Geschmierter Chefrichter
Indonesien: Korruption reicht bis in Spitzen staatlicher Organe
Von Thomas Berger *
Es war lange ein offenes Geheimnis, daß Korruption in Indonesien auch in allerhöchsten Kreisen zu finden ist. Nun haben die Bürger der südostasiatischen Inselrepublik Gewißheit: Anfang Oktober wurde der 62jährige Akil Mochtar von Beamten der Antikorruptionsbehörde in seinem Haus verhaftet. Der Chef des indonesischen Verfassungsgerichtes soll mindestens 200000 Dollar Schmiergeld angenommen haben.
Der Vorfall hätte für die Regierung in Jakarta zu kaum einem unangenehmeren Zeitpunkt kommen können. Nur wenige Tage später fand auf Bali das Gipfeltreffen der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft APEC statt, zu dem einige der mächtigsten Politiker der Welt anreisten. Offiziell war der Skandal natürlich kein Thema auf der Tagung, und sollte Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono hinter den Kulissen darauf angesprochen worden sein, dürfte er die Festnahme Mochtars als Erfolg dargestellt haben.
Der aktuelle Fall illustriert einmal mehr, daß die Regierung bei der Bekämpfung des Problems auch vor Prominenten nicht mehr haltmacht. Yudhoyono hatte schon bei seinem Amtsantritt 2009 erklärt, dem Kampf gegen die Korruption besonderes Augenmerk widmen zu wollen. Doch ranghohe Vertreter der zuständigen Behörde standen selbst mehr als einmal im Verdacht, Dreck am Stecken zu haben. Das behinderte die Aufklärung und ließ das Vertrauen der Bevölkerung in die vollmundigen Ankündigungen nicht gerade wachsen.
Mochtar soll in zwei Streitfällen um Distriktwahlergebnisse nach dem Erhalt beachtlicher Summen entsprechend seiner Spender entschieden haben. Unmittelbar vor seiner Festnahme soll er in seinem Haus von einem Geschäftsmann und einem Abgeordneten Geld erhalten haben, damit er bei einem Streit auf Borneo in der diesen genehmen Weise entscheiden möge. Inzwischen mehren sich die Rufe, alle seit seinem Amtsantritt gefällten Urteile auf mögliche Beeinflussung noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Mochtar war 2009 an das Verfassungsgerichts berufen und vor fünf Monaten dessen Chef geworden, nachdem er zuvor zehn Jahre für die konservative Golkar-Partei – einst Hausmacht des 1998 gestürzten autokratischen Langzeitpräsidenten Haji Mohamed Suharto – im Parlament gesessen hatte. Die oppositionelle Indonesische Demokratische Partei des Kampfes (PDI-P) der früheren Präsidentin Megawati Sukarnoputri hält es laut ihrem Vizegeneralsekretär Hasto Kristianto für denkbar, daß Mochtar auch bei der jüngsten Gouverneurswahl auf Bali bestochen wurde, um im Einspruchsverfahren gegen den Kandidaten der PDI-P zu entscheiden. Auch eine Regionalwahl in West-Java steht unter dem Verdacht, im Berufungsverfahren »gelenkt« worden zu sein.
Der offenbar korrupte Chefrichter, der nach seiner Verhaftung umgehend des Amtes enthoben wurde, ist aber beileibe kein Einzelfall. So wurde kürzlich Polizeigeneral Djoko Susilo wegen Korruption und Geldwäsche zu zehn Jahren Haft verurteilt. Außerdem soll Rudi Rubiandini, vormals Chef von SKKMigas, der Kontrollbehörde für den Öl- und Gassektor, umgerechnet 600000 Dollar Schmiergeldzahlungen erhalten haben, damit ein bestimmter Erdölkonzern bei einer Ausschreibung den Zuschlag erhält.
Der Fall Mochtar hat dennoch besonderes Gewicht, weil er einer staatlichen Institution vorstand, die anders als die meisten nach bisheriger Auffassung als »sauber« und vertrauenswürdig gegolten hatte. Nicht nur Präsident Yudhoyono zeigte sich schockiert. Zwei von Mochtars Vorgängern im Amt schlossen sich den zunehmenden Rufen nach der Todesstrafe für solch schwere Korruptionsfälle an, sollte Mochtar schuldig gesprochen werden.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 16. Oktober 2013
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