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Gebremster Aufschwung

Währungsturbulenzen, hohe Verschuldung, enorme Jugendarbeitslosigkeit: Indonesiens Wirtschaft voller Probleme trotz solider Wachstumsraten

Von Thomas Berger *

Offiziell ist die größte Volkswirtschaft Südostasiens im vierten Quartal des vergangenen Jahres um 5,72 Prozent gewachsen. Zugleich, so die aktuellen Zahlen, ist die Verschuldung Indonesiens auf eine neue Rekordmarke von umgerechnet 264 Milliarden US-Dollar (192 Milliarden Euro) geklettert. Die Ökonomie des 237-Millionen-Einwohnerstaates boomt zwar weiter, doch zahlreichen Branchen geht es schlecht. Ein Großteil der Bevölkerung spürt kaum etwas von der Konjunktur. Dazu trug nicht zuletzt die starke Abwertung der Landeswährung Rupiah und die daraus resultierende Preisexplosion bei Importgütern bei. Die Teuerungsrate lag 2013 bei 7,75 Prozent, im Januar waren es bereits 8,22 Prozent. Und obwohl die offiziellen Arbeitslosenzahlen sinken, ist fast ein Viertel der jungen Generation ohne Job.

Die jüngste Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes übertraf das zehnjährige Mittel von 5,43 Prozent leicht. Von einem Aufwärtstrend kann allerdings derzeit keine Rede sein. Indonesien hatte 2011 noch stolz 6,5 Prozent ausgewiesen, doch 2012 und 2013 nahmen die Zuwachsraten ab. Es ist derzeit unverkennbar, daß der Wirtschaftsmotor nicht rund läuft. So sank die Zahl der ausländischen Touristen auch im letzten Quartal erheblich. Auch das trug dazu bei, daß ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von umgerechnet 430 Millionen Dollar ausgewiesen werden mußte.

Immerhin trug der produzierende Bereich überdurchschnittlich mit 24 Prozent zum Wachstum bei, der Bergbausektor brachte rund zwölf Prozent ein.

Die Rekordverschuldung ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar handelt es sich dabei nach Angaben der Zentralbank zum großen Teil um kurzfristige Kredite, die binnen einer Frist von maximal einem Jahr zurückzuzahlen sind und mit denen vor allem Investitionen finanziert werden. Gleichwohl merken Fachleute an, daß sich der Schuldenberg damit in den vergangenen zehn Jahren etwas mehr als verdoppelt hat. 2004 hatte der Wert noch bei rund 120 Milliarden Dollar gelegen.

Zu den Firmen, denen es unverändert gut geht, gehört auch der staatliche Energiekonzern Pertamina. Der hat gerade verkündet, dieses Jahr umgerechnet 3,75 Milliarden Dollar für neue Öl- und Gasförderstätten sowie im Geothermalsektor aufbringen zu wollen. Das ist knapp die Hälfte jener 7,8 Milliarden, die 2014 an Investitionen geplant sind, so Pertamina-Vizepräsident Ali Mundakir. Unter anderem sollen bei einem großen Offshore-Projekt im Nordwesten der Hauptinsel Java zusätzlich 5300 Barrel (Faß; je 159 Liter) Öl und 27 Millionen scf (standard cubic feet) Gas pro Tag gefördert werden. Auch die Kapazitäten bei der bereits laufenden Ausbeutung von Lagerstätten will der Konzern erhöhen. Pertamina hatte Ende Februar für 2013 eine Steigerung des Reingewinns um elf Prozent auf 3,07 Milliarden Dollar verkündet. Für dieses Jahr belaufen sich die Profitprognosen gar auf umgerechnet über sechs Milliarden Dollar.

Das Wachstum der letzten Jahre hat für deutliche Entspannung auf dem indonesischen Arbeitsmarkt gesorgt. Lag die Quote der offiziell Arbeitslosen zur Jahreswende 2003/04 noch bei 9,86 Prozent, wurden die zuletzt 5,92 Prozent als Erfolgsstory gewertet. Auch die Beschäftigungsrate der Bevölkerung wuchs von 67,2 auf 69,2 Prozent. Alarmierend ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die liegt nach offiziellen Angaben bei 22 Prozent – nahezu jeder vierte junge Indonesier ist betroffen. Die Unzufriedenheit einer Generation, die zahlenmäßig einen starken Anteil an der Gesamtbevölkerung stellt, könnte sich bei den Parlamentswahlen Anfang April und den Präsidentenwahlen im Sommer nachteilig für das Lager des bisherigen Staatschefs Susilo Bambang ­Yudhoyono auswirken. Hinzu kommt nämlich, daß dessen Regierung im Kampf gegen ein Grundübel versagt hat, das nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in Indonesien verseucht – die grassierende Korruption. Zwar gab es zuletzt mehr Verhaftungen, Anklagen und Gerichtsverfahren als früher. Auch gegen namhafte Politiker wurde ermittelt, und sie wurden verurteilt. Doch gerade diese Verfahren illustrierten, wie weitverzweigt und tiefgehend das Netz korrupter Praktiken im Staat ist. Der dadurch entstehende wirtschaftliche Schaden kann nicht einmal annähernd verläßlich geschätzt werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. März 2013


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