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Neu-Delhi greift durch

Indiens neue Regierung will Maßnahmenplan gegen Verschmutzung des Ganges weiterführen. Behörden sperren 48 Betriebe wegen schädlicher Abwassereinleitungen

Von Thomas Berger *

Indiens neue Regierung unter der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) will die Anstrengungen zur Säuberung des Ganges fortführen. Der durch menschliche und industrielle Abwässer extrem verschmutzten Strom ist eine der wichtigsten Lebensadern Indiens, in seinem Einzugsgebiet leben 400 bis 500 Millionen Menschen. Die zuständige Behörde hat jetzt für 48 Betriebe am Flußlauf eine Schließung verfügt. Dies teilte der zuständige Staatsminister für Wasserressourcen und Gangesreinigung, Santosh Kumar Gangwar, Anfang Juli auf eine Anfrage aus der Rajya Sabha, dem Oberhaus des indischen Parlaments, mit. Weil bei den betroffenen Unternehmen die Einleitungen so stark und ein Klären der Abwässer so schwierig sei, habe es zu einem solchen Schritt keine Alternative gegeben. Ein Passus im Umweltschutzgesetz gibt die entsprechende Grundlage dafür. Weiteren 117 betrieblichen Einheiten seien Auflagen erteilt worden, um die Abwassereinleitung zu drosseln, so der Minister. Die State Pollution Control Boards (SPCB) als Immissionsschutzbehörden der einzelnen Unionsstaaten sind beauftragt, die Einhaltung der Verfügungen zu überwachen, erläuterte Gangwar. Insgesamt seien bis Mai – noch unter der von der Kongreßpartei (INC) angeführten Vorgängerregierung – 704 industrielle Anlagen am Ganges inspiziert worden, deren Abwässer in den Fluß gelangen. Gangwar informierte die Abgeordneten der Rajya Sabha auch darüber, daß auf Empfehlung der Ganges-Bassin-Behörde (NGRBA) seit 2010 drei Wasserkraftwerksprojekte an Indiens größtem Strom auf Eis gelegt worden seien

Der Ganges entspringt im Himalaja, hoch im Nordwesten Indiens. Nahe den »heiligen Städten« Rishikesh und Haridwar tritt er in die Ebene, die er ostwärts durchquert und vereinigt sich kurz vor seiner Mündung mit dem aus dem östlichen Himalaya kommenden Brahmaputra, um dann als Padma in den Golf von Bengalen zu fließen. Zuvor hat er auf seinem Weg zum Meer das gigantische Gangesdelta geschaffen – eine Region die von der Millionenmetropole Kolkata Richtung Osten auch große Teile des Staatsgebietes von Bangladesch umfaßt. Und er ist einer am stärksten verschmutzten Ströme der Erde. Viele Jahre hatte die NGRBA keine effektiven Maßnahmen zu einer Verbesserung der Situation auf den Weg bringen können. Enorme Geldsummen versickerten. Als letzte Möglichkeit, den Ganges für Mensch und Umwelt zu retten, wurde 2009 ein weiteres Großprojekt angeschoben, das einer kritischen Zwischenbilanz vor einigen Monaten zufolge bislang ebenfalls nicht recht vorankam.

Die 48 Fabrikschließungen sind indes ein erster effektiver Schritt. Daß es die neue Regierung ernst meint mit der Flußsanierung, soll auch der neue Staatshaushalt illustrieren. Dort werden für das aktuelle Finanzjahr (2014/2015) 20,37 Milliarden Rupien (250 Millionen Euro) eingestellt, die in unterschiedliche Einzelprogramme des Projekts fließen sollen. Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre zeigen allerdings, daß sich die Bürokratie mit der Umsetzung von Maßnahmen schwertut. Aber wenn das Umweltministerium in Delhi unter letztlicher Oberaufsicht des als bisheriger Chefminister (Ministerpräsident) von Gujarat für Verwaltungseffizienz gepriesenen aktuellen Premiers Narendra Modi weiter Druck macht, müssen die Ganges-Anrainer unter den Unionsstaaten mitziehen.

Ein Konsortium von sieben Hochtechnologieinstituten – die IITs, Delhi, Kanpur, Madras (Chennai), Bombay (Mumbai), Kharagpur, Guwahati und Roorkee – soll bis Ende August eine Studie zur Wassernutzung, Energiegewinnung und Ökologie am Ganges vorlegen. Das besagt eine weitere Ankündigung, die jetzt dem Oberhaus gemacht wurde. Die Experten stehen dabei vor der schwierigen Aufgabe, Umweltschutz und ökonomische Interessen an einer Nutzung des Flusses zur Energiegewinnung und Bewässerung (sofern es dann sauber genug dafür ist) in Einklang zu bringen.

* Aus: junge Welt, Dienstag 22. Juli 2014


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