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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16.-30. Juni 2003

16. bis 22. Juni
  • Entgegen den Angaben des US-Verteidigungsministeriums von Anfang des Jahres, dass im Irak-Krieg 80 Prozent aller Waffen Präzisionswaffen sein sollten, hat die US-Airforce in dem 31 Tage dauernden Krieg offenbar wesentlich weniger High-Tech-Waffen eingesetzt. Dies berichtet die Frankfurter Rundschau (Seite 1 und Seite 3) am 16. Juni. Eine Kriegsbilanz des Zentralkommandos der US-Luftwaffe dokumentiere, dass von den 29.199 abgeworfenen Bomben lediglich 19.948 zur Gattung der Präzisionswaffen zählen. Das entspricht einem Anteil von 68 Prozent. Nicht mitgezählt haben die Militär-Analysten bei dieser Rechnung 311.597 Schuss 30-Millimeter-Munition, die vor allem von Kampfhubschraubern und Kampfjets während des Konflikts abgefeuert wurden. Zudem setzte die US-Airforce offenbar auf veraltete Präzisionsbomben. Darunter 8618 lasergesteuerte Waffen, die bereits im Golf-Krieg von 1991 in die Kritik gerieten, weil diese nach Angaben der US-Militärs nur eine Trefferquote von 88 Prozent haben. Auch so genannte Clusterbomben, deren Ächtung Amnesty International (AI) seit Jahren fordert, wurden von US-Flugzeugen in Irak abgeworfen. In der Bilanz der US-Airforce sind allein für die Clusterbombe vom Typ "CBU-103 WCMD" 818 Abwürfe verzeichnet. Jede dieser Bomben enthält 202 kleinere Bomblets, die an Fallschirmen zu Boden gleiten. AI-Experten haben errechnet, dass fünf Prozent von ihnen nicht explodieren und als Blindgänger am Boden liegen bleiben. Demnach dürften noch rund 9.000 hochexplosive Bomblets in der irakischen Wüste verstreut sein.
  • Als "Kampf gegen die Uhr" bezeichnete die International Crisis Group das Vorgehen der USA. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau (17.06.2003) warnte die unabhängige Arbeitsgruppe zur Konfliktvermeidung, sollte es den Militärs nicht bald gelingen, die öffentliche Ordnung in Irak wiederherzustellen, würden die US-Soldaten nicht mehr als "Befreier, sondern schlicht als eine ausländische Besatzungsmacht" angesehen werden. Dann drohten "ernste Unruhen". Die Beobachter warfen den USA eine mangelnde Vorbereitung auf die Nachkriegsphase und eine fehlende Kooperation mit den Irakern vor. Als Schwierigkeit erweise sich zudem die angestrebte Ent-Baathisierung des Landes. Sie verlange, dass alle Mitglieder der Partei Saddam Husseins ihre Posten räumen müssten. Viele Beobachter und Iraker fordern aber, das persönliche Verhalten der Betroffenen zu untersuchen, statt alle Parteimitglieder gleich zu behandeln. Die International Crisis Group plädiert dabei dafür, zwischen aktiven und passiven Baath-Mitgliedern zu unterscheiden.
  • US-Soldaten haben am 18. Juni in Bagdad das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Dabei wurden nach Angaben der US-Armee zwei Iraker getötet. Nach Informationen des arabischen TV-Nachrichtensenders "Al Jazeera" wurden bei der Protestkundgebung ehemaliger irakischer Soldaten drei Personen erschossen. Wie ein US-Militärsprecher sagte, kam es zu dem Zwischenfall, als sich ein Konvoi der Militärpolizei den Weg durch die Menge bahnen wollte, die sich vor dem Präsidentenpalast versammelt hatte. Dort befindet sich die Zentrale der US-geführten Streitkräfte. Die Menge habe Steine auf den Konvoi geworfen, erklärte US-Hauptmann Scott Nauman. Dabei seien Fahrzeugscheiben zu Bruch gegangen. Die US-Soldaten hätten sich verständlicherweise bedroht gefühlt. Ein Soldat habe daraufhin geschossen. Demonstranten sprachen dagegen von einer friedlichen Kundgebung. Vor der in einem ehemaligen Palast des gestürzten irakischen Staatschefs Saddam Hussein untergebrachten US-Verwaltung riefen die Demonstranten: "Amerika ist der Feind Gottes" und "Nieder mit den USA."
    "Al Jazeera" berichtete außerdem, amerikanische Soldaten hätten am 18. Juni in der Stadt El Kaim nahe der syrischen Grenze zwei Irakis erschossen. Über die Hintergründe des Vorfalls sei noch nichts bekannt.
  • Bei einem Granatenangriff in Bagdad sind am 18. Juni zwei US-Soldaten getötet worden. Die beiden Soldaten bewachten eine Tankstelle im Süden der irakischen Hauptstadt, als sie mit einer Handgranate beworfen wurden, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Angreifer seien geflohen. Die US-Armee transportierte die Leichen mit Hubschraubern ab.
  • Seit dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen am 1. Mai bis zum 18. Juni wurden nach US-Angaben 14 US-Soldaten in Irak durch Anschläge getötet. 36 weitere seien bei Unfällen ums Leben gekommen. Die USA machten Anhänger der gestürzten Regierung für die Anschläge verantwortlich.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat am 18. Juni die frühere Abgeordnete Tillie Fowler zur neuen Chefberaterin des Pentagons ernannt. Fowler folgt Richard Perle als Vorsitzende des Beratungsgremiums für Verteidigungspolitik (DPB) nach. Perle, einer der stärksten Befürworter des Irak-Krieges, war Ende März kurz nach Beginn des Angriffs von diesem Posten zurückgetreten, nachdem er wegen seiner Tätigkeit für das insolvente Telekommunikationsunternehmen Global Crossing in die Kritik geraten war. Perle gehört dem Gremium aber weiterhin als einfaches Mitglied an.
  • US-Präsident George W. Bush hat einen arabischstämmigen General als neuen Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Irak nominiert. John Abizaid solle General Tommy Franks an der Spitze des für den Nahen Osten, Zentralasien und Ostafrika zuständigen Zentralkommandos ablösen, teilte das Verteidigungsministerium am 18. Juni in Washington mit. Der 52-Jährige hält sich derzeit bereits als einer der beiden Stellvertreter Franks in Irak auf. Der Senat muss der Ernennung noch zustimmen.
  • US-Soldaten haben den nach Saddam Hussein und seinen Söhnen meistgesuchten Iraker festgenommen. Wie das Zentralkommando der US-Streitkräfte am 18. Juni (Ortszeit) in Florida mitteilte, handelt sich um General Abid Hamid Mahmud el-Tikriti, den Privatsekretär und engsten Vertrauten Saddam Husseins. Er ist das erste "Ass" auf der von den USA als Kartenspiel herausgegebenen Liste der meistgesuchten Iraker, das von US-Soldaten gefasst wurde. El-Tikriti soll persönlich auch für zahlreiche Säuberungsaktionen verantwortlich gewesen sein. Den Angaben zufolge wurde General Mahmud am 16. Juni gefasst.
  • Bei einem Angriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 19. Juni drei amerikanische Soldaten erschossen worden. Wie der arabische Satelliten-Fernsehsender El Dschasira weiter berichtete, war zunächst nicht klar, wer hinter dem Angriff in einem südlichen Vorort steckte. Mindestens ein Militärfahrzeug mit US-Soldaten sei zerstört worden.
    Bei einem Angriff auf ein Gebäude der US-Besatzungsmacht in der nordirakischen Stadt Samarra waren zuvor ein Iraker getötet und zwölf weitere verletzt worden. Wie das US-Zentralkommando am 19. Juni mitteilte, wurde das Zentrum für die Koordination zwischen den militärischen und humanitären Aktivitäten der Amerikaner am 18. Juni von mehreren Mörsergranaten getroffen. Von den Angreifern fehlte jede Spur.
  • In Belgien sind Klagen gegen US-Präsident George W. Bush und den britischen Premierminister Tony Blair wegen deren Verantwortung für den Irak-Krieg eingereicht worden. Wie das belgische Justizministerium am 19. Juni in Brüssel mitteilte, wurden diese Klagen umgehend an die britische und die US-Justiz weitergeleitet. Die Klagen richteten sich demnach auch gegen US-Außenminister Colin Powell, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sowie gegen US-General Tommy Franks.
  • Die Vereinigten Staaten haben bislang im Irak noch keine Massenvernichtungswaffen gefunden. US-Präsident George W. Bush geht davon aus, dass mögliche Depots in den letzten Tagen des Regimes von Saddam Hussein geplündert wurden. Das sagte Bush in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache am 21. Juni.
  • Rund 2.000 Schiiten haben am 21. Juni in Bagdad gegen die von den USA geführte Verwaltung demonstriert und eine eigene irakische Regierung gefordert. "Wir wollen eine nationale Regierung bilden", sagte laut Reuters einer der Demonstranten. "Wir wollen Freiheit und Gerechtigkeit." Die Kundgebung gegenüber der US-Verwaltung, die in einem Palast des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein untergebracht ist, war von schiitischen Geistlichen aus dem Armenviertel Sadr City organisiert worden. Zu Gewalt kam es nicht. Am 18. Juni hatten US-Soldaten während einer Demonstration zwei Iraker erschossen. "Die Amerikaner sind Besatzer und Angreifer", sagte ein Demonstrant. "Sie sollten uns von dem Unterdrücker (Saddam) befreien, jetzt besetzen sie uns." Auf Transparenten hieß es: "Iraker sollen den Irak aufbauen". Einige Demonstranten trugen Bilder des schiitischen Geistlichen Ajatollah Mohammed Sadek el Sadr mit sich. Sadr, nach dem der Stadtteil Saddam City umbenannt wurde, war 1998 angeblich von Saddams Geheimdienst getötet worden. Die Demonstranten kletterten auf Lastwagen und fuhren singend davon, nachdem ihnen versichert worden war, schiitische Geistliche würden mit Vertretern der US-Verwaltung über ihre Forderungen beraten.
  • In der rund 100 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Ramadi durchsuchten US-Soldaten mehrere Häuser nach verdächtigen Guerilla-Kämpfern. In der Region sind US-Truppen wiederholt von Irakern angegriffen worden. Offiziere sagten, sie hätten fünf Angehörige der Fedajin gesucht, die während der US-Invasion Iraks erheblichen Widerstand geleistet hätten. An der Razzia im Rahmen der Militäroperation "Desert Scorpion" nahmen mehrere hundert US-Soldaten teil. Sie beschlagnahmten nach Armeeangaben eine Hand voll Waffen und eine Diskette.
  • Am 21. Juni ist nach Angaben des arabischen TV-Senders El Dschasira eine von den Amerikanern besetzte Schule im Süden von Bagdad angegriffen worden. Dabei wurde niemand verletzt.
  • Die Fedajin-Milizen des gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein bereiten einem Pressebericht zufolge eine Angriffsserie gegen die US-Streitkräfte in Irak vor. Die Miliz sei bereits reorganisiert und bereit zu Gewalttaten, um das Land zu destabilisieren, sagte ein ehemaliges Fedajin-Mitglied unter dem Decknamen Abu Wajel der kurdischen Wochenzeitung "Alahali" am 21. Juni. Der Kern der vormaligen Elitetruppe habe seit Anfang des Monats Kontakt zu ihren ehemaligen Mitgliedern aufgenommen und dabei hohe Geldsummen angeboten.
  • Nach einem Angriff auf einen Fahrzeugkonvoi in Irak prüfen US-Experten derzeit, ob sich unter den Getöteten Ex-Präsident Saddam Hussein befand. Wie die britische Zeitung "The Observer" am 22. Juni berichtete, griff die US-Luftwaffe zusammen mit Bodentruppen bereits am 18. Juni nahe der Stadt Kaim einen verdächtigen Konvoi mit Raketen an. Die Fahrzeuge seien auf dem Weg nach Syrien gewesen. Vor der Militäraktion sei ein Gespräch an einem Satellitentelefon belauscht worden, das entweder von Saddam Hussein oder einem seiner beiden Söhne geführt worden sei. Die DNA der Toten werde nun untersucht.
  • Die US-Verwaltung im Irak will ungeachtet der anhaltenden Sicherheitsprobleme im Land in zwei Wochen mit der Rekrutierung von Soldaten für eine neue irakische Armee beginnen. Das erklärte der amerikanische Irak-Verwalter Paul Bremer am 22. Juni bei der Sonderkonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF). Diese Armee werde in absehbarer Zeit für die Sicherung der irakischen Grenzen eingesetzt. Bremer strich bei seinem Vortrag vor Politikern und Firmenchefs in Jordanien die Erfolge der US-Besatzungsmacht im Irak heraus und zeichnete ein positives Bild von den Zuständen im Zweistromland, das im Gegensatz zu den Ängsten vieler Iraker steht, die immer noch von Chaos und Anarchie sprechen. "Heute fühlen sich Iraker sicherer, wenn sie ihre Häuser verlassen, es gibt wieder Verkehrsstaus in Bagdad und auch der Handel ist wieder in Fahrt gekommen", sagte Bremer.
  • Bei einem Granatenangriff auf einen amerikanischen Militärkonvoi südlich von Bagdad wurde am 22. Juni ein US-Soldat getötet. Wie das US-Militär berichtete, wurde ein zweiter Soldat bei dem Angriff in Chan Asad verletzt.
    In der Nähe der Stadt Hit im Westen von Bagdad explodierte am 22. Juni eine Pipeline. Sie stand noch am Abend in hellen Flammen. Der US-Nachrichtensender CNN zitierte das irakische Ölministerium mit den Worten, es handele sich ganz eindeutig um Sabotage. Wie es weiter hieß, diente die Pipeline der Versorgung der wichtigsten Ölraffinerie für den Raum Bagdad. Vor einigen Tagen hatten Saboteure bereits eine Pipeline im Nordirak schwer beschädigt. Der neue Anschlag fiel mit den letzten irakischen Vorbereitungen auf die Wiederaufnahme der Ölexporte aus dem Land an diesem Tag zusammen. (Die Explosion hat nach Angaben des irakischen Ölministeriums eine stillgelegte Gas- und nicht wie zunächst berichtet die zweitwichtigste Öl-Exportleitung des Golfstaats getroffen. "Die Explosion in der Nähe der syrischen Grenze ereignete sich an einer Gas-Pipeline, die die Phosphat-Fabrik in Akaschat versorgt", sagte der Direktor des Ölministeriums und damit de facto irakische Ölminister Thamir Ghadhban am 24. Juni vor Journalisten. Es habe sich um einen Sabotage-Akt gehandelt, fügte Ghadhban hinzu.)
23. bis 30. Juni
  • Eine US-Patrouille und irakische Angreifer haben sich am 23. Juni in Bagdad Schießereien geliefert. Die Pressestelle des US-Militärs in der irakischen Hauptstadt bestätigte einen Angriff und erklärte weiter, der Einsatz im Stadtteil Neu-Bagdad laufe noch. Nach unbestätigten Berichten irakischer Anwohner war aus einem Wohngebäude eine Granate gefeuert worden. Die US-Soldaten hätten den Angriff erwidert.
  • Die Energiekrise in der irakische Hauptstadt Bagdad hat sich weiter verschärft. In mehreren zentralen Stadtteilen gab es am 23. Juni von den Mittagsstunden bis zum Abend keine Stromversorgung mehr. Der Grund war zunächst nicht klar. Aus der US-Zivilverwaltung war in den vergangenen Tagen über Sabotageakte am Stromnetz geklagt worden. Der Strom ist rationiert, weil es für das ganze Land nicht ausreichend Energie gibt.
  • Im Irak haben Plünderungen nach UNO-Angaben den Bedarf an humanitärer Hilfe erhöht. Die UNO rief die Regierungen auf, zusätzliche 260 Millionen Dollar an Hilfsgeldern bereitzustellen. Der Konflikt und seine Folgen machten humanitäre Hilfe dringend nötig, sagte die Vize-Generalsekretärin der Vereinten Nationen (UNO), Louise Frechette, am 23. Juni in New York. "Vor allem weit verbreitete Plünderungen und die Zerstörung hunderter öffentlicher Einrichtungen haben den Bedarf an humanitärer Hilfe und zwingenden humanitären Aktivitäten gesteigert." In New York beraten vom 23. Juni an auf einer zweitägigen Konferenz die Geberländer über den Wiederaufbau des Irak.
  • Das Stadtzentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad ist am Abend des 23. Juni von einer Explosion erschüttert worden. Augenzeugen zufolge wurde bei der Detonation im Nobelviertel Karrada im Zentrum niemand verletzt. Der Sprengsatz sei gegen 21.30 Uhr (Ortszeit) in einer Mülltonne in einer belebten Geschäftsstraße explodiert. US-Soldaten hätten sich nicht in der Nähe aufgehalten.
  • Der US-Raketenangriff auf einen Konvoi an der irakisch-syrischen Grenze am 19. Juni ist nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums möglicherweise auf syrischem Gebiet erfolgt. Es habe Verletzte unter syrischen Zivilisten gegeben, sagte ein Pentagon-Sprecher am 23. Juni. Sie würden von US-Kräften medizinisch versorgt. Ziel des Beschusses waren dem US-Verteidigungsministerium zufolge hochrangige Beamten der gestürzten irakischen Regierung. Berichte, wonach sich in dem verdächtigen Konvoi Ex-Machthaber Saddam Hussein oder einer seiner Söhne befunden hätten, hatte ein Sprecher als "Wunschdenken" bezeichent. Hinweise darauf gebe es nicht.
  • US-Außenminister Colin Powell zufolge soll die Macht in Irak "so bald wie möglich" an eine neue irakische Regierung übertragen werden. US-Zivilverwalter Paul Bremer wolle im Juli ein politisches Komitee aus irakischen "Persönlichkeiten und Bürgern" bilden, sagte Powell am 23. Juni dem jordanischen Fernsehen am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) im jordanischen Schuneh. Das Komitee solle "den Prozess der Verantwortungsübergabe einleiten" und Mitarbeiter für Ministerien einstellen.
    UN-Generalsekretär Kofi Annan hat am 23. Juni die US-Verwaltung in Irak aufgerufen, den Irakern "schnell" die Selbstverwaltung für ihr Land zu übergeben.
  • Die Vereinten Nationen haben die Geberländer um 259 Millionen Dollar (rund 224 Millionen Euro) zusätzliche Hilfen für Irak gebeten. Wie die stellvertretende UN-Generalsekretärin Louise Fréchette am 23. Juni bei einem Sondertreffen des Wirtschafts- und Sozialrates mitteilte, sind die örtlichen Behörden bislang nicht ausreichend in der Lage, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Der Großteil der Hilfen solle für die Ernährung der Iraker verwendet werden, sagte der Vizegeneralsekretär für humanitäre Hilfe, Kenzo Oshima.
  • Binnen eines Jahres wollen die USA eine erste Division der neuen irakischen Streitkräfte mit 12.000 Soldaten und Offizieren aufstellen. Aufgabe der Neuen Irakischen Armee sind nach Angaben des Chefberaters für Sicherheitsfragen in der US- Zivilverwaltung der Grenzschutz, die militärische Sicherung von Straßenrouten und Einrichtungen sowie das Räumen von Minen und Blindgängern aus dem Krieg. "Das wird eine Militärtruppe sein, keine Polizei", sagte Walter Slocombe am 23. Juni. Die ersten Divisionen seien als leichte Infanterie geplant. Binnen drei Jahren solle es drei Divisionen mit insgesamt etwa 40.000 Mann geben. US-General Paul Eaton werde die Ausbildung leiten, die amerikanische Vertragsfirmen übernehmen. Die Rekrutierung soll in der kommenden Woche aufgenommen werden.
    Den demobilisierten irakischen Soldaten wollen die USA und Großbritannien ihre Gehälter jedenfalls weiter zahlen. Das gaben beide Länder am 23. Juni bekannt. Die Gehälter in der Höhe zwischen 50 und 250 Dollar sollen ab 14. Juli ausbezahlt werden. Voraussetzung sei aber, dass die Empfänger der früheren Regierungspartei Baath und der Gewalt abschwören. Die Entscheidung der Besatzungsmächte kommt zwischen 200.000 und 250.000 ehemaligen irakischen Militärangehörigen zu Gute.
  • In der irakischen Hauptstadt Bagdad und anderen Landesteilen sind in der Nacht zum 24. Juni nach Angaben von Bewohnern erneut US-Soldaten beschossen worden. Mindestens ein Iraker sei getötet worden. In dem 70 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Falludscha seien US-Soldaten mit Sturmgewehren und Granaten angegriffen worden. Die Soldaten hätten das Feuer erwidert, wobei ein Iraker getötet worden sei, berichten Anwohner weiter. Es sei jedoch unklar, ob es sich dabei um einen der Angreifer gehandelt habe. Auch in Ramadi, 100 Kilometer westlich der Hauptstadt, seien amerikanische Soldaten beschossen worden. Berichte über verletzte US-Soldaten gab es nicht. In Bagdad hätten Unbekannte in der Nacht einen Konvoi der US-Armee angegriffen, worauf es zu einem 15-minütigen Gefecht gekommen sei, berichteten Bewohner.


Die Schreckensnachrichten aus dem Irak-Krieg haben Spuren in deutschen Kinderzimmern hinterlassen: Knapp jedes zweite Kind in Deutschland hat große Angst vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung, wie eine am 24. Juni in Hamburg vorgestellte repräsentative Umfrage im Auftrag der R+V Versicherung ergab. Damit stieg im Vergleich zu 2001 die Furcht vor einer Kriegsverwicklung stärker als alle anderen Ängste der Sechs- bis 14-Jährigen. Sie rangiert nunmehr auf dem dritten Platz, nach der Angst vor einem Schicksalsschlag in der Familie und vor Sittlichkeitsverbrechen.

  • Nato-Generalsekretär George Robertson hat eine Beteiligung der Militärallianz an Einsätzen im Nachkriegs-Irak ins Gespräch gebracht. "Wenn die Nato die beste militärische Organisation in der Welt ist, können wir es uns leisten, sie nicht im Nachkriegs-Irak einzusetzen?", sagte Robertson am 24. Juni bei einer Tagung in Berlin. Zugleich forderte er die Europäische Union (EU) auf, ihre Militäreinsätze nicht auf den Balkan zu beschränken. Mit Blick auf den Mazedonien-Einsatz sagte er: "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Wir müssen auf diesen Erfolg aufbauen." Dabei dürften aber Ressourcen, Streitkräfte und Hauptquartiere nicht dupliziert werden. Es handele sich um eine einzigartige Partnerschaft zwischen der Nato und der EU. Die Nato sei ein erfolgreiches Bündnis, das auch "die verletzenden Differenzen" in der Irak-Frage überstanden habe.
  • Bei den ersten Angriffen auf die britischen Besatzungstruppen seit Ende des Irak-Krieges sind am 24. Juni sechs Soldaten getötet und acht weitere verletzt worden. Die beiden Zwischenfälle ereigneten sich wenige Kilometer voneinander entfernt bei Amarah im Süden des Landes. Insgesamt wurden die alliierten Truppen laut Pentagon binnen eines Tages mehr als 25 Mal Ziel von Angriffen mutmaßlicher irakischer Widerstandskämpfer. "Wir sind nun seit fast zwei Monaten hier, und es ist das erste Mal, dass jemand absichtlich, bewusst auf uns geschossen hat", sagte Oberstleutnant Ronnie McCourt am Dienstag in Basra, nachdem rund 130 Kilometer nordöstlich bei Amarah eine britische Fallschirmjäger-Einheit unter Beschuss geraten war. Ein Soldat wurde dabei verwundet. Ein zur Verstärkung entsandter Hubschrauber kam bei der Landung unter Feuer. Sieben Soldaten an Bord wurden verletzt, drei davon schwer. Über den zweiten Zwischenfall gab es zunächst nur wenige Informationen. Ein Sprecher der britischen Streitkräfte, Oberst Dennis Abbott, sagte, die sechs Soldaten seien von "feindlichem" Feuer getötet worden. Unklar war, ob es zwischen den beiden Angriffen einen direkten Zusammenhang gab.
    Auch die US-Truppen wurden am 24. Juni wieder Ziel irakischer Angriffe. In Bagdad schossen Untergrundkämpfer in der Nähe des Sitzes der US-Verwaltung eine Granate ab. In Falludschah, rund 60 Kilometer westlich der Hauptstadt, wurde am Abend des 23. Juni eine Granate auf das Büro des Bürgermeisters abgefeuert. Die US-Truppen erschossen nach amerikanischen Angaben einen der Angreifer.
  • Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) äußerte sich am 24. Juni besorgt über das Schicksal palästinensischer und syrischer Flüchtlinge in Irak. UNHCR-Sprecher Kris Janowski sagte in Genf, etwa 4.000 Palästinenser hätten ihre Wohnungen in Bagdad auf Anweisung der Hausbesitzer verlassen müssen. Sie seien nun in Zelten untergebracht. «Dies ist jedoch bei Temperaturen über 50 Grad Celsius nur eine Übergangslösung», sagte Janowski. Laut Janowski kümmert sich das UNHCR auch um rund 600 syrische Flüchtlinge, die in den 60er und 70er Jahren aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen hatten. Sie seien nun ganz auf sich allein gestellt. Viele hätten Angst vor einer Rückkehr nach Syrien.
  • Bei zwei Angriffen auf US-Soldaten sind am 24. Juni in der Region Ramadi westlich von Bagdad vier Iraker getötet worden. Zwei US-Soldaten wurden nach Angaben der US-Armee verletzt. Straßensperren in Ramadi seien in der Nacht zum 24. Juni zweimal angegriffen worden, sagte ein US-Offizier der Nachrichtenagentur AFP. Zunächst hätten Unbekannte gegen Mitternacht das Feuer von einem Auto aus eröffnet. Einer der Angreifer sei gestorben, als die US-Soldaten auf das Fahrzeug schossen. Ein weiterer Iraker wurde den Angaben zufolge verletzt.
  • Der britische Außenminister Jack Straw hat Fehler in der Informationspolitik seiner Regierung über im Irak vermutete Massenvernichtungswaffen eingeräumt. Ein teils von einer älteren Arbeit eines irakischen Studenten abgeschriebenes Dossier sei für die Regierung peinlich gewesen und hätte nie veröffentlicht werden dürfen, sagte Straw am 24. Juni vor einem Untersuchungsausschuss des Unterhauses in London. Mit dem Papier habe man einen "sehr schweren Fehler" begangen und den Kriegsgegnern in die Hände gespielt. Zugleich trat Straw Vorwürfen entgegen, die Regierung habe Informationen über Iraks Waffen aufgebauscht und die Bevölkerung getäuscht.
  • Im Irak hat es an einer weiteren Pipeline eine Explosion gegeben. Der in Dubai ansässige Fernsehsender El Dschasira zeigte am 24. Juni Bilder von Öl, das aus der Pipeline in der Barwana- Region rund 250 Kilometer nordwestlich von Bagdad in Palmenhaine und auf Felder lief. Auch der Euphrat sei betroffen. Feuer sei nicht ausgebrochen, berichtete der Sender.
  • Iraks ehemaliger Informationsminister Mohammed el Sahaf ist einer britischen Zeitung zufolge von US-Soldaten gefangen genommen worden. Wie die "Daily Mirror" am 25. Juni berichtete, wurde El Sahaf bereits in der Nacht zum 24. Juni an einer Straßensperre in Bagdad festgenommen. Er habe sich bei Verwandten versteckt gehalten, wo er Satellitenfernsehen geschaut habe, berichtete die Zeitung aus der irakischen Hauptstadt. " Die US-Regierung nahm zu den Angaben nicht Stellung. Als Sprachrohr von Iraks Präsident Saddam Hussein hatte El Sahaf während des Irak-Kriegs immer wieder für Verwunderung gesorgt, als er Ereignisse dementierte, die von Fernsehzuschauern zum Teil direkt mitverfolgt werden konnten. Nach dem Krieg wurde er deswegen und wegen seiner blumigen Sprache besonders im Internet zu einer Art Kultfigur.
  • Die USA haben die Vermögen der 55 meistgesuchten ehemaligen irakischen Regime-Mitglieder eingefroren. Die Gelder sollten dazu verwendet werden, dem irakischen Volk zu helfen, hieß es in einer am 24. Juni in Washington veröffentlichten Erklärung von Finanzminister John Snow. Die USA riefen die internationale Staatengemeinschaft am Dienstag auf, ihrem Beispiel zu Folgen und ebenfalls die Vermögen ehemaliger irakischer Regimemitglieder einzufrieren. Snow teilte mit, es seien bereits 660 Millionen Dollar an in der Vergangenheit eingefrorenen Vermögenswerten freigegeben und zur Bezahlung von irakischen Beamten und Pensionären sowie zur Finanzierung von Wiederaufbau-Arbeiten im Irak verwendet worden. Zusätzlich hätten die USA und Verbündete über 1,2 Milliarden Dollar an irakischen Vermögenswerten ausfindig gemacht, die ebenfalls an das Volk zurückfließen sollen.
  • Am 24. Juni begannen in New York interne Expertengespräche von mehr als 30 Geberländern über den Wiederaufbau des Irak. Dabei berichteten US-Experten, dass aus dem Export irakischen Erdöls im kommenden Jahr schätzungsweise rund 13 Milliarden Dollar (etwa 11,3 Milliarden Euro) für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung stehen könnten. Noch in diesem Jahr werde mit Einnahmen aus dem gerade wieder angelaufenen Ölexport in Höhe von etwa 3,5 Milliarden Dollar gerechnet. Zahlreiche Teilnehmer des Treffens am UN-Hauptsitz machten deutlich, dass sie bei einer Beteiligung am Wiederaufbau des Irak völlige Transparenz hinsichtlich der Einnahmen aus dem irakischen Ölexport sowie der Verwendung der Mittel erwarten. Das Treffen, das vom Leiter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), Mark Malloch Brown, eröffnet wurde, diente der Vorbereitung einer großen Irak-Geberkonferenz im Herbst. (Die Teilnehmer der informellen Beratungen verständigten sich am 25. Juni auf eine internationale Geberkonferenz im Oktober.)
  • Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon hat nach dem Tod von sechs Militärpolizisten im Irak eine Verstärkung der britischen Verbände im Südirak nicht ausgeschlossen. Die Überlegung sei Teil einer Neueinschätzung der Situation im Irak nach dem gestrigen Vorfall, sagte Hoon am 25. Juni in der BBC. Im Südirak sind gegenwärtig noch rund 15 000 britische Soldaten stationiert.
    Einen Tag nach den tödlichen Schüssen auf sechs britische Soldaten in Irak sind erste Einzelheiten zum Ablauf der Bluttat bekannt geworden. Der Zwischenfall habe sich während einer Demonstration ereignet, bei der die britischen Truppen am 24. Juni vier Teilnehmer erschossen hätten, teilte die Polizei in der Ortschaft Madschar el Kabir, 290 Kilometer südöstlich von Bagdad, mit. Der Polizist Abbas Faddhel sagte, die Demonstranten seien zornig gewesen über den Tod der Zivilpersonen während der Protestaktion gegen die Präsenz der britischen Truppen. Daraufhin hätten bewaffnete Männer zwei britische Soldaten an Ort und Stelle getötet und vier weitere bis zu einer Polizeiwache verfolgt. Dort seien die vier nach einem zweistündigen Feuergefecht getötet worden, erklärte der Polizist. Die britischen Streitkräfte forderten die Täter inzwischen auf, sich innerhalb von 48 Stunden zu stellen.. Andere Augenzeugen sagten, in dem Gefecht seien auch zwei Iraker erschossen worden; Faddhel sprach hingegen von zwei Verletzten. Auf der Wache hätten sich auch rund zwei Dutzend irakische Polizisten aufgehalten, die während der Schießerei durch ein Fenster geflohen seien. Sie hätten die Briten aufgefordert, sich ihnen anzuschließen, was diese jedoch abgelehnt hätten. Wieder andere Augenzeugen sagten, die Briten seien angegriffen worden und hätten sich in die Polizeiwache zurückgezogen. Zornige Einwohner des Ortes hätten daraufhin Sturmgewehre geholt und die Soldaten angegriffen, die alle ums Leben gekommen seien.
  • Eine Tochter des US- Rüstungskonzerns Northrop Grumman hat den Auftrag zur Ausbildung des Kerns einer neuen irakischen Armee erhalten. Das US-Verteidigungsministerium teilte am 25. Juni mit, die Northrop-Tochter Vinnell habe sich bei dem Auftrag mit einem Volumen von 48 Millionen Dollar gegen vier weitere Bewerber durchgesetzt. Deren Namen wurden nicht genannt. Dem Ministerium zufolge beginnt der zwölfmonatige Vertrag am 1. Juli und läuft am 30. Juni 2004 aus.
  • Das Weiße Haus soll im Vorfeld des Irak-Kriegs mit Druck auf Experten des US-Außenministeriums versucht haben, Geheimdienstinformationen über das irakische Waffenarsenal auf Regierungslinie zu bringen. Der Bio- und Chemiewaffenexperte Christian Westermann habe in einer vertraulichen Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses ausgesagt, er habe sich von der Regierung unter Druck gesetzt gefühlt, berichtete die "New York Times" am 25. Juni unter Berufung auf Kongresskreise. Westermanns Expertenberichte hätten - so die Zeitung - der Position der Regierung angepasst werden sollen. Der Waffenexperte betonte in der Anhörung, dass er seine Analysen über irakische Waffen nicht abgeändert habe.
  • Ein früherer irakischer Atomwissenschaftler hat den US-Behörden angeblich Teile einer Gaszentrifuge und Dokumente übergeben. Der Forscher Mahdi Obeidi habe die Zentrifuge, die bei der Atomwaffenentwicklung eingesetzt werden kann, 1991 auf Anweisung von Saddam Hussein in seinem Garten vergraben, berichtete der Nachrichtensender CNN am 26. Juni. Der Leiter der US-Waffensuchtrupps in Irak, David Kay, sagte, die Aussagen von Obeidi deuteten darauf hin, dass das Atomwaffen-Programm "sich im Winterschlaf befand und dass der Befehl zu seiner Wiederaufnahme nie erteilt wurde". Obeidi habe ausgesagt, dass er nach 1991 nicht mehr an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet habe.
  • Nach Angaben des US-Militärs erschossen unbekannte Täter am 26. Juni einen US-Soldaten, der nahe der Stadt Nadschaf in einen Hinterhalt geraten war. Er habe offenbar versucht, einen Autodiebstahl zu untersuchen, als er getötet wurden.
  • Eine US-Militärkolonne wurde am späten Abend des 27. Juni im schiitischen Bagdader Viertel Thaura angegriffen - ein Soldat wurde getötet, vier weitere und ein als Dolmetscher arbeitender irakischer Zivilist wurden verletzt.
  • Am 28. Juni wurden zwei seit drei Tagen vermisste US-Soldaten nördlich von Bagdad tot aufgefunden.
  • Schüsse auf deutschen Diplomaten in Bagdad: Nach Vorab-Informationen der "Bild am Sonntag" blieb Geschäftsträger Claude Robert Ellner bei der Attacke unverletzt. Elitepolizisten der GSG-9 hätten ihn retten können, hieß es am 28. Juni. Dem Zeitungsbericht zufolge war Ellner vor einer Woche in Bagdad in seiner nicht gepanzerten Limousine unterwegs, als ein Transporter seinen Wagen plötzlich überholte und Unbekannte aus dem Fahrzeug auf die Limousine schossen.
  • Auf Einladung von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld reiste Ende Juni eine Gruppe von Fachleuten unter Leitung von John Hamre in die irakische Hauptstadt. Dies berichtete die Frankfurter Rundschau am 28. Juni. Hamre ist Präsident des Centers for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington, eines überparteilichen Beratungsinstituts, und war zwischen 1997 und 1999 stellvertretender Verteidigungsminister unter US-Präsident Bill Clinton. Im Januar hatte er gemeinsam mit Bathsheba Crocker und Frederick Barton, - die beide ebenfalls zu der Irak-Gruppe gehören - Empfehlungen für einen "klügeren Frieden" vorgelegt, in denen unter anderem der rasche Aufbau einer Übergangsregierung in Bagdad, die Aufhebung der Handelsbeschränkungen gegen das Land sowie Schritte zur Tilgung der Auslandsschulden enthalten waren. Die Fünfergruppe soll laut Financial Times vom 27. Juni das bisherige Wirken des "De-Facto-Vizekönigs" und US-Zivilverwalters Paul Bremer untersuchen und seine Einschätzungen durch eine "Außenseiter-Ansicht" ergänzen. Das Pentagon reagiert damit auf die wachsende Kritik an der Politik der US-Besatzungsverwaltung.
  • In der irakischen Stadt Falludscha ist die US-Armee in der Nacht zum 29. Juni erneut Ziel eines Angriffs geworden. Auf dem zentralen Marktplatz wurden US-Soldaten nach Angaben von Augenzeugen gegen Mitternacht mit Raketenwerfern beschossen worden. Dabei sei niemand verletzt worden. Die Angreifer hätten nach einem Schusswechsel fliehen können.
  • Am Morgen des 29. Juni wurde bei einem Überfall auf einen US-Militärkonvoi ein irakischer Zivilist getötet. Zwei Soldaten wurden verletzt. Der Vorfall ereignete sich laut Militärangaben im Südwesten Bagdads auf der Straße zum Flughafen. Kurz zuvor hatten Gegner der amerikanischen Besetzung eine US-Patrouille westlich von Bagdad mit Granaten beschossen.
  • Mit einer Demonstration der Stärke haben die amerikanischen Besatzungstruppen am 29. Juni begonnen, gegen den sich vor allem in Mittelirak regenden paramilitärischen Widerstand vorzugehen. In der in den frühen Morgenstunden begonnenen Großrazzia wurden bis zum Abend nach US-Angaben mehr als 60 Verdächtige bei 20 Zugriffen verhaftet. Der Einsatz ist gegen Aufständische und ranghohe Funktionäre des gestürzten Regimes von Saddam Hussein gerichtet und soll mehrere Tage dauern. Die US-Streitkräfte reagierten damit auf eine drastische Zunahme von Angriffen, die in der vergangenen Woche fast täglich Tote in ihren Reihen gefordert hatten. "Wir gehen mit einer so überwältigenden Kampfkraft vor, dass unsere Gegner gar nicht erst an Gegenwehr denken werden", beschrieb Oberstleutnant Mark Young in Camp Boom 50 Kilometer nordöstlich von Bagdad die Operation "Klapperschlange".
  • Rolf Ekeus, ehemaliger Chef der UN-Abrüstungsmission in Irak, hat den Irak-Krieg gerechtfertigt und Kritik an der britischen und der US-Regierung als "unberechtigt" zurückgewiesen. Die Kritik sei eine "Verzerrung und Banalisierung" einer größeren Gefahr für den Frieden und die internationale Sicherheit, erklärte Ekeus in einem Beitrag für die Zeitung "Washington Post" (Ausgabe vom 29. Juni). Ekeus, der die UN-Sonderkommission für die Vernichtung der Massenvernichtungswaffen in Irak (UNSCOM) von 1991 bis 1997 leitete, lieferte zudem eine Erklärung für die Schwierigkeiten bei der Suche nach den irakischen Massenvernichtungswaffen, die für Washington und London ein Hauptgrund für den Krieg gewesen waren.


Seit Ende der größeren Kampfhandlungen im Irak Anfang Mai sind dort mehr als 60 US-Soldaten ums Leben gekommen. Das berichteten amerikanische Medien am 29. Juni. Der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, sprach von "mindestens 30" Toten auf Seiten der Alliierten.

  • Bei einem Panzerfaust-Angriff in Falludscha wurde in der Nacht zum 30. Juni ein Reporter verletzt, der eine US-Patrouille begleitet hatte.
  • Bei der Explosion eines Munitionsdepots in der westirakischen Stadt Haditha (260 Kilometer nordwestlich von Bagdad) sind mindestens 25 Iraker ums Leben gekommen. Das berichtet der arabische Fernsehsender El Dschasira am 30. Juni. Dutzende von Menschen seien verletzt worden. Die Opferzahl liege möglicherweise noch wesentlich höher. Offenbar hätten Plünderer die Explosion in dem Depot der irakischen Armee versehentlich ausgelöst. Die Detonation habe sich bereits am Wochenende (28./29. Juni) ereignet, sagte ein US-Militärsprecher. Ein ähnlicher Unfall hatte sich vor einigen Tagen bereits südlich von Bagdad ereignet.
  • Nach Protesten der Regierung in Damaskus haben die USA fünf syrische Grenzbeamte freigelassen, die bei einem US-Militäreinsatz im Grenzgebiet zu Irak verletzt worden waren. Die Männer seien wieder in Syrien und würden in einem Krankenhaus behandelt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SANA am 30. Juni unter Berufung auf einen Sprecher der Regierung in Damaskus.
  • Der US-Verwalter im Irak, Paul Bremer sagte am 30. Juni, solange die Anhänger des gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein nicht getötet oder gefangen genommen würden, würden die Angriffe auf die US-Soldaten nicht abreißen. In den USA forderten Senatoren der republikanischen Regierungspartei von US-Präsident George W. Bush und der Demokraten den Einsatz einer internationalen Truppe im Irak, um der Gewalt gegen die Besatzungstruppen Einhalt zu gebieten. Auch die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich sollten sich daran beteiligen, sagte der Demokrat Joseph Biden, der im Auswärtigen Ausschuss des Senats sitzt.
  • Japan will einem Zeitungsbericht vom 30. Juni zufolge mehr als 1.000 Soldaten in Irak stationieren. Die ersten 500 Soldaten sollen Anfang Oktober in das vom Krieg zerstörte Land geschickt werden und dort unter anderem für die Treibstoff- und Wasserversorgung der Bevölkerung von Bagdad und der US-Truppen zuständig sein, berichtet die Tageszeitung "Tokyo Shimbun". Zu dem geplanten japanischen Kontingent gehörten ferner drei Transportflugzeuge vom Typ C-130 sowie ein Amphibienfahrzeug und ein Zerstörer, zitiert das Blatt aus einem Dokument des Verteidigungsministeriums. Ein Gesetz zur Genehmigung des Einsatzes solle noch im Juli von den Abgeordneten verabschiedet werden.
  • Amerikanische Soldaten haben am 30. Juni den von der US-Zivilverwaltung eingesetzten Bürgermeister der südirakischen Stadt Nadschaf verhaftet. Abdel-Muneim Amer Abud wird nach Angaben eines Militärsprechers Korruption vorgeworfen. Abud wurde im April nach der Eroberung von Nadschaf zum Bürgermeister berufen. Er war vorher Oberst im irakischen Heer gewesen. In einer Erklärung der US-Verwaltung hieß es, gegen Abud bestehe auch der Verdacht der Entführung und des Festhaltens von Geiseln. Ferner soll er Verwaltungsbedienstete gezwungen haben, finanzielle Unregelmäßigkeiten zu begehen.
  • Bei einer schweren Explosion in einer irakischen Moschee am Abend des 30. Juni sind mindestens fünf Iraker getötet und vier weitere verletzt worden. Die Explosion ereignete sich in der Stadt Falludschah. Irakische Zivilpersonen berichteten, die Explosion sei Folge eines Raketen- oder Bombenangriffs. Amerikanische Soldaten am Tatort erklärten dagegen, die Explosion sei vermutlich von Sprengstoff verursacht worden,der in der Moschee versteckt gewesen sei.


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