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Tod eines Despoten

Indonesiens Exdiktator Suharto gestorben

Von Rainer Werning *

Am liebsten sah sich Hadji Mohamed Suharto als »Bapak«, als lächelnder Landesvater. Zum Lächeln hatte er wahrlich Grund: Unangefochten lenkte der Exgeneral 32 Jahre lang (1966-1998) die Geschicke Indonesiens, des größten und bevölkerungsreichsten Landes in Südostasien. Nicht von einer wütenden Menge wurde dieser »König« aus seinem Palast gejagt wie im Frühjahr 1986 der philippinische Präsident Ferdinand E. Marcos. Nein: »Bapak« trat am 21. Mai 1998 lächelnd zurück - genauer: beiseite. Unspektakulär übertrug er die Amtsgeschäfte seinem Stellvertreter und langjährigen Vertrauten, Bacharuddin Jusuf Habibie - ein für Diktatoren eleganter Abgang.

1965 war das Schicksalsjahr für Suharto: Die US-amerikanische Regierung schätzte die politische Situation in Indonesien als überaus kritisch ein. Präsident Lyndon B. Johnson befürchtete, nach Vietnam drohe Indonesien als nächster »Dominostein« zu kippen und »kommunistisch« zu werden. Ahmed Sukarno, Indonesiens erster Präsident und ein selbsterklärter Antiimperialist, sollte kaltgestellt werden, weil er unter anderem engere Kontakte zur Volksrepublik China suchte. Vor allem die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI) war Suharto und ausländischen Militärstrategen ein Dorn im Auge. Sie war nach der Kommunistischen Partei Chinas und der KPdSU die weltweit drittstärkste kommunistische Partei. Unter dem Vorwand, eine Machtübernahme der PKI zu vereiteln, putschten sich Offiziere Anfang Oktober 1965 an die Macht. Die Details dieser aufrüttelnden Tage sind bis heute nicht einwandfrei geklärt. Doch unbestritten ist: Hauptnutznießer des Coups war Generalmajor Suharto, Kommandeur einer Eliteeinheit.

Geboren wurde Suharto am 8. Juni 1921 in dem zentraljavanischen Dorf Kemusuk. Bereits als Neunzehnjähriger schloß er sich der holländischen Kolonialarmee an. 1942, als Japan die verhaßten Kolonialherren aus dem Land warf, kommandierte er ein japanisches »Selbstverteidigungskorps«. Im Unabhängigkeitsjahr 1945 wurde Suharto Soldat der indonesischen Armee. Unauffällig machte er dort Karriere, stieg 1960 zum Brigadegeneral auf und wurde drei Jahre später Chef des strategischen Kommandos der Armee - ein Sprungbrett für seine steile politische Karriere.

Innenpolitisch krempelte Suharto die Gesellschaft von Grund auf um. Schönfärberisch sprach er von der »Neuen Ordnung«, in der das Militär fortan für die Landesverteidigung und für die soziale Befriedung im Innern zuständig war. Offiziere besetzten Schlüsselpositionen in Verwaltung, Wirtschaft und sozialen Einrichtungen. Außenpolitisch stützte Suharto bedingungslos die westlich orientierte Staatengemeinschaft - von Australien über Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland bis zu den USA.

Oberstes Ziel war zunächst die Zerschlagung der PKI und sämtlicher mit ihr sympathisierender Organisationen. In der US-Botschaft in Jakarta, dies belegen Dokumente des State Department und der CIA, liefen die Fäden der »Aufstandsbekämpfung« zusammen. Mitarbeiter beider US-Behörden fertigten Listen von PKI-Kadern an, die es zu »eliminieren« galt. Mindestens eine halbe Million Menschen - einige Quellen sprechen gar von weit über einer Million - fiel diesem bis dahin größten Gemetzel in Friedenszeiten nach dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Auch seitens der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes gab es für die fernen Freunde Hilfestellung in Form von Ausbildungskursen für Offiziere an der Bundeswehrakademie Hamburg-Blankenese sowie Spezialtrainings bei Elitetruppen.

Im Zenit seiner Macht okkupierte Suharto die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor. Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch sprachen von Völkermord: Von 1975 bis 1998 starben über 200.000 Menschen der etwa 800.000 Einwohner zählenden Bevölkerung Osttimors infolge der Besatzungspolitik durch indonesisches Militär.

Als im Sommer 1997 Südost- und Ostasien von einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise erfaßt, Milliardenbeträge aus der Region abgezogen und aggressiv gegen dortige Währungen spekuliert wurde, brach Indonesiens vermeintliche Boomwirtschaft wie ein Kartenhaus zusammen. Aus Wut und Verzweiflung über die drastische Verteuerung von Lebensmitteln wurden Märkte gestürmt und Kaufhäuser geplündert. Suharto mußte zurückzutreten, nicht ohne zuvor für sich und die Seinen Kapital und Naturschätze im Wert von geschätzten 30 Milliarden US-Dollar beiseite geschafft zu haben.

Bereits Ende September 2000 wurde Suharto ärztlich attestiert, nicht vernehmungs- und haftfähig zu sein. Gegen ihn angestrengte Verfahren wegen Korruption und Amtsmißbrauchs verliefen im Sande. Eine Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde nie gegen ihn erhoben. Seine Mitstreiter von einst sind noch immer auf freiem Fuß. Der 86jährige Exdiktator starb am Sonntag (27. Januar 2008) infolge eines mehrfachen Organversagens.

* Aus: junge Welt, 29. Januar 2008


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