Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kommunisten mit neuem Chef

Zentralkomitee der KP Indiens (Marxistisch) wählte Sitaram Yechury zum neuen Generalsekretär

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Er gehört mit seinen 62 Jahren zu einem der jüngsten linken Spitzenpolitikern in Indien: Sitaram Yechury wurde am Sonntag auf dem 21. Parteitag der Kommunistischen Partei Indiens (Marxistisch) in Visakhapatnam zum neuen Generalsekretär gewählt. Das Zentralkomitee votierte einstimmig für ihn. Er ist der fünfte Generalsekretär der 1964 von der KP Indiens abgespaltenen Partei. Yechury folgt Prakash Karat, der nach zehn Jahren und drei Amtszeiten abtrat.

Zentrales Thema der Beratungen auf dem sechstägigen Parteitag war die Stärkung der Partei. Die KPI(M) hatte bei den Parlamentswahlen im April 2014 sieben der vormals 16 Sitze verloren. Im Unterhaus sind die Marxisten mit neun von 545 und im Oberhaus ebenfalls mit neun von 245 Abgeordneten vertreten.

Sitaram Yechury, der 1974 in der linken Studentenbewegung sein politisches Engagement begann, studierte an der renommierten Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi Wirtschaftswissenschaften. 1975 trat er der KPI(M) bei. Er ist seit 2005 Abgeordneter der Rajya Sabha, des Oberhauses des indischen Parlaments, und genießt den Respekt der anderen Parteien.

Vor ihm stehen schwierige Aufgaben: Er soll die Partei befähigen, die einstige rote Hochburg Westbengalen zurückzuerobern, die seit 2011 von der Regionalpartei Trinamool Congress unter deren Chefin Mamata Banerjee regiert wird. Ebenso wichtig ist, den Einfluss im sogenannten Hindi-Gürtel der nordindischen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Bihar zu verstärken, wo regionale Parteien herrschen und die hindunationalistische Indische Volkspartei (BJP) auf dem Vormarsch ist.

Außerdem muss ein Verjüngungsprozess eingeleitet werden. Von den über eine Million Mitgliedern der größten linken Partei Indiens sind gegenwärtig nur 6,5 Prozent jünger als 31 Jahre. Nachholbedarf besteht auch bei der Präsenz in den sozialen Medien, wo die BJP weitaus populärer ist.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Bündnispolitik. Das gilt zum einen für das gesamte linke Spektrum – im Bundesstaat Tripura existiert seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Linksfront-Regierung – sowie für Allianzen mit bürgerlichen Parteien wie der Kongresspartei. Auch Kooperationen mit den kürzlich zusammengeschlossenen Janata-Parteien, der Partei des kleinen Mannes (AAP) oder Regionalparteien wären möglich. Yechury gilt in dieser Hinsicht als aufgeschlossen.

In einer ersten Stellungnahme nach der Wahl bezeichnete der neue Generalsekretär den 21. Parteitag als »einen Kongress für die Zukunft der Partei, Indiens und der linken Einheit«. Man nehme die politische Arbeit mit neuen Impulsen und der Überzeugung auf, dass »wir gewinnen werden, wenn wir kämpfen«. Politischer Gegner sei die Regierung unter Premierminister Narendra Modi mit ihrem Kurs des Neoliberalismus, des Demokratieabbaus und der Erosion des Kommunalismus. Letzteres bedeutet in Indien die Ausnutzung und das Anstacheln religiöser Unterschiede für politische Interessen. Dies steht im Gegensatz zum in der Verfassung verankerten Säkularismus sowie der Gleichbehandlung aller Glaubensrichtungen von staatlicher Seite.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. April 2015


Zurück zur Indien-Seite

Zur Indien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage