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Unruhe in Papua

Seit Jahrzehnten ersehnen die Einwohner ihre Unabhängigkeit von Indonesien

Von Thomas Berger *

Wer steckt hinter den jüngsten Morden in Papua? Auf diese Frage gibt es noch immer keine verläßliche Antwort, auch wenn der Fingerzeig auf die separatistische Untergrundbewegung in der indonesischen Unruheprovinz wieder schnell da war. Dafür, daß die Guerilleros tatsächlich für die drei Todesfälle verantwortlich sind, gibt es bislang keinerlei Beweise. Allerdings gibt es momentan ebensowenig Spuren, die in andere Richtungen deuten, was jegliche Spekulationen antreibt. Im Mittelpunkt jedenfalls steht die zum US-amerikanischen Freeport-Konzern gehörende größte Gold- und Kupfermine der Welt, deren Profitabfluß ins Ausland vielen Einheimischen ein Dorn im Auge ist.

Am vergangenen Sonnabend war ein 29jähriger US-Angestellter von Freeport von Unbekannten erschossen worden, als er in einem Firmenfahrzeug offenbar auf dem Weg zum Golfspielen war. Nur einen Tag später kam ein Wachmann ums Leben, als sich vor dem Minenkomplex ein Feuergefecht zwischen Sicherheitskräften und unbekannten Angreifern entwickelte. Am Montag schließlich fand man im Umfeld der Grasberg-Mine die Leiche eines Polizisten, was die Zahl der Toten nun auf drei erhöhte. Geht es nach einigen in der Freeport-Chefetage sowie beim indonesischen Militär und der Politik, ist die Sache klar: Dahinter steckt die Unabhängigkeitsbewegung, die seit Jahrzehnten für Selbstbestimmung und die Loslösung von Jakarta kämpft.

Immer wieder hatte in der Vergangenheit die Grasberg-Mine im Zentrum des Geschehens gestanden, ist der Betrieb doch ein Symbol für die Ausbeutung der Provinz durch die von anderen Inseln stammenden Indonesier im Verbund mit ausländischen Konzernen. 2002 waren zwei US-amerikanische Lehrer und ein Indonesier nahe der Mine erschossen worden, die Tat schoben Washington und Jakarta seinerzeit den Rebellen in die Schuhe. Recherchen indonesischer Menschenrechtsgruppen förderten aber zwei Jahre später zutage, daß es berechtigte Zweifel an der offiziellen Theorie gab. Womöglich handelte es sich bei dem Überfall einer Gruppe Bewaffneter mit den tödlichen Schüssen auf die drei Lehrer um das Werk von Polizisten -- oder einer Organisation, die zumindest mit den Sicherheitskräften zusammenarbeitete.

Seit dem Friedensschluß in Aceh 2005/06 ist Papua die unruhigste indonesische Provinz. Wie das inzwischen eigenstaatliche Osttimor gehört der Landstrich nicht zu dem Territorium, das 1949 von der früheren Kolonialmacht Holland in die Selbständigkeit entlassen wurde. Papua verblieb unter niederländischer Kontrolle. Als die Europäer 1961 abzogen, machten die Indonesier allen Hoffnungen auf Unabhängigkeit einen Strich durch die Rechnung. Ein Referendum, das binnen sechs Jahren stattfinden sollte, wurde verhindert. Seit damals nur währt der Kampf gegen die Fremdbestimmung. Daß aus Irian Jaya 2001 auch wieder offiziell Papua wurde und die Provinz gewisse Autonomierechte erhielt, reicht der lokalen Bevölkerung aber nicht. Sie beklagt Diskriminierung und Arroganz seitens der meist von der Hauptinsel Java stammenden Indonesier, von denen immer mehr kommen.

Es ist ein tiefsitzender ethnisch-kultureller Konflikt -- die Papua sind Melanesier und mit den australischen Aborigines näher verwandt als mit ihren »Landsleuten« auf den anderen Inseln des Archipels. Zudem leben viele Stämme noch unter vormodernen Bedingungen. Daß immer mehr Firmen die reichen Rohstofflagerstätten erschließen, gefährdet ihre Kultur. Längst sind so auch Aids und andere Krankheiten weit verbreitet. Die Untergrundkämpfer, die auch für die jüngsten Toten verantwortlich sein sollen, sind keine homogene Gruppe. Unter ihnen gibt es studentisch geprägte Kreise und Stammeskrieger. Was sie eint, ist das Ziel: 2004 wurde erstmals wieder die Papua-Flagge in der Inselhauptstadt Jayapura aufgezogen. Mehrere Unabhängigkeitsaktivisten, die an der Zeremonie teilnahmen, sitzen seither lange Haftstrafen ab.

* Aus: junge Welt, 16. Juli 2009


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