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Globale Werkbank

Indiens Premier Narendra Modi will heimische Wirtschaft antreiben und rollt dem Auslandskapital und ausländischen Produzenten den roten Teppich aus

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indien als globale Werkbank – davon träumt Premier Narendra Modi. Auf einer Konferenz vergangene Woche in Neu-Delhi startete er dazu offiziell die Kampagne »Make in India« (Produziert in Indien). Er plädierte dafür, das Auslandskapital solle sein Land nicht nur als riesigen Absatzmarkt betrachten, sondern auch als Produktionsstätte mit vielen Vorteilen begreifen. In- und ausländische Industriekapitäne begrüßten die Initiative.

Unter der seit Mai im Sattel sitzenden Regierung der (hindunationalistischen) Indischen Volkspartei (BJP) soll der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt von gegenwärtig 15 Prozent auf 25 Prozent steigen. Das ist eins der Ziele des Premierministers, der als »geschäftsfreundlich« gilt und kürzlich bekannte, er habe »Business und Money im Blut«. Mit der Kampagne »Make in India« visiert er dieses Ziel an. Modi hatte sein Projekt bereits am 15. August zum Unabhängigkeitstag angekündigt. Jetzt ließ er es in Anwesenheit von Hunderten in- und ausländischen Vertretern der Industrie und des Business, darunter Oligarchen wie Ambani, Birla, Tata und Wipro, offiziell vom Stapel.

Damit diese Aufgabe bewältigt werden kann, so Modi, sind sowohl mehr Auslandsdirektinvestitionen als auch ein stärkeres Engagement der indischen Industrie erforderlich. Beiden rollte er verbal den roten Teppich aus: Es soll für sie einfacher, weniger bürokratisch werden, hier zu investieren, zu produzieren und Geschäfte zu machen. Gegenwärtig liegt Indien im diesbezüglichen Ranking der Weltbank auf Position 134 von 189 Ländern. Modi will mindestens auf Rang 50 vorstoßen. Er warb um Vertrauen bei den Investoren. Im Ministerium für Handel wird eine Gruppe aus acht Personen gebildet, die Interessenten intensiv betreuen und deren Anfragen innerhalb von 72 Stunden klären wird. Für den Partner Japan gibt es ein Extragremium, in dem sogar zwei Japaner mitarbeiten.

Als gemeinsame Aufgabe bezeichnete der Regierungschef, die Kaufkraft der Inder zu erhöhen und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, damit die Armen in die Mittelklasse aufsteigen können. Je schneller das gelinge, desto größer würden auch die Möglichkeiten für die globale Geschäftswelt. Die ersten Schritte sind mit der Schaffung einer Behörde zur Entwicklung von Industriekorridoren getan. Fünf moderne Großstädte sollen am Delhi-Mumbai-Industriekorridor entstehen. 17 nationale Invest- und Produktionszonen hat die Regierung sanktioniert. Beim kürzlichen Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping vereinbarte man, je eine chinesische Wirtschaftssonderzone in den Bundesstaaten Gujarat und Maharashtra einzurichten. Insgesamt listet die Regierung 21 Wirtschaftsbereiche auf, die sie als geeignet für »Make in India« hält, darunter die Industrien Automobile, Chemikalien, Pharma, Textilien, Nahrungsmittel, Leder, Häfen, Flugwesen, Rüstung, Eisenbahn, Informationstechnologie, Tourismus und Hotels. Großen Wert legt sie dabei auf öffentlich-private Partnerschaften.

Die Teilnehmer der Industrie an der Konferenz in Neu-Delhi bewerteten die Initaitve insgesamt als »extrem positiv«, wiesen zugleich aber auch auf die noch bestehenden Hemmnisse hin: Zu hohe bürokratische Hürden, Besteuerungsprobleme, schwache Infrastruktur und Energieversorgung, Umweltverträglichkeitszertifizierung, Mangel an Facharbeitern. Darauf verwies unter anderen Franz Hauber, Exekutivdirektor von Bosch India. Er unterstrich, daß sich nach dem Regierungswechsel eine positive Stimmung ausgebreitet hat und gewaltiger Optimismus entstanden ist. Der Managing Direktor von Toyota Kirloskar, Naomi Isshi, sagte, die Kampagne »Make in India« werde vielen Ländern gegenseitigen Nutzen bringen – von der Schaffung von Arbeitsplätzen bis zum globalen Austausch von Talent und Fachkenntnissen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. Oktober 2014


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