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Selbstbedienung statt "Rettung"

Korruptionsfälle bringen Indonesiens Regierungspartei in Schwierigkeiten

Von Thomas Berger *

Wenige Monate vor den Parlamentswahlen im April und den Präsidentschaftswahlen im Juli erschüttern drei bedeutende Korruptionsfälle Indonesien. Es mag Zufall sein, daß die unterschiedlichen Ermittlungen der nationalen Antikorruptionsbehörde (KPK) gerade jetzt zeitlich zusammenfallen. Doch sie sind auch symbolisch für die Selbstbedienungsmentalität in Politik und Wirtschaft des bevölkerungsreichsten Staates Südostasiens.

Der Fall von Rudi Rubiandini ist dabei noch der kleinste. Der ehemalige Chef der staatlichen Aufsichtsbehörde für den Öl- und Gassektor soll für die Manipulation von Ausschreibungen umgerechnet rund 775000 Euro von einem Unternehmen erhalten haben. Von einer zweiten Firma ließ er sich seinen Einfluß auf die Gaspreisgestaltung mit 383000 Euro vergolden. So zumindest steht es in der zu Wochenbeginn vor einem Antikorruptionsgericht verlesenen Anklage. Rudi drohen nun bis zu 20 Jahre Haft. Ganz so dramatisch ist die Lage für Anas Urbaningrum noch nicht. Der frühere Vorsitzende der Demokratischen Partei (DP) von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono ignorierte am Dienstag bereits die dritte Vorladung durch die Antikorruptionsbehörde. Er soll im Zusammenhang mit dem Bau eines großen Sportkomplexes Geschenke und Schmiergelder angenommen haben. KPK-Chef Abraham Samad denkt inzwischen offen darüber nach, Anas von der Polizei vorführen zu lassen. Und für die DP werden die Skandale inzwischen auch politisch zum Problem.

Der prominenteste und von seinen Dimensionen bedeutendste Fall ist allerdings die umstrittene Stützung der während der internationalen Finanzkrise im November 2008 in Schieflage geratenen Century Bank. Dem indonesischen Kreditinstitut hatten Regierung, Abgeordnete und Zentralbank ursprünglich kurzfristige Kredite von umgerechnet rund 50 Millionen Euro bewilligt. Binnen weniger Monate allerdings wuchsen die »Rettungszahlungen« auf stolze 440 Millionen Euro an – das Vierfache dessen, was das Parlament als Höchstsumme bewilligt hatte. Ins Zentrum des Skandals rückt derzeit der damalige Generalgouverneur der Zentralbank, Boediono. Der heutige Vizepräsident trägt wie viele Indonesier nur einen Einzelnamen. Obwohl er persönlich noch nicht unmittelbar belastet wird, weigert er sich bislang, wesentlich zur Aufklärung beizutragen. Selbst einer zweiten Vorladung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit dem Bankenskandal befaßt, leistete er zu Wochenbeginn keine Folge. Wenn Boediono auch eine dritte Aufforderung ignoriere, könnte das ernste Konsequenzen haben, drohte das Ausschußmitglied Bambang Soesatyo, Abgeordneter der konservativen Golkar-Partei. Obgleich in erster Linie die KPK mit den Ermittlungen betraut ist, könne sich der Exzentralbankchef nicht einfach den berechtigten Nachfragen der Parlamentarier entziehen. Auch Hendra Supratikno von der liberalen Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P), sonst mit Golkar alles andere als auf einer Linie, stößt ins gleiche Horn. Boediono müsse Rede und Antwort stehen.

Zumindest die Verletzung von Aufsichtspflichten wäre dem heutigen Vizepräsidenten womöglich anzulasten. Denn es waren einer oder mehrere seiner Stellvertreter, die für die problematischen Geldflüsse verantwortlich zu machen sind. Zentralbanksvize Budy Muliar war der erste Verdächtige, der im vergangenen November von der KPK verhaftet wurde. Er hatte die nur mittelgroße Century Bank fünf Jahre zuvor für »systemrelevant« erklärt und damit staatliche »Hilfskredite« erst ermöglicht. Von Bankeigentümer Robert Tantular soll Budy, so der Verdacht, dafür umgerechnet gut 60000 Euro bekommen haben. Die später bewilligten Beihilfen wurden wiederum von anderen Zentralbankgrößen gesteuert, darunter eine weitere Vizegouverneurin der Zentralbank und die Zuständige für Bankenaufsicht.

* Aus: junge Welt, Freitag, 10. Januar 2014


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