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Sieger in Zwickmühle, Verlierer trotzig

Indonesien: Reformer Widodo gewinnt Präsidentschaftswahl. Exgeneral Prabowo will vor Gericht ziehen

Von Thomas Berger *

Der unterlegene indonesische Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto will das Ergebnis der Wahl vom 9. Juli nicht anerkennen. Bereits wenige Stunden, bevor die nationale Wahlkommission in Jakarta das offizielle Resultat verkündete, erklärte Prabowo am Dienstag nachmittag (Ortszeit) seinen Rückzug und behauptete, die Abstimmung sei manipuliert worden. Dabei hatte sein Wahlkampfchef, ein früherer Chefrichter des südostasiatischen Landes, bereits tags zuvor seinen Job für beendet erklärt und die Niederlage des Prabowo-Lagers eingeräumt. Ähnliche Erklärungen gab es von weiteren Vertretern des ehemaligen Generals, darunter Amien Rais, einem prominenten Spitzenpolitiker der Nationalen Mandatspartei (PAN). Auch der scheidende Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono, ebenfalls mit Prabowo verbündet, hatte am Dienstag morgen noch einmal allgemein zur Akzeptanz der Ergebnisse aufgefordert. Die Polizei hatte allein in der Hauptstadt Tausende Beamte in Alarmbereitschaft versetzt. Laut Wahlkommission erreichte der Wahlsieger Joko Widodo 53,15 Prozent der Stimmen, Prabowo kam auf 46,85 Prozent. Der Unterlegene will nun vor dem Verfassungsgericht gegen den Ausgang der Abstimmung klagen, wie ein Sprecher seines Wahlkampfteams am Mittwoch mitteilte.

Widodo hätte aus jetziger Sicht das Problem, als Präsident keine Mehrheit im Parlament zu haben. Die bisherige Wahlallianz seines Gegenspielers kontrolliert beinahe zwei Drittel der Sitze. Unter solchen Vorzeichen wäre es für Widodo schwer, Reformen durchzubringen. Doch nichts ist verführerischer als die Macht, und so zeigen sich bereits Risse im Parteienblock Prabowos. Vor allem die konservative Golkar, zweitstärkste politische Kraft des Landes, die mit Widodos Demokratischer Partei des Kampfes (PDI-P) nahezu gleichauf liegt, beginnt bereits zu wackeln.

Golkar, einst Hausmacht des 1998 gestürzten Diktators und früheren Schwiegervaters Prabowos, Hadschi Mohammed Suharto, befindet sich in einer schwierigen Lage, die zu einer Zerreißprobe führen könnte. Widodo hatte in einem geschickten Schachzug Jusuf Kalla, der früher einmal Golkar-Chef und mehrere Jahre Stellvertreter des scheidenden Staatsoberhauptes Yudhoyono war, zu seinem Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten gemacht. In der Partei ist Kalla noch immer sehr populär – die Golkar hatte sich allerdings im Präsidentschaftswahlkampf am Ende auf die Seite des nun unterlegenen Prabowo geschlagen. Dies war vor allem die persönliche Entscheidung des aktuellen Vorsitzenden Aburizal Bakrie, der lange Zeit eigene Ambitionen auf das höchste Staatsamt hatte. Nachdem er nun aufgrund der größeren ideologischen Gemeinsamkeiten mit Prabowos Großindonesien-Partei (Gerindra) aufs falsche Pferd gesetzt hat, wird die Luft um Bakrie dünner. Seine innerparteilichen Gegner wittern eine günstige Gelegenheit, sich seiner zu entledigen.

Ein vorgezogener Parteitag schon im Oktober, so erste Mutmaßungen, könnte sogar zur erneuten Installation von Kalla an der Parteispitze führen, sollte dieser seinen Hut in den Ring werfen. Dies würde interne Zwistigkeiten zwischen Flügeln und Personen zwar nur kurz- bis mittelfristig überdecken, wäre aber zugleich ein Garant, Golkar wieder an die Töpfe der Macht heranzuführen. In einer Koalition mit der PDI-P gäbe es lukrative Regierungsposten zu verteilen und auch sonst die Möglichkeit, sich Einfluß zu sichern. Widodo wiederum steht vor einem Dilemma: Einerseits könnte er Golkar gut gebrauchen, um eine parlamentarische Mehrheit für Reformprogramme zu erreichen. Gleichzeitig dürfte ihm bewußt sein, daß die Konservativen so manchen seiner Reformvorstöße zumindest deutlich abbremsen würden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 24. Juli 2014


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Nach Präsidentenwahl in Indonesien

Von Rainer Werning **


Spätestens seit Obamas messianischem »Change«-Wahlkampf sollte es zum politischen Allgemeingut gehören: Überschwenglich genährte Euphorien sind zumeist Ausdruck einer von gewieften Marketingstrategen organisierten Inszenierung. Mehrfach haben während der jüngsten Präsidentenwahl in Indonesien Kommentatoren den Kandidaten der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P), Joko Widodo, auf den Schild gehoben und ihn als den »indonesischen Obama« gepriesen. »Jokowi«, so die volkstümliche Bezeichnung des Kandidaten, sei der Hoffnungsträger par excellence. Er sei in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, zeichne sich durch Volksnähe aus und sei kein Sproß einer alteingesessenen politischen Familiendynastie. Das kam so gut an, daß man noch vor Wochen »Jokowi« attestierte, er werde die Wahl mit großem Vorsprung vor seinem Herausforderer Prabowo Subianto, den Exschwiegersohn von Diktator Suharto und GSG-9-Zögling, gewinnen. Kurzum: Endlich stehe ein grundlegender Wandel in Politik und Gesellschaft an.

Doch es kam anders. Prabowo holte mächtig auf. Er konnte sich auf alte politische Seilschaften und üppige Finanzmittel stützen. Als Chef der erst Anfang 2008 gegründeten Gerindra-Partei beschwor er eine »Renaissance Indonesiens« und versprach, den Einfluß des ausländischen Big Busineß zu beschneiden. Als Tugenden hob er im Wahlkampf das für Indonesien geeignete »Konsensprinzip« hervor und verspottete Direktwahlen als »Produkt des Westens«. Das schließlich von der Wahlkommission verkündete Endergebis – 46,85 Prozent für ihn und 53,12 Prozent für den Sieger Widodo – erkannte die Gerindra nicht an. Am vergangenen Freitag reichten deren Juristen vor dem Verfassungsgericht in Jakarta Klage gegen dieses Resultat ein. Ihre Kritik: Die Wahlkommission habe »massiven, strukturellen und systematischen Betrug« ignoriert. Bis spätestens zum 21. August hat das Gericht ein Urteil zu fällen.

Derweil wird »Jokowi« von Freund und Feind gleichermaßen in die Mangel genommen. Erstere werden auf Posten und Pfründe pochen. Letztere versprechen, nur so lange stillzuhalten, wie Reformvorhaben nicht zu ihren Lasten ausfallen. Und da ist schließlich mit Jusuf Kalla ein Vize an seiner Seite, der dieses Amt schon einmal bekleidete und ausgerechnet Vorsitzender der Partei Golkar war, aus der die alte Politriege Suhartos kam. Dieser Mann hat unumwunden das mörderische Treiben der Pemuda Pancasila, eines stramm antikommunistischen Stoßtrupps vorwiegend junger Leute unter der »Neuen Ordnung« Suhartos, gelobt. In dem beklemmenden Dokumentarfilm »The Act of Killing« (USA 2012) von Joshua Oppenheimer taucht Jusuf Kalla in der Uniform dieser Jugendorganisation auf. Seine Botschaft: »We need our gangsters to get things done« – Wir brauchen unsere Gangster, um die Dinge zu regeln.

** Aus: junge Welt. Montag, 28. Juli 2014 (Kommentar)


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