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Gegenseitige Katastrophenhilfe

Sintflut in Kaschmir zwingt Indien und Pakistan zur Kooperation

Von Hilmar König *

Das Überschwemmungsdesaster im indischen und im pakistanischen Teil der Kaschmirregion zwingt die Regierungschefs beider Länder zur Kontaktaufnahme. Auf beiden Seiten der militärischen Kontrollinie ließen Dauerniederschläge in der vorigen Woche alle Flüsse über die Ufer treten. Riesige Landstriche, ganze Dörfer, Ackerflächen und Weiden wurden überflutet, Straßen, Brücken und Gebäude weggerissen. Weit über 300 Menschen kamen in den Wassermassen um, Zehntausende mußten flüchten. In Indien und in Pakistan sind neben den Katastrophendiensten auch die Streitkräfte im Einsatz, um Menschen zu retten und die Not zu lindern.

In dieser Situation begruben beide Regierungschefs für den Augenblick alle Streitigkeiten. Zwar hatte erst im August Neu-Delhi Vorbereitungsgespräche zur Wiederaufnahme des Friedensdialogs zwischen den Ländern einseitig abgesagt, doch jetzt boten beide Seiten einander humanitäre Unterstützung an. Am Sonntag teilte Narendra Modi dem pakistanischen Premier nach einem Besuch in der betroffenen Region mit, Indiens Ressourcen stünden Pakistan im Kampf gegen die Flut zur Verfügung. Er werde auf alle Anforderungen reagieren. Nawaz Sharif schickte eine ähnliche Botschaft und begrüßte Modis Angebot. Eine »solche Solidarität ist wirklich wertvoll«, teilte er mit. Da das gemeinsame Ziel Frieden und Stabilität sei, müsse man sich auch den tieferen Ursachen für die wiederkehrenden Überschwemmungen widmen. »Katastrophenmanagement sollte Teil unserer Agenda für Frieden und Entwicklung in der Region werden«, regte Sharif an.

Noch ist unklar, ob sich durch diese aus der Not geborene Kommunikation die Möglichkeit ergibt, den Dialogfaden wiederaufzunehmen. Indiens Außenministerin Sushma Swaraj meinte dazu jedenfalls am Montag, in der Diplomatie gebe es »keinen Schlußstrich«, und deutete damit ein Interesse an weiteren Gesprächen mit Pakistan an. Die nächste Gelegenheit dafür würde die UNO-Vollversammlung in New York noch in diesem Monat bieten.

Immerhin war Nawaz Sharif unter den Gästen zu Modis Amtseinführung Ende Mai in Neu-Delhi gewesen. Das war überall in Südasien als Geste gewertet worden, daß beide Seiten zu einem vernünftigen und konstruktiven Nachbarschaftsverhältnis bereit sind. Immerhin haben sie bereits dreimal gegeneinander Krieg geführt, der vierte stand 1999 mit dem Konflikt um den Distrikt Kargil in der Kaschmirregion kurz bevor.

Doch der weithin begrüßten Annäherung im Mai folgte im August mit der indischen Absage des Treffens der Staatssekretäre für auswärtige Beziehungen in Islamabad ein erneuter Tiefpunkt der diplomatischen Beziehungen. Neu-Delhi gab als Grund dafür an, daß der pakistanische Botschafter Vertreter der separatistischen kaschmirischen Hurriyat-Konferenz zu Gesprächen empfangen hatte. Das in einen indischen und einen pakistanischen Teil gespaltene Kaschmir ist seit 1947 »Zankapfel« und Stolperstein für die Normalisierung des indisch-pakistanischen Verhältnisses.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 10. September 2014


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