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Die zweite Woche: 27. März bis 2. April 2003

Irak: Kriegschronik

Alle Angaben stehen unter dem Vorbehalt, von uns nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden zu können.

Donnerstag, 27. März
  • Ein hochrangiger US-General hat Irak vorgeworfen, Kriegsgefangene hingerichtet zu haben. Der Vizechef des US-Generalstabs, General Peter Pace, sagte am 27. März dem US-Fernsehsender CNN, Irak habe eine Reihe von Kriegsverbrechen begangen, unter anderem die Hinrichtung von Kriegsgefangenen und die Lagerung von Waffen in Schulen. Aus US-Regierungskreisen verlautete am Donnerstag, eine Untersuchung sei eingeleitet. Irak wies die Vorwürfe zurück.
  • Knapp eine Woche nach dem Beginn des Irak-Krieges sind die amerikanisch-britischen Angriffe bei einer öffentlichen Debatte des UN-Sicherheitsrates von zahlreichen Staaten verurteilt worden. Die meisten der mehr als 60 Redner wiesen am 27. März (Ortszeit: Abend des 26. März) darauf hin, dass der Krieg durch den Sicherheitsrat nicht autorisiert worden sei. Viele forderten eine sofortige Einstellung der Angriffe. Die Debatte war von den Gruppen der arabischen und der blockfreien Staaten verlangt worden. Sie repräsentieren zusammen 139 der 191 UN-Mitgliedstaaten. Der Vertreter der Arabischen Liga, Yahya Mahmassani, rief dem Sicherheitsrat zu: "Wir fordern Sie dazu auf, diesem Krieg ein Ende zu machen, und wir verlangen den sofortigen Rückzug der Invasionsstreitmacht." - Kofi Annan sagte, der Krieg mache humanitäre Hilfe erforderlich, die weit über das hinausgehe, was bisher durch das Programm "Öl für Lebensmittel" geleistet werden konnte. Man wisse noch nicht, wie viele Menschen am Ende verwundet, wie viele aus ihren Heimatorten geflohen oder wie viele vom Zugang zu Nahrung, Wasser, sanitären Einrichtungen und anderen grundlegenden Erfordernissen abgeschnitten sein werden. "Aber wir fürchten, dass die Zahl hoch sein könnte."
    Die USA und Großbritannien haben den Irak-Krieg vor dem Weltsicherheitsrat verteidigt. Die Militäraktion sei durch Resolutionen des Rates ausreichend autorisiert. Das sagten die UN- Botschafter beider Länder, John Negroponte und Jeremy Greenstock bei der Fortsetzung der öffentlichen Debatte des Gremiums am Morgen des 27. März. Die meisten übrigen Redner, die sich zu Wort gem,eldet hatten, kritisierten das Verhalten der USA.
  • Die USA wollen eine Nordfront im Irak eröffnen: Rund 1.000 amerikanische Fallschirmjäger haben dazu in der Nacht zum 27. März einen Flugplatz besetzt. Das bestätigte ein Beamter des Pentagons in Washington. Widerstand habe es nicht gegeben. Die Soldaten haben demnach den Auftrag, im Kurdengebiet den Aufbau einer Front gegen die Einheiten des irakischen Präsidenten Saddam Hussein vorzubereiten.
  • Je nach Kriegsverlauf erwägt die Türkei die Entsendung von weiteren Truppen nach Irak, um zu verhindern, dass tausende Menschen über die Grenze fliehen. "Falls notwendig", werde Ankara "für einen begrenzten Zeitraum" Truppen in das von Kurden kontrollierte Gebiet in Nordirak schicken, sagte Außenminister Abdullah Gül dem "Handelsblatt" in der morgigen Ausgabe (Freitagsausgabe).
  • Die USA und Großbritannien ziehen ihre rund fünfzig Kampfflugzeuge von der südtürkischen Luftwaffenbasis Incirlik ab, einige davon für den Irak-Krieg. Der Abzug werde "ziemlich schnell" abgeschlossen, sagte Kommandeur Bob Thompson am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Thompson war mit der "Operation Northern Watch" für die Überwachung der Flugverbotszone in Nordirak verantwortlich. Die seit dem Golfkrieg 1991 fast täglich ausgeführten Kontrollflüge wurden mit Beginn des Irak-Krieges abgebrochen. Auch die meisten der 1.400 Soldaten, davon 1.000 aus den USA, sollen die Türkei verlassen.
  • Die USA und Großbritannien wollen den Worten eines hochrangigen Armeevertreters zufolge ihre Einsätze in Irak im Laufe des Tages (27. März) und der darauffolgenden Tage verstärken. "Sie werden sehen, dass wir bei dem besseren Wetter unsere Einsätze in den nächsten Stunden und Tagen verstärken", sagte ein Sprecher des Hauptquartiers des für die US-Truppen am Golf zuständigen Central Command.
  • Die britisch- amerikanischen Streitkräfte haben am Vormittag erneut schwere Luftangriffe auf die irakische Hauptstadt Bagdad geflogen. CNN meldete mindestens 30 schwere Explosionen. Unter anderem sei ein Luftwaffenstützpunkt außerhalb Bagdads angegriffen worden.
  • Beim Bombardement eines Wohnviertels im Süden Bagdads sind gegen Mittag nach irakischen Angaben acht Menschen getötet worden. Der Leiter der irakischen Zivilverteidigung, General Hatem Ali el Chalaf, sagte am Donnerstagnachmittag, bei dem Angriff seien 44 Menschen verletzt worden. In dem Viertel Jussuffijah etwa 30 Kilometer südlich des Stadtzentrums wohnen vor allem Straßenbauangestellte. Chalaf sagte, Opfer seien mehrheitlich Frauen und Kinder. Ihm zufolge handelte es sich um eine nicht explodierte Streubombe.
  • Der arabische Satellitenfernsehsender Al Jazeera berichtete am 27. März, dass die Alliierten mit Granatfeuer ein Wohnviertel in der Nordstadt von Mossul getroffen hätten. Dabei seien mindestens 50 Menschen getötet oder verwundet worden.
  • Der irakische Verteidigungsminister Sultan Haschim Ahmed sagte am Donnerstag, er rechne damit, dass die US-Truppen in fünf bis zehn Tagen Bagdad einkreisen. Dann müssten sie aber mit einem erbitterten Straßenkampf rechnen. "Wir errichten unseren (Haupt-)Verteidigung in Bagdad", sagte Ahmed auf einer Pressekonferenz.
  • Nach einem Bericht der BBC am 27. März ist die lokale Rundfunk- und Fernsehstation in der südirakischen Stadt Basra unter britischer Kontrolle. Alliierte Streitkräfte hätten den Sender nach intensiven Luftangriffen übernommen. Die Kampfhandlungen um die Stadt dauern an.
  • Der Irak gibt die Zahl der bisherigen Kriegsopfer mit 350 Toten an. Rund 4.000 Menschen seien verletzt worden, sagte Gesundheitsminister Omid Midhat Mubarak am 27. März in Bagdad. Er warf den Alliierten bewusste Angriffe auf zivile Ziele vor. Eine unabhängige Forschungsgruppe unter Leitung von Hamit Dardagan (London) und mit Beratung durch Marc Herold (University of New Hampshire, USA) kommt zum Ergebnis, dass in der ersten Kriegswoche zwischen 212 und 292 Zivilisten durch direkte Kriegseinwirkung ums Leben gekommen sind. Marc Herold hatte seinerzeit die seriöseste Statistik der Zivilopfer im Afghanistankrieg geführt (vgl. "Über 3.500 zivile Opfer im Afghanistan-Krieg").
  • Insgesamt 47 Soldaten haben die alliierten Streitkräfte nach offiziellen Angaben bei den bisherigen Kämpfen in Irak verloren – 18 davon durch so genanntes «friendly fire», durch Beschuss von den eigenen Einheiten, oder durch Unfälle. Am Donnerstag wurden bei einem solchen Vorfall dutzende amerikanische Soldaten verletzt. Ein Kommandoposten der US-Armee in der Nähe von Nassirijah war von Granaten der eigenen Truppen getroffen worden, 37 Soldaten wurden verletzt, drei von ihnen lebensgefährlich. Sechs Fahrzeuge sollen dabei zerstört worden sein, wie die Agentur AFP berichtete.
    Im Golfkrieg 1991 starben insgesamt 367 amerikanische Soldaten, 165 von ihnen durch Kugeln der eigenen Truppe.
  • Ein erster Lkw mit Hilfsgütern für Irak hat am Donnerstag die jordanische Grenze passiert. Der Laster bringe Medikamente gegen Verbrennungen in die irakische Hauptstadt Bagdad, sagte sein Fahrer einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Am Freitag würden weitere Lieferungen folgen.
  • US-Präsident George W. Bush sagte nach Beratungen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in Camp David am 27. März, die US-geführten Streitkräfte machten "kontinuierliche Fortschritte gegen den Feind". Die Operation werde solange fortgesetzt, "wie es für den Sieg nötig ist", sagte Bush. Blair betonte, in der ersten Kriegswoche sei "enorm viel geschafft" worden. Beide appellierten zugleich an die UNO, das Irak-Hilfsprogramm "Öl gegen Lebensmittel" rasch wiederaufzunehmen. Bush wollte sich erneut nicht festlegen, wie lange der Krieg andauern könnte.
  • Kurdische Milizen haben eine irakische Stellung besetzt, die auf einem Hügel an einer nach Kirkuk führenden Straße liegt. Dies berichteten Reporter von mehreren Nachrichtenagenturen am 27. März. Der Posten sei von irakischen Soldaten verlassen worden. Die Hügelkette wird nun von Kämpfern der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) gesichert.
  • Die BBC berichtete am 27. März unter Berufung auf PUK-Quellen, am Morgen habe es ein Massaker an Mitgliedern des nordirakischen Jabor-Stammes gegeben. Am Mittwochabend seien Kämpfer von Saddam Hussein in die Stadt Hawi Jah einmarschiert. Die Stadt wird von dem Jabor-Stamm bewohnt. Die Bewohner seien aufgefordert worden, an der Seite der irakischen Soldaten zu kämpfen. Als sie dies verweigerten, seien 500 Männer mit Messern umgebracht worden.
  • In mehreren arabischen Ländern haben am Donnerstag Demonstrationen gegen den Irak-Krieg stattgefunden. Die größte Demonstration fand in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa statt. Dort gingen mehr als 100.000 Menschen auf die Straße. Sie riefen "Für den Dschihad von Sanaa bis Bagdad" und "Nein gegen eine amerikanische Botschaft in Sanaa". In der nordägyptischen Stadt Sagasig demonstrierten über zehntausend Kriegsgegner unter dem Motto "Das ägyptische Volk steht an der Seite seiner irakischen Brüder". In Algerien demonstrierten tausende Menschen in Oran im Westen des Landes, in Annaba und Constantine im Osten sowie in südöstlichen Regionen. An den Demonstrationen nahmen auch Mitglieder der Regierungspartei FLN teil.
Freitag, 28. März
  • Gewaltige Explosionen erschüttern am Freitag die Millionenstadt Bagdad. Eine turmhohe, orangefarbene Rauchwolke steigt über dem Zentrum auf. Begonnen hat der schwerste Bombenhagel seit Kriegsbeginn am Donnerstagabend kurz nach 23.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MEZ). Schwere Bomber laden einige der am meisten gefürchteten Waffen über der Stadt ab, darunter auch zwei bunkerbrechende Bomben mit einem Gewicht von jeweils 2.115 Kilogramm, die von Satellitensignalen in einen Fernmeldeturm am Tigris-Ufer gesteuert werden. Gleichzeitig werden von Kriegsschiffen Tomahawk-Marschflugkörper nach Bagdad geschickt. Ein siebenstöckiges Gebäude der staatlichen Telefongesellschaft im Stadtteil El Alwija wird zerstört. In einer anderen Telefonzentrale in El Raschid gehen nur die Fensterscheiben zu Bruch. In dem nächtlichen Bombardement seien sieben Menschen getötet und 92 verwundet worden, sagt der irakische Informationsminister Mohammed el Sahaf.
  • Zur Verstärkung der US-Truppen am Golf wird nach Angaben aus US-Regierungskreisen auch die mit rund 13.000 Soldaten in Deutschland stationierte 1. Panzerdivision ins Kriegsgebiet verlegt. Die "1st Armored Division" mit knapp 160 der 68 Tonnen schweren Abrams-Panzer und rund 170 Bradley-Schützenpanzern ist in Wiesbaden stationiert. Die Division verfügt außerdem über eine knapp 50 Maschinen starke Helikopter-Flotte mit Kampf-Hubschraubern des Typs Apache, Aufklärungs-Hubschraubern des Typs Kiowa und den als "Arbeitspferde" bezeichneten Transport-Hubschraubern des Typs Black Hawk. Auch in Friedberg, Gießen, Hanau und im rheinland-pfälzischen Baumholder unterhält die Division Stützpunkte. Weitere 3.500 Soldaten sind in den USA stationiert. Normalerweise wird die Truppe mit ihrem schweren Material auf der Schiene und dem Seeweg verlegt, in Ausnahmesituationen können die Panzer jedoch auch mit großen Transportflugzeugen des Typs "Galaxy" verfrachtet werden.
    Bisher sind nach Militär-Angaben rund 15.000 in Deutschland stationierte US-Soldaten an den Golf verlegt worden. Unter ihnen sind Kampfflieger-Einheiten aus Spangdahlem in der Eifel, Lufttransport-Einheiten aus Ramstein in der Pfalz sowie Infanteristen und Unterstützungsgruppen des Heeres aus ganz Südwest-Deutschland.
  • Den alliierten Luftangriffen zum Trotz sind am Freitag Tausende Bagdader zum traditionellen Freitagsgebet in die Moscheen der irakischen Hauptstadt geströmt. "Man kann sehen und hören, wie die Raketen und Bomben auf uns regnen, und dennoch kommen die Moslems zum Beten in Gottes Haus", sagte Vorbeter der "Mutter-aller-Schlachten"-Moschee. Mit jeder Bombe und jeder Rakete werde der Glaube an Gott gefestigt. Während er sprach bebte die Umgebung der Moschee unter dem Einschlag von etwa 15 Bomben und Raketen.
  • Heftige Angriffe werden am 28. März auch aus dem Westirak gemeldet. Der arabische Fernsehsender El Dschasira berichtet, nahe der jordanischen Grenze sei ein Krankenhaus getroffen worden. Zwei Patienten seien verletzt worden. El-Dschasira meldet auch heftige Luftangriffe in Mosul und der Provinz Ninive. Auf dem Flugfeld in Harir sind laut CNN in der Nacht permanent US-Transportflugzeuge gelandet. An Bord der Maschinen befänden sich auch Panzer. Rund 1.000 Fallschirmjäger hatten das Flugfeld gestern besetzt.
  • Die südirakische Stadt Basra befindet sich nach den Worten eines britischen Militärsprechers auch am 28. März noch nicht unter alliierter Kontrolle. Deshalb sei es zur Zeit unmöglich, die Stadt mit Hilfsmitteln zu versorgen. Das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen befürchten eine humanitäre Katastrophe in Basra.
  • Das zu Beginn des Golfkriegs ausgesetzte Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel" zu Gunsten Iraks wird provisorisch fortgesetzt. Eine unter deutscher Federführung ausgehandelte Resolution sieht vor, das Programm für zunächst 45 Tage UN-Generalsekretär Kofi Annan zu unterstellen. Deutschland wurde damit beauftragt, weil die Bundesrepublik seit dem 1. Januar dieses Jahres den Vorsitz im Irak-Sanktionsausschuss der Vereinten Nationen hat. Nach offiziellen Schätzungen hingen vor Beginn des Kriegs etwa 60 Prozent der Bevölkerung in Irak - rund 26 Millionen Menschen - vollständig von dem Programm "Öl für Lebensmittel" ab. Seit Ausbruch der Kämpfe wird dort weder Öl gefördert noch verkauft. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind aber aus früheren Erdölverkäufen noch neun Milliarden Dollar auf den Treuhandkonten, die für die Beschaffung von humanitären Hilfsgütern benutzt werden können. Da die irakischen Behörden als Ansprechpartner ausfallen, soll der UN-Generalsekretär die Beschaffung und Verteilung der Güter organisieren.


Kriegsstatistik
Am 28. März verbreitet die Nachrichtenagentur AP eine Übersicht über Tote, Verletzte und Gefangene des bisherigen Krieges. Die Zahlen beruhen auf offiziellen Angaben der Kriegsparteien, sind also mit Vorsicht zu genießen:
  • Tote in der irakischen Zivilbevölkerung: mindestens 350
  • Verletzte in der irakischen Zivilbevölkerung: mehr als 3.650
  • Tote in den irakischen Streitkräften: vermutlich mehr als 500
  • Tote in den US-Streitkräften: mindestens 28
  • Vermisste in den US-Streitkräften: 16
  • Tote in den britischen Streitkräften: 22
  • Irakische Kriegsgefangene: 4.000
  • Amerikanische Kriegsgefangene: 7

  • Die Schwester eines an der südirakischen Front getöteten britischen Soldaten hat die Darstellung von Premierminister Tony Blair zurückgewiesen, ihr Bruder sei von irakischen Soldaten exekutiert worden. In der Tageszeitung "Daily Mail" (Ausgabe vom 28. März) sagte Nina Allsopp, die Streitkräfte hätten ihr mitgeteilt, dass ihr Bruder Sapper Lucas Allsopp im Kampf getötet worden sei. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ist Allsopp einer der beiden getöteten britischen Soldaten, deren blutüberströmte Leichen am Mittwoch im arabischen Fernsehsender El Dschasira gezeigt wurden. Am Donnerstag hatte Blair sie als "hingerichtete britische Soldaten" bezeichnet. Die Iraker hätten eine "unvorstellbare Grausamkeit" begangen.
  • Die britischen Streitkräfte haben irakischen Truppen in Basra vorgeworfen, am 28. März auf mehrere tausend Einwohner geschossen zu haben. Diese hätten versucht, aus der seit einer Woche belagerten Stadt zu fliehen, sagte der britische Militärsprecher Ronnie McCourt im alliierten Hauptquartier in Katar. Britische Soldaten hätten das Feuer erwidert und bemühten sich um medizinische Versorgung von Verletzten.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat am 28. März Syrien vorgeworfen, dem Irak militärische Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte zu liefern. Dies stelle eine Bedrohung für die im Irak kämpfenden amerikanischen und britischen Soldaten dar, sagte Rumsfeld vor Journalisten. Er fügte hinzu: "Wir betrachten dies als einen feindlichen Akt und werden die syrische Regierung zur Rechenschaft ziehen."
  • Bei einem Angriff der US-Streitkräfte auf die Republikanischen Garden von Iraks Staatschef Saddam Hussein sind nach US-Angaben mindestens 55 irakische Soldaten getötet worden. Wie der Offizier Hugh Cate am Samstag der Nachrichtenagentur AFP mitteilte, griffen Einheiten der 101. Luftlande-Brigade am späten Freitagabend mit Apache-Kampfhubschraubern 40 Ziele der Medina-Division der Republikanischen Garden an. 25 Militärfahrzeuge des Gegners seien dabei zerstört worden, sagte Cate. Mindestens 55 irakische Soldaten seien getötet worden. Nach Angaben von US-Brigadekommandeur Greg Gass wurden einige der Apache-Kampfhubschrauber von der irakischen Luftabwehr getroffen. Sie seien aber alle an ihren Stützpunkt zurückgekehrt.
  • Bei einem Luftangriff auf Bagdad sind am Freitagabend nach Angaben eines irakischen Arztes mindestens 47 Menschen getötet worden. Der Chirurg im Krankenhaus El Nur, Issa Ali Ilwan, erklärte, mindestens 50 weitere seien verletzt worden. Nach Angaben von Krankenhausdirektor Haki Ismail Rasug waren unter den Opfern viele Kinder. Der Fernsehsender Al Dschasira berichtete von 55 Toten und mehr als 50 Verletzten, die auf dem belebten El-Nasser-Markt im Wohnviertel "Schola" im Westen der Hauptstadt Opfer der Rakete geworden seien. Der Sender zeigte Bilder von verletzten Kindern in Krankenhausbetten. Das US-Oberkommando erklärte, es könne keinen Angriff zum Zeitpunkt der Explosion bestätigen.
  • Nach dem Freitagsgebet haben in islamischen Ländern erneut mehr als hunderttausend Menschen gegen den Irak-Krieg demonstriert. Bei der ersten großen Anti-Kriegs-Kundgebung in Teheran wurde dabei die britische Botschaft mit Steinen attackiert, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Auch in Indien, Indonesien, Bangladesch, Sri Lanka, Ägypten, den Palästinensergebieten und in der Türkei gingen Tausende auf die Straße. In den Palästinensergebieten demonstrierten mehr als 30.000 Menschen gegen den Krieg. Zu der größten Kundgebung mit mehr als 20.000 Menschen in Gaza hatte auch die radikale Palästinenserorganisation Hamas aufgerufen. Die Demonstranten schwenkten irakische Fahnen. In Kairo kamen rund 15.000 Menschen zur ersten genehmigten Demonstration seit Kriegsbeginn. Das ägyptische Fernsehen verbreitete das Freitagsgebet eines Imam, der die Gläubigen zur Unterstützung ihrer moslemischen Glaubensbrüder auf der ganzen Welt aufrief. - In New York legten tausende Kriegsgegner den Verkehr auf der Fifth Avenue für eine Stunde lahm. - Auf dem Petersplatz in Rom landete ein österreichischer Pazifist mit einem Motorsegler.
  • Rund 5.000 Schüler und ihre Lehrer haben nach Polizeiangaben am 28. März in Gelsenkirchen gegen den Irak-Krieg protestiert. Ein Polizeisprecher betonte, die etwa dreistündige Veranstaltung sei völlig friedlich verlaufen. "Ein großes Lob an die Schüler", sagte er. (Anmerkung des Chronisten: Warum muss das betont werden? Haben in den letzten Wochen nicht Hunderte von Demonstrationen stattgefunden, die alle friedlich verlaufen sind? Dagegen gab es höchstens eine Handvoll "Zwischenfälle", u.a. in Hamburg, und selbst dort ist zweifelhaft, ob Schüler die Ursache dafür waren.)
Samstag, 29. März
  • Syrien hat erneut US-Vorwürfe bestritten, das Land versorge den Irak mit militärischer Ausrüstung. Der syrische Vize-UN- Botschafter Faisal Mekdad sagte der BBC, die Vorwürfe beruhten auf falschen Geheimdienst-Informationen.
  • Fünf US-Soldaten sind am Morgen des 29. März bei einem Selbstmordanschlag in Irak getötet worden. Der Fahrer eines Taxis habe an einer Straßensperre im Norden der Stadt Nadschaf eine Bombe explodieren lassen, sagte ein US-Militärsprecher.
  • Während im Süden Iraks erste westliche Hilfsgüter für die irakische Bevölkerung eintreffen, kamen im Landesinneren mehrere Iraker einer Einheit hungriger US-Soldaten zu Hilfe: Auf ihrer Flucht in den Süden teilten die Iraker großzügig ihre Vorräte mit dem ausgehungerten Trupp, wie US-Unteroffizier Kenneth Wilson berichtete. Frauen hätten den Soldaten aus Busfenstern gekochte Eier und Kartoffeln gereicht. "Das ist eine sehr nette Geste gewesen", sagte US-Soldat Tony Garcia. "Ich glaube, dass uns die örtliche Bevölkerung dankbar ist."
  • Mit einer Sondermaschine sind am Samstag weitere 22 verwundete und erkrankte US-Soldaten im pfälzischen Ramstein gelandet. Die Soldaten, von denen etwa 10 im Kampf verletzt worden seien, würden im US-Militärkrankenhaus Landstuhl behandelt, teilte ein Sprecher der Airbase mit. Damit steigt die Zahl der im größten US-Hospital außerhalb der USA behandelten Soldaten auf über 100.
  • Die USA und die Türkei verhandeln heute weiter über den umstrittenen türkischen Militäreinsatz in Nordirak. Der US-Gesandte für die irakische Opposition, Zalmay Khalilzad, werde nach Gesprächen mit den nordirakischen Kurden die Verhandlungen mit Ankara am Nachmittag wieder aufnehmen, hieß es von US-Seite in der türkischen Hauptstadt. Eine Einigung gebe es noch nicht.
  • US-Spezialkräfte suchen in irakischen Städten nach hochrangigen Mitgliedern der irakischen Führung, um diese zu töten. Teams des US-Geheimdienstes CIA und weitere Spezialkräfte seien beauftragt, Funktionäre der Baath-Partei, Kommandeure der Speziellen Republikanischen Garden und weitere Mitglieder des inneren Zirkels der irakischen Führung zu jagen, berichtete die US-Tageszeitung "Washington Post" (Ausgabe vom 29. März).
  • In der Nähe der Stadt Basra wurde ein britischer Soldat im Kampf irrtümlich von Kameraden erschossen, wie das Verteidigungsministerium am Samstag in London mitteilte. Vier weitere Soldaten seien durch Schüsse aus den eigenen Reihen verletzt worden. Das Verteidigungsministerium in Washington teilte mit, dass seit Beginn der Bodenkämpfe am 21. März 28 US-Soldaten gestorben seien, 20 von ihnen im Kampf. 16 würden vermisst, sieben seien in Kriegsgefangenschaft geraten, und 104 seien verletzt worden.
  • Ein beliebtes Einkaufszentrum in Kuwait ist am Samstagmorgen nach amtlichen Angaben nur knapp von einer irakischen Rakete verfehlt worden. Das Geschoss schlug in der Nähe des am Golf gelegenen Suk-Schark-Komplexes ins Meer ein und ließ Fensterscheiben in der Umgebung zerbrechen. Zwei Menschen seien leicht verletzt worden, meldete die amtliche kuwaitische Nachrichtenagentur KUNA. Der betroffene Ladenkomplex liegt nur wenige hundert Meter entfernt vom kuwaitischen Außenministerium und vom Palast des Emirs.
  • Gegen Samstagmittag wurde das Zentrum Bagdads von einer schweren Explosion erschüttert. Reuters-Korrespondentin Samia Nakhoul berichtete, die Detonation habe sich in der Nähe des Tigris ereignet. Entlang des Flusses befinden sich große Regierungsgebäude. Am frühen Morgen hatte es bereits drei schwere Explosionen in den südlichen Vororten der Stadt gegeben. Die Gebäude im Stadtzentrum hätten gebebt.
  • Im Irak-Krieg sind jetzt nach Angaben des Pentagons mehr als 290.000 amerikanische und britische Soldaten im Einsatz. Ein Drittel befinde sich auf irakischem Boden, teilte General Stanley McChrystal am Samstag in Washington mit. Seit Kriegsbeginn seien 675 Tomahawk-Marschflugkörper und mehr als 6.000 sog. "Präzisionsbomben" abgefeuert worden.
  • Aus Protest gegen den Irak-Krieg haben Demonstranten am Samstag kurzzeitig die US-Kommandozentrale für Europa in Stuttgart-Vaihingen mit einer Menschenkette umschlossen. Die Aktion mit rund 6.000 Teilnehmern verlief friedlich, teilte ein Sprecher der Landespolizeidirektion Stuttgart II mit. Die Menschenkette wurde den Angaben zufolge wie vereinbart nach rund einer Viertelstunde von den Demonstranten wieder aufgelöst. - Zu einer Blockade des US-Luftwaffenstützpunkts am Frankfurter Flughafen haben sich am Samstagmittag in Zeppelinheim ca. 2.000 Kriegsgegner versammelt. Es ist die dritte Blockadeaktion seit fünf Wochen.
    Bei der größten Demonstration des Tages gingen in Berlin laut Polizei rund 50.000 Kriegsgegner auf die Straße. DGB-Chef Michael Sommer forderte auf der Kundgebung an der Siegessäule ein sofortiges Kriegsende. An einer 50 Kilometer langen Menschenkette zwischen Münster und Osnabrück beteiligten sich nach Veranstalterangaben rund 40.000 Menschen. In Hamburg demonstrierten 6.000 Menschen.
  • In mehreren Städten der Vereinigten Staaten haben am Samstag erneut tausende Menschen gegen den Irak-Krieg demonstriert. In Boston im Nordosten der USA versammelten sich am Samstag rund 25.000 Menschen zu einem friedlichen Protest gegen die US-geführte Offensive, wie US-Medien unter Berufung auf die Polizei berichteten. In Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania zogen 8000 Menschen durch die Straßen.
Sonntag, 30. März
  • US-Soldaten sollen nach einem Bericht eines Reporters der "Sunday Times" bei Nasirija mindestens 12 irakische Zivilisten erschossen haben, darunter Frauen und Kinder. Der Anblick der getöteten Zivilisten sei "entsetzlich" gewesen, schrieb der Reporter Mark Franchetti, der die US-Soldaten bei ihrem Vormarsch begleitet: "Etwa 15 Fahrzeuge blockierten die Straße. Sie waren durchsiebt mit Einschusslöchern. Einige (...) brannten noch. Inmitten der Wracks zählte ich 12 tote Zivilisten. Alle hatten versucht, diese südliche Stadt über Nacht zu verlassen, wahrscheinlich aus Angst, in US-Hubschrauber-Angriffen oder durch heftigen Artilleriebeschuss getötet zu werden. Ihr Fehler war es gewesen, über eine Brücke zu fliehen, die von entscheidender Bedeutung für die Versorgungslinien der Koalition ist - und in die Arme einer Gruppe zu Tode verängstigter junger amerikanischer Marineinfanteristen zu rennen, die Anweisung hatten, auf alles zu schießen, was sich bewegte."
  • Am elften Tag des Krieges in Irak haben die US-geführten Streitkräfte massive Luftangriffe gegen die drei größten Städte des Landes geflogen. Aus Bagdad, Basra und Mossul berichteten Korrespondenten in der Nacht zu Sonntag und am frühen Morgen von schweren Explosionen. Die Bodentruppen unterbrachen ihren Vormarsch für eine "Neuorganisation auf dem Schlachtfeld", wie ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums sagte. Die Hauptstadt Bagdad wurde in der Nacht nach Berichten von AFP-Korrespondenten von mehreren Explosionsserien erschüttert. In mehreren Stadtteilen waren Detonationen zu hören. Dichte Rauchwolken hingen über der Stadt, an einigen Stellen stiegen Feuerbälle auf.
  • Bei einem Bombenangriff am Stadtrand von Bagdad wurden nach Augenzeugenberichten 20 Zivilisten getötet. Elf Kinder, sieben Frauen und zwei Männer seien ums Leben gekommen, als ein Bauernhof in dem Vorort El Dschanabin in der Nacht zum Sonntag getroffen wurde, sagten Angehörige.
  • Am Morgen intensivierten die Allianz-Streitkräfte ihre Luftangriffe auf die umkämpfte südirakische Stadt Basra. Nach Angaben der US-Armee zerstörten die Truppen am Samstag ein Versammlungsgebäude in der Nähe von Basra, in dem sich 200 Mitglieder der regierenden Baath-Partei aufgehalten hätten.
  • In mehreren Angriffswellen haben die Luftstreitkräfte der Alliierten in der Nacht auch irakische Militärstellungen in der Umgebung der nordirakischen Ölstadt Mossul bombardiert. Eine AFP-Korrespondentin vor Ort berichtete von vier Angriffswellen in der Nähe der Ortschaft Kalak, wo die Demarkationslinie zwischen dem von Kurden beherrschten Gebiet Nordiraks und dem Einflussbereich der Regierung in Bagdad verläuft. US-Kampfjets bombadierten Kommandobunker der irakischen Streitkräfte im Norden des Landes. Die britische Luftwaffe zerstörte ein großes Benzindepot der Republikanischen Garden bei Kerbela etwa 80 Kilometer südwestlich von Bagdad.
  • Bei den US-Luftangriffen auf Bagdad, die den ganzen Sonntag über anhalten, ist laut Al Dschasira ein Wohnviertel in der Innenstadt getroffen worden. In dem Stadtteil sei eine Rakete eingeschlagen. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben, berichtet der arabische Sender. Der Stadtteil zählt zu den besseren Wohngegenden in Bagdad.
  • Ein verärgerter Armee-Mitarbeiter ist am Sonntag in einem US-Militärlager in Nordkuwait mit einem Lastwagen in eine Gruppe von US-Soldaten gefahren und hat 15 von ihnen verletzt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde der Vorfall im Wüstenlager Udairi jedoch zunächst nicht als "Terrorangriff" bewertet. Ein Sprecher der US-Armee teilte mit, er könne nicht sagen, ob es sich um einen Anschlag oder um einen Unfall handelte. Bei dem Mitarbeiter handelte es sich den Angaben zufolge nicht um einen US-Bürger.
  • Der bewaffnete Arm der radikalislamischen Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad hat nach eigenen Angaben Selbstmordattentäter nach Irak geschickt. Die ersten von ihnen seien in der irakischen Hauptstadt Bagdad eingetroffen, um dort mit anderen arabischen Freiwilligen gegen die US-geführten Streitkräfte zu kämpfen, teilten die El-Kuds-Brigaden am Sonntag in einer Erklärung an die Nachrichtenagentur AFP mit.
  • Beim Absturz eines US-Transporthubschraubers in Südirak sind am Sonntagabend drei US-Marineinfanteristen ums Leben gekommen. Mindestens ein weiterer Soldat sei verletzt worden, als der Helikopter vom Typ UH-1 Huey abstürzte, teilte das Pentagon in Washington mit.
  • In der indonesischen Hauptstadt Jakarta haben am Sonntag Hunderttausende gegen den von den USA geführten Irak-Krieg protestiert. Sie blockierten die zehnspurige Hauptstrasse der Millionenmetropole und skandierten Slogans wie "Amerika, Amerika; Terrorist, Terrorist". Die Veranstalter sprachen von 250.000 Menschen. Zunächst hatten sich die Demonstranten vor der britischen Botschaft versammelt und waren dann zu der schwer bewachten amerikanischen Vertretung marschiert, die von Hunderten von Polizisten abgeschirmt wurde. "Alle Indonesier, ohne Ausnahme, wollen, dass Bush seine Truppen aus Irak abzieht", rief Amien Rais, ein Kandidat für die Präsidentenwahl 2004 vor den Demonstranten aus.
Montag, 31. März
  • Die irakische Armee hat nach Angaben aus Bagdad in den vergangenen eineinhalb Tagen 43 britische und US-Soldaten getötet. Irak habe in diesem Zeitraum vier Apache-Kampfhubschrauber und zwei Predator-Drohnen abgeschossen, sagte der irakische Informationsminister Mohammed Said El Sahhaf am Montag. Zudem hätten die irakischen Truppen 13 Panzer, acht Truppentransporte und sechs gepanzerte Fahrzeuge zerstört. Zunächst gab es für diese Informationen keine Bestätigung von unabhängiger Seite, noch gab es eine Reaktion der US-geführten Streitkräfte.
  • Bodentruppen der Amerikaner und Briten haben sich am Montag knapp 100 Kilometer südlich vor Bagdad erbitterte Kämpfe mit irakischen Truppen geliefert. Bei Kämpfen um die Kontrolle über die eingeschlossene zentralirakische Stadt Nadschaf wurden viele Iraker getötet. Außerdem griffen die Briten erneut Vororte der belagerten Stadt Basra im Süden an.
  • Die irakische Hauptstadt Bagdad war erneut Ziel schwerer Luftangriffe: Am Nachmittag feuerte ein Kampfjet im Tiefflug zwei Raketen ab, die Saddam Husseins Palast der Republik trafen, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Zuvor hatten nach neuen Luftangriffen zahlreiche Explosionen die Stadt erschüttert. Bei den Luftangriffen sind nach Angaben irakischer Krankenhäuser am Montag sechs Zivilisten getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Ein Krankenhaus-Direktor teilte in Bagdad mit, die Opfer seien vor allem aus dem östlichen Vorort El Amin eingeliefert worden. Bei den Luftangriffen waren zuvor nach Angaben eines Journalisten vor Ort sechs Wohnhäuser zerstört worden.
  • Das US-Zentralkommando teilte mit, in der Nacht zum Montag seien erstmals unterschiedliche Bombertypen gemeinsam gegen gleiche Ziele eingesetzt worden. Hochmobile B-1-Bomber hätten gemeinsam mit Tarnkappenbombern und den mächtigen B-52-Langstreckenbombern Ziele attackiert. Es handele sich um ein "historisches Bomberpaket".
  • Die US-Streitkräfte haben nach CNN- Informationen im nur 12 Tage alten Irak-Krieg schon ein Drittel ihrer Tomahawk-Raketen verschossen. Die Marine habe bereits um zusätzliche Gelder ersucht, um die Produktion neuer Tomahawks zu beschleunigen, meldete CNN unter Berufung auf das Pentagon. Die Raketen werden von Schiffen und U-Booten abgefeuert. Dem Bericht zufolge wurden bisher rund 700 von insgesamt 2000 zur Verfügung stehenden Tomahawks verschossen.
  • Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz haben zum ersten Mal seit Kriegsausbruch irakische Kriegsgefangene besucht. Die insgesamt 15 Delegierten - darunter ein Arzt und sechs Dolmetscher - fuhren in ein Lager in der Nähe von Umm Kasr im Südirak. Wie viele Gefangene dort festgehalten werden, teilte das IKRK nicht mit. Der britische Verteidigungsministers Geoff Hoon spricht von ungefähr 8000 irakischen Kriegsgefangenen. Das IKRK kontrolliert unter anderem die Lebensumstände der Inhaftierten.
  • Giftiger Qualm steht seit Tagen über den brennenden Ölquellen in Irak und belegt, dass der Golfkrieg auch die Umwelt massiv schädigt. "Die Chemikalien im Rauch gefährden unmittelbar die menschliche Gesundheit, insbesondere Kinder und Atemwegs-Kranke", warnte am Montag der Direktor des in Nairobi ansässigen UN-Umweltprogramms (UNEP), Klaus Töpfer.
    Auch Meeresbiologen schlagen Alarm: Im Schatt-el-Arab, der Wasserstraße zum Persischen Golf, steigt bereits jetzt, knapp 14 Tage nach der Beginn der Invasion, die Planktonproduktion rapide an. Der Grund ist nach UNEP-Recherchen, dass in Folge defekter Klärwerke, etwa in Basra, mehr ungefilterte Abwässer ins Meer gelangen. Auch die vielen Kriegs- und Versorgungsschiffe produzieren Müllmassen, die das Meer verschmutzen, wie UNEP kritisierte. Nun drohe ein Fischsterben.
  • Zwei britische Soldaten haben in Irak den Dienst verweigert und müssen sich deshalb möglicherweise vor einem Militärgericht verantworten. Die beiden Soldaten wollten nicht in einem Krieg kämpfen, bei dem auch "unschuldige Zivilisten" getötet würden, teilte ein Sprecher ihres Anwalts am 31. März in London mit.
Dienstag, 1. April
  • Mit schweren Luftangriffen haben die "Alliierten" am 13. Kriegstag ihre Offensive im Irak fortgesetzt. Dabei wurde die Hauptstadt Bagdad erneut bombardiert. Kampfflugzeuge der US-geführten Streitkräfte haben am Vormittag erneut das Gelände des Palastes der Republik im Zentrum von Bagdad bombardiert. Der Komplex wurde mit voller Wucht von einer Rakete oder einer Präzisionsbombe getroffen, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
  • Im Süden bleibt die Großstadt Basra weiter von britischen Kräften eingeschlossen. Auch hier werden schwere Artelleriegefechte gemeldet. Bei Gefechten im Süden ist laut britischem Verteidigungsministerium ein weiterer britischer Soldat getötet worden. Er sei das 26. Opfer unter den britischen Truppen im Irak, hieß es.
  • An einem US-Militärkontrollpunkt im Irak hat es erneut einen tödlichen Zwischenfall gegeben. Ein Zivilist sei an einem Checkpoint nahe Nasirija erschossen und ein weiterer verletzt worden, meldet CNN. Das Auto mit den beiden Männern sei zu der Straßensperre gefahren und habe trotz Aufforderung nicht gehalten. Gestern waren bei einem ähnlichen Zwischenfall nahe Nadschaf sieben Frauen und Kinder erschossen worden. Am Wochenende hatte sich ein Iraker dort in einer Selbstmordaktion in die Luft gesprengt.
  • Die Nordfront soll nach kurdischen Angaben schon bald einsatzbereit sein.
  • Die irakischen Streitkräfte haben am Dienstag erneut eine Rakete auf Kuwait abgefeuert. Das Geschoss wurde am Morgen noch über dem Süden Iraks von einer Patriot-Abwehrrakete abgefangen, wie ein kuwaitischer Militärsprecher mitteilte. In Kuwait-Stadt wurde Luftalarm ausgelöst. Seit Beginn des Krieges wurden mindestens 17 Raketen auf Kuwait abgeschossen. Die meisten wurden abgefangen oder schlugen in unbesiedeltem Gebiet ein. Am Samstag wurden bei einem Raketenangriff zwei Menschen leicht verletzt, außerdem wurden Sachschäden an einem Einkaufszentrum verursacht.
  • Der frühere Leiter des UN-Hilfsprogramms für Irak, Denis Halliday, hat die USA und Großbritannien für die schlechte humanitäre Situation der Zivilisten in dem Land verantwortlich gemacht. Die Lage sei wegen der UN-Sanktionen schon schlecht gewesen, jetzt hätten die Bombardements eine Krise herbei geführt, sagte er am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. "Nach der Genfer Konvention müssen die Amerikaner und Briten hier voll verantwortlich gemacht werden", erklärte Halliday, der 1998 aus Protest gegen die Sanktionspolitik gegen Irak als UN-Koordinator des "Öl- für-Lebensmittel"-Programms zurück getreten war.
  • Die US-Streitkräfte haben die Fehlerquote ihrer "Präzisionsbomben" im Irak-Krieg mit etwa zehn Prozent angegeben. "Kein Waffensystem ist narrensicher", erklärt Korvettenkapitän Charles Owens vom Hauptquartier des US- Oberkommandos Mitte in Katar. "Wir haben immer ein oder zwei, die ihr Ziel verfehlen."Was in den Augen der Militärplaner eine Kriegführung mit der vielleicht genauesten Zielsteuerung der Geschichte ist, wirkt sich für die Zivilbevölkerung in der Nähe der Angriffsziele verheerend aus. Zehn Prozent von bisher 8.000 eingesetzten Bomben und Raketen sind 800 Irrläufer. "Mehrere hundert haben zu einem gewissen Grad ihr Ziel verfehlt", sagt Rob Hewson vom britischen Militärfachdienst "Jane's Air-Launched Weapons".So sind auch etwa fünf der rund 700 von US-Schiffen im Mittelmeer, im Roten Meer und im Persischen Golf abgefeuerten Tomahawk-Marschflugkörper versehentlich in Iran, der Türkei und Saudi-Arabien gelandet. Die Regierung in Teheran hat gegen drei Einschläge auf ihrem Territorium protestiert. Auch Saudi-Arabien und die Türkei baten das Pentagon, nicht mehr über ihr Land hinweg zu schießen. "Wenn man Cruise Missiles einsetzt, dann gibt es immer welche, die dort herunterkommen, wo sie es nicht sollten", erklärt der unabhängige Raketenexperte David Isby in Washington. "Das ist bei Einsätzen über große Distanzen kein Skandal, sondern nicht anders zu erwarten."
  • Die US-Regierung bereitet nach einem britischen Zeitungsbericht in Kuwait eine neue US-Verwaltung in Irak für die Zeit nach dem Fall von Saddam Hussein vor. Die im Geheimen vorbereitete künftige Führung solle aus 23 von US-Bürgern geleiteten Ministerien bestehen, berichtete die Tageszeitung "The Guardian" am 1. April ohne Angabe von Quellen. Einige Mitglieder dieser Schattenregierung seien bereits in Kuwait. Die Pläne der USA sähen vor, dass die künftige Verwaltung die Macht in Irak "Stadt für Stadt" übernehmen solle. Die vom Oberbefehlshaber der US-Truppen in der Golfregion, General Tommy Franks, für "befreit" erklärten Gebiete sollten unter die Kontrolle der neuen Regierung unter Führung des US-Generals Jay Gardner kommen. Gardner ist offiziell mit dem Wiederaufbau Iraks beauftragt.
  • Bei einem amerikanischen Hubschrauberangriff sind nach irakischer Darstellung in der Stadt Hillah 33 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden. Das Zentralkommando der US-Streitkräfte in Katar erklärte am Dienstag, die Angaben würden überprüft. Irakische Regierungsvertreter brachten Journalisten in die Stadt, die rund 90 Kilometer südlich von Bagdad liegt, und zeigten ihnen Leichen. Ihren Angaben zufolge handelte es sich dabei um Opfer eines amerikanischen Angriffs mit Apache-Kampfhubschraubern. Das US-Zentralkommando erklärte, es könne ausgeschlossen werden, dass ein Apache-Hubschrauber in den Vorfall verwickelt gewesen sei.
  • Die ersten 5.000 Mann der 4. US- Infanterie- Division sind in Kuwait eingetroffen. Dies teilten US-Militärsprecher mit. Der Rest der 30.000 Mann starken Division aus Fort Hood in Texas wird in den nächsten Wochen erwartet. Ursprünglich sollte die 4. Division die Nordfront im Irak bilden. Ihr Material schwamm wochenlang auf Frachtern vor der türkischen Küste, bis das Parlament in Ankara endgültig einen Transit über türkisches Territorium verweigerte. Daraufhin mussten die Frachter umgeleitet werden.
  • Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) will den USA bei einem möglichen Krieg gegen Iran die Überflugrechte für deutsches Hoheitsgebiet verweigern. "Dann sind die Grundlagen für eine Zusammenarbeit nicht mehr gegeben", warnte Beck am Dienstag im Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks (hr).
  • Die Fernsehberichterstattung über den Irak-Krieg ist nach Auffassung des OSZE-Medienbeauftragten Freimut Duve sensationsheischend und weit entfernt von der Realität. Viele Fersehzuschauer würden überhaupt nicht wahrnehmen, dass in Irak tatsächlich Krieg herrsche, weil dieser Krieg auf dem Bildschirm als Spektakel inszeniert werde, kritisierte Duve. Diese Art von Kriegberichterstattung höhle die Demokratie aus, weil sie keine Diskussion über das Für und Wider des Kriegs anstoße. Solche Diskussionen seien aber gerade in Krieg führenden Demokratien nötig. Eine Verklärung des Kriegs als heroischer Akt gebe es sonst nur in Diktaturen, sagte Duve weiter. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete ist Medienbeauftragter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die 53 europäische und asiatische Staaten sowie die USA und Kanada umfasst.
  • Die US-Truppen nähern sich weiter der irakischen Hauptstadt Bagdad. "Die Schlacht um Bagdad hat begonnen", meldete ein BBC-Korrespondent, der die Verbände begleitet, am späten Abend unter Berufung auf US- Offiziere.
Mittwoch, 2. April
  • US-Einheiten haben im Irak eine Kriegsgefangene befreit. Das teilte das Zentralkommando in Katar mit. Nach CNN- Informationen handelt es sich um die 19-jährige Obergefreite Jessica Lynch aus dem Bundesstaat West Virginia. Sie galt bislang als vermisst. Lynch wurde aus einem irakischen Krankenhaus in Nasirija gerettet und per Hubschrauber in sicheres Gebiet ausgeflogen.
  • Das irakische Fernsehen hat am Mittwoch einen Aufruf von Präsident Saddam Hussein verlesen, die Städte des Landes gegen das alliierte Invasionsheer zu verteidigen. In dem Text hieß es, die irakischen Streitkräfte hätten bis jetzt nicht ihr volles Potenzial im Kampf eingesetzt. "Bekämpft sie, damit Irak, die Bastion der Religion und Grundsätze, gesichert wird und unsere Nation aus dieser Krise siegreich hervorgeht", wurde Saddam Hussein zitiert. "Bekämpft sie, der Sieg steht uns mit Gottes Hilfe bevor, obwohl wir bisher nur ein Drittel oder weniger von unserem Heer eingesetzt haben, während die Verbrecher alles, was sie haben, in die Waagschale geworfen haben." Saddam Hussein hob die 11. Heeresdivision und Mitglieder der Baath-Partei in Nassirijah hervor, die die gegnerischen Kräfte "erschöpft" hätten.
  • Bagdad war am Mittwoch weiterhin Ziel heftiger Luftangriffe. Vom südlichen Ende des Alten Präsidentenpalastes am Tigris stieg weißer Rauch auf. Das Bombardement richtete sich wieder vor allem gegen Telefonanlagen.
  • An zwei Fronten im Süden der Hauptstadt griffen US-Truppen am Mittwoch Einheiten der Republikanischen Garde von Saddam Hussein an. Dabei wurde die Bagdad-Division dieser Elitetruppe nach amerikanischer Darstellung vollständig aufgerieben. Die vordersten US-Einheiten stehen jetzt nur noch 65 Kilometer vor Bagdad. "Die Bagdad-Division ist vernichtend geschlagen", sagte Brigadegeneral Vincent Brooks im US-Hauptquartier in Katar. Marine-Infanteristen nahmen nach seinen Angaben eine Brücke bei Kut ein, überquerten den Tigris und besetzten diese südöstlich von Bagdad gelegene Stadt. Rund 200 Kilometer weiter westlich lieferten sich US-Truppen heftige Kämpfe im Raum Kerbela mit anderen irakischen Elitedivisionen. "Der Kreis um Bagdad schließt sich", sagte in Washington Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.
  • US-Einheiten der 3. Infanteriedivision haben am Mittwochnachmittag auf ihrem Vormarsch nach Bagdad nördlich der Stadt Kerbela den Euphrat überquert. Die Soldaten hätten auf der Ostseite des Flusses Gebiete gesichert, berichtete ein Reuters-Reporter. Teile der Division hatten bereits zuvor weiter südlich den Fluss überquert.
  • Die US-Armee hat in Irak nach eigenen Angaben erstmals eine neue Streubombe eingesetzt. US-Kampfbomber hätten am Morgen sechs Munitionsbehälter vom Typ CBU-105 über dem Landesinneren abgeworfen, teilte das Einsatzführungskommando in Katar am Mittwoch mit. Diese Streuwaffen könnten Wind und "widriges Wetter" ausgleichen und genau ihr Ziel ansteuern. Menschenrechtsgruppen fordern seit langem ein Verbot von Streubomben, weil die Kleinstwaffen auf einer großen Fläche niedergehen und oft auch Zivilisten treffen. Nach Angaben der US-Organisation Human Rights Watch wurden im Golfkrieg 1991 über 4.000 Zivilisten durch Streumunition verletzt oder getötet.
  • Bei der Explosion einer Landmine ist am Mittwoch ein Kameramann der BBC in Nordirak getötet worden. Der 52-jährige Iraner trat auf die Mine, als er aus seinem Auto stieg, wie der Sender in London erklärte. Ein weiterer BBC-Journalist wurde bei dem Zwischenfall in Kifri verletzt, ein Korrespondent und der Dolmetscher der Journalisten blieben unverletzt. Die vier befanden sich zu Filmarbeiten für die BBC in Kifri, einer Stadt im autonomen Kurdengebiet.
  • Beim Abschuss eines US-Militärhubschraubers im Süden Iraks sind sieben der elf Soldaten an Bord getötet worden. Das teilte das Pentagon am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington mit.
  • Die Türkei und die USA haben sich über logistische Unterstützung für die im Nordirak kämpfenden US-Truppen verständigt. Über die Türkei sollten die amerikanischen Einheiten mit Verpflegung und Treibstoff versorgt werden, sagte US-Außenminister Colin Powell nach Gesprächen mit der türkischen Führung in Ankara. Er bekräftige, dass die USA die Lage im Nordirak unter Kontrolle hätten. Es bestehe deshalb keine Notwendigkeit für einen türkischen Truppeneinmarsch.
    Die USA und die Türkei einigten sich auch auf ein Frühwarnsystem zur Vermeidung von Konflikten zwischen türkischen Truppen und irakischen Kurden.
  • Das Welternährungsprogramm stellt sich darauf ein, Irak nach dem Krieg sechs Monate lang mit Lebensmittelhilfen zu unterstützen. WFP-Exekutivdirektor James Morris sagte bei einem Besuch am Mittwoch in Berlin, die Nahrungsmittelvorräte reichten noch vier bis sechs Wochen.
  • Ungeachtet ihrer Kritik am Golfkrieg hofft die französische Regierung auf einen Sturz des irakischen Regimes. "Natürlich hoffen wir auf das Ende von Saddam Husseins Regime", sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch. Frankreichs Kritik am US-Angriff auf Irak sei weder durch Pazifismus noch durch Antiamerikanismus motiviert. Ähnlich hatten sich am Tag zuvor der französische Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin und Außenminister Dominique de Villepin geäußert.
    Der US-Botschafter in Paris schlug ebenfalls versöhnliche Töne an. In einem am Mittwoch veröffentlichten Zeitungsinterview sagte Howard Leach, die USA und Frankreich sollten sich auf zukünftige Aufgaben konzentrieren, statt in Bitterkeit über den Krieg zu verharren. Er sei sicher, dass französische Unternehmen beim Wiederaufbau Iraks nicht von Aufträgen ausgeschlossen würden, sagte Leach der Zeitung "Le Parisien".
  • EU-Ratspräsident Costas Simitis spricht sich für eine führende Rolle der Vereinten Nationen beim Wiederaufbau Iraks aus. Eine von den USA und Großbritannien dominierte Nachkriegsordnung würde die arabischen Länder verärgern und die Gefahr terroristischer Anschläge erhöhen, sagte der griechische Ministerpräsident.


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