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Die dritte Woche: 3. bis 9. April 2003

Irak: Kriegschronik

Alle Angaben stehen unter dem Vorbehalt, von uns nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden zu können.

Donnerstag, 3. April
  • Die Sendungen des staatlichen irakischen Fernsehens sind nach US-Luftangriffen auf Bagdad in der Nacht zum Donnerstag plötzlich unterbrochen worden. Die Sendungen des ins Ausland ausgestrahlten irakischen Satellitenfernsehens konnten jedoch weiterhin normal empfangen werden, wie ein AFP-Korrespondent aus Irak berichtete. Die irakische Hauptstadt wurde in der Nacht fortwährnd bombardiert, jeweils mit einigen Unerbrechungen.
  • In der südirakischen Stadt Basra leisten weiterhin rund tausend irakische Milizionäre sowie zusätzliche Soldaten Widerstand gegen die vor der Stadt stehenden britischen Truppen. Mitglieder der 51. irakischen Brigade hätten sich trotz der Aufforderung zur Aufgabe in die Stadt zurückgezogen, sagte der britische Armeesprecher Chris Vernon am Donnerstag, den 3. April, in Kuwait. Es gebe keinen Plan für einen unmittelbaren Sturm auf die Stadt. Die britischen Truppen rückten jedoch hin und wieder geordnet in einzelne Stadtteile ein, um sich dann wieder zurückzuziehen.
  • Nach dem weiteren Vormarsch der US-Truppen Richtung Bagdad sieht Präsident George W. Bush den Sturz des irakischen Machthabers Saddam Husseins näher gerückt. Der Ring um die Hauptstadt schließe sich, "und die Tage eines brutalen Regimes sind gezählt", sagte Bush am Donnerstag bei einem Truppenbesuch in Camp Lejeune im US-Bundesstaat North Carolina. In seiner Rede vor 12.000 Marineinfanteristen hob der US-Präsident auch hervor, dass die irakische Bevölkerung begonnen habe, die amerikanischen und britischen Soldaten als Befreier zu begrüßen. Die US-geführten Truppen würden ihren Einsatz nicht beenden, "bevor das ganze Land befreit ist".
  • Im Südwesten von Bagdad waren am Donnerstag aus der Gegend des Flughafens mehrere Explosionen zu hören. Im Abstand von weniger als einer Minute hätten mindestens zehn Explosionen die Stadt erschüttert, sagte Reuters-Reporterin Samia Nakhoul. Das Stadtzentrum selbst sei nicht getroffen. Seit Mitternacht war es in Bagdad ruhig gewesen. Zuvor war aus US-Militärkreisen verlautet, eine Vorhut der 3. Infanteriedivision sei bis auf zehn Kilometer vor die südliche Stadtgrenze vorgerückt. Nach Angaben des Central Commands der US-Armee in Katar bezogen die US-Soldaten vor dem Flughafen Bagdads im Südwesten der Stadt Stellung.
  • Erstmals seit Beginn des Irak-Krieges ist in weiten Teilen Bagdads der Strom ausgefallen. Die Fünf-Millionen-Metropole liege am Abend nahezu vollständig im Dunkeln, berichten dpa-Korrespondenten aus Bagdad. Zuvor hätten die Alliierten neue Angriffe auf Stellungen im Süden der Hauptstadt geflogen.
  • In der Nähe des Internationalen Flughafens Saddam am südwestlichen Rand der Stadt war Artillerie-Feuer zu hören. Soldaten der 3. Infanterie-Division sagten der Nachrichtenagentur AP, der Angriff auf den Flughafen habe begonnen. Zuvor hatte die Division sich südlich von Bagdad Gefechte mit irakischen Truppen geliefert.
  • In der Nacht sind ein US-Jagdbomber vom Typ F/A-18 Hornet und ein Kampfhubschrauber vom Typ Blackhawk über dem Irak abgeschossen worden - möglicherweise von amerikanischen Patriot-Raketen.
  • Wie erst am Freitag vom US-Militär bekannt gegeben wurde, sind am Donnerstag bei einer Selbstmordattacke an einem alliierten Militärkontrollpunkt rund 80 Kilometer nordwestlich von Bagdad drei Soldaten getötet worden. Der Fahrer eines mit Sprengstoff beladenen Autos sowie eine ihn begleitende schwangere Frau seien ebenfalls ums Leben gekommen.
  • Britische Truppen haben nach eigenen Angaben gegen irakische Soldaten Streubomben eingesetzt. Wie der britische Sender "BBC" berichtet, habe der Einsatz in der Nähe von Basra stattgefunden. Die Granaten seien auf offenes Gebiet abgefeuert worden, wo sich eine große Anzahl irakischer Soldaten befunden hätte. - Der Einsatz sogenannter Clusterbomben ist umstritten. Sie enthalten viele kleine Sprengsätze, die nicht alle explodieren. Diese Mini-Bomben bleiben viele Jahre als Blindgänger für Zivilisten lebensgefährlich. Britische Militärs betonten der BBC gegenüber, dass nur fünf Prozent der eingesetzten L20-Bomben nicht explodieren würden. Irakische Stellen haben wiederholt amerikanischen und britischen Truppen den Einsatz von Streubomben vorgeworfen. Dies ist die erste Bestätigung von alliierter Seite.
  • Rumsfeld erklärte am Donnerstag, es sei zu spät für Saddam Hussein, um ins Exil zu gehen. Irakische Offiziere und Soldaten könnten sich jedoch immer noch retten. "Sie müssen jetzt entscheiden, ob sie das Schicksal von Saddam Hussein teilen oder ob sie sich selbst retten und bei der Befreiung Iraks helfen wollen", sagte Rumsfeld. Es gebe Kontakte zwischen den Vereinigten Staaten und einigen Mitgliedern der irakischen Militärführung.
  • US-Außenminister Colin Powell sieht sich bei ersten Beratungen mit den europäischen Verbündeten über die Zeit nach dem Irak-Krieg mit Forderungen nach einer starken Rolle der UNO konfrontiert. Unter anderem war in Brüssel auch ein Gespräch Powells mit Bundesaußenminister Joschka Fischer geplant. Der Vorsitzende der EU-Außenminister, der Grieche George Papandreou, betonte vor dem Treffen die Rolle der Vereinten Nationen (UNO). "Die EU hat die starke Rolle der UNO in allen Phasen der Irak-Krise deutlich gemacht", sagte Papandreou. Während Powell Diplomaten zufolge vor allem über den Wiederaufbau Iraks und eine mögliche Rolle der Nato sprechen wollte, erwartete Papandreou auch eine "offene und aufrichtige Diskussion" über den Krieg. Ziel müsse auch eine Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses sein. Fischer sagte, für konkrete Beratungen über den Wiederaufbau sei es noch zu früh. So lange die Kämpfe im Irak andauerten, lasse sich über den Wiederaufbau nur spekulieren, sagte Fischer. "Wichtig ist, dass wir die Diplomatie wieder nach vorne bringen."
  • In der NATO und der EU gibt es nach Einschätzung von NATO-Generalsekretär George Robertson eine zunehmende Übereinstimmung über die Gestaltung der Zukunft Iraks. "In der Vergangenheit gab es Spaltungen, aber ich sehe einen wachsenden Konsens über die Zukunft", sagte Robertson am Donnerstag nach einem gemeinsamen Mittagessen der Außenminister von EU und NATO in Brüssel mit US-Außenminister Colin Powell. Beim Wiederaufbau müsse die internationale Gemeinschaft und besonders die UNO nach Ansicht vieler Minister die Führung übernehmen. Völlig einig seien sich die Minister, dass der Irak-Krieg "so schnell wie möglich" zu einem Ende gebracht und die Zahl der Opfer so gering wie möglich gehalten werden müsse, betonte Robertson.
  • Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat in einer Regierungserklärung am Donnerstag als Konsequenz aus dem Streit um den Irak-Krieg eine Stärkung Europas als Gegengewicht zu den USA gefordert. "Es wäre fatal, wenn dieses integrierte Europa gerade angesichts neuer Ungleichgewichte in der Welt seiner Verantwortung nicht gerecht würde." Es gehe nicht darum, militärisch zu den USA aufzuschließen oder für eine Rolle als Weltpolizist zu rüsten. "Europa muss seine Fähigkeiten so weiterentwickeln, dass sie unserem Engagement und unserer Verantwortung für Konfliktprävention und Friedenssicherung entsprechen." Als Beispiel wies er auf den Einsatz in Mazedonien hin, den die EU am Montag von der Nato übernahm. Zugleich stellte er Leitlinien für die Nachkriegsordnung des Landes auf, zu denen vor allem die Kontrolle Iraks über sein Öl gehöre.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan sieht keinerlei Chance für eine baldige Waffenruhe im Irak. Er wünsche sich, ein Appell des Sicherheitsrates könnte zu einer Waffenruhe führen. Er glaube aber nicht, dass das der Fall wäre, sagte Annan dem arabischen TV-Sender El Dschasira. Annan sprach sich für eine starke Rolle der Vereinten Nationen im Nachkriegs-Irak aus.
  • Ein Generalstreik hat am Donnerstag in Griechenland den Öffentlichen Dienst und die Wirtschaft lahm gelegt. Zugleich demonstrierten Tausende gegen den Krieg in Irak; in Athen riefen rund 10.000 Demonstranten Parolen wie "Amerikaner sind Mörder" und "Verflucht sei Kolumbus für seine Neugier". In Saloniki demonstrierten 15.000 Menschen gegen den Krieg,in weiteren Städten fanden kleinere Kundgebungen statt. Die Polizei sprach von friedlichen Protesten. Seit dem Kriegsbeginn vor 15 Tagen hat es bereits mehrere Massenproteste gegeben, viele Demonstrationen gegen den Krieg wurden von mehr als 100.000 Menschen besucht.
    Mehrere tausend Studenten sind am Donnerstag in Spanien wieder gegen den Irak-Krieg auf die Straße gegangen. In Barcelona forderten mindestens 4.000 Menschen ein Ende der Angriffe, wie die Polizei mitteilte. In Madrid seien 2.000 Studenten auf die Straße gegangen. In Sevilla sollen es mindestens tausend gewesen sein.
    Auch in Bosnien gab es Proteste. In Sarajevo gingen 4.000 Menschen zur bislang größten Anti-Kriegs-Demonstration in der Hauptstadt auf die Straße. Der Demonstrationszug führte zur US-Botschaft. Dort sollen einige Kriegsgegner Eier und Beutel mit roter Farbe auf das Gebäude geworfen haben.
Freitag, 4. April
  • US-Einheiten nahmen am Freitag in den frühen Morgenstunden den Flughafen von Bagdad ein, wie General Vincent Brooks am Zentralkommando der US-Streitkräfte in Doha (Katar) berichtete. Bei den mehrstündigen Kämpfen wurden laut US-Angaben 320 irakische Soldaten getötet. Aus der Gegend flüchteten zahlreiche Menschen vor den Kämpfen in die Innenstadt. Der Flughafen ist strategisch bedeutsam, um weitere Truppen und Nachschub zu organisieren. Zudem könne nun die Flucht des irakischen Regimes verhindert werden, sagte Brooks.
  • Iraks Informationsminister Mohammed Said el Sahhaf drohte den US-Truppen auf dem Bagdader Flughafen mit "nicht-konventionellen" Angriffen: "Wir werden eine nicht-konventionelle Aktion ausführen, die nicht notwendigerweise militärisch ist", sagte Sahhaf auf einer Pressekonferenz in Bagdad. Er antwortete später auf Nachfragen, ob er Massenvernichtungswaffen meine: "Nein, nein überhaupt nicht." Irak werde "eine Art Märtyrer-Operation" anwenden - eine Umschreibung für Selbstmordanschläge.
  • Südöstlich von Bagdad kamen in der Stadt Kut zwei US-Soldaten bei Kämpfen ums Leben. Ein weiterer Soldat wurde von Kameraden erschossen, die ihn für einen Iraker gehalten hatten. Bei den schweren Straßenkämpfen vom Donnerstag kamen nach US-Angaben etwa 80 Iraker ums Leben.
  • Im Norden Iraks waren nahe Mossul schwere Detonationen zu hören. Ebenfalls in der Nacht zum Freitag ergaben sich laut dem US-Militär 2.500 Mitglieder der Republikanischen Garde, einer Elitetruppe, die Bagdad verteidigen soll. Zudem sei eine Division der Garde im Kampf besiegt worden.
  • Am Freitag haben Milizen der "Patriotischen Union Kurdistan" (PUK) in Nordirak gemeinsam mit US-Einheiten eine Verbindungsstraße zwischen der Ölstadt Kirkuk und Bagdad nahe Tuz Kurmatu unter ihre Kontrolle gebracht. "Saddam Husseins Soldaten müssen nun den Umweg über Tikrit nehmen, um in die irakische Hauptstadt zu gelangen", sagte Sadi Ahmed Pire, der PUK-Fraktionschef im kurdischen Parlament (FR, 05.04.03). Doch auch diese Verbindung scheint unterbrochen. Die Militärführung der Alliierten sagt jedenfalls, sie habe auch einen Teil der Trasse zwischen Tikrit und Bagdad unter Kontrolle. Damit dürfte ein Drittel der irakischen Streitkräfte entlang der Nordfront isoliert sein.
  • Am Freitag soll sich ein irakischer General der 5. Armee nach Darstellung der Kurden den Behörden in der Stadt Erbil ergeben haben. Er sei heimlich desertiert und hätte Verwandte in einem Ort 40 Kilometer nördlich der Stadt kontaktiert. "Die Bombenangriffe waren sehr präzise und haben die Moral der irakischen Truppen erheblich geschwächt", sagte Hushiyar Zebary von der zweiten Kurdenorganisation "Kurdische Demokratische Partei" (KDP).
  • Russland und China forderten ein sofortiges Ende des Irak-Kriegs und eine zentrale Rolle der UN bei der Lösung des Konflikts. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sich beide Länder für Anstrengungen aus, den Konflikt politisch zu lösen. Iraks Zukunft werde von den UN und nicht von den USA entschieden, sagte der russische Vize-Außenminister Juri Fedotow in Peking.
  • US-Außenminister Colin Powell bekundete seine Unterstützung für eine internationale Konferenz zur Neuordnung Iraks nach dem Vorbild der Petersberger Afghanistan-Konferenz. Zuvor hatte sich bereits der britische Außenminister Jack Straw dafür ausgesprochen. Bei jener Konferenz war 2001 die politische Neuordnung Afghanistans beschlossen worden.
  • Die US-geführten Invasionstruppen haben auch spätabends und in der Nacht zum Samstag ihre Luftangriffe auf Bagdad fortgesetzt. Auf CNN-Live-Bildern waren heftige Explosionen zu sehen und zu hören. Korrespondenten von ARD und ZDF berichteten von Kampfjets und Langstreckenbombern, die von der irakischen Luftabwehr beschossen wurden. Die US-Luftwaffe fliegt auch massive Angriffe gegen Ziele am Stadtrand. Dort liegt der internationale Flughafen. Er soll in der Hand der alliierten Truppen sein. Die Iraker behaupten, den Flughafen umstellt zu haben.
  • Zehntausende Moslems in Asien und der arabischen Welt sind nach dem Freitagsgebet erneut auf die Straße gegangen, um gegen den Irak-Krieg zu protestieren. Allein in der zentralpakistanischen Stadt Multan demonstrierten rund 30.000 Menschen gegen die Kriegskoalition. Sie skandierten Parolen wie "Tod für Bush" und "Lang lebe Saddam", eine Gruppe Demonstranten bewarf eine Puppe von US-Präsident George W. Bush mit Steinen.
Samstag, 5. April
  • US-Panzereinheiten drangen am Morgen erstmals in die irakische Hauptstadt Bagdad vor. Abends standen nach amerikanischen Angaben "eine erhebliche Zahl von US-Truppen" im Stadtzentrum der irakischen Hauptstadt. Ein Brigade-Kommandeur der 3. US-Infanteriedivision, David Perkins, sagte, bei dem Vormarsch ins Zentrum von Bagdad seien rund tausend irakische Soldaten getötet worden. Nach den Gefechten seien die Straßen mit Leichen übersät gewesen. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, es habe auf beiden Seiten Tote und Verletzte gegeben. Der arabische TV-Sender al- Dschasira meldete heftige Gefechte aus einem südwestlichen Vorort, etwa zehn Kilometer vom Stadtkern entfernt. Der irakische Informationsminister Mohammed Sajjid el Sahhaf sagte, der Feind sei lediglich bis in die Außenbezirke gekommen und sei vom Flughafen wieder vertrieben worden.
    Der amerikanische Fernsehsender FOX-News zeigte Bilder, auf denen US-Panzer auf einer Hauptstraße von Bagdad zu sehen waren, die teilweise von mit weißen Taschentüchern winkenden Einwohnern begrüßt wurden. Ein anderer Kameramann berichtete von "fanatischem Widerstand" irakischer Kämpfer und von Selbstmordattacken: "Autos fuhren einfach auf die Panzer-Kolonnen zu. Sie wurden zerstört. Die Republikanische Garde hatte sehr viel Kampfgeist, aber keine Organisation."
  • Ein britischer Regierungssprecher sagte in London, der Krieg sei noch nicht vorüber. Doch das irakische Volk sei immer mehr überzeugt, dass die Regierung in Bagdad zusammenbreche: "Der Faktor Angst nimmt ab." Ihr Verhalten gegenüber den Koalitionsstreitkräften werde von Tag zu Tag "herzlicher".
  • Nach den fortgesetzten Luftangriffen auf Bagdad wurden mehrere hundert Verletzte in vier Krankenhäusern behandelt, sagte ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf.
  • US-Kampfflugzeuge patrouillieren nach US-Angaben seit Samstag rund um die Uhr über Bagdad, um die alliierten Bodentruppen in der irakischen Hauptstadt zu unterstützen. Wie US-General Michael Moseley in Washington mitteilte, sollen die Flugzeuge 24 Stunden am Tag im Einsatz sein und den in der Stadt kämpfenden US-Truppen aus der Luft helfen. "Heute hat die Umsetzung unseres Einsatzkonzeptes begonnen, denn wir haben unsere Bodentruppen in der Stadt", sagte Moseley.
  • Im Nordirak konnten am Samstag kurdische Truppen laut BBC ohne größere Kämpfe Geländegewinne verbuchen. Bei der Stadt Mossul soll es aber Gefechte zwischen kurdischen und irakischen Soldaten gegeben haben. Anhaltende Kämpfe wurden auch aus den Städten Basra und Samawah gemeldet.
  • Ein Iraker, der nach eigenen Angaben einer Elite-Einheit angehörte, hat US-Soldaten zu einem angeblichen Versteck von Chemiewaffen auf einem Schulhof 80 Kilometer südöstlich von Bagdad geführt. Bislang haben die alliierten Streitkräfte nach eigenen Angaben keine klaren Beweise dafür gefunden, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hat.
  • Die USA kündigten an, bereits in wenigen Tagen Pläne zum Aufbau einer Zivilregierung nach einem Ende des Irak-Krieges vorzulegen. Der im Exil lebende, frühere irakische Außenminister Adnan Pachachi ist nach eigenen Angaben von irakischen Oppositionsgruppen mit der Bildung einer Übergangsverwaltung beauftragt worden.
  • Forderungen Frankreichs, Russlands und Deutschlands nach einer zentralen Rolle der Vereinten Nationen (UN) beim Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg wiesen die USA zurück. Die Führungsrolle beim Wiederaufbau des Irak steht nach Auffassung der Sicherheitsberaterin von Präsident Bush, Condoleezza Rice, nicht den UN, sondern den USA zu. "Es ist nur natürlich zu erwarten, dass die alliierten Kräfte die leitende Rolle haben werden, nachdem sie sich an der Befreiung des Irak beteiligt und dafür Leben und Blut geopfert haben."
  • Ein amerikanischer Arzt hat den Medien vorgeworfen, die Schrecken des Golfkriegs nicht ausreichend zu dokumentieren. Die Berichte gingen kaum auf die schweren Verletzungen der Opfer ein, kritisierte Gene Bolles, Leiter der neurochirurgischen Abteilung am US-Militärkrankenhaus in Landstuhl in der Pfalz. "Wir mussten bereits verheerende Wunden behandeln - abgerissene Arme, Beine oder Hände, Verbrennungen, schwere Hirnverletzungen und Nervenschäden", sagte der Mediziner der im US-Staat Colorado erscheinenden Zeitung "Boulder Daily Camera" am 5. April. Bolles verwies darauf, dass es sich bei den Opfern zumeist um sehr junge Menschen handele. "Sie sind fürs Leben gezeichnet. Viele Leute scheinen sich darüber überhaupt nicht im Klaren zu sein." Bis Freitag seien seit Beginn des Golfkriegs 281 US-Soldaten in sein Krankenhaus gebracht worden, doch die Fernsehberichte über ihre Verwundungen würden in der Regel von den grausamen Details gesäubert. Bolles nannte dies völlig inakzeptabel.
  • Mehrere tausend Menschen haben am 5. April in Kopenhagen eine Menschenkette rund um die Botschaften der USA, Großbritannien und Spaniens gebildet, um gegen den Irak-Krieg zu protestieren. "Stoppt diesen Wahnsinn" und "Bush Mörder" war auf den Plakaten der Demonstranten zu lesen. Aufgerufen zu der Protestaktion hatte der Verband "Kein Krieg in Irak". Die dänische Regierung befürwortet den Krieg und unterstützt die Alliierten auch militärisch.
    In einigen wenigen deutschen Städten kam es auf Initiative von Kirchen, Gewerkschaften und Friedensbündnissen zu Protestzügen und Mahnwachen. In Heidelberg zogen am Samstag 2.000 Menschen aus der Innenstadt zum Hauptquartier der US-Streitkräfte. Weitere Demos gab es unter anderem in München, Köln, Bremen und Gütersloh.
Sonntag, 6. April
  • Ein US-Kampfflugzeug hat im Norden Iraks irrtümlich einen Konvoi mit kurdischen Kämpfern und eigenen Soldaten bombardiert, wie die britische Fernsehsender BBC am Sonntag meldete. Der BBC-Korrespondent John Simpson, der den Konvoi begleitete, berichtete, er habe inmitten der brennenden Fahrzeuge mindestens zehn Leichen gezählt. Der Korrespondent wurde nach eigenen Angaben von einem Splitter am Bein verletzt. Sein Dolmetscher sei schwer verletzt worden. "Ein amerikanisches Flugzeug hat die Bombe dicht neben uns abgeworfen", sagte der Korrespondent. Die Bombe sei etwa drei Meter neben dem Konvoi eingeschlagen. Simpson sagte nicht, wo genau sich der Zwischenfall ereignete. Die BBC meldete, der Vorfall habe sich in einem von Kurden kontrollierten Gebiet im Norden Iraks zugetragen. Laut Simpson bestand der Konvoi aus acht bis zehn Fahrzeugen, zwei von ihnen transportierten Soldaten einer US-Spezialeinheit. Unter den Opfern sei auch ein hoher kurdischer Politiker.
  • Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden sind alliierte Panzerverbände nach Bagdad vorgestoßen. Hauptmann Al Lockwood sagte in einem CNN-Interview im US-Hauptquartier in Katar, es gehe unter anderem darum, Straßenkontrollpunkte einzurichten. Die Truppen seien auf vereinzelten Widerstand irakischer Milizen gestoßen. Wie der irakische Informationsminister Mohammed Sajjid el Sahhaf sagte, haben irakischen Soldaten und Kämpfer in der Nacht 50 amerikanische Soldaten getötet.
  • Ein Konvoi mit Diplomaten der russischen Botschaft ist in Irak beschossen worden, wie das Pressebüro des Kremls am Sonntag in Moskau mitteilte. Dabei habe es eine nicht näher genannte Zahl von Verletzten gegeben. Das Botschaftspersonal, das aus Bagdad evakuiert wurde, befand sich den Angaben zufolge auf dem Weg zur syrischen Grenze. Präsident Wladimir Putin sei über den Zwischenfall informiert worden, hieß es in der Mitteilung. Es wurden keine Angaben dazu gemacht, welche der Kriegsparteien den Konvoi wenige Kilometer außerhalb von Bagdad beschossen hat. Das Außenministerium erklärte, die Botschafter der Vereinigten Staaten und Iraks seien sofort einbestellt worden. Sie seien aufgefordert worden, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der russischen Staatsbürger in Irak zu garantieren. Ferner seien sie aufgefordert worden, die Umstände des Angriffs zu klären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
  • Die Kämpfe um die irakische Hauptstadt Bagdad haben sich am Nachmittag in Richtung Südosten verlagert. Korrespondenten vor Ort hörten heftige Detonationen in Richtung der Ausfallstraße nach Kut. Auch das Heulen irakischer Raketenwerfer im Stadtzentrum war zu hören. Zunächst war nicht klar, ob die Kämpfe im Zusammenhang mit einem neuerlichen Vorstoß amerikanischer Panzerverbände auf Bagdad standen. Bereits am Vormittag war Gefechtslärm im Süden der Stadt auszumachen gewesen.
  • Am Stadtrand von Bagdad hat es am frühen Abend nach Angaben des arabischen TV-Senders El Dschasira erneut Gefechte gegeben. Ein Reporter des Senders in der irakischen Hauptstadt berichtete von Detonationen im Südosten der Stadt. Gleichzeitig flogen die Alliierten offenbar weitere Luftangriffe auf Ziele in Bagdad. Die Ausrüstung der noch verbliebenen vier Divisionen der Republikanischen Garde ist nach US-Militärangaben zum großen Teil zerstört worden.
  • Zwei heftige Explosionen haben am Abend das Stadtzentrum von Bagdad erschüttert. "Wir haben in der Ferne einen roten Feuerball gesehen, der so groß war, dass er an einen Sonnenuntergang erinnerte", sagte ein Reporter des arabischen Fernsehsenders El Dschasira. In der Ferne seien außerdem deutlich Artilleriegefechte zu hören. Mehrere Kampfflugzeuge flögen sehr niedrig über Bagdad, sagte er. Auch der Lärm der irakischen Luftabwehr war erneut zu hören.
  • Die Anzahl der Opfer des Irak-Krieges ist so hoch, dass es die Krankenhäuser in Bagdad mittlerweile aufgegeben haben, die Verletzten zu zählen. Das erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Sonntag in Genf. Das medizinische Personal arbeite ununterbrochen unter hohem Druck und habe für Statistiken keine Zeit, hieß es. Da in den Krankenhäusern der irakischen Hauptstadt ein Patient nach dem anderen eingeliefert werde, sei es unmöglich, genaue Listen über die Bombenopfer zu führen. Krankenwagen sammelten überall in Bagdad Verletzte ein, andere versuchten zu Fuß, das nächstgelegene Krankenhaus zu erreichen, erklärte das IKRK. Auch die Organisation machte keine Angaben darüber, wie hoch die Opfer unter der irakischen Bevölkerung tatsächlich sind. Sie bestätigte auch nicht die Angaben der US-Streitkräfte, dass bei den Kämpfen um Bagdad am Samstag zwischen 2.000 und 3.000 irakische Soldaten getötet wurden.
  • Dutzende britischer Panzer sind ins Zentrum der südirakischen Stadt Basra vorgedrungen. Der arabische Fernsehsender El Dschasira zeigte am Nachmittag Bilder von Panzern, die durch die Straßen der Stadt fuhren. Vereinzelt drangen Schüsse aus Gebäuden. Einige irakische Jugendliche zogen jubelnd durch die Straßen. Die Truppen seien von der Bevölkerung freundlich begrüßt worden, so ein britischer Armeesprecher.
  • Die Türkei und Iran lehnen eine Zerschlagung des Iraks und die Bildung eines Kurdenstaates im Nordirak ab. Das machten beide Seiten bei einem Besuch des iranischen Außenministers Kamal Charrasi in Ankara deutlich. Man sei entschieden dagegen, dass der Irak zerstückelt werde, sagte Charrasi nach einem Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Abdullah Gül. Dieser bekräftigte, die "Sorgen" beider Länder bezüglich der Entwicklung im Nordirak seien "identisch".
  • Der israelische Militärexperte Martin van Creveld, Berater der US-Marines für den Häuserkampf, sagte gegenüber der Zeitung "Welt am Sonntag" (6. April) beim Vormarsch der US-Streitkräfte nach Bagdad sei auch der Einsatz von israelischen Bulldozern geplant, die bereits beim Einsatz im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin eingesetzt wurden, um für die vorrückenden Panzer Schneisen in die Stadt zu schlagen. "Gepanzerte Bulldozer sind sehr nützlich zur Zerstörung von Bunkern und Stützpunkten sowie zum Wegräumen von Trümmern in den Straßen", wird van Creveld zitiert, "denn beim Straßenkampf müssen sich die Soldaten schnell und ungehindert bewegen können."
  • Mit einer Großkundgebung haben am Sonntag in Istanbul zahlreiche Menschen gegen den Irak-Krieg protestiert. De Nachrichtensender CNN-Türk sprach von Zehntausenden von Demonstranten. Zu der Protestveranstaltung unter freiem Himmel hatten zahlreiche Gewerkschaften, linksgerichtete Parteien und gesellschaftliche Gruppen aufgerufen.
  • Einem dpa-Bericht zufolge engagieren sich viele deutsche Bühnen mit spezifischen Beiträgen gegen den Krieg. An vielen Theatern sind Antikriegstransparente angebracht. Hier und da wurden spezielle Antikriegs-Stücke ins Programm aufgenommen. In vielen Theatern werden Lesungen mit anschließenden Publikumsdiskussionen angeboten. Die Darsteller des Bayerischen Staatsschauspiels gehen mit dem Transparent "Nein zum Krieg im Irak" nach den Vorstellungen auf die Straße und diskutieren mit Theaterbesuchern und Passanten vor dem Münchner Residenztheater über die politische Lage.
Montag, 7. April
  • Für die Zivilbevölkerung in Bagdad sind die Kämpfe in der Stadt verheerend. Ausländische Ärzte, die als Helfer unterwegs sind, berichten, sie hätten auch zerschossene und ausgebrannte Taxis gesehen. Unversehens sind seit Samstag, als die US-Truppen den ersten Vorstoß in das Stadtgebiet von Bagdad unternahmen, immer wieder einzelne Menschen oder ganze Familien mit ihren Autos zwischen die Fronten geraten. Angstvoll und hilflos schwenkten sie Kleidungsstücke oder weiße Stoffe, um ihre Harmlosigkeit zu dokumentieren. Hunderte landeten indessen schwer verletzt oder getötet in den Krankenhäusern, wie Augenzeugen bestätigen.
  • Am Nachmittag beginnen irakische Truppen mit dem Versuch, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln aus automatischen Waffen und Detonationen. Dann dröhnt jedes Mal kurz darauf ein US-Kampfbomber am Himmel. Die Luftunterstützung greift sehr gezielt feindliche, irakische Stellungen im Stadtzentrum an.
  • Das US-Militär teilte am Montag mit, US-Truppen kontrollierten auch die den Schiiten heilige Stadt Kerbela etwa 110 Kilometer südlich von Bagdad. Es sei zu heftigen Gefechten mit irakischen paramilitärischen Einheiten gekommen, die Nachschublinien der US-Truppen bedroht hätten.
  • Zwei Journalisten und zwei US-Soldaten sind bei einem irakischen Raketenangriff getötet worden. Das berichten US-Medien unter Berufung auf das amerikanische Militär. Bei einem der Journalisten könnte es sich um einen Deutschen handeln. Der zweite soll ein Spanier sein. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte den angeblichen Tod eines deutschen Reporters nicht. In den US-Medien heißt es weiter, ein von den Amerikanern errichtetes Befehls- und Kommunikationszentrum sei von der Rakete getroffen worden.
  • Nach mehr als zweiwöchiger Belagerung sind am Montag britische und US-Soldaten bis ins Zentrum der südirakischen Stadt Basra vorgerückt, ohne zunächst auf Widerstand zu stoßen. Unter dem Schutz von Panzern und Kampfhubschraubern marschierten die rund 700 Soldaten auch in die Altstadt der zweitgrößten Stadt des Landes, aus der heraus sie am Vortag noch beschossen worden waren. Entlang der Straßen standen Bewohner, die sich offenbar freuten. Die Truppen seien in Basra, um zu bleiben, sagte der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon in London. "Wir kontrollieren den Großteil der Stadt", sagte ein britischer Militärsprecher.
  • Auf dem Weg zu Kriegszielen im Irak überfliegen die US-Bomber vom Typ B-52 auch Deutschland. Das sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums am 7. April in Berlin. Er verwies darauf, dass Deutschland den Alliierten pauschale Überflugrechte gewährt habe. Die britischen und amerikanischen Militärflugzeuge würden wie Zivilmaschinen über den deutschen Luftraum "durchkoordiniert". Bisher war unklar, ob und in welchem Ausmaß die Alliierten die ihnen zugesicherten Überflugrechte auch tatsächlich wahrnehmen.
  • Bei dem Luftangriff auf ein Gebäude in einem Wohnviertel am Montag sind vier 900-Kilogramm-Bomben abgeworfen worden, sagte ein US-Sprecher. Zum Zustand des Ziels hieß es in US-Militärkreisen: "Es ist ein Loch im Boden." Es werde schwer sein zu beweisen, wer getötet worden sei. Geheimdienst- Informationen hätten darauf hingedeutet, dass in dem Haus "ein Treffen von irakischen Geheimdienstmitgliedern und möglicherweise zudem von Saddam und seinen beiden Söhne" stattfand. Augenzeugen hatten zuvor von neun getöteten und vier verletzten Irakern nach einem Luftangriff gesprochen.
  • Der "Fucus"-Journalist Christian Liebig war mit der 3. US-Infanteriedivision unterwegs und starb am Montag mit einem spanischen Kollegen und zwei US-Soldaten, als eine irakische Rakete in dem sicher geglaubten Hauptquartier in der Nähe von Bagdad einschlug.
  • Nach einem Panzergefecht in der Stadt As Subair plünderten Iraker Regierungsbüros und erbeuteten Radios, Bettrahmen und eine Klimaanlage. Andere machten sich mit einem Militärjeep davon. Im nahe gelegenen Basra strömten Bewohner mit Tischen, Stühlen und Teppichen aus den Büros der Zentralbank. Auch im Sheraton-Hotel wurden sie fündig, luden Sofas auf Pferdewagen und schleppten den Flügel aus der Hotelbar über die Straße davon. Doch nicht nur Iraker nutzen die Gelegenheit. Auch zahlreiche US-Soldaten greifen zu, obwohl es ihnen das Militärrecht verbietet. Am Montag stürmten Truppen der 3. Infanteriedivision einen der Paläste des irakischen Staatschefs Saddam Hussein. Sie benutzten nicht nur seine Toiletten und durchsuchten seine Akten, sondern versorgten sich auch mit Aschenbechern, Kissen, Gläsern und anderen Andenken.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan will einen Experten aus Pakistan zum Koordinator für den Wiederaufbau des Irak ernennen. Annan sagte vor den Beratungen mit dem Weltsicherheitsrat, er habe sich entschlossen, Ahmed Rafeeudin mit der Aufgabe zu betrauen. Der Generalsekretär wiederholte seine Forderung, die UN sollten nach dem Krieg eine wichtige Rolle bei einer Übergangsverwaltung spielen. Noch diese Woche will Annan mit den Regierungen in Paris, London, Moskau und Berlin die UN-Rolle im Irak besprechen.
  • Die Bundesregierung schließt eine Beteiligung Deutschlands am Wiederaufbau des Irak offenbar auch dann nicht aus, falls dieser entgegen ihrem Willen nicht unter dem Dach der Vereinten Nationen (UNO) laufen sollte. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sehe für diesen Fall zwar keine primäre Verantwortung, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin zu Äußerungen Strucks in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. "Wenn der Minister sagt, er sieht hier für einen bestimmten Fall keine primäre Verantwortung, dann heißt das, dass Deutschland da nicht in der ersten Reihe steht, aber mit Sicherheit in der zweiten oder dritten."
Dienstag, 8. April
  • Am Dienstag haben US-Truppen mit einem gezielten Bombardement Iraks Präsident Saddam Hussein erneut direkt attackiert und sind mit Panzern in das Regierungsviertel eingerückt. US-Bodentruppen haben nach eigenen Angaben ihre Positionen im Zentrum von Bagdad ausgebaut. CNN berichtet, es habe keinen organisierten Widerstand mehr gegeben. Die vereinzelten Kämpfe konzentrierten sich erneut auf das Regierungsviertel. Die Bodentruppen wurden unterstützt von Kampfflugzeugen und erstmals auch von Kampfhubschraubern.
  • Bei zwei schweren Zwischenfällen in Bagdad wurden ein Journalist getötet und mehrere andere verletzt. Ein Bürogebäude, in dem mehrere arabische Medien untergebracht sind, wurde offensichtlich durch amerikanischen Luftbeschuss getroffen. Dabei wurde ein Journalist des Senders El Dschasira getötet. Wenig später schlug ein Geschoss im Hotel Palestine ein, wo die meisten ausländischen Journalisten wohnen. Dabei wurden fünf Medienvertreter verletzt, darunter vier Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters, einer von ihnen, der Kameramann Taras Protsyuk (35) erlag seinen Verletzungen. Laut CNN ist der Beschuss wahrscheinlich von US-Einheiten ausgegangen, die das Feuer von irakischen Verteidigern erwidert hätten. - Bereits am Montag waren ein Reporter des Nachrichtenmagazins "Focus" und ein spanischer Journalist bei irakischen Luftangriffen ums Leben gekommen.
  • Im Südosten Bagdads griffen US-Marineinfanteristen einen Militärflughafen im Südosten Bagdads an. Aus Militärkreisen verlautete, die Einheiten sollten allmählich in Richtung des Stadtzentrums vorrücken. US-Hubschrauber und -Kampfflugzeuge beschossen einen Stützpunkt der Elitetruppe von Saddam im Südosten Bagdads an. - Das US-Zentralkommando in Katar bestätigte, dass ein Kampfjet vom Typ A-10 in der Nähe des Flughafens von Bagdad abgestürzt sei. Der Pilot habe sich retten können.
  • Während US-Truppen die irakische Hauptstadt Bagdad teilweise besetzt hielten, hat Iraks Informationsminister Mohammed el Sahaf am Dienstag weiter die Widerstandskraft der irakischen Armee beschworen. "Wir werden sie angreifen und zerstören", bekräftigte Sahaf in Bagdad vor Journalisten. Auf die Frage, ob sich die irakischen Truppen den ins Zentrum eingerückten US-Soldaten ergeben werden, sagte er: "Sie (die US-Soldaten) werden sich ergeben oder in ihren Panzern verbrennen." Bagdad bereite sich darauf vor, die Invasoren aufzureiben.
  • In die südirakische Großstadt Basra sind inzwischen massive britische Verbände eingerückt. In der "befreiten" Stadt werde jetzt eine lokale Verwaltung eingerichtet, sagte ein Militärsprecher. Die Briten hätten mit einem örtlichen Stammesführer Kontakt aufgenommen. Der Sprecher beschrieb die humanitäre Situation als nicht dramatisch. Es gebe ausreichend Lebensmittel. Die Briten arbeiteten daran, die Trinkwasserversorgung wieder herzustellen.
  • Der britische Premierminister Tony Blair und US-Präsident George W. Bush haben sich am Dienstag nach ihrem Treffen in der Nähe von Belfast zuversichtlich gezeigt, dass die Herrschaft des irakischen Präsidenten Saddam Hussein bald zusammenbrechen werde. Die Macht von Saddam Hussein neige sich dem Ende zu, sagte Blair. Bush teilte diese Einschätzung mit den Worten, in den Irak "bricht ein neuer Tag an". Er schränkte jedoch zugleich ein, dass noch schwierige Kämpfe zu erwarten seien. Am Ergebnis gebe es aber keinen Zweifel. "Irak wird frei sein", sagte Bush.


Getötete Journalisten

Seit Beginn des Irak-Kriegs am 20. März sind zehn Mitarbeiter internationaler Medien auf Grund von Kampfeinwirkungen ums Leben gekommen. Hier eine Übersicht:
  • Terry Lloyd, Korrespondent des britischen TV-Senders ITN, am 22. März im Süden Iraks
  • Paul Moran, Kameramann des australischen Rundfunksenders ABC, am 22. März im Norden Iraks
  • Kaveh Golestan, Kameramann des britischen Senders BBC, am 2. April im Norden Iraks
  • Michael Kelly, Redakteur der US-Zeitschrift "The Atlantic Monthly", am 3. April bei Bagdad
  • Kamaran Abdurazaq Muhamed, kurdischer Übersetzer des britischen Senders BBC, am 6. April im Norden Iraks
  • Christian Liebig, Reporter des deutschen Nachrichtenmagazins "Focus", am 7. April bei Bagdad
  • Julio Anguita Parrado, Reporter der spanischen Zeitung "El Mundo", am 7. April bei Bagdad
  • Tareq Ayoub, Journalist des arabischen Senders El Dschasira, am 8. April in Bagdad
  • Taras Protsyuk, Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters, am 8. April in Bagdad.
  • Ein spanischer Kameramann, am 8. April in Bagdad.
Vermisst werden:
  • Fred Nerac und Hussein Osman vom britischen Sender ITN, seit 22. März im Süden Iraks


  • US-Präsident George W. Bush will den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle in der Nachkriegsordnung für Irak einräumen. Für den Wiederaufbau des Landes seien "die Unterstützung und die Kompetenz der internationalen Gemeinschaft" nötig, sagte Bush am Dienstag nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in der Nähe von Belfast. Der UNO falle bei dieser Aufgabe eine "entscheidende Rolle" zu. Dies gelte "für alle Aspekte". Die USA und Großbritannien würden die Regierungsgeschäfte "sobald wie möglich" in die Hände einer Interimregierung abgeben, die aus "Irakern von innerhalb und außerhalb des Landes" bestehen werde.
Mittwoch, 9. April
  • US-Panzer besetzten am Mittwoch fast kampflos zentrale Plätze der irakischen Hauptstadt. "Bagdad ist gefallen", berichtete Reuters-Korrespondent Khaled Yacoub Oweis. Im Zentrum der Hauptstadt strömten Menschen auf die Straße, viele sollen gejubelt haben. Vielerorts wurde versucht, Statuen von Staatschef Saddam Hussein umzureißen. Porträts Saddams wurden zertrampelt. Die irakische Regierung schien keine Kontrolle mehr über die Metropole zu haben: Ministerien und andere Symbole der Macht Saddams wurden von Menschenmassen geplündert, in den Straßen waren keine Soldaten oder Polizisten mehr zu sehen. Vor dem Hotel Palestine am Ostufer des Tigris, von wo zahlreiche ausländische Journalisten über den Irak-Krieg berichten, fuhren mehr als ein Dutzend schwere Abrams-Panzer und andere Fahrzeuge der US-Armee vor, ohne einen Schuss abzugeben.
  • US-Panzer besetzten auch den Tahrir-Platz am Ostufer des Tigris, wie ein Reuters-Korrespondent berichtete. Der Platz mit seinem Befreiungsdenkmal gilt vielen als das eigentliche Herz der Hauptstadt. Tausende US-Soldaten hatten zuvor bereits ohne Widerstand das Armenviertel Saddam-Stadt im Nordosten eingenommen und wurden dabei, wie es hieß, freudig begrüßt.
  • Polizei und Armee, die in den vergangenen 24 Jahren die Macht Saddams abgesichert hatten, waren aus dem Stadzentrum verschwunden. Sichtbarstes Zeichen des Machtverfalls waren die Plünderungen. Menschen schleppten alles aus Regierungsgebäuden, was beweglich war: Ventilatoren, Blumenkübel, Möbel und ornamentversehene Vasen wurden weggeschafft. "Danke, Herr Bush", rief einer der Plünderer in eine Fernsehkamera.
  • US-Truppen blockierten nach eigenen Angaben die Straßen von Bagdad nach Tikrit, um irakische Regierungsmitglieder an der Flucht in die Heimatstadt von Saddam Hussein zu hindern. In der Umgebung der 150 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt flog die US-Luftwaffe Angriffe auf Einheiten der Adnan-Division der Republikanischen Garde. US-Spezialeinheiten lieferten sich dort nach US-Angaben heftige Kämpfe mit irakischen Truppen.
  • Auch um Mossul, das Zentrum der irakischen Ölindustrie im Norden, wurde am Mittwoch heftig gekämpft. Kurdische Kämpfer und US-Truppen nahmen einen strategisch wichtigen Berg nahe der Stadt Mossul ein, der Iraks Streitkräften zur Verteidigung der Ölförderstadt diente. Damit sei die letzte Verteidigungslinie um die Stadt gefallen, sagte Hoschijar Sebari, ein politischer Berater des Kurdenanführers Massud Barsani. Das Gebiet um die Stadt Mossul sei seit Ausbruch des Krieges von den Irakern heftig verteidigt worden.


Kriegsstatistik
Zur Zahl der Toten und anderer Verluste im Golfkrieg gibt es nur ungefähre und kaum überprüfbare Angaben. Aus den Angaben der Kriegsparteien haben sich bis Mittwoch folgende Zahlen ergeben. Mit eingeschlossen sind Unglücksfälle und Tote durch Beschuss aus den eigenen Reihen.
  • Tote in der irakischen Zivilbevölkerung: mehr als 600
    Nach unabhängigen Quellen: Zwischen 961 und 1.139 Zivilopfer (http://www.iraqbodycount.net/)
  • Verletzte in der irakischen Zivilbevölkerung: mehr als 4.000
  • Tote in den irakischen Streitkräften: mehrere tausend
  • Tote in den US-Streitkräften: 96
  • Vermisste in den US-Streitkräften: 8
  • Tote in den britischen Streitkräften: 30
  • irakische Kriegsgefangene: mehr als 13.500
  • amerikanische Kriegsgefangene: 7
  • tote Journalisten: 10, 2 vermisst

  • Ein führender US-Militärvertreter warnt vor voreiligen Schlüssen über einen Fall von Bagdad. Die Schlacht von Bagdad sei noch lange nicht vorüber, sagte Marine-Sprecher Frank Thorp beim Zentralkommando in Katar. Er würde die Lage in Bagdad nicht als "ruhig" bezeichnen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich zurückhaltend zur jüngsten Entwicklung in Bagdad geäußert. Es sei noch zu früh um zu beurteilen, wer jetzt für die irakische Hauptstadt verantwortlich sei und was mit der irakischen Regierung geschehen sei, sagte Annan am Mittwoch in New York. Er rief dazu auf, alles zu tun, um die Ruhe in Bagdad wiederherzustellen und den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.
  • An den europäischen Aktienmärkten drehten die Kurse ins Plus.
  • Viele Zehntausend Menschen sind am Mittwoch durch Moskau gezogen, um gegen den US-geführten Krieg in Irak zu protestieren. Der größte Demonstrationszug in Russland seit Kriegsbeginn strömte über eine achtspurige Straße bis zur amerikanischen Botschaft. Einige Demonstranten wurden verhaftet, weil sie Plastikgegenstände auf das Botschaftsgebäude warfen, wie die Nachrichtenagentur ITAR-Tass meldete. Eine Hand voll US-Flaggen wurden zerstrampelt, ansonsten blieben die Demonstranten friedlich.


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