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Glückwünsche aus Peking

Chinas Präsident Xi Jinping als Geburtstagsgast bei Indiens Premier Narendra Modi

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Drei Monate nach dem überwältigenden Wahlerfolg der hindufundamentalistischen Indischen Volkspartei (BJP) mußte diese bei Nachwahlen zu den Länderparlamenten etlicher Bundesstaaten schmerzliche Einbußen hinnehmen – ausgerechnet am Vorabend des 64. Geburtstages von Premier Narendra Modi. Prominentester Gratulant war am Mittwoch der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, der zu einem mehrtägigen offiziellen Besuch eintraf.

Angesichts der immer noch katastrophalen Situation nach den Überschwemmungen in der Kaschmir-Region hatte Premier Modi seine Parteifreunde dazu aufgerufen, seinen 64. Geburtstag nicht zu feiern, sondern sich auf Rettungs- und Hilfsaktionen für die in Not geratenen Landsleute zu konzentrieren. Trotzdem nutzte man in Ahmedabad, der Metropole seines Heimatstaates Gujarat, die Gelegenheit, anläßlich des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi auch Narendra Modi willkommen zu heißen und alles Gute zum Geburtstag zu wünschen. Die Millionenstadt zeigte sich festlich geschmückt. Riesige Fotos beider Politiker und überdimensionale Plakate und Losungen in Englisch, Mandarin, Hindi und der lokalen Sprache Gujarati hingen über den Hauptstraßen. Als protokollarisches Novum begann Xi seine dreitägige Visite nicht in der Landeshauptstadt Neu-Delhi, sondern in Ahmedabad. Die Absicht war unverkennbar, dem Besuch eine persönliche, familiäre Note zu geben. Der indische Premier hatte am Vortag gegenüber chinesischen Journalisten von einer »einzigartigen Chemie« gesprochen, die in der Gestaltung der bilateralen Beziehungen entscheidend sein kann. Bislang prägte Mißtrauen das Verhältnis zwischen den beiden Staaten.

Noch am Mittwoch wurden die ersten von rund 20 Abkommen zur Zusammenarbeit im kulturellen Bereich, im Handel, beim Ausbau der Infrastruktur und zu der Etablierung von zwei chinesischen Industrieparks sowie über Investitionen unterzeichnet. Peking möchte Indien in sein Vorhaben »Maritime Seidenstraße« einbeziehen. Neu-Delhi hat ein ähnliches Projekt namens »Mausam« für die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans in Vorbereitung. Erwartet wird kein Durchbruch, jedoch eine intensive Beratung des seit einem halben Jahrhundert bestehenden Grenzproblems am Himalaya. Modi und Xi kennen sich bereits vom Gipfeltreffen der BRICS-Staaten im brasilianischen Fortaleza im Juli. Beide bekunden durchaus ihr Interesse, den »Hinterhof« des anderen zu erkunden. Xi kommt gerade von Besuchen in Sri Lanka und auf den Malediven. Modi weilte kürzlich in Japan und Nepal und der indische Präsident Pranab Mukherjee in Vietnam.

Narendra Modi wollte sich vor dem Hintergrund des Wahlsieges vom Mai am Mittwoch eigentlich seinem Gast selbstbewußt präsentieren. Doch kurz zuvor waren die Ergebnisse von Nachwahlen zu den Länderparlamenten von Assam, Gujarat, Rajasthan, Uttar Pradesh und Westbengalen bekannt gegeben worden, in denen der BJP ein gehöriger Dämpfer verpaßt worden war. Sie errang nur 12 der 29 Mandate, was ein Abebben der Unterstützungswelle für Modi signalisiert. Die Opposition führte als Hauptgründe dafür die Kluft zwischen den himmelhohen Versprechungen und den bisher nur geringfügigen erreichten oder angeschobenen sozialen Verbesserungen ins Feld. Wenige Wochen nach den Parlamentswahlen, die die BJP unter dem Motto »Fortschritt für alle« überlegen gewonnen hatte, wechselte diese den Kurs. Modi schwieg, als hindunationalistische Radikale scharfmacherisch den Ton bestimmten und Themen strapazierten, die auf Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft zielen wie das Streben nach einem »Hindu-Reich« oder Anfeindungen gegenüber Muslimen. Diesen wurde unterstellt, einen »Liebes-Dschihad« zu führen, in dem leichtgläubige Hindumädchen verführt und zum Islam bekehrt würden sowie »Koranschulen als Terrorbrutstätten« zu nutzen. Damit sind offensichtlich aber bei den Wählern – Hindus wie Muslimen – keine Punkte zu holen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 18. September 2014


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