Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Speerspitze gegen China?

Japan-Visite des indischen Premiers stärkt Beziehungen Tokios zu Neu-Delhi

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Der indische Premier Narendra Modi ist am Mittwoch von einem erfolgreichen Staatsbesuch in Japan zurückgekehrt. Der dominierende Eindruck: Die Chemie zwischen dem japanischen Premier Shinzo Abe und seinem Gast hätte nicht besser sein können. Modi erklärte in Tokio, von der Kooperation zwischen beiden Ländern hänge ab, wie »asiatisch das 21. Jahrhundert« geprägt werde. Ohne China beim Namen zu nennen, warnte er vor »Kräften des Expansionismus« und äußerte unter anderem: »Wir sehen diese Tendenzen. Manchmal ein Land umzingeln. Manchmal Zugang zu den Meeren anstreben. Und manchmal in ein Land eindringen, um es zu übernehmen.«

Diese Bemerkung löste in Indiens elektronischen Medien ziemlich wilde Spekulationen darüber aus, ob die Achse Delhi-Tokio so etwas wie eine Speerspitze gegen den großen Rivalen China sei. Die Printmedien waren in der Interpretation deutlich zurückhaltender. So schrieb der in Kalkutta erscheinende Telegraph: »Es ist absolut unverantwortlich, die Beziehungen Indien-Japan als eine Allianz gegen China zu betrachten.« Wie sich die indo-japanischen Beziehungen entwickeln, dürfe nicht die Zukunft des Verhältnisses zu China diktieren. Andere Zeitungen verwiesen darauf, daß Indien mit China in der BRICS-Gruppe zusammenarbeitet, in der außerdem Brasilien, Rußland und Südafrika Mitglieder sind. Unabhängig von diesem Aspekt hat der Besuch Modis die Achse Delhi-Tokio demonstrativ gestärkt.

Japan wird in den nächsten fünf Jahren 35,5 Milliarden Dollar in indische Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur, zur Nutzung sauberer Energiequellen, Ausbildung von Facharbeitern, Förderung der Agrarindustrie und Lebensmittelproduktion investieren. Abe kündigte in diesem Zusammenhang die umfassende Assistenz Japans bei der Verwirklichung des Modi- Traumes an, zwischen Ahmedabad und Mumbai einen Hochgeschwindigkeitszug à la Shinkansen auf die Strecke zu bringen. Im Büro des indischen Premiers wird ein Sonderteam eingesetzt, das japanische Investoren bevorzugt behandelt und dem zwei japanische Mitarbeiter angehören werden. Beide Seiten vereinbarten eine »Investment Promotion Partnership«. Modi erklärte vor Geschäftsleuten, als gebürtiger Gujarati (eine im Handel überaus aktive Bevölkerungsgruppe) habe er »Kommerz und Money im Blut«. Deshalb setze er sich dafür ein, mit gesetzlichen und administrativen Reformen dem Busineß geeignete Bedingungen zu schaffen.

Auch auf militärischem und sicherheitspolitischem Gebiet wird die Zusammenarbeit vertieft. So die strategische maritime Kooperation und die Sicherheit im Luftverkehr. Die gemeinsamen Seemanöver unter Beteiligung der US-Navy werden fortgesetzt. Tokio hob als Zeichen guten Willens die Restriktionen gegen sechs im Verteidigungssektor und in der Kosmosforschung engagierte indische Firmen auf. Sie waren nach den Atomtests 1998 auf eine japanische Sperrliste gesetzt worden.

Keinen Durchbruch brachte der Besuch beim Abschluß eines »zivilen nuklearen Geschäfts«, das japanischen Firmen die Lieferung von Komponenten für indische Atomreaktoren erlauben würde. Modi und Abe versicherten lediglich, die Verhandlungen darüber gingen weiter. Doch sie einigten sich darauf, die bestehende »strategische und globale Partnerschaft« aufzuwerten zu einer »speziellen strategischen und globalen Partnerschaft«. Modi erläuterte, das sei kein bedeutungsloses Wortspiel, sondern unterstreiche die Verantwortung, die Indien und Japan für Frieden, Sicherheit und Fortschritt empfinden.

* Aus: junge Welt, Freitag 5. September 2014


Zurück zur Indien-Seite

Zur Indien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Japan-Seite

Zur Japan-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur China-Seite

Zur China-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage