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Wieder nur Händeschütteln?

Indiens und Pakistans Premiers sprachen im russischen Ufa miteinander

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die südasiatische Region atmet auf. Endlich sprechen die Premiers Indiens und Pakistans wieder miteinander. »Gemeinsam gegen Armut, anstatt sich zu bekämpfen«, lautet ihre Botschaft. Die Regierungschefs der beiden nuklear bewaffneten Nachbarn trafen sich vorige Woche am Rande des Gipfeltreffens des Shanghaier Paktes im russischen Ufa.

Nach dem einstündigen Gespräch in der Hauptstadt der Föderationsrepublik Baschkortostan strahlten Narendra Modi und sein pakistanischer Kollege Nawaz Sharif in die Kameras. Demonstrativ schüttelten sie sich die Hände. Kurz darauf erhielten die Reporter die gemeinsame Erklärung zu diesem Treffen ausgehändigt. Was darin auffiel? Der Kaschmir-Konflikt, der im Zentrum des feindseligen Verhältnisses zwischen beiden Nachbarn steht, wird mit keinem Wort erwähnt. Rund drei Viertel des Textes behandeln Probleme des Terrorismus. Beide verurteilen ihn in all seinen Formen. Vom »zusammengesetzten Dialog«, also der gleichwertigen Behandlung aller Problemfelder, ist keine Rede mehr. Aber: Die nationalen Sicherheitsberater beider Regierungen werden zu Beratungen über Terrorismusfragen und Spitzenmilitärs zu direkten Kontakten verpflichtet. Zudem sagte Modi zu, anlässlich des nächsten Gipfeltreffens der Südasiatischen Vereinigung für Kooperation (SAARC) in Islamabad Pakistan besuchen zu wollen.

Offenkundig wird in dem Papier, dass Pakistan zurückgesteckt hat. Bei seiner Rede im Herbst 2014 vor der UNO hatte Sharif noch den Kaschmir-Disput in den Vordergrund gestellt. Dass dieser nun nicht erwähnt wird, bedeutet zwar, dass Islamabad Neu-Delhi einen Schritt entgegenkommt, aber nicht, dass der Konflikt vom Tisch ist. Es geht eher darum, guten Willen zu zeigen bei der Normalisierung der Beziehungen. Diese sind seit November 2008 im Keller, als ein aus Pakistan kommendes Terrorkommando unter Zivilisten in Mumbai ein Blutbad mit über 160 Toten anrichtete. Seitdem steht für Neu-Delhi das Thema Terrorismusbekämpfung an erster Stelle auf der Gesprächsliste mit dem Nachbarn.

Die Hoffnung auf Entspannung nährte im Mai vorigen Jahres Modi, als er zu seinem Amtsantritt auch Sharif begrüßte. Doch ein paar Monate später auf dem SAARC-Gipfel in Kathmandu würdigten beide sich kaum noch eines Blickes. Nun in Ufa wieder eine Wende, ein paar Schritte aufeinander zu. China und Russland, die 2001 die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) gründeten, sowie die USA und die UNO übten im Vorfeld der jüngsten Gespräche Druck auf die beiden Partner aus, vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen. Die SCO entschied in Ufa, Indien und Pakistan demnächst als Vollmitglieder aufzunehmen, natürlich als Kooperationspartner und nicht als Kampfhähne, die ihren Streit in die Organisation tragen. Die USA brauchen Indien als strategischen Partner in der Region, und gleichzeitig ist Pakistan für Washington traditionell ein Sonderverbündeter. Eine Aussöhnung zwischen beiden liegt somit im strategischen Interesse der USA. Die UNO bewertete das jüngste indisch-pakistanische Treffen als wichtig für die gesamte Region.

Das Medienecho in Pakistan war geteilt. Eine Gruppe sieht in den Gesprächen einen »Schritt zum Durchbruch« und verwies insbesondere auf den Appell der beiden Politiker, »gemeinsam gegen Armut vorzugehen, anstatt sich zu bekämpfen«. Die andere Seite kritisiert, Sharif sei eingeknickt, habe zu viele Zugeständnisse gemacht. Besonders kreidet sie ihm das Nichterwähnen Kaschmirs an. In den indischen Medien hingegen überwiegen positive Kommentare. Modi und Sharif hätten nach drei Kriegen und permanenten Gefechten an der Grenze die Hoffnung auf Entspannung, Normalisierung und Aussöhnung wiederbelebt. Aber ob das, was in der gemeinsamen Erklärung steht, auch umgesetzt wird, bleibe abzuwarten. Einige Blätter schlagen die nationalistische Trommel: Natürlich müsse der Schwächere, also Pakistan, das mit seinen vielen inneren Problemen als Staat versagt habe, dem Stärkeren entgegenkommen. Das sei Indien, das mehr und mehr zu einem globalen Spieler heranwächst.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 14. Juli 2015


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