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Schwache Beweislage

Indonesischer Geistlicher Baaschir im dritten Terrorismusprozeß vor Gericht. Staatsanwalt fordert lebenslange Haft

Von Thomas Berger *

Einmal mehr steht derzeit in Indonesien ein Mann vor Gericht, dessen Name auch weit jenseits der Landesgrenzen nicht unbekannt ist: Abu Bakar Baaschir. Er ist der wohl namhafteste islamische Geistliche des Inselstaates und soll angeblich der geistige Vater des islamischen Terrorismus indonesischer Prägung sein.

Allerdings ist die Beweislast dünn. Deshalb wurden bereits die schwerwiegendsten Anklagepunkte gegen den Geistlichen fallengelassen. Von anfangs sieben Kernvorwürfen bleibt kurz vor Ende des Verfahrens weniger als die Hälfte übrig, und zumindest die drohende Todesstrafe ist in jedem Fall vom Tisch, was seine Anhänger bereits als Erfolg feiern. Die Staatsanwaltschaft will mit den verbleibenden Punkten immerhin noch ein Urteil auf »lebenslang« erreichen. Doch ist der Ausgang des Prozesses momentan offen. Nachdem am Montag die Anklage ihre Urteilsforderung erhoben hatte, steht bei der Fortsetzung am 25. Mai das Plädoyer der Verteidigung an. Mehr als 2000 Polizisten hatten die Behörden rund um das Gericht aufgeboten. Sie befürchteten Unruhen, die aber ausblieben. »Die enormen Sicherheitsmaßnahmen lassen mich wie den Osama Indonesiens aussehen«, sagte Baaschir mit Blick auf die zahllosen Uniformierten.

Daß der 72jährige von tiefem Haß gegen alle »Ungläubigen« erfüllt ist, daran gibt es keinen Zweifel. Schon zu Zeiten der Suharto-Diktatur ging der Prediger 17 Jahre lang ins Exil. 1972 hatte er seine erste Koranschule gegründet, war 1978 dann verhaftet worden, weil seine Lehren sehr deutlich dem säkularen Konzept des Staates widersprachen. Nach seiner Freilassung ließ er sich im benachbarten Malaysia nieder und kehrte erst 1999 in die Heimat zurück, wo kurz zuvor mit einer Volkserhebung der Abtritt des langjährigen Machthabers Suharto erzwungen worden war. Baaschir knüpfte nahtlos an frühere Aktivitäten an, forderte insbesondere die landesweite Einführung der islamischen Gesetzgebung (Scharia).

2003 wurde ihm erstmalig unter Terrorismusvorwürfen der Prozeß gemacht. Er sollte in eine Serie von Bombenanschlägen auf Kirchen zu Weihnachten drei Jahre zuvor verwickelt gewesen sein. Die Beweise reichten nicht aus, verurteilt wurde er nur zu 20 Monaten wegen Einwanderungsvergehen. Kaum war er wieder auf freiem Fuß, folgte die nächste Anklage – diesmal wegen angeblicher Verstrickung in die Terrorakte 2002 auf der Ferieninsel Bali mit 202 Toten und den Bombenanschlag auf das Marriott-Hotel in Jakarta 2003. Weithin gilt Baaschir mindestens als »geistlicher Anführer« der ominösen Vereinigung Jemaah Islamiyah (JI), die wiederum als südostasiatischer Arm von Al-Qaida eingestuft wird.

Der Geistliche selbst hat alle Vorwürfe stets zurückgewiesen. Und in der Tat mußten seine Ankläger nicht nur 2003, sondern auch im zweiten Fall letztlich eine Niederlage einstecken. Ohnehin hatte es nur zu zweieinhalb Jahren Haft wegen »Beteiligung an einer terroristischen Verschwörung« gereicht, und selbst dieses Urteil hob der Oberste Gerichtshof 2006 auf.

Auch diesmal hat die Staatsanwaltschaft nichts Konkretes gegen ihn in der Hand. Seine Verbindung zu einem in Aceh ausgehobenen Terrorcamp ist nicht erwiesen. Dort sollten angeblich Anschläge wie im indischen Mumbai (Bombay) 2008 vorbereitet werden.

* Aus: junge Welt, 11. Mai 2011


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