Von Bomben und Zeitbomben
Zum Anschlag auf die Botschaft der Philippinen in Jakarta
Eine Stellungnahme von Watch Indonesia!
Waren philippinische Moslem-Extremisten oder deren Anhänger für den
Bombenanschlag auf die philippinische Botschaft in Jakarta
verantwortlich, bei dem vorgestern (am 1. August 2000) zwei Menschen getötet und ca. 20
weitere zum Teil schwer verletzt wurden?
Die Hongkonger South China Morning Post berichtet über
Spekulationen, denen zufolge Täter und Motive durchaus auch in
Indonesien selbst zu suchen sein könnten. Die Verdächtigungen gehen in
Richtung des Ex-Diktators Suharto einerseits sowie in Richtung eines
möglichen Zusammenhangs mit dem anhaltenden blutigen Konflikt auf den
Molukken andererseits.
Obgleich sich bislang keine dieser Mutmaßungen auch nur auf Ansätze von
Beweisen stützten kann, geben sie doch immerhin Aufschluss über die
Stimmungslage in Indonesien. Es existiert eine schier ungebremste
"Freude" an Verschwörungstheorien und kein Verbrechen scheint zu brutal
als dass es nicht umgehend den immer noch starken Kräften aus dem Umfeld
Suhartos zugeschrieben werden könnte. Solche Mutmaßungen sind zwar
hochspekulativ, aber keineswegs a priori absurd, wie die ernsthafte
Diskussion dieser Vorwürfe in der Jakarta Post beweist.
Interessant ist aber vor allem die zweite Richtung, in die sich die
Spekulationen bewegen: Gibt es Verbindungen zwischen den
Konfliktparteien auf den Molukken und bestimmten Kräften auf den
Philippinen? Die nord-molukkische Insel Halmahera liegt geographisch
deutlich näher an den philippinischen Krisenherden Jolo und Mindanao als
an Indonesiens "Hauptinsel" Java. Konkrete Anhaltspunkte für eine über
die Staatsgrenzen hinweg bestehende Zusammenarbeit der Bewegungen
liegen unseres Wissens bislang nicht vor. Spätestens der Anschlag auf
die philippinische Botschaft hat jedoch ins Bewusstsein gerufen, dass
es solche Verbindungen möglicherweise - zumindest in der Zukunft -geben
könnte.
Vor kurzem verkündeten die Befreiungsbewegungen in Aceh, Papua und Riau
in einer gemeinsamen Erklärung die Absicht, künftig enger
zusammenzuarbeiten. Der Kooperation dieser drei eigentlich
grundverschiedenen Bewegungen liegt die einfache Erkenntnis zugrunde,
dass das Verhältnis der Zentralregierung in Jakarta zu den Provinzen und
Minderheiten an der Peripherie des indonesischen Einheitsstaates
insgesamt gestört ist. Noch weiter gehend könnten die Entwicklungen im
Süden der Philippinen nun dazu beitragen, dass in Südostasien ganz
grundsätzlich die Frage nach der Identität von "Staat" und "Nation"
aufgeworfen wird. Bislang definierte sich die Identität dieser Staaten
weitgehend aus der Geschichte ihrer Kolonisierung - Indonesiens
Staatsgebiet umfasst die ehemals niederländischen Kolonien, die
Philippinen die spanischen bzw. US-amerikanischen und Malaysia die
britischen. Kulturelle, ethnische, religiöse und sprachliche
Gemeinsamkeiten finden sich zum Teil eher über Staatsgrenzen hinweg als
innerhalb des jeweiligen Staates. Sumatra (Indonesien) und die
malayische Halbinsel (West-Malaysia) oder West-Papua und Papua Neuguinea
beispielsweise haben in vieler Hinsicht sicher mehr Gemeinsamkeiten als
Sumatra und West-Papua untereinander.
Sollte es den Regierungen in Jakarta und Manila nicht bald gelingen, die
Identität ihrer Staaten in einer Weise neu zu definieren, die auch den
Völkern und Regionen an der Peripherie gerecht wird, werden
separatistische Bewegungen und Terrorakte zu einem Problem werden, das
nicht vor Staatsgrenzen Halt macht, sondern ganz Südostasien erschüttern
wird. Die von Indonesien erst jüngst wieder geltend gemachte
Nichteinmischungspolitik in "innere Angelegenheiten der Nachbarländer"
innerhalb des ASEAN-Bundes wird dieser Gefahr nicht gerecht und ist
daher auch im wohlverstandenen Eigeninteresse Indonesiens nicht
zweckdienlich.
Alex Flor, Watch Indonesia!
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