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Indonesien: Vielvölkerstaat auf 3000 Inseln

Grundinformationen zur Geschichte, Wirtschaft und Politik

Staatsname: Republik Indonesien

Geografie:
Fläche: 1.904.443 km2 (Ohne das 1975/76 annektierte, heute souveräne 14.874 km2 große Osttimor) auf rund 13.677 Inseln, wovon bis zu 3.000 substantiell besiedelt sind. Die wichtigsten:
Kalimantan (Borneo) 539.466 km2, Sumatra 473.481 km2, Irian Jaya 421.981 km2, Sulawesi 189.216 km2, Java und Madura 132.186 km2, Molukken 74.505 km2, Nusa Tenggara (Kleine Sundainseln) 68.053 km2, Bali 5.561km2
Hauptstadt: Jakarta (9,3 Mio. Einw.) (1999)

Bevölkerung:
Einwohner: 223,7 Mio. (Juli 2000)
Bevölkerungsdichte: 117,5 Einw./km2 (2000)
Bevölkerungswachstum: 1,63 % (2000)
Lebenserwartung: 67,9 Jahre (2000)
Säuglingssterblichkeit: 6,3 pro Tausend (2000)
Alphabetisierung: 83,8 % (1995)
Religion: Moslemisch (88 %), protestantisch (5 %), romanisch katholisch (3 %), hinduistisch (2 %), buddhistisch (1 %), andere (1 %)
Ethnische Gruppen: Javanesen (45 %), Sundanesen (14 %), Maduresen (7,5 %), Küstenmalaien (7,5 %), andere (26 %)

Politik:
Staatsform: Präsidiale Republik
Staatschef: Präsident Abdurraham Wahid (seit Okober 1999)
Regierungschef: Präsident Abdurraham Wahid (seit Okober 1999)
Parlament: Repräsentantenhaus mit 400 für fünf Jahre gewählten und 100 vom Präsidenten aus Reihen des Militärs ernannten Abgeordneten
Politische Parteien: Crescent Moon and Star Party (PBB), Development Unity Party (PPP), Golkar, Indonesia Democracy Party (PDI), National Awakining Party (PKB), National Mandate Party (PAN)

Wirtschaft:
Urbanisierung: 35 % (1997)
BIP: 225,8 Mrd. US-Dollar (1997)
BIP/Einw.: 1.110 US-Dollar (1997)
BIP/Sektor: Landwirtschaft: 21 %, Industrie: 35 %, Dienstleistungen: 44 % (1999)

Geschichte, innenpolitische Entwicklung

Am alten Seehandelsweg zwischen Arabien, Indien und China gelegen, war Indonesien, das "Land der 3.000 Inseln" über Jahrtausende hinweg offen für Einflüsse von außen. Buddhistische und hinduistische Reiche bildeten sich und im 13. Jh. konnte auch der Islam Fuß fassen, der durch Kaufleute ins Land kam. Heute sind 88 % der Einwohner Indonesiens Muslime.

Anfang des 16 Jh. erschienen zunächst Portugiesen und Spanier, später dann Holländer. Von 1942-45 wurde Indonesien von japanischen Truppen besetzt. Als Japan 1945 kapitulierte, rief Sakarno sofort die Republik Indonesien aus und machte sich zum Präsidenten, der, geschützt durch die Armee, 20 Jahre lang regierte. Zunächst in einem parlamentarischen System, das jedoch 1959 durch die "gelenkte Demokratie", d.h. Repräsentanten des Staates werden nicht mehr gewählt, sondern ernannt, abgelöst wurde. In der Folgezeit wurde eine antiwestliche Politik vertreten, die von innenpolitischen Aufständen in dieser Zeit ablenken sollte und so Indonesien in die Isolation geführt wurde. Sukarnos politisches Konzept hieß: Nasakom, eine Mischung aus Nationalismus, Religion und Kommunismus. Verbindlich für die politische Arbeit sind die fünf Grundprinzipien in der Verfassung (pancasila): Glaube an den Einen Gott, Humanität, Einheit Indonesiens, Demokratie durch Zustimmung der Repräsentanten nach allgemeiner Beratung, soziale Gerechtigkeit. Ein Präsidialerlass berechtigt den Präsidenten, Parteien aufzulösen, deren Politik dem Staatswohl zuwiderlaufen oder nicht mindestens in einem Viertel des Staatsgebietes organisiert sind.

Als Mitte 1965 das Land in eine schwere Wirtschaftskrise geriet, übernahm General Suharto mit einem Staatsstreich die Macht. Mehrere Hunderttausend Oppositionelle oder der Opposition Verdächtige wurden ermordet. Suharto regierte mit harter Hand - jegliche Opposition wurde unterdrückt. In der Wirtschaftspolitik wurde hingegen auf die liberale Karte gesetzt und das Land erfuhr erfolgreich einen dramatischen Aufschwung. Suhartos Ende kam mit der Wirtschaftskrise in Asien, 1997 ausgebrochen, als das Volk nicht mehr stillhielt und Studenten zu Tausenden auf die Straße gingen - auch Terror und Gewalt der Sicherheitskräfte konnten das Regime nicht mehr retten und so trat Suharto am 21. Mai 1998 zurück. Das Ende der "gelenkten Demokratie" wurde insofern nicht durch fortschreitende Demokratisierung und der Etablierung einer Mittelklasse bewirkt, sondern die Ursachen liegen in der wachsenden Korruption und im ungeschickten Reagieren auf die asiatische Wirtschaftskrise. Dem indonesischen Volk wurden so viele Belastungen aufgebürdet, dass 1998 Demonstrationen und Aufmärsche gegen den Staat begannen.

Seit Oktober 1999 ist Präsident Wahid, nach einer eineinhalbjährigen Amtszeit des Nachfolgers Habibie, an der Macht. Erstmals fanden nach über 40 Jahren freie Wahlen im Land statt. Die Frage, ob die Allgegenwart des Militärs und seine politische Sonderstellung erhalten bleiben wird oder ob eine parlamentarische Demokratie westlichen Zuschnitts eingeführt wird, kann derzeit noch nicht beantwortet werden, wird wohl aber auch von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Ein Anfang bezüglich des Abbaus von Restriktionen wurde unter Präsident Habibie durch die Ansetzung neuer Wahlen, in denen nach Verabschiedung neuer Wahlgesetze nicht weniger als 48 Parteien teilnehmen konnten, gemacht. Auf diese Weise versuchte die Regierung Habibie der Interessenvielfalt in der Inselwelt stärker entgegenzukommen als in der Regierungszeit Suhartos. Andererseits führte der Sturz Suhartos nicht nur zum Wiederaufleben sezessionistischer Tendenzen in den Randgebieten Indonesiens, sondern auch zur verschärften Gewaltanwendung bei ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen. Große Herausforderungen stehen also nach wie vor an und es bleibt abzuwarten, ob die Regierung Wahid imstande sein wird, Sorgen und Nöte des 223-Millionen-Volkes anhand mehr demokratischer Mitbestimmung zu meistern. Ein erster Schritt des Präsidenten Wahid ist, dass er Hand anlegt an die Macht des Militärs im Land und erstmals in der Geschichte der Republik ein Zivilist Verteidigungsminister wird. Ob das Militär jedoch gänzlich aus der Poitik verschwindet, bleibt abzuwarten.

Wirtschaft

24 Prozent der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Hauptanbauprodukt ist dabei Reis, aber auch Zuckerrohr, Tabak, Tee, Kaffee, Kautschuk und Ölpalmen werden auf groß angelegten Plantagen bewirtschaftet. Indonesien zählt zu den Ländern mit den größten Rohstoffreserven der Welt in Bezug auf Erdöl, Erdgas, Kohle, Zinn, Nickel, Kupfer, Bauxit und Gold.

Die wirtschaftliche Entwicklung Indonesiens erlitt mit der asiatischen Wirtschaftskrise 1997 einen tiefen Rückschlag. Indonesien, bis 1997 ein boomender "Tigerstaat", wurde am schwersten in der Region von der Wirtschafts- und Finanzkrise erfasst. Trotz eines Sanierungsplans des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 43 Mrd. US-Dollar hat sich die indonesische Ökonomie noch nicht vollkommen erholt, stabilisierte sich aber in der zweiten Hälfte von 1999 und die Inflationsrate, die 1998 noch über 70 Prozent betrug, sank ein Jahr später auf zwei Prozent. Doch nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit im Land enorm hoch (22 % in 1998), so dass Indonesien geprägt ist von Unterbeschäftigung.

Handelspartner Indonesiens sind Japan, die USA, Singapur, Hongkong, Großbritannien und die BRD, wobei der größte Anteil an Exportprodukten zu einem Fünftel Öl- und Gasprodukte sind. Des Weiteren werden Textilien, tropisches Holz, Bergbauerzeugnisse, bearbeiteter Kautschuk, Palmöl und Garnelen exportiert.

Außenpolitik

Sukarno konzentrierte sich während seiner Regierungszeit auf eine nationalistische Außenpolitik. Seit Ende der 50er Jahre lehnte sich Indonesien stark an China an, doch nach dem Putschversuch von 1965 zerbrach die Achse Jakarta-Peking. Nach dem Bruch mit der VR China orientiert sich Indonesien außenpolitisch am Westen und entwickelte sich auf Grundlage der Blockfreiheit zu einem führenden Staat der Dritten Welt (der neue Präsident Wahid will nun im Bündnis der Blockfreien die Partnerschaft zwischen Indonesien und China wiederbeleben). Die USA, die Sowjetunion und Japan bekundeten wachsendes Interesse für das Inselreich, das sich zunehmend pro-westlich zeigte und versuchte, in der Region eine Vermittlerrolle zu spielen, wie z.B. beim Kambodscha-Konflikt. Bei der regionalen Kooperation in Südostasien im Rahmen der ASEAN ist Indonesien ebenfalls eine treibende Kraft. Indonesiens Militärausgaben stehen in Asien hinter China, Japan und Südkorea an vierter Stelle und weisen eine steigende Tendenz auf. So gibt Indonesien in den 90er Jahren erheblich mehr Geld für Waffenkäufe aus als noch in den 80er Jahren, um Unruhen, die in verschiedenen Gebieten Indonesiens herrschen, unter Kontrolle zu halten.

Innenpolitische Unruhen

1975 besetzten indonesische Truppen den ehemaligen portugiesischen Teil von Timor, der unter starkem Widerstand der einheimischen Bevölkerung 1976 an Indonesien angegliedert wurde. Ein durch indonesisches Militär 1991 dort verübtes Massaker löste internationale Kritik aus. 1994 gab es zwar erstmals Gespräche zwischen Außenminister Alatas und der Widerstandsbewegung auf Osttimor, jedoch kam es trotzdem immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen dem Militär, Rebellen und Zivilisten. 200.000-300.000 Tote von ehemals 800.000 Einwohnern in Osttimor kennzeichnen die wohl schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen in diesem Jahrhundert. Anfang 1999 stellte Habibie die Frage nach dem Verbleib Osttimors im indonesischen Staatsverband, da internationale Kritik immer lauter wurde und Beziehungen Indonesiens zum Ausland belasten (so ging z.B. Indonesien auf Konfrontationskurs mit Australien aus Protest gegen das Engagement Canberras an der Spitze der Schutztruppe Interfet, die auf Osttimor eingesetzt wurde und kündigte das 1995 geschlossene Sicherheitsabkommen mit Australien auf. Das im August des Jahres unter UN-Aufsicht durchgeführte Referendum in Osttimor ergab ein klares Ergebnis: trotz massiver Einschüchterungen, Mord und Brandschatzung vor dem Referendum erklärten sich 78 % der Osttimoresen für die Unabhängigkeit ihres Landes. So erhielt Osttimor 1999 nach 24 Jahren unter indonesischer Herrschaft seine Eigenstaatlichkeit. Das Land, das indonesische Truppen und Milizen im Herbst 1999 in Schutt und Asche gelegt haben, ist zwar heute befreit von Indonesien, jedoch nicht von sozialen und politischen Problemen. Elend und Armut beherrschen das Bild, auch wenn sich das Leben zu normalisieren beginnt.

Andere Unruhen bedrohen aber nach wie vor das indonesische Staatengebilde, das weiter auseinanderzufallen droht. Der erfolgreiche Unabhängigkeitskampf Osttimors hat entsprechenden Bewegungen auf den Molukken, in Irian Jaya und Aceh im Norden von Sumatra Auftrieb gegeben. In Aceh, einer islamisch orientierten Provinz und Krisengebiet seit 1976, kam es aufgrund von Sezessionsbestrebungen immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen indonesischen Soldaten und Guerillakämpfern, in die z.T. auch die Zivilbevölkerung hineingeriet.

Wahid hat Ende 1999 mehr Freiheit für die Provinzen angekündigt: Ein föderatives Staatssystem soll die Selbstverwaltung der Provinzen stärken. Für die Provinzen Aceh und Irian Jaya wurde nach Waffenstillstandsvereinbarungen auch ein besonderer Autonomiestatus angekündigt. Allerdings stößt das Dezentralisierungsprogramm der Regierung auf Widerstände. Ein autonomer Sonderstatus für Aceh ab Mai 2001 genügt den Rebellen nicht, sie pochen weiterhin auf ihre vollständige Unabhängigkeit. Die Entflechtung der Wirtschaft und der Neuaufbau des Bankenwesens kommen ebenfalls nur schleppend voran, so dass sich Indonesiens Abwärtsspirale immer weiter dreht: Die Inkompetenz der Regierung, stabile Verhältnisse im Land herzustellen, schreckt ausländische Investoren ab und solange kein Geld ins Land kommt, werden wohl Unruhen und Unzufriedenheit fortbestehen. So ist die Euphorie nach dem demokratischen Wechsel im Land heute längst verflogen.

Quellenangabe:
  • CIA (2000): The World Factbook 2000 (http://www.cia.gov)
  • Dahm, B.; Ptak, R. (Hrsg.) (1999): Südostasien-Handbuch; München
  • Die Zeit vom 03.08.2000
  • Frankfurter Rundschau vom 17.09.99
  • Frankfurter Rundschau vom 27.10.99
  • Frankfurter Rundschau vom 09.06.00
  • Frankfurter Rundschau vom 08.08.00
  • Frankfurter Rundschau vom 15.11.00
  • Institute of Southeast Asien Studies (Ed.) (1998): Southeast Asian Affairs; Singapore
  • Spiegel-Almanach (1999): Alle Länder der Welt - Zahlen, Daten, Analysen; Hamburg

Christiane Potzner

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