender, führender schiitischer Politiker, der für seine Zusammenarbeit mit den US-Besatzungstruppen bekannt war. Hakim war der Chef des schiitischen Obersten Rats der Islamischen Revolution im Irak (SCIRI). Der Chef der US-Zivilverwaltung, Paul Bremer, sagte, die Bombe zeige einmal mehr, dass die Feinde des neuen Irak vor nichts Halt machten. "Wieder haben sie unschuldige Iraker getötet. Wieder haben sie einer der heiligsten Stätten des Islam Gewalt angetan." Die irakische Polizei habe die volle Unterstützung der Allianz, sagte Bremer. "Die Welt wird nach diesem Geschehen auf den Kopf gestellt sein", sagte ein Passant vor der Moschee. "Wenn die Amerikaner unsere Stätten nicht schützen, ist alles möglich. Wir werden einen Aufstand beginnen."
  • Bei einer Explosion nahe dem Hauptquartier der britischen Streitkräfte in der südirakischen Stadt Basra sind am 29. August Augenzeugen zufolge zwei Autos zerstört worden. Es habe keine Verletzten gegeben, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Nach seinen Angaben warf ein Unbekannter aus einem Auto eine Granate. Ziel waren offenbar Menschen, die nahe des Ufers des Flusses Schatt el Arab Alkohol tranken. Zwei Wagen hätten Feuer gefangen, berichtete ein Augenzeuge.
  • Bei einem Anschlag auf einen Versorgungskonvoi der US-Armee im Irak ist am 29. August ein amerikanischer Soldat ums Leben gekommen. Drei weitere Soldaten seien verletzt worden, teilte das US-Zentralkommando weiter mit. Auf den Konvoi seien Handgranaten geworfen worden.
  • Nach Angaben des arabischen Fernsehsenders El Dschasira vom 29. August ist der stellvertretende Polizeichef der kurdischen Provinzhauptstadt Suleimanija von Anhängern der militanten radikalislamischen Gruppe "Ansar el Islam" getötet worden. Der Vorfall habe sich bereits am 27. August ereignet. Der "Ansar el Islam" werden Kontakte zum Terrornetzwerk El Kaida von Terrorchef Osama bin Laden nachgesagt. Nach Angaben der US-Zivilverwaltung sollen Hunderte Mitglieder der Gruppe in den vergangenen Wochen aus Iran in den Irak zurückgekehrt sein.
  • Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hat vor einem Bürgerkrieg in Irak gewarnt. Die Besatzungstruppen müssten ihrer Pflicht nachkommen und Sicherheit und Ordnung in Irak wiederherstellen, forderte die Organisation am 29. August in einer in Kairo veröffentlichten Erklärung. Nach den jüngsten Gewaltakten in Irak drohten Bürgerkriegswirren. Die US-geführten Streitkräfte seien verpflichtet, Racheakte nach dem blutigen Anschlag von Nadschaf zu verhindern. ai nannte es Besorgnis erregend, dass sich die Sicherheitssituation in Irak vier Monate nach Ende der Hauptkampfhandlungen "verschlechtert und nicht verbessert" habe.
  • Wenige Stunden nach dem schweren Bombenanschlag in der irakischen Stadt Nadschaf hat die Polizei vier arabische Verdächtige festgenommen. Drei weitere Gesuchte seien noch auf der Flucht, sagte ein ranghoher irakischer Ermittler der Nachrichtenagentur AFP am 30. August. Die vier festgenommenen Araber haben sich nach Angaben der irakischen Polizei zu dem blutigen Anschlag in Nadschaf bekannt. "Sie haben zugegeben, die Drahtzieher des Anschlags zu sein", sagte ein Offizier der irakischen Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur AFP. Die Polizei habe die Verdächtigen, die keine Iraker seien, wenige Stunden nach dem schweren Autobombenanschlag am Freitag inhaftiert. Drei weitere mutmaßliche Verschwörer seien auf der Flucht. Der irakische Sicherheitsbeamte machte keine Angaben dazu, ob die vier Festgenommenen im Auftrag einer Gruppe handelten. Bis zum Abend erhöhte sich die Zahl der festgenommenen Verdächtigen auf 19. Dies berichtete der arabische Fernsehsender El Dschasira. Die Verdächtigen seien alle nicht-irakische Araber.
  • Tausende Schiiten haben am 30. August in Irak gegen den Anschlag auf ihren geistigen Führer Ayatollah Mohammed Bakr el Hakim demonstriert und Vergeltung gefordert. In der Schiitenhochburg Nadschaf zogen mehr als 2.000 Demonstranten und Trauernde durch die Straßen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Menschen trugen Tafeln mit Hakims Porträt und riefen Parolen wie "Gott ist groß", "Unser Führer Hakim ist tot" oder "Wir rächen den Tod Hakims". Auch Rufe wie "Tod den USA" und "Tod Israel" sollen zu hören gewesen sein. In Stadtzentrum von Basra gingen rund 5.000 Trauernde auf die Straße und zogen bis zur El-Ebla-Moschee. Die Demonstranten gaben den USA und Großbritannien die Schuld für den Anschlag und die heikle Sicherheitslage in Irak.
  • Nach den jüngsten Anschlägen in Irak erwägen die Vereinten Nationen eine "ernsthafte Reduzierung" ihres ausländischen Personals. Die Schwierigkeiten, denen sich die UNO in Irak gegenüber sehe, erlaubten keine ordentliche Arbeit der UN-Organisationen mehr, sagte UN-Sprecherin Véronique Taveau am 30. August der Nachrichtenagentur AFP in Bagdad. Über die Zahl der UN-Mitarbeiter, die möglicherweise aus Irak abgezogen werden sollen, machte sie keine Angaben. Die Beratungen darüber dauerten noch an. Von einer Verringerung von UN-Personal wären neben der Hauptstadt auch Mossul und Erbil im Norden sowie Basra im Süden und Hilla in Zentralirak betroffen.
  • In Irak steht erneut eine Ölpipeline in Flammen. Mögliche Ursache für den Brand an der Leitung, die das nordirakische Ölfeld Kirkuk mit der südlich gelegenen Baidschi-Raffinerie verbindet, könne ein Sabotageakt sein, teilte die US-Armee am 30. August mit. Die Ventile seien geschlossen worden, so dass der Brand wahrscheinlich binnen ein oder zwei Tagen von selber erlösche, sagte ein Sprecher.
  • Angelika Beer in zwei Versionen:
    (1) Nach dem verheerenden Terroranschlag in Nadschaf hat sich Grünen-Chefin Angelika Beer dafür ausgesprochen, einen Einsatz deutscher Soldaten im Irak zu prüfen. Beer sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn es ein klares UN-Mandat gibt und die Vereinten Nationen die Federführung übernehmen, muss auch Deutschland überprüfen, inwieweit es eine Befriedung des Irak politisch und militärisch unterstützen kann." (BamS, 31.08.03) Auch die SPD-Verteidigungsexpertin Verena Wohlleben befürwortete einen Bundeswehreinsatz. (dpa, 31.08.0 4 Uhr)
    (2) "Grünen-Chefin Angelika Beer hat die Haltung der Bundesregierung unterstützt, derzeit keine deutschen Soldaten in den Irak zu schicken. Der 'Bild am Sonntag' erklärte sie erneut, nur wenn es ein klares UN-Mandat gebe und die Vereinten Nationen die Federführung übernähmen, müsse auch Deutschland über einen Beitrag nachdenken." (dpa, 31.08.03, 9 Uhr)
  • Zehntausende Schiiten haben dem vor zwei Tagen in Nadschaf getöteten Schiitenführer Mohammed Bakr el Hakim in Bagdad das letzte Geleit gegeben, meldete AFP. "Gott ist der Größte", riefen etliche Teilnehmer des Trauerzuges, der sich am Morgen des 31. August durch ein schiitisches Viertel der irakischen Hauptstadt bewegte, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP vor Ort berichtete. "Hakim hat Amerika vor Angst erzittern lassen", riefen demnach andere, während sie ihre Fäuste in die Luft streckten. Bei dpa waren zweieinhalb Stunden später "Hunderttausende" geworden. (AFP blieb auch danach noch bei "Zehntausenden".)
  • Leibwächter des Schiitenführers Moktada Sadr haben in der irakischen Stadt Nadschaf das Feuer auf ein Auto eröffnet. Bei dem Vorfall an einem Kontrollposten seien zwei Menschen getötet und zwei weitere schwer verletzt worden, teilten Angehörige und Krankenhausmitarbeiter am 31. August mit.
  • US-Soldaten sind im Irak erneut unter Beschuss gekommen. Das meldete die arabische Fernsehstation El Dschasira am 31. August. Nach ersten Berichten gab es weder Verletzte noch Todesopfer.
  • Auf der Suche nach dem gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein haben US-Soldaten ein Stadtviertel der nordirakischen Stadt Mosul durchkämmt. Wie der arabische Sender El Dschasira am 31. August berichtete, wurden sie von Kampfhubschraubern unterstützt. Über das Ergebnis der Suche wurde zunächst nichts bekannt.


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