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Ärger an der Tankstelle

Indonesier aufgebracht wegen zu teurem Sprit. Ölpreisanstieg zwang Regierung in Jarkata Subventionen für Kraftstoffe zu streichen

Von Thomas Berger *

Viele Indonesier trauten am Sonnabend ihren Augen nicht, als sie mit Motorrikscha, Kleinlaster oder PKW an den Tankstellen des Inselstaates vorfuhren: der Sprit an den Zapfsäulen war über Nacht erheblich teurer geworden. Verantwortlich dafür waren allerdings nicht in erster Linie die weltweit rasant steigenden Öl- und Kraftstoffpreise, sondern die indonesische Regierung. Angesichts der Preisexpolosion an den Weltmärkten hatte sich Jakarta gezwungen gesehen, die bisherigen Subventionen für Kraftstoff aufzuheben. Die Regierung hatte bislang den Kraftstoff gestützt und 30 Prozent des Marktpreises über Subventionen finanziert. Dies wurde jetzt für den Staatshaushalt zur ernsten Belastung.

Nachdem die mehr als 240 Millionen Einwohner des bevölkerungsreichsten Staates Südostasiens von den weltweit steigenden Preisen an den Tankstellen weitgehend verschont geblieben waren, ist das Entsetzen nun umso größer. Studenten in der Hauptstadt waren die ersten, die Protestaktionen starteten. Auf dem Campus der größten Universität attackierten sie Polizisten mit Steinwürfen und brennenden Reifen. Diese knüppelten ­energisch auf den akademischen Nachwuchs ein und verhafteten mehr als 100 Aktivisten. Auch von anderen Orten wurden Proteste und kollektive Wutausbrüche gemeldet. Medienberichten zufolge stellen sich die Behörden auf weitere Unruhen in den nächsten Tagen ein.

Selbst wenn die Proteste abflauen sollten, bleibt das ökonomische Problem bestehen. Die Regierung hat zwar damit begonnen, an besonders Bedürftige eine Unterstützung in Form von Bargeld auszuzahlen. Dieses System birgt aber diverse Risiken und kann die neuen Lasten für viele Familien nur unzureichend abfedern. Regierungsoffiziell hieß es, die Kraftstoffsubventionen wären vor allem den Besserverdienenden zugute gekommen, jenen Leuten also, die sich überhaupt ein Fahrzeug leisten können. Das mag im Grundsatz richtig sein. Die jetzige faktische Freigabe der Preise für Benzin und Diesel wird sich jedoch nicht beim Tanken allein niederschlagen. Transportkosten steigen immens, was wiederum eine Verteuerung zahlreicher Waren des täglichen Bedarfs nach sich ziehen dürfte. Und eben diese zweite Preissteigerung ist es, die in erster Linie die sozial Schwächsten treffen wird. Schon jetzt gibt es Millionen Indonesier, die umgerechnet weniger als einen Dollar am Tag zur Verfügung haben und damit unterhalb der offiziellen Armutsschwelle für Entwicklungsländer liegen.

Das Reich der 17000 Inseln ist nicht das einzige Land, das sich bisherige Subventionspraktiken für Kraftstoffe nicht länger leisten kann. Im benachbarten Malaysia, das volkswirtschaftlich noch um einiges besser dasteht und ein robustes Wirtschaftswachstum aufzuweisen hat, sind bereits ähnliche Pläne diskutiert worden. Außerdem will auch Taiwan nach jüngsten Meldungen ab Juni die Benzinpreise freigeben.

Vielen Staaten im ökonomisch aufstrebenden Ost- und Südostasien macht bereits die drastische Verteuerung der Nahrungsmittel -- vor allem beim Reis -- zu schaffen. Die enorme Preissteigerung beim Erdöl wird nach Ansicht von Experten die Konjunktur bremsen und das Wirtschaftswachstum spürbar sinken lassen. Gerade hat die Regierung der Philippinen die Erwartungen für das laufende Jahr um bis zu einen Prozentpunkt nach unten korrigiert. Als Grund wurde neben den steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel eben auch die für Energie und Kraftstoffe angegeben.

* Aus: junge Welt, 27. Mai 2008


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