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Modi in Amerika

Indiens Medien berichteten überschäumend vom USA-Besuch ihres Premierministers

Von Hilmar König, Neu-Dehli *

Fast eine Woche lang haben die indischen Medien in beispielloser Manier über den Aufenthalt von Premierminister Narendra Modi in New York und Washington berichtet. Ziel der Veranstaltungen war, die amerikanische Öffentlichkeit vom Charisma des Gastes zu überzeugen, die bislang eher lauen Beziehungen zwischen Washington und Neu-Delhi zu verbessern und Indien als Investmentattraktion anzupreisen. Am Mittwoch kehrte er mit »Danke, Amerika« auf den Lippen und mit der Einschätzung, eine »gewaltig erfolgreiche« Mission erfüllt zu haben, nach Neu-Delhi zurück.

Heerscharen indischer Reporter folgten ihrem prominenten Landsmann auf Schritt und Tritt, bejubelten seine Rede vor der UN-Vollversammlung am Samstag, wo er eine »Internationale Konvention gegen den Terrorismus« vorschlug. Die Journalisten begleitete ihn in den Central Park, wo er vor 6.000 Menschen über die Armutsbekämpfung sprach. Auf allen Fernsehkanälen lief die Direktübertragung der Bollywood-Show aus dem Madison Square Garden, wo sich Modi als »Rockstar« vor 20.000 enthusiastischen Indoamerikanern präsentierte. Die Zeitungen berichteten von insgesamt 50 Begegnungen in fünf Tagen, darunter mit Israels Premier Benjamin Netanjahu und anderen Regierungschefs, aber auch mit Vertretern des Big Business, von der Kranzniederlegung am Gandhi-Denkmal in Washington und von der gemeinsam mit Präsident Barack Obama vorgenommenen Ehrung am Monument von Martin Luther King am Dienstag.

Die meisten Medien des Subkontinents zeichneten ein Bild von den über drei Millionen Indoamerikanern als Modi-Bewunderer, was nicht stimmt, denn die Diaspora ist keineswegs homogen. So gab es Demonstrationen einer Allianz für Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit, der Dutzende Menschenrechtsorganisationen angehören, gegen den Besuch des indischen Premiers. Die Allianz erreichte sogar eine gerichtliche Verfügung gegen den Gast wegen dessen Rolle bei den antimuslimischen Pogromen 2002 in Gujarat. Modis diplomatische Immunität verhinderte jedoch eine Vorladung.

Indische Zeitungen druckten den Leitartikel der Washington Post nach, den angeblich Obama und Modi verfaßt hatten. Darin bekunden sie ihre Absicht, »gemeinsam voranzuschreiten« und beschworen den Status als »natürliche Verbündete« und die »einzigartige Partnerschaft«. Und sie verkündeten ihre Vision, die »strategische Kooperation« für eine bessere Zukunft aller Nationen zu nutzen. Schon vor dem Treffen mit Präsident Obama am Dienstag stand für die indischen Medien der Erfolg dieser offiziellen Visite fest. Immerhin war Modi zehn Jahre lang nach den Massakern in Gujarat, wo er Chefminister war, die Einreise in die USA verweigert worden. Offenkundig hatte sein Public-Relations-Team nun wieder einmal, wie schon während der Wahlkampagne im Frühjahr, ganze Arbeit geleistet.

Die USA und Indien steckten in einer gemeinsamen Erklärung ihre künftige Zusammenarbeit ab. Vereint wollen sie gegen die weltweite terroristische Bedrohung angehen, für maritime Sicherheit sorgen und ihre Verteidigungskooperation verstärken. Als größter Lieferant von Rüstungsgütern in das südasiatische Land haben die USA inzwischen Rußland überholt, auch wenn sie nach wie vor zurückhaltend beim Transfer von Militärtechnologie sind. Waffen machen einen beträchtlichen Teil der US-Exporte nach Indien aus, die seit 2001 um 491 Prozent stiegen. Das bilaterale Handelsvolumen liegt bei 100 Milliarden Dollar und soll bis Ende der Dekade 500 Milliarden erreichen.

Die USA wollen laut der gemeinsamen Erklärung zum zu erwartenden Entwicklungsschub in Indien beitragen: so bei der Modernisierung von drei Städten, der Eisenbahn und anderen Projekten zur Verbesserung der Infrastruktur. Außerdem soll bei der Ausbildung von Facharbeitern, der Versorgung mit Trinkwasser und mit Energie, bei der Kampagne »Sauberes Indien«, die auf hygienische Verhältnisse zielt, sowie bei der Nutzung alternativer Energiequellen, aber auch beim Ausbau der Atomenergienutzung zusammengearbeitet werden.

Divergenzen, abgesehen von etlichen internationalen und regionalen Konflikten (Afghanistan, Pakistan, Irak und Syrien, Auseinandersetzungen in der Ukraine), bestehen nach wie vor beim Klimaschutz sowie zu Themen der Welthandelsorganisation. Hier hat für Indien die Nahrungssicherheit der Bevölkerung Vorrang vor Handelserleichterungen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. Oktober 2014


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